PIMS: Nach SARS-CoV-2-Infektion aus dem Nichts aufgetaucht

Mit PIMS hat die Coronapandemie der Pädiatrie eine neue Krankheit beschert, mit der zunächst niemand rechnet, die dann aber häufig dramatisch verlaufen kann. Da die Erkrankung gut behandelbar ist, ist es wichtig, sie so früh wie möglich zu diagnostizieren. Auch wenn derzeit über immer schneller steigende SARS-CoV-2-Infektionszahlen bei Kindern und Jugendlichen berichtet wird, müssen in Deutschland Patienten dieser Altersgruppe nur selten wegen COVID-19 stationär versorgt werden. Wie Prof. Reinhard Berner, Dresden, beim Pädiatrie-Update 2021 in Berlin berichtete, wurden in der gesamten Pandemiezeit in Deutschland bislang etwa 1000 Kinder in Kliniken behandelt, 50 von ihnen auf Intensivstationen. Anders als bei den Erwachsenen zeichnet sich bislang noch kein Wiederanstieg der Fallzahlen von COVID-19 auf den Kinderintensivstationen ab. Neues Krankheitsbild in der Pädiatrie Neben den schweren COVID-19-Fällen wird in den Kliniken allerdings bereits seit April 2020 weltweit ein völlig neues Krankheitsbild beobachtet, das dem Kawasaki-Syndrom ähnelt und als „Pädiatrisches hyperinflammatorisches Syndrom mit Multiorganbeteiligung“ (Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome, PIMS) oder Multiinflammatory Syndrome with COVID-19 (MIS-C) bezeichnet wird. Kinder, die diese Krankheit schwer trifft, sind, anders als bei COVID-19 in der Regel nicht durch Vorerkrankungen belastet. Doch das Krankheitsbild von PIMS ist schwerer als das von COVID-19 selbst. Berner berichtete, dass 7% der Kinder nachweisbare, wahrscheinlich nicht korrigierbare Folgeschäden hätten, die überwiegend das kardiovaskuläre System beträfen. Über die Pathophysiologie von PIMS wird noch weitgehend spekuliert. Eine Hypothese ist Berner zufolge, dass der HLA-Genotyp eine Rolle im Zusammenhang mit dem Zytokinsturm bei PIMS spielen könnte. Empfehlung der Redaktion Hautveränderungen 03.03.2021 | Schock | Kasuistiken Zur Zeit gratis Septischer Schock plus „pediatric inflammatory multisystem syndrome" beim Neunjährigen Ein Pandemie-Fallbericht: Ein Neunjähriger wird mit septischem Schock auf die Intensivstation aufgenommen. Hier bestätigt sich die zusätzliche Verdachtsdiagnose eines „pediatric inflammatory multisystem syndrome“ (PIMS). Im Verlauf zeigt sich deutlich, dass es beim PIMS – auch verzögert – zu einer mitunter bedrohlichen Verschlechterung der kardiorespiratorischen Situation kommen kann. Die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) hatte bis zum 31. 3. 2021 insgesamt 245 PIMS-Fälle erfasst. Wie Dr. Florian Hoffmann, München, beim Pädiatrie-Update 2021 berichtete, tritt PIMS mit einer zeitlichen Verzögerung von zwei bis vier Wochen zur SARS-CoV-2-Infektion auf. Viele der an PIMS erkrankten Kinder hatten zuvor nur leichte COVID-19-Symptome, die meisten waren asymptomatisch mit SARS-CoV-2 infiziert, sodass erst der Antikörpernachweis Klarheit brachte. Das Hauptsymptom bei PIMS ist hohes Fieber über 40 °C, das sich anders als bei COVID-19 nur schwer senken lässt. Ein Großteil der Kinder leidet an Durchfall und Erbrechen. Im Labor sind Entzündungsmarker wie CRP und Procalcitonin massiv erhöht, häufig besteht gleichzeitig eine relative Lymphopenie. Zum therapierefraktären Fieber kommt bei 76% der Kinder eine Myokarditis mit Funktionseinschränkung hinzu, 57% erleiden einen vasoplegischen Schock, bei 56% besteht ein Exanthem und bei 52% eine Konjunktivitis. Problematisch sind Hoffmann zufolge vor allem Koronardilatationen und -aneurysmen, die bei einem Viertel der Patienten auftreten. Insgesamt müssen etwa 70% dieser Kinder mit PIMS auf einer Intensivstation behandelt werden. Während das klassische Kawasaki-Syndrom in einem Alter von sechs Monaten bis fünf Jahren auftritt, sind PIMS-Patienten meist zwischen vier und 17 Jahre alt und erkranken weitaus schwerer. Das höchste Risiko für einen schweren Verlauf haben Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren. Die Abgrenzung zum Kawasaki-Syndrom ist nicht immer einfach, doch Lymphopenie und ein vasoplegischer Schock sowie Exantheme treten bei PIMS weitaus häufiger auf. Auch geht das Kawasaki-Syndrom nur sehr selten mit gastrointestinalen Symptomen einher. Bei hohem Fieber und gastrointestinalen Symptomen an PIMS denken! Wegen der Gefahr schwerer Organdysfunktionen ist das frühe Erkennen des PIMS wichtig. Alle Patienten, bei denen der Verdacht auf diese Erkrankung besteht, sollten Hoffmann zufolge mit Kortikosteroiden und hochdosierten intravenösen Immunglobulinen behandelt werden. „Die meisten Kinder sprechen auf diese Behandlung fantastisch an“, so Hoffmann, „und sind nach ein paar Tagen wieder gesund“. Besteht eine kardiale oder hämodynamische Manifestation, soll eine hoch dosierte ASS-Therapie ergänzt werden. Bei therapierefraktärem Verlauf und persistierender Inflammation kann eine IL1- oder IL5-Blockade erwogen werden. „Wir wissen“, so Hoffman, „dass die Infektionszahlen mit der Mutante B.1.1.7. auch in Schulen und Kitas in die Höhe schnellen werden. Damit ist auch ein Anstieg der Anzahl von PIMS-Patienten zu erwarten. Seien Sie deshalb bei verdächtigen Symptomen wie Fieberexanthem und gastrointestinalen Beschwerden aufmerksam!“ basierend auf: Berner, R. Dresden; Hoffmann, F., München. Vorträge beim Pädiatrie-Update, Berlin, 17. April 2021

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