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Pädiatrie
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Publiziert am: 29.04.2019

Infektiöse Endokarditis bei Kindern und Jugendlichen

Verfasst von: Hans Heiner Kramer
Eine Endokarditis stellt eine bedrohliche Komplikation bei Patienten mit angeborenen Herzfehlern dar. Ihre zeitgerechte Diagnosestellung ist wichtig, aber gelingt in der Praxis oft viel zu spät, weil vermeidbare Fehler gemacht werden. Besonders wichtig ist, dass bei herzkranken Kindern die Ursache von Fieber einwandfrei geklärt werden muss, bevor Antibiotika verordnet werden. Lässt sich kein Fokus für das Fieber finden, ist eine Blutentnahme zum Nachweis von Parametern einer bakteriellen Infektion, eine Echokardiografie zum Nachweis eventueller Vegetationen sowie die Abnahme mehrerer Blutkulturen zum Erregernachweis erforderlich. Häufigste Erreger der subakuten Form der Endokarditis sind vergrünende Streptokokken, die als Saprophyten im Oropharynx vorkommen. Daher ist eine gute Mund- und Zahnhygiene wichtig. Vor zahnärztlichen Eingriffen ist bei Hochrisiko-Patienten die orale Gebe eines Antibiotikums zur Endokarditisprophylaxe indiziert. Erreger von Endokarditiden mit hochakutem Verlauf sind häufig Staphylococcus-aureus-Stämme. Die Prognose dieser Erkrankung ist sehr ernst, in den letzten Jahren aber durch eine operative Intervention in der akuten Phase verbessert worden.
Definition
Eine Endokarditis stellt einen durch Bakterien und selten Pilze hervorgerufenen entzündlichen Prozess im Bereich der Herzklappen, des muralen Endokards oder des Endothels der herznahen großen Arterien dar.
Pathogenese
Der häufigste prädisponierende Faktor für eine Endokarditis im Kindesalter ist mit ca. 90 % ein angeborener Herzfehler, während in ca. 10–15 % der Fälle keine vorbestehende Herzkrankheit gefunden werden kann. Ein rheumatisches Klappenvitium als prädisponierender Faktor ist im Kindesalter sehr selten. Unter den azyanotischen angeborenen Herzfehlern erkranken Patienten mit Aortenstenose bzw. Aortenisthmusstenose überdurchschnittlich häufig. In der zyanotischen Gruppe liegt eine besondere Gefährdung vor, wenn zur Verbesserung der Lungendurchblutung eine systemisch-pulmonale Anastomose angelegt wurde. Eine Endokarditis nach korrigierender Operation, z. B. einer Fallot-Tetralogie, ist dagegen viel seltener.
Pathophysiologie
Bei kardiovaskulären Fehlbildungen bestehen im Bereich des Defekts turbulente Blutströmungen, die zu Läsionen des benachbarten Endokards bzw. Endothels führen. Auf diesen Bezirken entwickeln sich thrombotische Auflagerungen, an die sich vor allem grampositive Bakterien anheften können (Abb. 1). Die für die Entstehung der Infektion wichtige Adhärenzfähigkeit der Mikroorganismen an diese Auflagerungen beruht auf verschiedenen Faktoren, so der Produktion von hochmolekularen Dextranen bzw. proteaseempfindlichen Faktoren durch einige Viridans-Stämme. Als Adhärenzfaktor für Staphylokokken, aber auch einige Streptokokken dienen Teichonsäuren. Auf der Gewebsseite haben sich Fibronektin, Laminin und Kollagen als Rezeptoren für Viridans-Streptokokken und Staphylococcus aureus finden lassen.
Klinische Symptome und Verlauf
In der Anfangsphase ist das Krankheitsbild – mit Ausnahme des septischen Verlaufs bei Endokarditis durch Staphylococcus aureus und einige seltene gramnegative Erreger – oft sehr unspezifisch. Es wird über Leistungsabfall und Appetitlosigkeit geklagt, ausnahmslos besteht aber Fieber, das in manchen Fällen nicht sehr hoch ist oder nur intermittierend auftritt und zunächst als Ausdruck eines „banalen“ Infekts fehlgedeutet wird. In vielen Fällen erfolgen Verordnungen von Antibiotika, zum Teil sogar über mehrere Behandlungszyklen mit verschiedenen Medikamenten, die das Krankheitsbild verschleiern und die Diagnosestellung verzögern. Aus diesem Grund muss bei Kindern mit angeborenem Herzfehler stets äußerst sorgfältig nach der Ursache eines Fiebers gefahndet werden. Ergeben sich bei gründlicher Untersuchung der häufigsten als Infektionsherd in Betracht kommenden Organsysteme (also HNO-Bereich, Lunge, ableitende Harnwege) keine eindeutigen Befunde, sprechen aber die Laborparameter für eine bakterielle Infektion, sollte das Vorliegen einer bakteriellen Endokarditis erwogen und unbedingt ausgeschlossen werden.
Bei der klinischen Untersuchung ist in knapp 40 % der Fälle ein neues systolisches oder diastolisches Herzgeräusch als Hinweis auf eine Klappeninsuffizienz auskultierbar. Wegen bereits länger bestehender Infektion weisen 40 % der Kinder eine Gewichtsabnahme auf, 65 % eine Splenomegalie. Besonders bei Staphylococcus-aureus-Endokarditiden führen durch Embolien bedingte neurologische Symptome, z. B. Paresen, Verwirrtheit oder Krampfanfälle, zur Krankenhauseinweisung (ca. 17 %). Hauterscheinungen werden im Kindesalter relativ selten beobachtet, am häufigsten finden sich neben Petechien noch die sog. Osler-Knötchen, die vor allem im Bereich der Handteller und Fußsohlen lokalisiert und Ausdruck einer Immunvaskulitis sind.
Die Laborbefunde sind Ausdruck eines schweren, zum Teil lang anhaltenden Entzündungsprozesses, der in der Hälfte der Fälle zu einer Anämie geführt hat. Besonders wichtig ist die quantitative Bestimmung des C-reaktiven Proteins (CRP). Kann bei erhöhtem CRP ein Infektionsherd nicht sicher lokalisiert werden, sollte eine bakterielle Endokarditis in die differenzialdiagnostische Erwägung einbezogen werden. Eine Mikrohämaturie deutet auf eine immunologisch bedingte glomeruläre Schädigung hin.
Die zweidimensionale Echokardiografie ist bei positivem Nachweis endokarditischer Vegetationen, speziell im Bereich der Herzklappen, ein wesentlicher diagnostischer Pfeiler (Abb. 2). Dies trifft für ca. 60 % der Fälle zu. Bei negativem transthorakalem Befund sollte bei strengem Endokarditisverdacht eine transösophageale Untersuchung erfolgen.
Der Erregernachweis in der Blutkultur ist sowohl für die Sicherung der Diagnose als auch für eine gezielte Antibiotikatherapie von größter Bedeutung. Er ist in ca. 90 % der Fälle durch eine positive Kultur zu führen. Nachweislich ist die Bakteriämie bei infektiöse Endokarditis kontinuierlich vorhanden, sodass sich das Abwarten auf einen Fieberanstieg zur Abnahme von Blutkulturen erübrigt. In den meisten Fällen (ca. 80 %) handelt es sich um grampositive Erreger: Unter ihnen sind die α-hämolysierenden, d. h. vergrünend wachsenden Streptokokken (S. viridans), mit ca. 40 % der Fälle der häufigste Erreger der bakteriellen Endokarditis von Kindern mit angeborenem Herzfehler, am zweithäufigsten sind Staphylokokken-Endokarditiden (Staph. aureus und Staph. epidermidids) mit ca. 30 % der Fälle. Beide Keimgruppen machen aktuell ein gutes Drittel aller Endokarditiden aus. Die für die Angina tonsillaris verantwortlichen β-hämolysierenden Streptokokken der Gruppe A verursachen nur extrem selten eine Endokarditis. Seltene Erreger der bakteriellen Endokarditis sind Pneumokokken, Enterokokken sowie aus der gramnegativen Gruppe u. a. Haemophilus influenzae, E. coli und Enterobacter. Mit negativen Blutkulturen muss in etwas mehr als 10 % aller Endokarditiden gerechnet werden. Die häufigste Ursache dafür ist eine vorausgehende antimikrobielle Therapie. Ein Absetzen der antimikrobiellen Therapie und eine Blutkulturabnahme nach Antibiotikapause (von mindestens 3 Tagen, wenn klinisch vertretbar) sind daher von entscheidender Bedeutung.
Als potenzieller Ausgangsort der Viridans-Endokarditis ist der Oropharynx zu nennen, in dem vergrünende Streptokokken saprophytisch leben. Da im Säuglings- und Kleinkindalter periodontale Entzündungen selten sind, sind Endokarditiden in dieser Altersstufe deutlich seltener als nach dem 4. Lebensjahr. Schlechte Zahnhygiene ist als ein wichtiger Risikofaktor anzusehen. Speziell Patienten mit zyanotischem Herzfehler haben häufig chronische Entzündungen des Periodontiums. Die wichtigste Eintrittsstelle für Staphylokokken als Endokarditis-Erreger ist die Haut (z. B. Akne). Eine bakterielle Endokarditis als Komplikation eines herzchirurgischen Eingriffs ist ein sehr seltenes, dann aber äußerst bedrohliches Ereignis.
Therapie
Ziel der antibiotischen Therapie ist die Abtötung der Mikroorganismen innerhalb kürzester Zeit. Daher ist der gezielte Einsatz bakterizid wirkender Antibiotika in sicher keimabtötender Dosis erforderlich. Bakteriostatische Antibiotika reichen nicht aus, weil die Bakterien in der Tiefe der Vegetationen nur schwer von phagozytierenden Granulozyten erreicht werden. Um die dort befindlichen Bakterien abzutöten, müssen die verwendeten Antibiotika des Weiteren hervorragende Diffusionseigenschaften besitzen. Generell muss die antibiotische Therapie bei positiver Blutkultur auf einer quantitativen Empfindlichkeitsprüfung der Erreger basieren. Hieraus leitet sich die absolute Notwendigkeit des Erregernachweises ab, zumal sonst mit einer höheren Letalität zu rechnen ist. Der Behandlungsbeginn muss vom klinischem Bild abhängig gemacht werden; bei septischem Bild und echokardiografischem Nachweis von Vegetationen und somit hochgradigem Verdacht auf eine aggressiv verlaufende Endokarditis durch koagulasepositive Staphylokokken muss die Behandlung nach 3 in kurzen Zeitabständen abgenommenen Blutkulturen vor Erhalt des mikrobiologischen Ergebnisses begonnen werden. Dagegen sollte man bei längerer Anamnese, d. h. subakutem Verlauf innerhalb der ersten 24–48 Stunden bis zu 6 Blutkulturen abnehmen und die Therapie erst nach erfolgtem Keimnachweis beginnen. Hierdurch soll vermieden werden, gegebenenfalls eine Therapie ohne Erregernachweis durchführen zu müssen.
Etwa 40 % der für die Viridans-Endokarditis verantwortlichen Streptokokkenstämme sind nicht optimal auf Penicillin G empfindlich (sog. Penicillintoleranz). Daher sollte die antibiotische Therapie bis zum Erhalt der minimalen Hemmkonzentration (MHK) mit der Kombination von Penicillin G (0,2 Mega/kg KG/Tag) und Gentamicin (3 mg/kg KG/Tag) begonnen werden. Ist die MHK niedrig und ist ein schnelles Abklingen des Fiebers und ein Rückgang der Entzündungsparameter zu verzeichnen, kann die Therapie oft nach ca. 1 Woche mit einer Penicillin-Monotherapie fortgeführt werden. Anderenfalls empfiehlt sich eine Fortsetzung der Kombinationstherapie über die gesamte Therapiedauer von 4 Wochen.
Bei Endokarditis durch koagulasepositive Staphylokokken besteht die Therapie aus Oxacillin mit 200 mg/kg KG/Tag (max. 12 g/Tag) in 4 Dosen. In der Anfangsphase ist eine kombinierte Therapie mit Gentamicin (3 mg/kg KG/Tag) empfehlenswert. Eine Alternative bei Penicillinallergie stellt Daptomycin (6–8 mg/kg KG/Tag) dar. Bei Oxacillinresistenz ist Vancomycin (40–60 mg/kg KG/Tag in 4 Einzeldosen) oder, speziell bei eingeschränkter Nierenfunktion, Teicoplanin (initial 20 mg/kg KG/Tag, danach 6–10 mg/kg KG/Tag) zu verwenden. Allerdings sind die β-Laktam-Antibiotika bei Staphylokokken effektiver als Vancomycin, da sie diesem gegenüber häufig eine Toleranz zeigen. Bei Prothesenendokarditis und auch Nachweis von z. B. durch Embolie bedingten Abszessen muss die zusätzliche Gabe von Rifampicin erwogen werden, da es auch auf phagozytierte Staphylokokken wirkt und in vitro die Sterilisierung von Abszessen beschleunigt. Wegen des hohen Embolierisikos oder einer Ineffektivität der antibiotischen Behandlung, erfordert eine Staphylococcus-aureus-Endokarditis häufig einen operativen Eingriff (s. unten).
Koagulasenegative Staphylokokken, die häufigsten Erreger der Endokarditis an Herzklappenprothesen, stellen ein therapeutisches Problem dar, da sie häufig gegen Oxacillin und andere β-Laktam-Antibiotika resistent sind. Außerdem besitzen sie durch ihre Fähigkeit zur Schleimbildung, die sog. Glykokalix, einen biologischen Schutz gegen die Wirkung der Antibiotika. Meistens wird die Kombination aus Vancomycin und Gentamicin verwendet werden müssen.
Die Dauer der Therapie beträgt bei Streptokokken-Endokarditis 4 Wochen, bei Staphylokokken und gramnegativen Erregern im Regelfall 6 Wochen.
Komplikationen
Die bakterielle Endokarditis führt bei etwa der Hälfte der Patienten zu Komplikationen und dauerhaften Folgeschäden, wobei die Quote bei Endokarditis mit α-hämolysierenden Streptokokken bei einem Drittel der Fälle liegt, bei anderen Endokarditiserregern jedoch doppelt so hoch ist.
Klappenzerstörung
Eine Klappenzerstörung mit konsekutiver Klappeninsuffizienz entwickelt sich bei mehr als einem Drittel der Patienten. Hierbei handelt es sich meistens um die Aorten- und/oder Mitralklappe. Ein akuter operativer Klappenersatz im Stadium der floriden Endokarditis muss erfolgen, wenn schwerste hämodynamische Auswirkungen bestehen oder die Infektion antibiotisch nicht beherrscht werden kann oder es durch Ablösung eines Teils der Vegetation zu einer Hirnembolie gekommen ist. Wenn nach erfolgreich medikamentös behandelter Endokarditis eine schwere Klappeninsuffizienz besteht, muss ein elektiver Klappenersatz durchgeführt werden.
Mykotisches Aneurysma
Eine Zerstörung der Gefäßwand, d. h. ein mykotisches Aneurysma, welches sich im Bereich der Aorta, der Pulmonalarterie sowie der Koronararterien entwickeln kann, führt durch perakute Ruptur oft zum Tode.
Extrakardiale Komplikationen
Bei den extrakardialen Komplikationen handelt es sich vor allem um Embolien von Anteilen der Vegetationen, die bei ca. 30–40 % der Patienten auftreten. Die systemischen Embolien können in das Gehirn oder andere Körperregionen, z. B. die Extremitäten erfolgen. Bei zerebraler Embolie kann sich ein Hirnabszess entwickeln. Die Lungenembolien haben meistens keine schweren hämodynamischen Konsequenzen, jedoch können die röntgenologisch nachgewiesenen Infiltrate die Diagnose der bakteriellen Endokarditis erschweren, da zunächst an eine Pneumonie gedacht wird.
Eine Mikrohämaturie (ca. 30 %) ist Ausdruck einer Glomerulonephritis, die zu einer dialysepflichtigen Niereninsuffizienz führen kann.
Prophylaxe
Hinsichtlich der Prophylaxe bakterieller Endokarditiden sind 3 Aspekte von Bedeutung:
  • Korrigierende Operationen werden heute bereits im Säuglings- und Kleinkindalter durchgeführt, und zwar in der Regel ohne vorherige Palliativoperation, wie z. B. einen systemisch-pulmonalen Shunt. Nach Korrekturoperation ist das Endokarditisrisiko bei vielen Herzfehlern als geringer anzusehen.
  • Größte Bedeutung hat eine gute Mund- und Zahnhygiene, da der Oropharynxbereich als eine Haupteintrittspforte der Endokarditiserreger anzusehen ist. Regelmäßige zahnärztliche Kontrollen sind zu empfehlen.
  • Endokarditisprophylaxe im engeren Sinn: Verschiedene medizinische und zahnmedizinische Eingriffe bergen ein beträchtliches Risiko der Auslösung einer Bakteriämie, die für herzgesunde Patienten belanglos ist, für einen Teil der herzkranken Kinder jedoch gefährlich, da es zu einer bakteriellen Besiedlung der bei ihnen vorhandenen Endokard- bzw. Endothelläsionen kommen kann. Um dies zu verhindern, muss zum Zeitpunkt des Auftretens der Bakteriämie eine ausreichende Serumkonzentration eines geeigneten Antibiotikums vorliegen. Daher muss vor dem Eingriff ein für das potenzielle Keimspektrum adäquates Antibiotikum verabreicht werden. Hierin besteht der Sinn der Durchführung der Endokarditisprophylaxe.
Während früher eine Endokarditisprophylaxe mit wenigen Ausnahmen für alle Herzfehler als indiziert angesehen wurde, gelten seit 2007 neue Empfehlungen, denen sich auch die deutschen kardiologischen Fachgesellschaften angeschlossen haben. Das Ziel aller bisherigen Leitlinien war, möglichst bei allen gefährdeten Patienten die Entstehung einer Endokarditis im Zusammenhang mit medizinischen Eingriffen zu verhindern. Die neue Leitlinie zielt nun darauf ab, die Prophylaxe nur bei denjenigen Patienten durchzuführen, die das höchste Lebenszeitrisiko für eine Endokarditis oder ein sehr hohes Komplikationsrisiko im Falle einer Endokarditis haben.
Hierzu zählen Patienten mit zyanotischem Vitium, das operativ nicht oder nur mit einem systemisch-pulmonalen Shunt versorgt wurde. Gleiches gilt für Herzfehler, bei deren operativer Behandlung Conduits (mit und ohne Klappe) oder sonstiges prothetisches Material verwendet wurden, in dessen Umgebung postoperativ ein turbulenter Blutfluss besteht. Wenn keine Turbulenzen durch residuelle Defekte vorhanden sind und das prothetische Material nach 6 Monaten vollständig durch Neoendokard/-thel (z. B. nach VSD-Verschluss mit Dacron-Patch) inkorporiert werden konnte – in diesen ersten 6 Monaten muss allerdings eine Prophylaxe erfolgen – ist nicht mehr von einem erhöhten Risiko auszugehen.
Kinder, bei denen eine mechanische Herzklappenprothese eingesetzt werden musste, benötigen eine strikte Endokarditisprophylaxe, da Patienten mit Klappenprothesenendokarditis bei identischem Erreger eine wesentlich höhere Letalität aufweisen als Patienten mit Nativklappenendokarditis und signifikant häufiger von Komplikationen betroffen sind.
Da Patienten nach einer Herztransplantation häufig eine Valvulopathie entwickeln, besteht bei ihnen ebenfalls ein hohes Risiko für einen schweren bzw. letalen Verlauf einer infektiösen Endokarditis. Auch Patienten mit einem Endokarditisrezidiv entwickeln häufiger Komplikationen und haben eine höhere Letalität als Patienten mit einer Erstinfektion, sodass für die beiden glücklicherweise kleinen Patientengruppen ebenfalls die medikamentöse Endokarditisprophylaxe indiziert ist.
Zwischenzeitlich liegen erste Studien vor, die zeigen dass bei steigender Häufigkeit des Krankheitsbildes bei angeborenen Herzfehlern kein signifikanter Unterschied der Häufigkeit bakterieller Enodkarditiden vor und nach Änderung der Empfehlungen vorhanden ist. In der Gruppe der 10- bis 17-jährigen Patienten war allerdings eine deutliche Zunahme der Endokarditiden durch Streptococcus viridans zu verzeichnen, was potenziell auf häufigere Zahnbehandlungen in dieser Altersgruppe zurückgeführt wurde. Eine weitere Analyse lässt die Datenlage der Publikation nicht zu.
Der aktuelle Ausweis der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie zur Endokarditisprophylaxe enthält diese neuen Empfehlungen (Abb. 3). und wird vom Kinderkardiologen all denjenigen Patienten ausgehändigt, bei denen eine Endokarditisprophylaxe aufgrund der neuen Kriterien indiziert ist.
Die Endokarditisprophylaxe wird in Form einer einmaligen peroralen Gabe des Antibiotikums 30–60 Minuten vor dem geplanten Eingriff durchgeführt (Abb. 3). Lassen die Umstände des Eingriffs eine längere Bakteriämie befürchten, sollte nach 6–8 Stunden eine 2. Dosis verabreicht werden. Erfolgt der Eingriff in Narkose, wird das jeweilige Antibiotikum zu Beginn des Eingriffs intravenös verabreicht.
Die Wahl des Antibiotikums richtet sich nach dem für den Ort des vorgesehenen Eingriffs typischen Erregerspektrum. Penicillin erfasst nach wie vor gut die im Oropharynx- und Respirationstrakt vorkommenden grampositiven Erreger. Bei Eingriffen im Urogenital- und Gastrointestinalbereich ist nach den neuen Leitlinien keine Endokarditisprophylaxe erforderlich, es sei denn, dass hier eine lokale Infektion vorliegt. In diesem Fall wird ein Aminopenicillin (Ampicillin, Amoxicillin) verwendet. Ist die Eröffnung eines oberflächlichen Hautabszesses beabsichtigt, ist bei gefährdeten herzkranken Kindern zuvor Flucloxacillin zu verabreichen. Bei Penicillinunverträglichkeit wird Penicillin bzw. Flucloxacillin durch Clindamycin ersetzt. Bei Eingriffen im Magen-Darm- und Urogenitaltrakt kann Teicoplanin oder Vancomycin eingesetzt werden, wobei Vancomycin zur Vermeidung toxischer Serumkonzentrationen langsam über 1 Stunde infundiert werden muss.
Bei der Entscheidung über die Notwendigkeit einer Endokarditisprophylaxe muss sich der behandelnde Arzt/Zahnarzt die für den Pathomechanismus der Endokarditis entscheidende Frage stellen, ob die Gefahr der Auslösung einer transitorischen Bakteriämie bei dem von ihm beabsichtigten Eingriff besteht. In Tab. 1 sind häufigere Eingriffe mit und ohne nötige Prophylaxe zusammengestellt.
Tab. 1
Endokarditisprophylaxe bei im Kindesalter häufigen Eingriffen im Mund, Rachen und Atemwegen
Mit Prophylaxe
Ohne Prophylaxe
- Zahnextraktion
- Kieferorthopädische Klammern
- Eingriff mit potenzieller Läsion der Gingiva
- Zahnabdruck/-röntgen
- Zahnsteinentfernung
- Lippentraumata
- Adenotomie/Tonsillektomie
- Physiologischer Milchzahnverlust
- Bronchoskopie mit Biopsie
- Paukenröhrchen-Einlage
 
- Bronchoskopie ohne Biopsie
Bei Kindern mit Herzfehlern erfolgt oft eine großzügige Verwendung von Antibiotika auch bei Virusinfekten, in der Annahme, so der Entstehung einer Endokarditis vorzubeugen. Eine in dieser Absicht vorgenommene Antibiotikaverordnung kann jedoch eine bakterielle Endokarditis verschleiern und ihre frühzeitige Erkennung erheblich verzögern. Bei Kindern mit angeborenen Herzfehlern hat die einwandfreie Klärung von Fieberursache bzw. Infektionsherd daher besondere Bedeutung. Eine antibiotische Therapie sollte nur bei diagnostischen Hinweisen auf eine bakterielle Infektion erfolgen, eine rein prophylaktische Antibiotikagabe bei Virusinfekten hingegen vermieden werden.
Prognose
Die ernste Prognose der bakteriellen Endokarditis wird durch die hohe Letalität von ca. 15 % belegt. Sie beträgt bei Streptokokken-Endokarditis ca. 10 %, während bei anderen Erregern (Staphylokokken etc.) eine Letalität von ca. 30 % besteht. Des Weiteren haben Patienten mit Herzinsuffizienz und echokardiografisch nachgewiesenen Vegetationen eine signifikant gesteigerte Letalität.
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