Akutes Koronarsyndrom und Herzinsuffizienz
Die ischämische
koronare Herzerkrankung als auch die
Herzinsuffizienz stehen unter den Top 10 des jüngst publizierten Global Burden of Diseases und sind die wesentlichen Treiber kardial bedingter Morbidität als auch Mortalität. In der präoperativen Risikobewertung nichtkardialer Operationen sollten aus diesem Grund beide klinischen Entitäten eine gesonderte Beachtung finden.
Patienten mit stattgehabtem akuten
Myokardinfarkt oder
instabiler Angina pectoris haben ein stark erhöhtes Risiko für MACE, weshalb in Abhängigkeit von der Dringlichkeit der OP eine 4- bis 6-wöchige Wartezeit nach stattgehabtem Ereignis vor einem elektiven Eingriff sinnvoll ist. Es besteht eine direkt proportionale Abnahme der 30-Tages-Mortalität bei Verlängerung des Zeitintervalls zwischen Akutereignis und geplanter OP: <30 Tagen liegt die MACE-Rate bei 33 %, zwischen 30 und 60 Tage bei 19 % und >60 Tage bei >10 % (Pandey et al.
2015; Puelacher et al.
2018; Singh und Zeltser
2019).
Die
Herzinsuffizienz ist nach den Lebendgeburten die häufigste Ursache für eine Hospitalisierung. Bei beiden Geschlechtern steigen die Zahlen seit Jahren enorm an, verschiedene Subtypen sind mittlerweile definiert. Herzinsuffizienz ist ein noch bedeutsamerer Prädiktor für MACE und mit einer signifikant höheren 30-Tages-Mortalität gegenüber der koronaren Herzkrankheit
(9,3 vs. 2,9 %) assoziiert. Diese steigt im Rahmen von Dekompensationen, zeitlich assoziiert zu der Operation, deutlich an. Die Einschätzung wird klinisch entsprechend der NYHA-Klassifikation
(Grad III und IV), einer Echokardiografieuntersuchung und durch die Bestimmung der Biomarker vorgenommen (Lobo und Fischer
2019).
Perioperatives Management mit Thrombozyten-Aggregationshemmern und oralen Antikoagulanzien (OAK)
In die präoperative Diagnostik ist auch das medikamentöse Management mit Thrombozyten-Aggregationsinhibitoren (TAI) und oralen Antikoagulanzien (OAK) unmittelbar mit eingebunden. Hierbei geht es um die meist individuelle Abwägung zwischen perioperativem Blutungsrisiko vs. thrombembolischen Komplikationen. Unzweifelhaft handelt es sich um eine wichtige alltägliche klinische Fragestellung, die insbesondere die immer älter werdenden Patienten betrifft, die einerseits häufiger mit Blutverdünnern vorbehandelt sind, andererseits sich auch häufiger einer nichtkardialen Operation unterziehen müssen. Zahlreiche Studien jüngeren Datums beschäftigen sich mit dieser klinischen Fragestellung und beziehen auch die modernen P2Y12-TAI, wie Ticagrelor und Prasugrel, als auch die neuen OAK (NOAC) mit ein.
Für die Normalisierung der Blutplättchenhemmung sind 7–10 Tage Unterbrechung bei den irreversiblen Plättchenhemmern (Aspirin, Clopidogrel, Ticlopidin, Prasugrel) und 2–3 Tage bei dem reversiblen P2Y12-Hemmer Ticagrelor, erforderlich. Der entscheidende Prädiktor für MACE ist die Zeit zwischen Stent-Implantation und geplantem chirurgischen Eingriff. Besonders kritisch sind die ersten 6 Wochen nach perkutaner Koronarintervention (PCI). Patienten sind aber auch noch bis zu 6 Monaten nach der PCI durch eine erhöhte MACE bei nichtkardialen Eingriffen gefährdet, weshalb diese Zeitintervalle bei der individuellen Entscheidung bezüglich des OP-Zeitpunktes berücksichtigt werden müssen.
Bei der dualen antithrombozytären Therapie (DAPT
), die üblicherweise für 4 Wochen nach elektiven Interventionen mit nicht beschichteten Stents (BMS, Bare Metal Stents), 6 Monate bei beschichteten Stents (DES, Drug Eluting Stents) und 12 Monate mit DES bei akutem Koronarsyndrom und Infarkt durchgeführt wird, gilt ein erhöhtes Blutungsrisiko. Deshalb sollten, unter Fortführung von Aspirin oder Clopidogrel die P2Y12-Hemmer 5–7, respektive 2–3 Tage bei Ticagrelor, vor geplanter OP abgesetzt werden (Banerjee et al.
2017; Tafur und Douketis
2018).
Auch bei den OAK gilt die Risikoabwägung zwischen Blutung und Thrombembolie. Ist letzteres Risiko gering, werden die OAK einige Tage vor OP abgesetzt und in der Regel 1 Tag bei unkritischer OP wieder angesetzt. Bei Patienten mit hohem thrombembolischen Risiko muss dagegen mit -Heparin überbrückt werden. Ein besonders hohes Risiko hierfür haben Patienten mit
2. hohem Alter und weiblichem Geschlecht,
3. Zustand nach mechanischem (Alloprothese) und kürzlich stattgehabtem biologischen Herzklappenersatz,
4. Zustand nach Mitralklappenrekonstruktion innerhalb der letzten 3 Monate,
5. Zustand nach venöser Thrombembolie ≤ 3 Monaten,
6. Thrombophiliesyndrom.
Bei der perioperativen Überbrückung mit OAK-Therapie mit Heparin ist es besonders wichtig niedermolekulare Heparine
(LWMH) nicht am Abend oder in der Nacht vor OP einzusetzen bzw. in einem mindestens 12-stündigen Abstand zur OP. Auch sollten LWMH nicht zur Überbrückung einer Therapie mit NOAK wegen deutlich erhöhter Blutungsgefahr eingesetzt werden. Vitamin-K-Antagonisten werden in der Regel 3–5 Tage vor OP, die NOAC werden 3–4
Halbwertszeiten bei mittlerem und 4–5 Halbwertszeiten bei hohem Blutungsrisiko, was 1 respektive 2 Tagen entspricht, vor OP abgesetzt (Tab.
4, Douketis et al.
2015; Tafur und Douketis
2018).
Tab. 4
Antikoagulationsmanagement für direkte/neue orale Antikoagulanzien
(DOAC
/NOAC; modifiziert nach Tafur und Douketis
2018)*
Hohes Blutungsrisiko | Alle DOACs Pause für 2 Tage vor geplanter OP | Dabigatran Pause für 4 Tage präoperativ Alle oralen Faktor Xa Inhibitoren Pause für 2 Tage präoperativ | Dabigatra t 1/2 CrCl >50, 12–18 Stunden t 1/2 CrCl 30–50, 12–18 Stunden Rivaroxaban t 1/2 CrCl >50, 7–10 Stunden t 1/2 CrCl 30–50, 9–13 Stunden |
Niedriges Blutungsrisiko | Alle DOACs Pause für 1 Tag vor geplanter OP | Dabigatran Pause für 4 Tage präoperativ Alle oralen Faktor Xa Inhibitoren Pause für 2 Tage präoperativ | Apixaban t 1/2 CrCl >50, 7–10 Stunden t 1/2 CrCl 30–50, 9–13 Stunden Edoxaban t 1/2 CrCl >50, 10–14 Stunden t 1/2 CrCl 30–50, 9–13 Stunden |