Das therapeutische Vorgehen richtet sich in erster Linie nach den vorliegenden Befunden und Diagnosen unter Berücksichtigung psychosozialer Aspekte und der individuellen Situation des Patienten, insbesondere seiner Komorbiditäten.
Medikamentöse und nichtmedikamentöse Therapiemaßnahmen
Während spezifische Rückenschmerzen kausale Behandlungsansätze ermöglichen, erfolgt die Therapie beim nichtspezifischen (nichtklassifizierten) Rückenschmerz symptomatisch unter Berücksichtigung der Beschwerdedauer (akut – chronisch).
Bezüglich der diagnostischen und therapeutischen Notfallmaßnahmen bei Dark Red
Flags sei auf die jeweilige Fachliteratur verwiesen.
Das therapeutische Vorgehen bei abklärungsbedürftigen Rückenschmerzen ist stichwortartig in Tab.
2 aufgeführt. Auch hier empfiehlt sich zur Vertiefung die spezielle Literatur.
Bezüglich der nichtspezifischen (nichtklassifizierten) Rückenschmerzen sind die in den Tab.
4,
5, und
6 genannten medikamentösen und nichtmedikamentösen Behandlungen in Anlehnung an die NVL
2017 zu empfehlen.
Tab. 4
Nichtmedikamentöse Therapieempfehlungen beim nichtspezifischen (nichtklassifizierten) Kreuzschmerz. (NVL
2017)
Prävention Patientenedukation Körperliche Aktivität und Bewegung Maßnahmen am Arbeitsplatz | ↑↑ ↑↑ ↑ | ↑↑ ↑↑ ↑ |
Rückenschule | ↔ | ↔ |
| ↑↑ | ↑↑ |
Manipulation/Mobilisierung | ↔ | ↔ |
| ↔ | ↑ |
Multimodale interdisziplinäre Therapie | ↑↑ Subakut | ↑↑ |
Rehabilitationssport und Funktionstraining | ↑ Subakut | ↑ |
Tab. 5
Nichtmedikamentöse empfohlene bzw. mögliche Therapiemaßnahmen beim nichtspezifischen Kreuzschmerz. (NVL
2017)
Wärmetherapie | ↔ | ↔ |
Kältetherapie | ↓ | ↓ |
Traktion (mit Gerät) | ↓↓ | ↓↓ |
Massage | ↓↓ | ↔ |
Orthesen | ↓↓ | ↓↓ |
Ergotherapie | ↓↓ | ↔ |
Interferenztherapie | ↓↓ | ↓↓ |
Kurzwellendiathermie | ↓↓ | ↓↓ |
Lasertherapie | ↓↓ | ↓↓ |
Magnetfeldtherapie | ↓↓ | ↓↓ |
Akupunktur | ↔ | ↔ |
Bettruhe | ↓↓ | ↓↓ |
| ↓↓ | ↑ |
Therapeutischer Ultraschall | ↓↓ | ↓↓ |
TENS | ↓↓ | ↓ |
PENS | ↓↓ | ↓↓ |
Bewegungstherapie, kombiniert mit edukativen Maßnahmen | ↔ | ↑↑ |
Kinesio-Taping | ↓↓ | ↓↓ |
Tab. 6
Empfehlungen zur medikamentösen Behandlung beim nichtspezifischen Kreuzschmerz. (NVL
2017)
| ↓ | ↓ |
tNSAR (oral) | ↑ | ↑ |
Cox-2-Hemmer | ↔ | ↔ |
Muskelrelaxantien (eingeschränkt) | ↓ | ↓↓ |
Perkutane Medikation | ↓ | ↓ |
Opioide (oral, streng kontrolliert) | ↔ | ↔ |
| ↓ | ↔ |
| ↓ | ↓ |
Phytotherapeutika Weidenrinde Teufelskralle | ↔ ↓ | ↔ ↓ |
Invasive Therapie | ↓↓ | ↓↓ |
| ↔ | ↔ |
Flupirtin | ↓↓ | ↓↓ |
UMP | ↓↓ | ↓↓ |
Topisch applizierte Medikameten Capsaicinpflaster und -cremes NSAR Beinwell (Symphytum officinale) | ↔ ↓↓ ↓ | ↔ ↓↓ ↓ |
Intravenös, intramuskulär und subkutan verabreichte Medikamente | ↓↓ | ↓↓ |
Invasive Therapiemaßnahmen und Operationen sind beim nichtspezifischen Rückenschmerz kontraindiziert. Bezüglich Einzelheiten der medikamentösen Behandlung wie auch der nichtmedikamentösen Maßnahmen, z. B. Physiotherapie, sei auf die entsprechenden Kapitel in diesem Buch verwiesen.
Im Vordergrund allen therapeutischen Geschehens steht die Beziehung zum Patienten und dessen Information, auf deren Aspekte die folgende Übersicht näher eingeht.
Explizit soll hier noch einmal auf die interdisziplinäre multimodale
Schmerztherapie eingegangen werden, die speziell beim chronischen, therapieresistenten Rückenschmerz am besten untersucht und evidenzbasiert ist.
Interdisziplinäre multimodale Behandlung
Der chronische, therapieresistente Rückenschmerz umfasst gleichzeitig somatische, psychische und soziale Dimensionen, die idealerweise durch ein interdisziplinäres Assessment erfasst werden und einer multimodalen Therapie bedürfen.
Unter interdisziplinärer multimodaler Therapie wird die gleichzeitige, in der Vorgehensweise integrierte sowie konzeptionell abgestimmte Behandlung von Patienten mit chronischen
Schmerzen verstanden. Ärzte mehrerer Fachrichtungen, Psychotherapeuten und Physiotherapeuten gehören ständig zum Behandlungsteam. Obligat sind die gemeinsame Beurteilung des Behandlungsverlaufs innerhalb regelmäßiger Teambesprechungen und die Einbindung aller Therapeuten (Nagel und Casser
2011). Dabei erfolgt die Diagnostik und Behandlung nach einem integrativen Konzept mit verhaltensmedizinischer Orientierung. Im Vordergrund stehen die medizinische und psychotherapeutische Behandlung, die Edukation,
Entspannungsverfahren und körperliche Übungsprogramme (Arnold et al.
2009).
Im DRG-System ist diese Therapieform durch die OPS 8-918 fest etabliert und damit auch vergütungsrelevant.
Die Programme können ambulant, teilstationär oder stationär durchgeführt werden. Die Evidenzlage multimodaler
Schmerztherapie ist vor allem beim Rückenschmerz inzwischen unstrittig (Flor et al.
1992; Guzman et al.
2002; Schonstein et al.
2002; Jensen et al.
2009; Hildebrandt und Pfingsten
2009). Auch im Hinblick auf die Kosten konnte nachgewiesen werden, dass multimodale Therapieprogramme beim Rückenschmerz nachhaltig erfolgreich sind und eine deutliche Kostenreduktion im weiteren Handlungsverlauf bewirken (Nagel und Korb
2009).
Voraussetzung eines multimodalen Therapieprogramms sollte die Indikationsprüfung durch ein interdisziplinäres Schmerzassessment (obige Übersicht) sein, wie es bei Therapieresistenz nach spätestens 6 bzw. 12 Wochen gefordert wird (NVL
2017).
Allgemeine Aspekte
Aufgrund der Abwesenheit von spezifischen Ursachen beim nichtspezifischen Kreuzschmerz kann eine Therapie nur symptomatisch erfolgen (NVL
2017).
Die NVL empfiehlt eine Aushandlung des individuellen Therapieplans zwischen Arzt und Patient unter Berücksichtigung der partizipativen Entscheidungsfindung. Das heißt, dass der Patient zuerst über seine Befunde, die bestehenden (leitlinienbezogenen) Therapieoptionen und die jeweiligen Vor- und Nachteile aufgeklärt werden sollte, um mit dem Arzt eigenverantwortlich den für ihn geeigneten Therapieplan festzulegen. Der Aufklärung helfen Materialien (wie z. B. die Patienteninformationen der AWMF/NVL zum nichtspezifischen Kreuzschmerz), aber auch ausreichende Gesprächszeit und die Berücksichtigung der Präferenzen des Patienten sowie der regionalen Gegebenheiten (NVL
2017). Dieses Vorgehen unterstützt bereits von Beginn an das Ziel der Aktivierung des Patienten und der Förderung der Eigenverantwortlichkeit. Die Gefahr der Überforderung des Patienten durch ein Überangebot an Informationen sowie divergierender Therapieangebote mit unterschiedlichen Vor- und Nachteilen für den Patienten besteht entsprechend seiner Vorbildung und intellektuellen Voraussetzungen. Aus diesem Grund ist Zeit für ausreichende Gespräche keine Bagatellforderung. Dass Edukation und Beratung unter Benennung der Eigeninitiative des Patienten allein bereits gute Effekte erzielt, hat sich in der wissenschaftlichen Untersuchung bereits gezeigt. Dabei ist davon auszugehen, dass diese Gespräche eher für einen längeren Zeitraum als üblich durchgeführt werden sollten (>2,5 h; Engers et al.
2008). Allerdings ist diese Form der ärztlichen Führung und Versorgung bisher in der Allgemeinversorgung nicht ausreichend in Abrechnungsziffern abgebildet.
Ein solches Vorgehen fördert die Akzeptanz und Motivation des Patienten, sich interdisziplinär-multimodalen und auch psychotherapeutischen Ansätzen rechtzeitig zu öffnen und verhindert die Iatrogenisierung der Patienten.
Therapieziele bzw. Beratungsansätze entsprechend der NVL sind vielfältig, primär aber auf Edukation und Motivation zu Verhaltensänderung ausgerichtet. Die Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung der körperlichen Aktivität und eine ausgewogene Belastungsregulation mit Berücksichtigung entspannender Erholungsphasen werden hier ausdrücklich benannt. Die Schmerzreduktion ist in diesem Zusammenhang kein primäres Ziel (NVL
2017).
Aus Erfahrung ist es jedoch zwingend die Aufgabe der interdisziplinären multimodalen Therapie, diese zusätzlichen Behandlungswege auf das individuelle Schmerzgeschehen des Patienten auszurichten, weil ansonsten von dessen Seite die Spaltung von Psyche und Körper weiter aufrechterhalten wird und die Therapieeffekte getrennt nebeneinander stehen.
Die NVL (2017) empfiehlt zur Therapie des chronischen Kreuzschmerzes die
progressive Muskelrelaxation (Jacobson
1939) sowie eine multimodal eingebettete
Verhaltenstherapie. Auch tiefenpsychologische Ansätze haben sich in den letzten Jahren entwickelt und werden in multimodalen Einrichtungen angewendet (nähere Erläuterungen dazu bei Senf und Gerlach
2011).
Wesentlich für einen längerfristigen Therapieerfolg ist die systematische Anleitung sowohl von
Entspannungsverfahren als auch von konkreten verhaltenstherapeutischen Ansätzen mit dem Fokus auf die selbständige Übernahme und Manifestation dieser Ansätze in den Lebensalltag der Patienten.
Das zentrale Behandlungsziel einer multimodalen Therapie chronischer
Schmerzen besteht in der Wiederherstellung der objektiven und subjektiven Funktionsfähigkeit („functional restoration“), die mit einer Steigerung der Kontrollfähigkeit und des Kompetenzgefühls des Patienten einhergeht und ressourcenorientiert therapeutisch unterstützt wird (Arnold et al.
2009).
Wie bei den allgemeinen Zielen der multimodalen
Schmerztherapie stehen dabei die Minderung der Beeinträchtigung und die Verbesserung der
Lebensqualität noch vor der Schmerzreduktion im Vordergrund. Gerade für Patienten mit chronischen Rückenschmerzen ist diese Reihenfolge bedeutsam, weil bei einer
Prävalenz auftretender Rückenschmerzen innerhalb eines Jahres von 40–60 % eine vollständige Schmerzfreiheit eher illusorisch erscheint. Wie Pfingsten et al. (
2012) herausstellen, liegt das Leiden des Rückenschmerzes unter Umständen auch darin, normale Befindlichkeitsstörungen aufgrund der allgemeinen Entwicklungen des Gesundheitswesens nicht mehr hinnehmen zu wollen. Aufgrund erhöhter Erwartungen an Gesundheit und Beschwerdefreiheit führt das zu krankheitswertigen Störungen bei normalen körperlichen Erscheinungen.
Psychotherapeutische Unterziele in der Therapie chronischer Rückenschmerzen sind derzeit in der Vermittlung eines biopsychosozialen Krankheitsmodells zu sehen, weiterhin in der Motivierung zu längerfristiger Verhaltensänderung, in der Wahrnehmungsförderung für Grenzen, Gefühle und Bedürfnisse, in der Förderung der Entspannungsfähigkeit und Körperwahrnehmung, in der Reduktion katastrophisierender und angstvermeidender Bewältigungsansätze sowie in der Verringerung von Hilflosigkeit und Rückzug. Bei Unveränderlichkeit der Beschwerden wird unter Umständen die Förderung von Akzeptanz für Unvermeidliches sowie die Unterstützung in der Entwicklung neuer Perspektiven nötig.
Kröner-Herwig (
2000) stellt stellvertretend für viele Autoren eindeutig heraus, dass Schmerzfreiheit kein angemessenes Ziel sein kann. Sie betont, dass in der Vermittlung eines angemessenen Schmerzmodells auch die Akzeptanz von
Schmerzen als notwendige und natürliche Phänomene beinhaltet sein muss.
Gerade der Einbezug psychologischer Variablen in das Modell chronischer
Schmerzen ist wesentlich für den Therapieerfolg, bedeutet aber auch eine große Herausforderung bei Patienten mit ausgeprägt somatischem Krankheitsbild.
In den letzten Jahren haben sich eine ganze Reihe unterschiedlicher therapeutischer Ansatzpunkte entwickelt, die in der Regel gerade im Kontext des chronischen Rückenschmerzes untersucht und evaluiert wurden. Wesentlich im deutschen Sprachraum und als Ausgangspunkt der Therapie chronischer Rückenschmerzen ist der kognitiv-verhaltenstherapeutische Ansatz von Basler (
2001) zu nennen. Sharoff (
2007) entwickelte einen emotionsorientierten Ansatz, der für die Bewältigung chronischer Erkrankungen konzipiert ist. Die Bedeutung der erlernten Hilflosigkeit für die Entwicklung chronischer Rückenschmerzen zeigen Hasenbring et al. (Fahland et al.
2012) anhand eines pfadanalytischen Ansatzes.
Gerade für den Rückenschmerz steht das Konzept der Fear Avoidance (Pfingsten
2001) sowohl in der Forschung als auch in der Therapie im Mittelpunkt. Ergänzt wird es von dem Avoidance-Endurance-Modell (Hasenbring und Verbunt
2010). Ängste vor aus der Bewegung resultierendem
Schmerz, die aufgrund katastrophisierender Bewertungen des Schadens bzw. zukünftigen Schadens (Katastrophisierung; Sullivan et al.
2001) verursacht sind, führen zu einem maladaptiven Schon- und Fehlverhalten, das die Schmerzen und deren Ausbreitung aufrechterhält und sogar verstärkt. Dekonditionierung des Muskelsystems, Passivität in der Lebensgestaltung und später depressive Reaktionen sind die Folge. Es entstanden dafür Therapiekonzepte ähnlich denen der Angstkonfrontation (Goubert et al.
2002). Das Vorgehen besteht in der geführten Konfrontation des Patienten mit der Bewegung und dem Schmerz. Durch die Veränderung katastrophisierender Annahmen wird die Erfahrung ermöglicht, dass aufgrund von Übungen und körperlicher Konditionierung mit Hilfe von Quotenplänen (zeitlich festgelegte Übungen, die in einem gewissen Zeitraum gesteigert werden) die Schmerzen zurückgehen. Die Patienten erlernen den Zusammenhang zwischen passiver Schonhaltung und zunehmendem Schmerz; mit Hilfe der Quotenpläne steigern sie ihre Leistungsfähigkeit graduell zunehmend und gewinnen auf diese Weise wieder Vertrauen in ihren Körper.
Weiterhin zeigten sich Hinweise darauf, dass eine flexible Zieladjustierung die Bewältigung eher unterstützt und den Therapieerfolg verbessert (Schmitz et al.
1996). In den letzten Jahren hat sich das Konzept der Akzeptanz des unveränderlichen Teils der Beschwerden im Schmerzbereich manifestiert (Dahl et al.
2005). Hier geht es vor allem darum, statische Bewältigungsversuche, die keine Verbesserung erzielen, durch die Förderung einer akzeptierenden Haltung aufzulösen. Damit wird Platz geschaffen, die entstandene Situation einerseits zu betrauern sowie andererseits neue Perspektiven in der Lebensführung zu entwickeln, die trotz des
Schmerzes das Leben des Patienten wieder zufriedenstellend ausfüllen können. Dieses Konzept wird sinnvollerweise ergänzt durch Achtsamkeitskonzepte (Heidenreich und Michalak
2003), in denen dem Patienten Fähigkeiten vermittelt werden, sich selbst, seinen Körper und die Umwelt mit ihren vielfältigen Beziehungen aufmerksam wahrzunehmen. Zentral ist hier, die Wahrnehmung in ihren Gegensätzen von angenehm/unangenehm wertfrei stehen zu lassen und damit eine Loslösung von oft wenig hilfreichen Kognitionen bzw. Emotionen zu erzielen, die auf starren Normen und Wertvorstellungen beruhen.
Für die Motivierung der Patienten zu veränderten Verhaltensweisen, die häufig das Ergebnis multimodaler Therapie chronischer Rückenschmerzen sind, wurden motivationsfördernde Konzepte (Rau et al.
2008) entwickelt und evaluiert. Der Transfer von körperlich übenden Verfahren, Entspannung und veränderten Bewältigungsansätzen ist essenziell für die Aufrechterhaltung und den Ausbau von guten Therapieergebnissen durch multimodale Therapie.
Im Wesentlichen fußt die psychotherapeutische Behandlung chronischer Rückenschmerzen vor allem auf folgenden Inhalten (Kap. „Psychotherapeutische und psychologische Verfahren in der Schmerzmedizin“; Kröner-Herwig
2000; Kröner-Herwig und Pfingsten
2012):
1.
Edukation, die sich auf die Vermittlung eines biopsychosozialen Krankheitsmodells bezieht. Darunter fallen auch die Vermittlung der Bedeutung schmerzbezogener Kognitionen und Emotionen, akzeptanzfördernder Maßnahmen und deren Hintergrund sowie weiterer Besonderheiten von chronischem Rückenschmerz, psychotherapeutischer Ansätze und multimodaler Therapie.
2.
Entspannung: Dabei hat sich gerade die PMR (
progressive Muskelrelaxation nach Jacobson, Kap. „Psychotherapeutische und psychologische Verfahren in der Schmerzmedizin“, Abschn. „Entspannungsverfahren“) bewährt, die in der Nationalen Versorgungsleitlinie Kreuzschmerz als Therapiebaustein empfohlen wird. Eine Entspannung allerdings allein reicht nicht aus; sie benötigt vor allem eine gute Vorbereitung mit Einbettung in das individuelle Krankheitsmodell des Patienten sowie eine regelmäßige Übung, die über die Anwendung in der multimodalen Therapiezeit hinausgeht und im Alltag konsequent weitergeführt werden muss. Dafür bedarf es ausreichender Informationen zu Bedeutung und Wirkungsweise der Entspannung auf den
Schmerz, der Veränderung unrealistischer Erwartungen (schnelle Schmerzfreiheit in und nach der Entspannung, das Auftreten ausschließlich angenehmer Körpererfahrungen etc.) sowie der Entkatastrophisierung unangenehmer körperlicher Phänomene, die gerade zu Beginn der Entspannung in der Regel auftreten (Schmerzverstärkung, Zuckungen, Kreislaufprobleme im Anschluss etc.).
3.
Biofeedback kann zum einen zur Abbildung der Entspannungsfähigkeit bei Patienten mit geringer Körperwahrnehmung und gleichzeitigem, hohem Widerstand gegen diese Maßnahme als Rückmeldung und Motivationshilfe eingesetzt werden. Es kann auch der Rückmeldung der Zusammenhänge zwischen psychischen und körperlichen Faktoren dienen.
4.
Möglich ist auch die Kontrolle körperlicher Übungen mit Hilfe eines tragbaren Gerätes.
5.
Im Mittelpunkt steht die Therapie nach den oben genannten Ansätzen, v. a. das Fear-Avoidance- bzw. das Avoidance-Endurance-Modell sowie die Akzeptanz- und Achtsamkeitsförderung.
Für die Vermittlung von veränderten Verhaltensweisen, z. B. konsequente Entspannungs- und körperliche Übungen sowie Ausdauer, die die Patienten nach der multimodalen Therapie aufrechterhalten sollen, bedarf es einer frühzeitigen Fokussierung auf den Transfer in den Alltag, der auch während der Therapie besprochen und zum Teil vollzogen werden muss.
In der Therapie sind die Hindernisse für die Umsetzung zu thematisieren, der Patient ist durch spezielle Übungen (z. B. Förderung der sozialen Kompetenz in Abgrenzungssituationen) bzw. Anregungen aus dem Gruppensetting vorzubereiten. Meist erweist sich eine nachfolgende ambulante
Verhaltenstherapie als nützlich, um den schwierigen Transfer zu unterstützen. Bei tiefergreifenden psychischen Schwierigkeiten der Patienten kann auch eine nachfolgende tiefenpsychologische Therapie nötig sein.
Wichtig ist das immerwährende Üben von Selbsthilfestrategien und Methoden zur Schmerzbewältigung; die Vermittlung von eigener, unmittelbarer Erfahrung ist für den Transfer und die Veränderung hochgradig bedeutsam (Frede
2011).
Bei bestehender Komorbidität oder besonders belastenden Umgebungs- bzw. Lebensbedingungen ist die Entscheidung über eine weiterführende psychotherapeutische Behandlung wesentlich. Diese muss mit dem Patienten besprochen und in sein individuelles Krankheitsmodell eingebettet werden. Inwieweit stationäre, teilstationäre oder ambulante Behandlungen nötig sind, ist jeweils individuell entsprechend dem Schweregrad zu entscheiden. Aus der Erfahrung hat sich jedoch gezeigt, dass solche Therapien vor allem dann sinnvoll und hilfreich waren, wenn die Patienten vorher eine klare Einordnung der psychischen Störung bzw. Befindlichkeitsstörung im Hinblick auf ihr Schmerzmodell erhielten, weil sie dann diese Maßnahmen als integriert erfuhren.
Fazit
Psychologische Ansätze in Diagnostik und Therapie des chronischen Rückenschmerzes gehen auf vielfältige
allgemeine Ansätze der Diagnostik und Therapie chronischer
Schmerzen und psychischer Bewältigungsmechanismen zurück. Darüber hinaus haben sich spezielle Ansätze für chronischen Rückenschmerz entwickelt. Die psychologische Therapie sollte im Idealfall im Rahmen eines multimodalen Programms erfolgen, was für die Psychotherapeuten eine erhebliche Entlastung bedeuten kann, weil die Vermittlung wesentlicher Inhalte und die Motivierung zu veränderten Sicht- und Verhaltensweisen durch verschiedene Disziplinen getragen wird. Anfängliche Vorbehalte des Patienten gegenüber
Psychotherapie bei chronischem Schmerz können durch die multimodale, alle Therapieformen gemeinsam akzeptierende Vorgehensweise aufgelöst werden. Oftmals ist erst dann eine Überweisung zu einer psychotherapeutischen Maßnahme bei Indikation sinnvoll möglich.