Betende Hände verraten Diabetiker in Not

Ein junger Mann mit Typ-1-Diabetes leidet an zunehmender Steifigkeit beider Hände. Obwohl bei ihm keine Besserung der Beschwerden erreicht wird, hat die Diagnosestellung wichtige therapeutische Konsequenzen. An eine häufige und zugleich häufig übersehene Komplikation vor allem des Typ-1-, aber auch des Typ-2-Diabetes erinnert eine Kasuistik aus Neu-Delhi: Ein 23-Jähriger mit Typ-1-Diabetes stellt sich wegen einer seit sechs Monaten zunehmend schlimmer werdenden Steifigkeit beider Hände vor. Die Flexion und Extension der Fingergelenke sind eingeschränkt, sodass der Mann weder eine Faust machen noch seine Hände flach auf eine Tischplatte legen kann. Wenn er die Handinnenflächen gegeneinanderdrückt, zeigt sich das Zeichen der betenden Hände: Im Bereich der Interphalangealgelenke kommt es trotz maximaler Anstrengung nicht zu einer Berührung. Die Haut an den Händen ist wachsartig, gelblich und hart. Schmerzen, Parästhesien oder verstärkte Morgensteifigkeit bestehen nicht. Auf der Handinnenseite sind keine knotigen oder strangförmigen Verhärtungen tastbar, eine Dupuytren-Kontraktur wird daher ausgeschlossen. Da die Finger weder kribbeln noch taub sind, zudem Tinel-Zeichen und Phalen-Test negativ ausfallen, besteht auch kein Verdacht auf ein Karpaltunnelsyndrom. Ebenso fehlen Hinweise auf eine Sklerodaktylie, ein Raynaud-Phänomen oder eine systemische Sklerose. Glykosylierung verändert Kollagenstruktur Aufgrund der klinischen Befunde wird eine diabetische Cheiroarthropathie, auch Stiff-Hand-Syndrom genannt, diagnostiziert. Sie tritt laut den Autoren der Kasuistik bei bis zu 28% der Menschen mit Diabetes und bevorzugt bei Diabetes vom Typ 1 auf. Es wird vermutet, dass erhöhte Blutzuckerspiegel zu einer Glykosylierung und Quervernetzung von Kollagen führen und so dessen Abbau verhindern, was für die straffe wachsartige Haut an den Händen sorgt. Die diabetische Cheiroarthropathie kann daher ein Hinweis auf eine unzureichende Einstellung eines Diabetes sein. Das traf auch im Fall des indischen Patienten zu: Sein HbA1c lag bei 7,2%. Die aufgrund des Stiff-Hand-Syndroms veranlassten Untersuchungen förderten außerdem eine diabetische Retinopathie zutage; eine Nephropathie war nicht zu erkennen. Dem Patienten wurde daher eine Intensivierung seiner Insulintherapie und zusätzlich eine Physiotherapie empfohlen. Sechs Wochen später hatte sich die Beweglichkeit seiner Hände allerdings nicht verbessert. Der weitere Verlauf ist nicht bekannt. Oft mit mikrovaskulären Komplikationen assoziiert Rhea Ahuja und Ansari Nagar vom All India Institute of Medical Sciences, die den Fall veröffentlicht haben, betonen, dass das Erkennen einer diabetischen Cheiroarthropathie aus zweierlei Gründen bedeutsam ist – „nicht nur weil sie zu einer schweren Behinderung führen kann, sondern weil sie häufig auch mit mikrovaskulären Komplikationen assoziiert ist“. Der Schwerpunkt der Therapie besteht daher in einer Verbesserung der Blutzuckerkontrolle und in der Einleitung einer Physiotherapie. Symptomatische Maßnahmen wie NSAR, Analgetika oder intraartikuläre Steroide würden zwar auch eingesetzt, seien aber nur begrenzt wirksam. Eine vollständige Wiederherstellung der Handbeweglichkeit sei nicht zu erwarten.

Springer Medizin

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