Dem Beruf wurde während der COVID-19-Pandemie eine zentrale Rolle beim Infektions- und Krankheitsgeschehen zugesprochen. Für Deutschland liegen jedoch bisher nur wenige Auswertungen zu berufsbedingten Unterschieden bei COVID-19-Erkrankungsrisiken, COVID-19-assoziierten Krankenhausaufenthalten und Mortalität vor.
Methoden
Die Studie nutzt longitudinale Krankenkassendaten der Forschungsdatenbank des Instituts für angewandte Gesundheitsforschung (InGef) von 3,17 Mio. Versicherten zwischen 18 und 67 Jahren (1.488.452 Frauen, 1.684.705 Männer). Outcomes (Erkrankungsrisiko, Hospitalisierung und Mortalität) wurden durch übermittelte COVID-19-Diagnosen zwischen dem 01.01.2020 und 31.12.2021 bestimmt. Berufe wurden entlang von 4 Gruppierungen der amtlichen Systematik der Klassifikation der Berufe unterschieden. Neben kumulativen Inzidenzen bestimmen wir relative Risiken (RR) – jeweils getrennt für Männer und Frauen.
Ergebnisse
Erkrankungsrisiken sind in personenbezogenen Dienstleistungsberufen erhöht, insbesondere in Gesundheitsberufen im Vergleich zu den übrigen Berufen (RR für Frauen 1,46; für Männer 1,30). Ähnliches gilt für soziale und kulturelle Dienstleistungsberufe (allerdings nur bei Frauen) und für Fertigungsberufe (nur bei Männern). Zudem sind die Risiken für Krankenhausaufenthalte und Mortalität in Reinigungsberufen sowie in Verkehrs- und Logistikberufen (v. a. für Männer) erhöht. Für alle 3 Outcomes sind die Risiken in Berufen ohne Leitungsfunktion und entlang des Anforderungsniveaus höher (am höchsten für Helfertätigkeiten und am niedrigsten für Expertentätigkeiten).
Schlussfolgerung
Die Studie liefert wichtige Befunde zu berufsbedingten und geschlechtsabhängigen Unterschieden bei COVID-19-Morbidität und -Mortalität in Deutschland, die Ansatzpunkte für strukturelle Infektionsschutzmaßnahmen aufzeigen.
Auch 3 Jahre nach Beginn der COVID-19-Pandemie fehlen für Deutschland bevölkerungsweite Untersuchungen zur Frage, ob bestimmte Berufsgruppen besonders häufig von COVID-19 und schweren Erkrankungsverläufen betroffen waren. Dies ist umso erstaunlicher, da dem Beruf eine zentrale Rolle beim Infektions- und Krankheitsgeschehen zugesprochen wurde [1‐3] und berufsspezifische Interventionen ein erhebliches Präventionspotenzial hinsichtlich der Eindämmung des Infektionsgeschehens und Verringerung der Krankheitslast für zukünftige Pandemien haben könnten. Durch den vorliegenden Beitrag soll die Forschungslage zu berufsbedingten Unterschieden bei COVID-19-Morbidität und -Mortalität in Deutschland verbessert werden. Grundlage ist eine Auswertung von Krankenkassendaten von über 3 Mio. gesetzlich Versicherten mit Informationen zu COVID-19-Erkrankungen und -Krankheitsverläufen (genauer: COVID-19-assoziierte Krankenhausaufenthalte und Mortalität).
Dass bestimmte Berufe sowohl ein erhöhtes Risiko für eine SARS-CoV-2-Infektion als auch für einen schweren COVID-19-Verlauf haben, wurde bereits zu Beginn der Pandemie schnell deutlich. Hierzu gibt es zahlreiche Übersichtsarbeiten [3‐8]. Die ersten Studien stammten dabei aus den USA und England und konzentrierten sich vor allem auf sogenannte systemrelevante Berufe (englisch: „essential workers“). Dabei zeigten sich insbesondere höhere Infektionsrisiken bei Berufen im Gesundheitswesen (v. a. Pflege; [9]), aber auch in den Bereichen „Transport und Verkehr“ oder im produzierenden Gewerbe (v. a. Nahrungsmittelherstellung; [10]). Ähnliches zeigte sich auch in Untersuchungen zur Verlaufsschwere, in denen insbesondere während der ersten Pandemiephase (Frühjahr 2020) ein erhöhtes Risiko für Krankenhausaufenthalte oder Mortalität bei Personen in Gesundheitsberufen und bei SozialarbeiterInnen berichtet wurde [11]. Die meisten Studien konzentrierten sich allerdings auf relativ homogene Bevölkerungsgruppen (wie etwa bei seroepidemiologischen Studien in einzelnen Berufsgruppen) sowie auf lediglich einen kurzen Zeitraum der Pandemie. Damit liegt nur eine kleine Zahl von Studien vor und eine umfassende Untersuchung verschiedener Berufsgruppen für längere Zeiträume auf Basis breiter bevölkerungsbasierter Daten ist nicht möglich. Dies gilt insbesondere für Untersuchungen der Schwere eines COVID-19-Verlaufs (z. B. durch die Datenerhebung von Krankenhausaufenthalten), da sie in der Allgemeinbevölkerung insgesamt eher selten sind und deren Untersuchung größere Stichproben erfordert. Interessant ist eine Studie zum Infektionsgeschehen während der ersten (Februar bis Juli 2020) und zweiten Welle (Juli bis Dezember 2020) der Pandemie in Norwegen auf Basis von Registerdaten der Gesamtbevölkerung [12]. Diese zeigt ebenfalls, dass Personen in Gesundheitsberufen im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung wesentlich höhere Infektionsrisiken haben, aber auch, dass dies vor allem in der ersten Welle der Fall war. Während der zweiten Welle waren hingegen vor allem Beschäftigte in der Gastronomie und LehrerInnen betroffen. Für Deutschland liegt unseres Wissens bisher nur eine einzige bevölkerungsbasierte Studie zum Infektionsrisiko vor, die auf Basis von Daten der NAKO-Gesundheitsstudie das (selbstberichtete) Infektionsrisiko während der ersten Pandemiewelle analysiert [13]. Die Ergebnisse zeigen höhere Infektionsrisiken bei personenbezogenen Dienstleistungsberufen, aber interessanterweise auch bei Berufen mit hohem Qualifikationsniveau oder für Führungskräfte. Letzteres deckt sich mit Beobachtungen anderer Studien, nämlich dass zu Beginn der Pandemie die Infektionsraten in sozial benachteiligten Regionen teilweise niedriger waren und sich erst im Verlauf zu Ungunsten dieser benachteiligten Regionen umkehren (siehe hierzu auch [4, 14]). Dies unterstreicht, dass sich die Anfangszeit der Pandemie hinsichtlich gefundener Zusammenhänge von den übrigen Pandemiephasen unterscheiden könnte – vielleicht aufgrund höherer Reisemobilität (in Berufen mit hohem Qualifikationsniveau oder für Führungskräfte) vor Pandemiebeginn.
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Es liegen somit für Deutschland nur begrenzt Studien zu beruflichen Unterschieden bei COVID-19-Erkrankungen und zur Verlaufsschwere vor und es fehlen Studien, die beides auch über die erste Pandemiephase hinaus betrachten. Insgesamt fehlen bisher auch Betrachtungen, die Geschlechterunterschiede im Beruf berücksichtigen, wie z. B. den höheren Anteil von Frauen in der Pflege innerhalb der Gesundheitsberufe. Ziel des vorliegenden Beitrags es ist daher, berufliche Unterschiede hinsichtlich der Risiken einer COVID-19-Erkrankung, eines COVID-19-bedingten Krankenhausaufenthaltes sowie von COVID-19-assoziierter Mortalität für Männer und Frauen in Deutschland umfassend zu beschreiben. Als Datenbasis dienen Daten der gesetzlichen Krankenversicherung von mehr als 3,17 Mio. Versicherten über einen Zeitraum von 2 Jahren (2020 und 2021).
Methoden
Datenbasis
Die Daten stammen aus der Forschungsdatenbank (FDB) des Instituts für angewandte Gesundheitsforschung (InGef), welche bereits an anderer Stelle ausführlich beschrieben wurde [15]. Kurz zusammengefasst verfügt sie über anonymisierte Abrechnungsdaten im Längsschnitt (seit 2014) von rund 8,8 Mio. gesetzlich Versicherten, die von ca. 60 Krankenkassen (hauptsächlich Betriebs- oder Innungskrankenkassen) in ganz Deutschland an das InGef übermittelt werden. Dabei liegen neben Stammdaten der Versicherten (inkl. Geschlecht und Alter) auch detaillierte Daten zum Krankheitsverlauf (in Form von ICD-Codes), Informationen zu ambulanten und stationären Behandlungen sowie zu Arzneimittelverschreibungen und zur Arbeitsunfähigkeit vor. Dazu kommen vom Arbeitgeber übermittelte Details zum Beruf (auf Basis des Tätigkeitsschlüssels (TTS), s. unten).
Datenschutz und Ethik
Die Daten liegen anonymisiert vor und ermöglichen keine Rückschlüsse auf einzelne Versicherte, einzelne Leistungserbringer (z. B. ÄrztInnen, Praxen, Krankenhäuser, Apotheken) oder auf den Bestand einzelner Krankenkassen. Die Auswertungen durch InGef erfolgen ausschließlich in geschützter Umgebung (eigenes sicheres Laufwerk) gemäß geltenden Datenschutzrichtlinien (Bundesdatenschutzgesetz) sowie Empfehlungen der Guten Epidemiologischen Praxis (GEP) und der Guten Praxis Sekundärdatenanalyse (GPS). Die anonymisierte Datenanalyse erfolgt mit Zustimmung der Ethikkommission an der Medizinischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (Studien-Nr.: 2021-1710) im Einklang mit nationalem Recht sowie gemäß der Deklaration von Helsinki von 1975 (in der aktuellen, überarbeiteten Fassung).
Beobachtungszeitraum
Der Beobachtungszeitraum vom 01.01.2020 bis zum 31.12.2021 umfasst insgesamt 2 Jahre und somit die 4 Hauptinfektionswellen seit Pandemiebeginn – entsprechend der Phaseneinteilung des Robert Koch-Instituts [16, 17].
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Studienpopulation
Als Studienbasis dienen Daten der Versicherten, die am 01.01.2020 bei einer in der InGef-FDB enthaltenen Krankenkassen versichert waren (6,8 Mio.). Hiervon für die weitere Analyse eingeschlossen wurden nur Personen, die zu Beobachtungsbeginn im Erwerbsalter (18 bis 67 Jahre) sowie während des Beobachtungszeitraums durchgängig versichert waren bzw. in diesem Zeitraum verstorben sind. Ausgeschlossen wurden Versicherte, für die keine Berufsmerkmale auf Basis eines TTS ermittelt werden konnten. Daraus ergibt sich eine Nettostichprobe von 3.173.157 Versicherten (1.488.452 Frauen und 1.684.705 Männer). Dies entspricht ca. 10 % aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland im Januar 2020 (rund 33,6 Mio.; [18]). Einzelheiten zur Auswahl der Studienpopulation sind als Flussdiagramm im Onlinematerial (Abbildung S1) zusammengefasst.
COVID-19-bezogene Outcomes
Untersucht wurden die 3 COVID-19-bezogenen Outcomes:
a)
COVID-19-Erkrankungsrisiko: Eine Erkrankung an COVID-19 war hierbei definiert durch mindestens eine gesicherte Diagnose im Beobachtungszeitraum anhand des ICD-Codes U07.1! (COVID-19 laborbestätigt) – entweder ambulant oder als Haupt- oder Nebendiagnose im Rahmen einer stationären Versorgung
b)
COVID-19-bedingter Krankenhausaufenthalt, definiert als eine vollstationäre Krankenhausbehandlung, in dem die Diagnose U07.1! bei Aufnahme oder als Haupt- oder Nebendiagnose im Beobachtungszeitraum dokumentiert wurde
c)
COVID-19-assoziierte Mortalität: Hierzu zählen alle Todesfälle im Beobachtungszeitraum, die entweder innerhalb von 30 Tagen nach einer nachgewiesenen COVID-19-Erkrankung auftraten (ambulante COVID-19-Erkrankung und -Behandlung), die während eines COVID-19-bedingten Krankenhausaufenthalts verstarben oder die innerhalb von 14 Tagen nach einem vollstationären Krankenhausaufenthalt mit Haupt- oder Nebendiagnose U07.1! auftraten (basierend auf dem Entlassungsdatum)
Berufsmerkmale
Zur Bestimmung des Berufs nutzen wir 4 unterschiedliche Gruppierungen, die allesamt auf dem in der FDB zuletzt dokumentierten TTS beruhen (zwischen 2014 und 2019). Dieser TTS besteht aus insgesamt 9 Ziffern, die vom Arbeitgeber routinemäßig an die Krankenkassen übermittelt werden, wobei die ersten 5 Stellen gemäß der „Klassifikation der Berufe 2010“ (KldB 2010) kodiert sind und Details zur ausgeübten Tätigkeit enthalten [19, 20]. Beispiele sind der Code „81302“ (Gesundheits- und Krankenpfleger) oder „81393“ (Stationsleiter/Krankenpflege). Mit den ersten beiden Stellen der KldB können Berufssektoren (5 Kategorien) und Berufssegmente (14 Kategorien) bestimmt werden. Mit Hilfe der 4. und 5. Stelle lassen sich 2 Arten der Leitungsfunktion von Berufen ohne Leitungsfunktion abgrenzen (3 Kategorien) und die 5. Stelle enthält Informationen zum Anforderungsniveau (4 Kategorien). Berufssektoren und Berufssegmente ordnen Berufe in erster Linie nach berufsfachlichen Kriterien ein (d. h. horizontale Dimension mit berufsfachlicher Nähe innerhalb der Kategorien) und sind die 2 größtmöglichen Aggregationsstufen der KldB 2010. Anforderungsniveau und Leitungsfunktion beschreiben hingegen eine vertikale Struktur von Berufen entlang unterschiedlicher Komplexitätsgrade eines Berufes bzw. nach der Art der beruflichen Leitungsfunktion (Führungskräfte oder Aufsichtskräfte). Eine ausführliche Beschreibung der KldB 2010 und ihrer konzeptionellen Grundlagen findet sich an anderer Stelle [19, 20]. Die einzelnen Ausprägungen der Gruppierungen und deren Verteilung in der Studienpopulation zeigt Tab. 1.
Tab. 1
Beschreibung der Studienpopulation entlang der Berufsmerkmale für Frauen und Männer: Anzahl und Anteil der Beobachtungen nach Geschlecht (n = 3.173.157)
Frauen
(n = 1.488.452)
Männer
(n = 1.684.705)
–
Kategorie
Anzahl
%
Anzahl
%
Berufssektorena
Produktionsberufe
120.429
8,4
779.769
47,1
Personenbezogene Dienstleistungsberufe
470.102
32,6
141.547
8,5
Kaufmännische und unternehmensbez. Dienstleistungsberufe
704.986
48,9
391.635
23,6
IT- und naturwiss. Dienstleistungsberufe
31.543
2,2
100.682
6,1
Sonstige wirtschaftliche Dienstleistungsberufe
113.678
7,9
243.414
14,7
Berufssegmentea
Land‑, Forst- und Gartenbauberufe
9455
0,7
19.051
1,1
Fertigungsberufe
36.686
2,5
194.998
11,8
Fertigungstechnische Berufe
64.301
4,5
436.764
26,4
Bau- und Ausbauberufe
9987
0,7
128.956
7,8
Lebensmittel- und Gastgewerbeberufe
68.596
4,8
45.202
2,7
Med. u. nicht-med. Gesundheitsberufe
230.748
16,0
42.062
2,5
Soziale und kulturelle Dienstleistungsberufe
170.758
11,9
54.283
3,3
Handelsberufe
182.033
12,6
112.225
6,8
Berufe in Unternehmensführung und -organisation
298.055
20,7
162.503
9,8
Unternehmensbezogene Dienstleistungsberufe
224.898
15,6
116.907
7,1
IT- und naturwiss. Dienstleistungsberufe
31.543
2,2
100.682
6,1
Sicherheitsberufe
9264
0,6
24.789
1,5
Verkehrs- und Logistikberufe
57.226
4,0
206.225
12,4
Reinigungsberufe
47.188
3,3
12.400
0,7
Anforderungsniveaua
HelferInnen
199.552
13,9
181.903
11,0
Fachkräfte
929.056
64,5
983.958
59,4
SpezialistInnen
173.104
12,0
269.922
16,3
ExpertInnen
139.066
9,7
221.272
13,4
Leitungsfunktion
Aufsichtskräfte
18.517
1,2
60.888
3,6
Führungskräfte
21.548
1,4
55.557
3,3
Keine Leitungsfunktion
1.448.387
97,3
1.568.260
93,1
aFür 2,4 % der Versicherten liegen keine verwertbaren Informationen zum Berufssektor oder Berufssegment vor (n = 75.372). Gleiches gilt für Anforderungsniveau (n = 75.324)
Statistische Methoden
Alle Analysen erfolgten getrennt für Männer und Frauen, beginnend mit einer Beschreibung der Studienpopulation (Tab. 1) und einem Vergleich der Verteilung der Berufsmerkmale mit offiziellen Daten der Bundesagentur für Arbeit (Tabelle S1 im Onlinematerial). Als Nächstes wurden jeweils getrennt für die 3 Outcomes (Tab. 2, 3 und 4) Inzidenzen bzw. Mortalitätsraten entlang der 4 Berufsmerkmale betrachtet. Neben absoluten Zahlen (Anzahl Exponierter und Anzahl von Fällen) berechneten wir kumulative Inzidenzen (Fälle pro 100.000 Versicherte) über den Beobachtungszeitraum. Außerdem berechneten wir auf deren Basis relative Risiken (plus 95 %-Konfidenzintervalle). Anstatt eine bestimmte Berufsgruppe als Referenzgruppe bei der Bestimmung der relativen Risiken zu wählen (und damit die Risiken nur im Vergleich zu der gewählten Referenzgruppe zu bestimmen), dienten jeweils die verfügbaren kumulativen Inzidenzen aller übrigen Kategorien als Referenzkategorie (bspw. Produktionsberufe im Vergleich zu allen anderen Berufen). Damit geben die relativen Risiken darüber Auskunft, wie das durchschnittliche Risiko der Versicherten einer Berufsgruppe im Vergleich zu dem Risiko der jeweils übrigen Berufsgruppen ist [12]. Die Datentabellen wurden von InGef aus der FDB extrahiert und die Berechnungen und Abbildungen erfolgten mit Stata 16.
Tab. 2
COVID-19-Erkrankungen nach Berufsmerkmalen für Frauen und Männer
Frauen
Männer
–
–
Anzahl
Fälle
Kum. Inzidenz
(pro 100.000)
RRa
Anzahl
Fälle
Kum. Inzidenz
(pro 100.000)
RRa
(KI 95 %)
Berufssektoren
Produktionsberufe
120.429
7699
6393
0,93
779.769
52.585
6744
1,16
(1,15–1,18)
Personenbezogene Dienstleistungsberufe
470.102
40.569
8630
1,44
141.547
9579
6767
1,09
(1,07–1,11)
Kaufmännische und unternehmensbez. Dienstleistungsberufe
704.986
41.164
5839
0,75
391.635
21.216
5417
0,83
(0,82–0,85)
IT- und naturwiss. Dienstleistungsberufe
31.543
1623
5145
0,75
100.682
5161
5126
0,81
(0,79–0,83)
Sonstige wirtschaftliche Dienstleistungsberufe
113.678
7729
6799
0,99
243.414
14.972
6151
0,98
(0,97–1,00)
Berufssegmente
Land‑, Forst- und Gartenbauberufe
9455
456
4823
0,70
19.051
902
4735
0,76
(0,71–0,81)
Fertigungsberufe
36.686
2505
6828
1,00
194.998
15.031
7708
1,27
(1,25–1,30)
Fertigungstechnische Berufe
64.301
4133
6428
0,93
436.764
28.441
6512
1,06
(1,04–1,07)
Bau- und Ausbauberufe
9987
605
6058
0,88
128.956
8211
6367
1,02
(1,00–1,04)
Lebensmittel- und Gastgewerbeberufe
68.596
4333
6317
0,92
45.202
2723
6024
0,96
(0,93–1,00)
Med. u. nicht-med. Gesundheitsberufe
230.748
21.525
9328
1,46
42.062
3397
8076
1,30
(1,26–1,35)
Soziale und kulturelle Dienstleistungsberufe
170.758
14.711
8615
1,30
54.283
3459
6372
1,02
(0,99–1,05)
Handelsberufe
182.033
11.493
6314
0,91
112.225
6617
5896
0,94
(0,92–0,96)
Berufe in Unternehmensführung und -organisation
298.055
16.936
5682
0,79
162.503
8869
5458
0,86
(0,84–0,88)
Unternehmensbezogene Dienstleistungsberufe
224.898
12.735
5663
0,80
116.907
5730
4901
0,77
(0,75–0,79)
IT- und naturwiss. Dienstleistungsberufe
31.543
1623
5145
0,75
100.682
5161
5126
0,81
(0,79–0,83)
Sicherheitsberufe
9264
537
5797
0,84
24.789
1416
5712
0,91
(0,87–0,96)
Verkehrs- und Logistikberufe
57.226
3686
6441
0,94
206.225
12.810
6212
0,99
(0,98–1,01)
Reinigungsberufe
47.188
3506
7430
1,09
12.400
746
6016
0,96
(0,90–1,03)
Anforderungsniveau
HelferInnen
199.552
15.364
7699
1,15
181.903
12.599
6926
1,12
(1,10–1,14)
Fachkräfte
929.056
65.077
7005
1,06
983.958
64.130
6518
1,11
(1,10–1,13)
SpezialistInnen
173.104
10.283
5940
0,85
269.922
15.581
5772
0,91
(0,90–0,93)
ExpertInnen
139.066
8061
5797
0,83
221.272
11.204
5063
0,79
(0,77–0,80)
Leitungsfunktion
Aufsichtskräfte
18.517
1107
5978
0,88
60.888
3733
6131
0,99
(0,96–1,02)
Führungskräfte
21.548
1227
5694
0,83
55.557
2991
5384
0,86
(0,83–0,89)
Keine Leitungsfunktion
1.448.387
99.061
6839
1,17
1.568.260
97.927
6244
1,08
(1,06–1,11)
Anzahl Anzahl der Beobachtungen, Fälle Anzahl der Fälle, kumulative Inzidenzen pro 100.000, RR relatives Risiko, KI 95% 95 %-Konfidenzintervalle
aAls Referenzgruppe dienen die verfügbaren kumulativen Inzidenzen der übrigen Kategorien
Tab. 3
COVID-19-assoziierter Krankenhausaufenthalt nach Berufsmerkmalen für Frauen und Männer
Frauen
Männer
–
–
Anzahl
Fälle
Kum. Inzidenz
(pro 100.000)
RRa
(KI 95 %)
Anzahl
Fälle
Kum. Inzidenz
(pro 100.000)
RRa
(KI 95 %)
Berufssektoren
Produktionsberufe
120.429
306
254
1,19
(1,06–1,34)
779.769
2790
358
1,14
(1,09–1,21)
Personenbezogene Dienstleistungsberufe
470.102
1165
248
1,22
(1,14–1,32)
141.547
406
287
0,85
(0,77–0,94)
Kaufmännische und unternehmensbez. Dienstleistungsberufe
704.986
1179
167
0,63
(0,59–0,68)
391.635
942
241
0,66
(0,62–0,71)
IT- und naturwiss. Dienstleistungsberufe
31.543
51
162
0,74
(0,56–0,98)
100.682
213
212
0,62
(0,54–0,71)
Sonstige wirtschaftliche Dienstleistungsberufe
113.678
429
377
1,85
(1,67–2,05)
243.414
1181
485
1,58
(1,48–1,68)
Berufssegmente
Land‑, Forst- und Gartenbauberufe
9455
12
127
0,58
(0,33–1,03)
19.051
47
247
0,74
(0,55–0,98)
Fertigungsberufe
36.686
91
248
1,15
(0,93–1,41)
194.998
909
466
1,47
(1,37–1,58)
Fertigungstechnische Berufe
64.301
179
278
1,30
(1,12–1,51)
436.764
1397
320
0,94
(0,89–1,00)
Bau- und Ausbauberufe
9987
24
240
1,11
(0,74–1,65)
128.956
437
339
1,02
(0,92–1,12)
Lebensmittel- und Gastgewerbeberufe
68.596
185
270
1,26
(1,08–1,46)
45.202
159
352
1,06
(0,90–1,24)
Med. u. nicht-med. Gesundheitsberufe
230.748
624
270
1,31
(1,20–1,43)
42.062
120
285
0,85
(0,71–1,02)
Soziale und kulturelle Dienstleistungsberufe
170.758
356
208
0,95
(0,85–1,07)
54.283
127
234
0,69
(0,58–0,83)
Handelsberufe
182.033
360
198
0,90
(0,81–1,00)
112.225
288
257
0,76
(0,67–0,85)
Berufe in Unternehmensführung und -organisation
298.055
475
159
0,69
(0,62–0,76)
162.503
432
266
0,78
(0,71–0,86)
Unternehmensbezogene Dienstleistungsberufe
224.898
344
153
0,67
(0,60–0,75)
116.907
222
190
0,55
(0,48–0,63)
IT- und naturwiss. Dienstleistungsberufe
31.543
51
162
0,74
(0,56–0,98)
100.682
213
212
0,62
(0,54–0,71)
Sicherheitsberufe
9264
27
291
1,34
(0,92–1,96)
24.789
107
432
1,30
(1,07–1,57)
Verkehrs- und Logistikberufe
57.226
157
274
1,28
(1,09–1,50)
206.225
999
484
1,55
(1,45–1,66)
Reinigungsberufe
47.188
245
519
2,51
(2,20–2,86)
12.400
75
605
1,82
(1,45–2,29)
Anforderungsniveau
HelferInnen
199.552
746
374
1,95
(1,79–2,11)
181.903
898
494
1,57
(1,46–1,69)
Fachkräfte
929.056
1888
203
0,84
(0,78–0,90)
983.958
3474
353
1,15
(1,09–1,22)
SpezialistInnen
173.104
290
168
0,75
(0,66–0,84)
269.922
705
261
0,75
(0,69–0,81)
ExpertInnen
139.066
206
148
0,66
(0,57–0,76)
221.272
455
206
0,58
(0,53–0,64)
Leitungsfunktion
Aufsichtskräfte
18.517
31
167
0,73
(0,51–1,04)
60.888
173
284
0,83
(0,71–0,96)
Führungskräfte
21.548
47
218
0,95
(0,71–1,27)
55.557
142
256
0,74
(0,63–0,88)
Keine Leitungsfunktion
1.448.387
3336
230
1,18
(0,95–1,48)
1.568.260
5441
347
1,28
(1,15–1,44)
Anzahl Anzahl der Beobachtungen, Fälle Anzahl der Fälle, kumulative Inzidenzen pro 100.000, RR relatives Risiko, KI 95% 95 %-Konfidenzintervalle
aAls Referenzgruppe dienen die verfügbaren kumulativen Inzidenzen der übrigen Kategorien
Tab. 4
COVID-19-Mortalität nach Berufsmerkmalen für Frauen und Männer
Frauen
Männer
–
–
Anzahl
Fällea
Kum. Inzidenz
(pro 100.000)
RRb
(KI 95 %)
Anzahl
Fällea
Kum. Inzidenz
(pro 100.000)
RRb
(KI 95 %)
Berufssektoren
Produktionsberufe
120.429
22
18
1,95
(1,24–3,06)
779.769
253
32
1,19
(0,99–1,42)
Personenbezogene Dienstleistungsberufe
470.102
49
10
1,04
(0,74–1,47)
141.547
23
16
0,52
(0,34–0,80)
Kaufmännische und unternehmensbez. Dienstleistungsberufe
704.986
47
7
0,49
(0,34–0,69)
391.635
73
19
0,56
(0,44–0,72)
IT- und naturwiss. Dienstleistungsberufe
31.543
< 5
–
–
–
100.682
16
16
0,52
(0,32–0,85)
Sonstige wirtschaftliche Dienstleistungsberufe
113.678
25
22
2,41
(1,57–3,72)
243.414
128
53
2,04
(1,67–2,49)
Berufssegmente
Land‑, Forst- und Gartenbauberufe
9455
0
0
–
–
19.051
< 5
–
–
–
Fertigungsberufe
36.686
9
25
2,51
(1,28–4,93)
194.998
97
50
1,79
(1,43–2,24)
Fertigungstechnische Berufe
64.301
13
20
2,09
(1,18–3,70)
436.764
116
27
0,83
(0,68–1,02)
Bau- und Ausbauberufe
9987
0
0
–
–
128.956
37
29
0,94
(0,67–1,31)
Lebensmittel- und Gastgewerbeberufe
68.596
10
15
1,47
(0,77–2,79)
45.202
11
24
0,79
(0,44–1,44)
Med. u. nicht-med. Gesundheitsberufe
230.748
22
10
0,93
(0,59–1,46)
42.062
< 5
–
–
–
Soziale und kulturelle Dienstleistungsberufe
170.758
17
10
0,98
(0,59–1,62)
54.283
8
15
0,48
(0,24–0,96)
Handelsberufe
182.033
11
6
0,56
(0,30–1,04)
112.225
18
16
0,51
(0,32–0,81)
Berufe in Unternehmensführung und -organisation
298.055
23
8
0,71
(0,46–1,12)
162.503
35
22
0,68
(0,49–0,97)
Unternehmensbezogene Dienstleistungsberufe
224.898
13
6
0,53
(0,30–0,93)
116.907
20
17
0,54
(0,35–0,85)
IT- und naturwiss. Dienstleistungsberufe
31.543
< 5
–
–
–
100.682
16
16
0,51
(0,31–0,83)
Sicherheitsberufe
9264
0
0
–
–
24.789
15
61
2,02
(1,21–3,37)
Verkehrs- und Logistikberufe
57.226
12
21
2,16
(1,20–3,91)
206.225
106
51
1,88
(1,52–2,33)
Reinigungsberufe
47.188
13
28
2,89
(1,63–5,10)
12.400
7
56
1,87
(0,89–3,93)
Anforderungsniveau
HelferInnen
199.552
39
20
2,27
(1,57–3,27)
181.903
83
46
1,64
(1,30–2,08)
Fachkräfte
929.056
83
9
0,73
(0,52–1,01)
983.958
319
32
1,25
(1,04–1,51)
SpezialistInnen
173.104
15
9
0,84
(0,49–1,43)
269.922
58
21
0,69
(0,52–0,90)
ExpertInnen
139.066
9
6
0,61
(0,31–1,21)
221.272
33
15
0,47
(0,33–0,66)
Leitungsfunktion
Aufsichtskräfte
18.517
< 5
–
–
–
60.888
16
26
0,83
(0,50–1,36)
Führungskräfte
21.548
< 5
–
–
–
55.557
16
29
0,91
(0,55–1,49)
Keine Leitungsfunktion
1.448.387
168
12
–
–
1.568.260
501
32
1,16
(0,81–1,66)
Anzahl Anzahl der Beobachtungen, Fälle Anzahl der Fälle, kumulative Inzidenzen pro 100.000, RR relatives Risiko, KI 95% 95 %-Konfidenzintervalle
aWerte zwischen 1 und 4 werden in den Daten aus Datenschutzgründen nicht weiter spezifiziert und als „< 5“ ausgegeben. Eine genaue Bestimmung der kumulativen Inzidenz ist daher nicht möglich
bAls Referenzgruppe dienen die verfügbaren kumulativen Inzidenzen der übrigen Kategorien
Ergebnisse
Die Studienpopulation von 3,17 Mio. Versicherten umfasst etwas mehr Männer als Frauen (Tab. 1). Des Weiteren finden sich geschlechterbezogene Unterschiede im Beruf. Männer arbeiten im Vergleich zu Frauen deutlich häufiger in Produktionsberufen sowie in IT- und naturwissenschaftlichen Dienstleistungsberufen, wohingegen Frauen im Vergleich zu Männern häufiger in personenbezogenen, kaufmännischen und unternehmensbezogenen Dienstleistungsberufen arbeiten. Zudem sind Männer vergleichsweise häufiger als Aufsichts- oder Führungskraft tätig und das Anforderungsniveau wird häufiger dem eines Spezialisten oder Experten zugeordnet. Weitere Auswertungen im Onlinematerial (Tabelle S1) zeigen zudem, dass die Verteilung der hier verwendeten Berufsmerkmale gut mit den Daten der Bundesagentur für Arbeit für die Gesamtbevölkerung der Erwerbstätigen in Deutschland übereinstimmt [39].
Die zentralen Ergebnisse zu den beruflichen Unterschieden in Bezug auf COVID-19-Morbidität und -Mortalität sind in den Tab. 2, 3 und 4 dargestellt (jeweils für COVID-19-Erkrankungen, Krankenhausaufenthalte und COVID-19-assoziierte Mortalität). Erhöhte Risiken für COVID-19-Erkrankungen finden sich in personenbezogenen Dienstleistungsberufen oder in medizinischen und nicht-medizinischen Gesundheitsberufen. Das gilt vor allem für Frauen in Gesundheitsberufen, mit relativen Risiken von über 1,4 im Vergleich zu Frauen in übrigen Berufen. Geschlechtsabhängige Unterschiede für ein Erkrankungsrisiko innerhalb von Berufsgruppen finden sich auch bei sozialen und kulturellen Dienstleistungsberufen (höhere Risiken nur für Frauen) und bei Fertigungsberufen (höhere Risiken nur für Männer). Bezüglich des Anforderungsniveaus oder der Leitungsfunktion sind die Ergebnisse für Männer und Frauen ähnlich, mit höchsten Erkrankungsrisiken bei Helfertätigkeiten oder Berufen ohne Leitungsfunktion. Ähnlich sieht es hier in Bezug auf Krankenhausaufenthalt und Mortalität aus. Damit zeichnen sich entlang dieser vertikalen Berufsklassifikationen (insbesondere beim Anforderungsniveau) soziale Gradienten im COVID-19-Geschehen zuungunsten von Erwerbstätigen in niedrig qualifizierten Berufen ab, die bei schweren Krankheitsverläufen besonders deutlich zum Ausdruck kommen. Konkret liegt die kumulative Inzidenz von Krankenhausaufenthalten bei Helfertätigkeiten bei 374 (Frauen) bzw. bei 494 (Männer) und im Vergleich dazu bei Berufen mit Expertentätigkeit bei 148 (Frauen) bzw. bei 206 (Männer). Beim direkten Vergleich dieser 2 Gruppen entspricht dies einem 2,5fach bzw. 2,4fach erhöhtem Risiko für einen Krankenhausaufenthalt (nicht gezeigt in der Tabelle). Allerdings sind die Risiken für einen Krankenhausaufenthalt oder für Mortalität nun vor allem in Reinigungsberufen (insb. bei Frauen) und in Verkehrs- und Logistikberufen (insb. bei Männern) erhöht. Höhere Werte finden sich auch für medizinische und nicht-medizinische Gesundheitsberufe oder für fertigungstechnische Berufe – allerdings nur für Frauen. Trotz der großen Stichprobe ist die Anzahl der Todesfälle insgesamt eher gering. Das gilt vor allem für Frauen und mindert die Aussagekraft der Befunde – obwohl sich die Verteilung der Todesfälle weitestgehend mit der Verteilung der Krankenhausaufenthalte deckt.
In den Abb. 1 und 2 werden die wichtigsten Ergebnisse anhand der relativen Risiken für Erkrankungsrisiko und Krankenhausaufenthalt zusammengefasst. Dabei sind die Werte für Männer und Frauen direkt gegenübergestellt und in absteigender Reihenfolge sortiert.
×
×
Diskussion
Im Mittelpunkt der vorliegenden Auswertungen von Krankenkassendaten zu berufsbedingten Unterschieden bei COVID-19-Erkrankungsrisiken, COVID-19-bedingten Krankenhausaufenthalten und COVID-19-assoziierter Mortalität in den ersten 2 Jahren der Pandemie stehen 3 Befunde. Erstens: Der Beruf hat Auswirkung auf das individuelle Risiko für eine COVID-19-Erkrankung. Es sind vor allem personenbezogene Dienstleistungsberufe und Gesundheitsberufe, die ein erhöhtes Erkrankungsrisiko aufweisen. Zudem sind die Risiken für Krankenhausaufenthalt und Mortalität bei Personen in Reinigungsberufen, Verkehrs- und Logistikberufen und in Fertigungsberufen (v. a. für Männer) erhöht. Ein zweiter Befund betrifft Geschlechterunterschiede: In sozialen und kulturellen Dienstleistungsberufen z. B. finden sich erhöhte Erkrankungsrisiken nur bei Frauen und in Fertigungsberufen nur bei Männern. Frauen sind vor allem in Reinigungsberufen von schweren Verläufen betroffen, während es Männer vor allem in Verkehrs- und Logistikberufen sind. Und drittens haben Personen mit Leitungsfunktion und in Berufen mit höherem Anforderungsniveau insgesamt niedrige Risiken für eine Erkrankung oder einen schweren COVID-19-Verlauf. Dabei sind die Risiken bei Expertentätigkeiten am niedrigsten und bei Helfertätigkeiten am höchsten.
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Die Befunde stehen damit insgesamt im Einklang mit bisherigen Studien zu sozioökonomischen Unterschieden bei COVID-19-Erkrankungen und Verlaufsschwere [5, 14, 21‐24] sowie deutschen ökologischen Studien zu Unterschieden in der regionalen Ausbreitung von Infektionsgeschehen (bzw. Mortalitätsraten) in Abhängigkeit von sozioökonomischen und arbeitsmarktbezogenen Merkmalen von Regionen [14, 25, 26]. Weiter ergänzen die Ergebnisse unserer Studie bisherige Befunde aus Deutschland zu Unterschieden bei COVID-19-bedingter Erwerbsunfähigkeit [27] und liefern erneut Hinweise dafür, dass die Beobachtung eines inversen sozialen Gradienten (d. h. höhere Erkrankungsrisiken für weniger benachteiligte Bevölkerungsgruppen oder Regionen) lediglich auf die Anfangsphase der Pandemie beschränkt sein könnte [4, 13]. In der vorliegenden Studie wurde über den Zeitraum von insgesamt 2 Jahren das Fortbestehen eines solchen inversen Zusammenhangs nicht beobachtet. Vielmehr weisen unsere Ergebnisse darauf hin, dass die höheren COVID-19-Risiken in sozioökonomisch benachteiligten Gruppen über den Pandemieverlauf insgesamt überwiegen. Für weitergehende Schlussfolgerungen sind an dieser Stelle allerdings phasenspezifische Analysen notwendig.
Die beobachteten Geschlechterunterschiede deuten zudem an, dass innerhalb der einzelnen Berufsgruppen Unterschiede in den jeweils ausgeübten Tätigkeiten existieren. So kann z. B. bei den Gesundheitsberufen vermutet werden, dass die höheren Risiken bei Frauen auf den vergleichsweise hohen Anteil von Pflegeberufen mit unmittelbarerem Personenkontakt zurückzuführen sind [28], während Männer vergleichsweise häufiger auch Gesundheitsberufe ohne Personenkontakt haben bzw. eine Position mit geringerem Erkrankungsrisiko einnehmen (höherer Anteil von Männern in leitenden Gesundheitsberufen). Damit wären Frauen in Gesundheitsberufen nicht nur häufiger gegenüber dem Virus exponiert, sondern im Fall einer Erkrankung auch vulnerabler für schwere Verläufe [2]. Ähnliches gilt vermutlich auch für die Gruppe der Männer in Verkehrs- und Logistikberufen bzw. in Fertigungsberufen. Neben der fehlenden Möglichkeiten zur Arbeit im Homeoffice kann hier vermutet werden, dass die Zahl der Mitarbeitenden in unmittelbarer Umgebung größer und die Umsetzung von Infektionsschutzmaßnahmen (z. B. das Einhalten von Abstandsregeln) schwieriger ist [29]. Denkbar ist auch, dass Berufsgruppen mit höheren Infektions- bzw. Erkrankungsrisiken insgesamt auch seltener von Schließungen im Rahmen der Infektionsschutzmaßnahmen betroffen waren und dadurch Expositionen gegenüber dem Virus per se (bei der Arbeit, aber auch bei der Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs auf dem Weg zur Arbeit) höher waren. Eine abschließende Antwort auf diese Fragen war in der vorliegenden Studie nicht möglich und erfordert auch die Berücksichtigung von Merkmalen (z. B. Details zu Arbeitsbedingungen), die nicht Teil der Routinedaten von Krankenkassen sind [30].
Einschränkungen
Trotz hoher Fallzahl und der Analyse von Individualdaten getrennt nach Männern und Frauen sowie ärztlicher Diagnosen zu den Outcomes (etwa im Gegensatz zu selbstberichteten Infektionen in Befragungen) bleiben die Möglichkeiten einer vertieften Analyse zu den Ursachen der beschriebenen Zusammenhänge auf Basis von Routinedaten beschränkt. In diesem Zusammenhang gilt auch, dass mögliche Confounder mit den vorliegenden Routinedaten nur unzureichend berücksichtigt werden können. Zum Beispiel könnte ein Migrationsstatus von Versicherten sowohl für COVID-19-Risiken eine Rolle spielen [31‐33] als auch in enger Beziehung zum Beruf stehen. Diese Information ist allerdings kein Teil der verwendeten Krankenkassendaten. Ebenfalls könnte in unseren Analysen das Alter ein Confounder sein – z. B. wenn tendenziell ältere Menschen in Fertigungsberufen arbeiten und gleichzeitig ein höheres Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf haben. Weiterführende Sensitivitätsanalysen auf Basis altersstandardisierter kumulativer Inzidenzen (mittels direkter Standardisierung auf Basis der überarbeiteten europäischen Standardbevölkerung [34]) decken sich allerdings mit unseren Befunden (siehe Onlinematerial Tabelle S2 für Details).
Besondere Vorsicht ist auch bei der Interpretation der Ergebnisse im Falle von Krankenhausaufenthalten und COVID-19-assoziierter Mortalität geboten [35]. Sowohl bei den Krankenhausaufenthalten als auch bei der COVID-19-assoziierten Mortalität ist eine Erkrankung quasi Voraussetzung für einen schweren Verlauf, weshalb es sich bei den untersuchten Merkmalen um eine Kombination des Risikos einer Infektion bzw. Erkrankung und des Risikos eines schweren Verlaufes nach einer Infektion handelt. Daher präsentieren wir im Onlinematerial zusätzlich noch Zusammenhangsanalysen auf Basis der Versicherten mit einer COVID-19-Diagnose (Tabellen S3 und S4 im Onlinematerial), die zusätzlich auch Aussagen zum Risiko derjenigen mit einer Infektion ermöglichen (also die „case fatality rate“ im Falle von Mortalität). Die Ergebnisse bestätigen, dass Krankenhausaufenthalte oder Mortalität nicht nur insgesamt, sondern insbesondere auch im Falle einer Infektion für die betroffenen Berufsgruppen erhöht sind. Einschränkend muss die Messung der 3 COVID-19-bezogenen Outcomes reflektiert werden. Denn bei den COVID-19-Erkrankungen ist – obwohl sie auf laborbestätigten, an die Krankenkasse übermittelten Erkrankungen beruhen – nicht auszuschließen, dass bestimmte Berufsgruppen auch aufgrund von Unterschieden im Gesundheitsverhalten (z. B. verspätete Symptomwahrnehmung und spätere Inanspruchnahme von Hilfe) seltener eine COVID-19-Erkrankung aufweisen [36, 37]. Dies könnte dazu führen, dass bestimmte Berufsgruppen trotz eines positiven Selbsttests häufiger keinen Labortest durchführen lassen. So schätzte eine deutsche Studie auf der Basis eines Vergleichs von nachgewiesenen Antikörpern im Blut und regionalen Meldedaten zu Infektionen (vor der Verfügbarkeit von Impfstoffen; [38]), dass bis zu 45 % der SARS-CoV-2-Infektionen unentdeckt blieben, mit etwas höheren Werten in sozioökonomisch benachteiligten Regionen. Vor diesem Hintergrund ist es durchaus möglich, dass das Erkrankungsrisiko für bestimmte Berufsgruppen (z. B. Reinigungsberufe, Verkehrs- und Logistikberufe, aber auch für Land‑, Forst- und Gartenbauberufe) in unserer Studie eher unterschätzt wird. Auch bei den betrachteten COVID-19-assoziierten Krankenhausaufenthalten ist es denkbar, dass bestimmte Berufsgruppen eine ambulante Behandlung bevorzugten und somit COVID-19-Diagnosen mit einem gewissen Schweregrad und Behandlungsbedarf (aber ohne Krankenhausaufenthalt) in unserer Studie nicht berücksichtigt wurden. Darüber hinaus wurde bei der Ermittlung der COVID-19-Outcomes nicht zwischen Haupt- und Nebendiagnosen unterschieden. COVID-19-Krankenhausaufenthalte und COVID-19-assoziierte Mortalität sind daher, wenn sie über eine Nebendiagnose ermittelt werden, nur eingeschränkt ein Indikator für die Verlaufsschwere, z. B. wenn ein Patient mit einem Herzinfarkt ins Krankenhaus eingeliefert wurde und bei der Aufnahme COVID-19 diagnostiziert wurde. Es ist jedoch unklar, warum ein solcher Fall (Bestimmung über Nebendiagnosen) zwischen den Berufsgruppen variieren sollte und somit für die in der vorliegenden Studie gefundenen Unterschiede relevant ist. Schließlich muss festgehalten werden, dass es sich in der vorliegenden Studie um eine deskriptive Studie mit einer systematischen Beschreibung von COVID-19-bezogenen Risiken entlang von Berufsmerkmalen handelt, nicht aber um eine weitergehende Analyse zugrunde liegender Mechanismen auf Basis weiterführender statistischer Verfahren (bspw. multivariable Überlebendzeitmodelle unter Kontrolle verfügbarer möglicher Störgrößen sowie gleichzeitige Betrachtung der Berufsmerkmale).
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Fazit
Die vorliegende Studie liefert einen wichtigen Beitrag zum aktuellen Forschungsstand zu berufsbedingten Unterschieden in COVID-19-Morbidität und -Mortalität in Deutschland. Der Beitrag unterstreicht dabei insgesamt die Bedeutung des Berufs und deutet auch erstmalig an, dass Zusammenhänge nach Geschlecht variieren können. Damit liefert der Beitrag wichtige Anhaltspunkte dafür, dass die Arbeitswelt ein wichtiger Ansatzpunkt zur Entwicklung von Infektionsschutzmaßnahmen ist und deren Berücksichtigung auch stärkerer Bestandteil künftiger Pandemiepläne sein sollte. Für das Management zukünftiger Pandemien bedeutet dies beispielsweise, dass – wo es möglich ist – rechtliche Rahmenbedingungen und technische Vorrausetzungen für die Möglichkeiten von Homeoffice als Vorsorge verbessert werden sollten. Weiter deuten unsere Befunde an, dass eine Verringerung existierender sozialer Gesundheitsungleichheiten auch eine Verringerung beobachteter beruflicher Ungleichheiten in der Verlaufsschwere bedeutet.
Förderung
Diese Arbeit wurde mit Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert (Projektnummer: 458531028 (HO 6565/2‑1 und WA 3065/6-1)).
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
M. Wahrendorf, V. Schaps, M. Reuter, J. Hoebel, B. Wachtler, J. Jacob, M. Alibone und N. Dragano geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Die anonymisierte Datenanalyse erfolgte mit Zustimmung der Ethikkommission an der Medizinischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (Studien-Nr.: 2021-1710) im Einklang mit nationalem Recht sowie gemäß der Deklaration von Helsinki von 1975 (in der aktuellen, überarbeiteten Fassung).
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