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Klinische Neurologie
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Publiziert am: 14.03.2019

Nervenwurzelläsionen

Verfasst von: Peter Berlit und Manfred Stöhr
Läsionen der spinalen Nervenwurzeln werden durch unterschiedlichste Pathomechanismen hervorgerufen, wobei zahlenmäßig aufgrund der anatomischen Beziehung zur Wirbelsäule die mechanischen Ursachen infolge degenerativer Wirbelsäulen- und Bandscheibenveränderungen oder Trauma überwiegen. Bei den multisegmentalen Schädigungen stehen entzündlich und metabolisch bedingte Radikulopathien im Vordergrund. Der allgemeine Teil dieses Kapitels befasst sich mit den topografisch-anatomischen Gegebenheiten, der klinischen Zuordnung radikulärer Syndrome sowie den diagnostischen Verfahren, die Aufschluss über die Ursache der Störung geben. Im speziellen Teil werden die ätiologisch unterschiedlichen Nervenwurzelläsionen unter Berücksichtigung typischer klinischer Bilder und therapeutischer Ansätze besprochen.
Läsionen der spinalen Nervenwurzeln werden durch unterschiedlichste Pathomechanismen hervorgerufen, wobei zahlenmäßig aufgrund der anatomischen Beziehung zur Wirbelsäule die mechanischen Ursachen infolge degenerativer Wirbelsäulen- und Bandscheibenveränderungen oder Trauma überwiegen. Bei den multisegmentalen Schädigungen stehen entzündlich und metabolisch bedingte Radikulopathien im Vordergrund. Der allgemeine Teil dieses Kapitels befasst sich mit den topografisch-anatomischen Gegebenheiten, der klinischen Zuordnung radikulärer Syndrome sowie den diagnostischen Verfahren, die Aufschluss über die Ursache der Störung geben. Im speziellen Teil werden die ätiologisch unterschiedlichen Nervenwurzelläsionen unter Berücksichtigung typischer klinischer Bilder und therapeutischer Ansätze besprochen.

Allgemeiner Teil

Anatomie
Das periphere Nervensystem rekrutiert sich aus 31 dem Rückenmark entspringenden Spinalnervenpaaren: 8 Zervikalnerven, 12 Thorakalnerven, je 5 Lumbal- und Sakralnerven und 1 N. coccygeus. Dabei verlassen die Zervikalnerven den Spinalkanal oberhalb des gleichnamigen Wirbelkörpers, alle übrigen darunter.
Die dorsalen und die ventralen Wurzeln jedes Spinalnervs treten mit 5–10 Fila radicularia aus dem entsprechenden Rückenmarksegment aus und verlaufen – abgesehen von den oberen Zervikalsegmenten – entlang der Rückenmarkoberfläche abwärts, da die Austrittsstelle tiefer liegt. Nach dem Erreichen des zugehörigen Zwischenwirbelkanals biegen sie stumpfwinklig ab und vereinigen sich innerhalb des Kanals zum N. spinalis. Dieser kurze Nerv teilt sich bereits beim Austritt aus dem Foramen intervertebrale in zwei Äste auf: Der R. dorsalis verläuft um den Gelenkfortsatz nach dorsal zur Innervation der Haut und Muskulatur von Nacken und Rücken, während der R. ventralis Haut und Muskulatur der übrigen Rumpfabschnitte und der Gliedmaßen versorgt (Abb. 1). Da die anatomisch korrekten Begriffe Spinalnerv bzw. Zervikal-, Thorakal-, Lumbal- und Sakralnerv im medizinischen Alltag wenig gebräuchlich sind, wird in der folgenden Darstellung meist der dort übliche Begriff Nervenwurzel als Synonym für N. spinalis gebraucht, zumal dieser nichts anderes als die Vereinigung der Vorder- und Hinterwurzeln darstellt.
Eine ventrale Wurzel enthält etwa 200.000 Nervenfasern. Diese sind zum größten Teil Fortsätze der großen und kleinen motorischen Vorderhornzellen (α- und γ-Motoneurone). Die ventralen Wurzeln C8–L2 besitzen zusätzlich efferente sympathische Fasern aus dem Seitenhorn, die Wurzeln S2–S4 efferente parasympathische Axone. Schließlich verlaufen in den Vorderwurzeln auch noch zahlreiche marklose, überwiegend Schmerzimpulse leitende Fasern.
Die dorsalen Wurzeln enthalten das 1,5- bis 3-Fache des Faserbestandes der ventralen Wurzeln. Die dort verlaufenden Nervenfasern stellen die zentralen Fortsätze der Spinalganglienzellen dar. Das jeder Hinterwurzel zugehörige Spinalganglion befindet sich knapp proximal des Zusammentritts von Hinter- und Vorderwurzel zum Spinalnerv und liegt somit extradural im Foramen intervertebrale. Lediglich an den sakralen Wurzeln liegen die Spinalganglien medial der Zwischenwirbellöcher innerhalb des Sakralkanals.
Von großer praktischer Bedeutung sind die topischen Beziehungen zwischen Wirbelsäule und Nervenwurzeln. Aus der Höhenverschiebung zwischen Rückenmark und Wirbelsäule ergibt sich nämlich eine von zervikal nach lumbosakral zunehmende Länge der Nervenwurzeln. In den zervikothorakalen Abschnitten treten die Nervenwurzeln nach kurzem intraspinalem Verlauf in der Nähe ihres Ursprungsortes durch das entsprechende Foramen intervertebrale. Im lumbalen und sakralen Spinalkanal – unterhalb des Rückenmark-Endes bei LWK1/2 – ziehen die Wurzeln L2–S5 als sog. Cauda equina abwärts, um nach unterschiedlich langem Verlauf durch den segmental zugehörigen Intervertebralkanal auszutreten.
Symptomatik von Nervenwurzelsyndromen
Die Schädigung einer Nervenwurzel kann je nach Intensität zu Reiz- und/oder Ausfallserscheinungen führen. Die durch eine Läsion der kutanen Hinterwurzelafferenzen hervorgerufenen sensiblen Reizerscheinungen, werden dabei in das Dermatom der betroffenen Wurzel projiziert (Abb. 2). Dabei versteht man unter Dermatom jenen Teil der Hautoberfläche, der seine sensible Versorgung von einer bestimmten Nervenwurzel erhält. Die sorgfältige Analyse der Lokalisation von Schmerzen und/oder Parästhesien erlaubt meist die korrekte Identifizierung der betroffenen Wurzel.
Sofern radikuläre Schmerzen zum Zeitpunkt der Untersuchung fehlen, lassen sich diese, besonders bei den häufigen vertebragenen Wurzelläsionen, öfter provozieren, und zwar einerseits durch Husten, Pressen oder Niesen, andererseits durch aktive und passive Bewegungen in dem erkrankten Wirbelsäulenabschnitt (z. B. Kopfneigung zur Seite, Drehung des Oberkörpers bzw. Rumpfbeugung oder -streckung). Allerdings können durch passive Kopfbewegungen auch Reizungen sensibler Bahnen im Halsmark ausgelöst werden, die nicht immer – wie z. B. das Lhermitte-Zeichen – bilateral und über ausgedehnten Hautbezirken auftreten, sondern auch streifenförmig nur einen Arm betreffen können. Solche Strangirritationen führen jedoch in der Regel nur zu Parästhesien und nicht wie Nervenwurzelirritationen auch zu Schmerzen.
In den Nervenwurzeln verlaufen auch von inneren Organen bzw. von Muskeln, Knochen und Gelenken kommende Tiefenafferenzen, deren Affektion öfter „atypische“ Schmerzprojektionen hervorruft, so z. B. in das Hüftgelenk und die Leistenregion bei Irritation der Wurzel L5 oder in die Herzgegend bei einer Läsion der Wurzel C7. Seltener als sensible Reizerscheinungen sind motorische Irritationsphänomene wie Faszikulationen, Myokymien (Muskelwogen) und Krampi.
Von großer praktischer Bedeutung ist die Tatsache, dass im Zusammenhang mit Wirbelsäulenerkrankungen auch nichtradikuläre Schmerzausbreitungen (sog. pseudoradikuläre Schmerzen) auftreten können. Diese beschränken sich in der Regel auf den Schultergürtel-Oberarm- bzw. den Beckengürtel-Oberschenkel-Bereich, lassen sich keinem Dermatom exakt zuordnen und sind häufig auf begleitende Myogelosen und Tendomyosen zurückzuführen. Demgegenüber können Muskelerkrankungen mit axialem Schwerpunkt wie die myotone Dystrophie Typ 2 oder die fazioskapulohumerale Muskeldystrophie zu therapierefraktären Lumbalgien führen und ein Bandscheibenleiden vortäuschen (Kottlors et al. 2010).
Nervenwurzelschädigungen, die nicht zu einer Irritation, sondern zu einem Funktionsverlust dort verlaufender Hautafferenzen führen, bedingen eine Beeinträchtigung der Oberflächensensibilität. Wegen der starken Überlappung der Dermatome findet sich meist nur ein schmaler hypästhetischer bzw. hypalgetischer Streifen im Zentrum des jeweiligen Dermatoms.
Der Funktionsausfall der in einer Nervenwurzel verlaufenden motorischen Nervenfasern führt zu Lähmungen im betreffenden Myotom. Dabei zählen zum Myotom alle Muskeln, die von dieser Wurzel einen funktionell bedeutsamen Teil ihrer motorischen Innervation erhalten. Von besonderer diagnostischer Bedeutung sind dabei diejenigen Muskeln, die den überwiegenden Teil ihrer motorischen Versorgung über eine Wurzel bekommen und deshalb als Kennmuskeln bezeichnet werden. So erhalten die Fuß- und Zehenheber den größten Teil ihrer motorischen Innervation von der Wurzel L5, sodass ein Funktionsausfall dieser Wurzel eine meist ausgeprägte Fuß- und Zehenheberschwäche zur Folge hat. Die Kennmuskeln der am häufigsten geschädigten Wurzeln sind in Abb. 6 zusammengestellt.
Bei der differenzialdiagnostischen Abgrenzung von Wurzel- gegenüber Nervenläsionen ist die Tatsache wichtig, dass kein Muskel ausschließlich von einer einzigen Nervenwurzel innerviert wird, sodass auch bei deren komplettem Ausfall keine Paralyse, sondern nur eine mehr oder weniger schwere Parese resultiert. Wegen dieser plurisegmentalen Versorgung ist der Verteilungstyp der Lähmungen für die Annahme einer Wurzelschädigung aufschlussreich, der dabei ein radikuläres – und kein nervales – Muster aufweist. Dieser Verteilungstyp muss durch eine motorische Funktionsprüfung aller in Betracht kommenden Muskelgruppen herausgearbeitet werden. Dabei ist auf durch Schmerzschonung bedingte Pseudoparesen zu achten, die eine echte Lähmung imitieren und das Ausfallsmuster verwirren können. Darüber hinaus müssen nicht alle einem Myotom zugehörigen Muskeln in gleichem Ausmaß betroffen sein: meist sind die paraspinalen, die distalen bzw. die proximalen Muskeln eines Myotoms in absteigender Intensität einbezogen.
Muskelatrophien sind ein Spätsyndrom und daher diagnostisch von untergeordneter Bedeutung. Sie betreffen wie die Paresen alle zu dem betroffenen Myotom gehörigen Muskeln und sind am ausgeprägtesten in den jeweiligen Kennmuskeln zu sehen. Sehr selten finden sich bei chronischen Radikulopathien umschriebene Muskelhypertrophien, die sich elektromyografisch auf pathologische Spontanaktivität zurückführen lassen.
Ein Ausfall oder eine Abschwächung von Muskeleigenreflexen resultiert bei partieller oder totaler Leitungsunterbrechung im afferenten oder efferenten Schenkel des Reflexbogens. Die bei den wichtigsten Wurzelsyndromen vorkommenden Eigenreflexstörungen sind in Abb. 6 und 7 zusammengefasst. Autonome Störungen sind in der Regel nicht nachweisbar bis auf ein Horner-Syndrom bei C8-Th1-Läsionen sowie Störungen der Schweißsekretion bei Ausfällen zwischen Th2 und L3.
Ergeben sich aufgrund von Anamnese und klinischem Befund Unsicherheiten, ist eine ergänzende elektromyografische Diagnostik indiziert. Hiermit lassen sich klinisch stumme Veränderungen in einzelnen Muskeln aufdecken, und es gelingt eine sichere Differenzierung zwischen einer echten und einer Pseudoparese infolge Schmerzschonung oder Aggravation.
Das Vorgehen ist hierbei ähnlich wie bei der motorischen Funktionsprüfung, d. h., man versucht durch Analyse verschiedener Muskeln einen radikulären Verteilungstyp herauszuarbeiten (Abb. 3). Eine große Hilfe bei der Differenzierung radikulärer gegenüber nervalen Läsionen stellt die Ableitung von der autochthonen Nacken- bzw. Rückenmuskulatur dar; der etwaige elektromyografische Nachweis von Denervierungszeichen in dieser vom R. dorsalis des Spinalnervs versorgten Muskulatur belegt den proximalen Sitz der Läsion und schließt eine im Plexus- bzw. Nervenbereich gelegene Schädigung aus (Abb. 4). Im Bedarfsfall kann die Nadelelektromyografie durch verschiedene neurografische Techniken ergänzt werden (F-Antworten, H-Reflex, SEP-Ableitungen nach Nerven- oder Dermatomstimulation, Magnetstimulation).
Von großer differenzialdiagnostischer Bedeutung ist schließlich die sensible Neurografie (Abb. 5). Selbst eine ausgeprägte Nervenwurzelschädigung mit Sensibilitätsverlust im entsprechenden Dermatom führt zu keiner Amplitudenreduktion des sensiblen Nervenaktionspotenzials, während Läsionen im Spinalganglion oder distal davon eine Amplitudenabnahme bis hin zum Potenzialverlust bewirken.
Bei Vorliegen von Sensibilitätsstörungen spricht die Amplitudenabnahme bei der sensiblen Neurografie für eine periphere Nervenläsion und gegen eine radikuläre Genese.
Bezüglich der Indikation zu radiologischen Untersuchungen ist zu sagen, dass diese nicht in der Lage sind, eine Nervenwurzelschädigung nachzuweisen. Um Fehldiagnosen und -behandlungen zu vermeiden, sollte die radiologische Diagnostik daher erst dann eingesetzt werden, wenn aufgrund von Exploration, neurologischer und elektromyografischer Untersuchung die Diagnose einer Radikulopathie (z. B. eines C7- oder S1-Syndroms) zweifelsfrei gestellt werden konnte. Danach sollten die verschiedenen Verfahren (CT, MRT, Myelografie) je nach der vermutlichen Ursache differenziert und gezielt eingesetzt werden. Nur wenn dabei festgestellte morphologische Veränderungen mit der klinischen Diagnose übereinstimmen, können diese als Ursache der klinischen Symptomatik akzeptiert werden. Dabei muss darauf geachtet werden, dass im Einzelfall Segmentationsstörungen (viergliedrige oder sechsgliedrige LWS) die neuroanatomischen Verhältnisse verändern können (Kottlors und Glocker 2010).
Selbst hochgradige radiologische Veränderungen können klinisch stumm bleiben, sodass man deren kausale Beziehung zu einer bestimmten Symptomatik in jedem Einzelfall kritisch überprüfen muss, v. a. dann, wenn ein operatives Vorgehen erwogen wird. Auch ohne Beschwerden finden sich lumbale Bandscheibenvorfälle bis zum 60. Lebensjahr kernspintomografisch bei 20–30 % der Bevölkerung und bei mehr als 60 % aller über 60 Jahre alten Menschen (Jensen et al. 1994).
Spezielle Symptomatik
Zervikale Nervenwurzelläsionen
Schädigungen der nur selten betroffenen oberen Zervikalwurzeln (C1–C4) lassen sich meist durch die Lokalisierung von Parästhesien oder Schmerzen in das betreffende Dermatom nachweisen. Bei Läsionen der Wurzeln C3 und besonders C4 kommt es außerdem zu einer partiellen einseitigen Zwerchfellparese, die mittels Durchleuchtung oder elektromyografisch nachweisbar ist.
Die Symptomatik von Nervenwurzelläsionen C5–C8 ist in Abb. 6 zusammengefasst. Hierbei ist zu beachten, dass sensible Reizerscheinungen wie Schmerzen und Parästhesien meist im gesamten Dermatom verspürt werden, während sich etwaige Sensibilitätsausfälle in der Regel auf das Zentrum des Dermatoms beschränken. Die Paresen sind bevorzugt in den jeweiligen Kennmuskeln klinisch und ggf. elektromyografisch nachweisbar. Zur Abgrenzung z. B. eines C5-Syndroms gegenüber einer N.-axillaris-Parese oder eines C8-Syndroms gegenüber einer N.-ulnaris-Parese oder auch einer unteren Armplexuslähmung sind die bereits erwähnten Methoden der paravertebralen EMG-Ableitung und der im Seitenvergleich durchgeführten sensiblen Neurografie von Bedeutung.
Untersuchungstechnik
Bei Verdacht auf eine Zervikalwurzelläsion erfolgt zunächst beim stehenden Patienten die Kraftprüfung des M. deltoideus: Elevation und Abduktion der Arme im Schultergelenk (C5). Im Liegen schließt sich die motorische Funktionsprüfung der Unterarmbeuger (C6) und -strecker (C7) sowie die der Fingerbeuger und der Handmuskeln (C8) an. Die Reflexprüfung umfasst den Bizeps- (C6), Brachioradialis- (C6), Trizeps- (C7) und Fingerbeugereflex (C8). Mit dem Nadelrad wird im Seitenvergleich nach hypalgetischen Bezirken gefahndet, besonders gründlich in Hautarealen, in denen Schmerzen oder Parästhesien angegeben werden.
Thorakale Nervenwurzelläsionen
Schädigungen einzelner Thorakalwurzeln (= thorakaler Spinalnerven) finden sich selten im Zusammenhang mit traumatischen, entzündlichen und v. a. tumorösen Prozessen im Bereich der BWS sowie bei dort lokalisierten operativen Eingriffen (z. B. Tumorresektion, Korrektur von Traumafolgen oder Wirbelsäulenverkrümmungen). Die Symptomatik besteht in gürtelförmigen Schmerzen oder Parästhesien, die dem Verlauf des jeweiligen Dermatoms folgen (Abb. 2). Motorische Ausfälle finden sich bei einer Schädigung der thorakalen Spinalnerven 1–6 nicht. Wenn aber die kaudalen Spinalnerven Th7–12 betroffen sind, kann sich eine Bauchwandparese („paralytische Bauchwandhernie“) manifestieren. Diese Vorwölbung der Bauchwand ist am besten sichtbar im Stehen unter gleichzeitiger Anwendung der Bauchpresse, bei der auch eine paradoxe Bewegung der gelähmten Anteile eintritt: So werden z. B. bei bilateraler Parese der kaudalen Bauchdeckenmuskulatur Unterbauch und Nabel nach kranial verzogen („Nabelwandern“). Der Bauchhautreflex ist in der betroffenen Etage nicht auslösbar.
Eine thorakale Radikulopathie mit Betroffensein meist mehrerer Nervenwurzeln (uni- oder bilateral) findet sich nicht selten im Rahmen einer diabetischen Schwerpunktneuropathie und bei der Neuroborreliose, z. T. als einzige Manifestation der Erkrankung. Neben gürtelförmigen Schmerzen, die vielfach zu einer ergebnislosen abdominellen Diagnostik führen, sind die Bauchwandparesen das führende Symptom. Elektromyografisch lässt sich sowohl in der paravertebralen als auch in der Bauchmuskulatur die partielle oder komplette Denervierung nachweisen.
Die Differenzierung einer thorakalen Spinalnerven-(„Nervenwurzel-“)Läsion von einer weiter peripher, z. B. im Bereich der Interkostalnerven gelegenen Schädigung ist klinisch oft schwierig. Für Ersteres sprechen die Provokation radikulärer Reizerscheinungen durch passive Bewegungen im betreffenden Wirbelsäulensegment sowie der elektromyografische Nachweis von pathologischer Spontanaktivität in der paravertebralen Muskulatur.
Lumbosakrale Nervenwurzelläsionen
Die seltenen Schädigungen der Wurzeln L1–L3 lassen sich durch die in das entsprechende Dermatom projizierten Schmerzen oder Parästhesien in Kombination mit einer Hüftbeugerschwäche diagnostizieren. Bei einer L3-Wurzelkompression kann die Schmerzausstrahlung eine Kniegelenkerkrankung vortäuschen (Hirabayashi et al. 2009).
Die häufigen und praktisch wichtigen radikulären Läsionen L4–S1 sind in Abb. 7 zusammengefasst. Beim L5-Syndrom besteht außer der Fuß- und Zehenheberschwäche oft auch eine Parese der seitlichen Glutealmuskulatur mit positivem Trendelenburg-Zeichen. Beim S1-Syndrom sind neben den Fuß- und Zehensenkern auch die ischiokrurale Muskulatur und der M. glutaeus maximus betroffen (klinisch und/oder elektromyografisch).
Der gleichzeitige Ausfall von zwei oder mehr Wurzeln kommt im Lumbosakralbereich durch den parallelen Verlauf mehrerer Wurzeln nicht selten vor, wobei kombinierte Schädigungen der Wurzeln L4 und L5 bzw. L5 und S1 am häufigsten sind. Die jeweiligen Reiz- und Ausfallserscheinungen entsprechen einer Summation der in Abb. 7 dargestellten monoradikulären Syndrome.
Das Kaudasyndrom beruht auf einer Schädigung der im lumbosakralen Spinalkanal verlaufenden Cauda equina, wobei die hieraus resultierende Symptomatik vom Schädigungsniveau abhängt. Bei einer Läsion in Höhe LWK5/SWK1 finden sich bilaterale Lähmungen der Unterschenkel-, Fuß- und Zehenbeuger, des M. glutaeus maximus sowie eine Blasen-Mastdarm-Lähmung mit Harn- und Stuhlverhaltung sowie Inkontinenz. Der Analsphinktertonus ist herabgesetzt, der Analreflex ausgefallen. Außerdem besteht ein bilateraler Ausfall des Triceps-surae-Reflexes (Achillessehnenreflexes). Die Sensibilitätsstörungen sowie etwaige Schmerzen betreffen sakrale Dermatome, d. h. die Dammregion mit der angrenzenden Oberschenkelinnenseite (sog. Reithosenanästhesie) sowie die Rückseite der Beine und den äußeren Fußrand.
Abweichungen von dieser Symptomatik ergeben sich, wenn die Cauda equina weiter rostral eine Schädigung erfährt. In diesem Fall gesellen sich je nach Lokalisation bilaterale Ausfälle der Wurzeln L5 (v. a. Schwäche der Fuß- und Zehenhebung), L4 (v. a. Quadrizepsschwäche, Ausfall des Quadrizepsreflexes) und ggf. L2/3 (Hüftbeuger- und Adduktorenparesen) hinzu. Die Sensibilitätsstörungen umfassen in diesem Fall auch noch die betroffenen lumbalen Dermatome.
Eine Schädigung der Cauda equina nach Abgang der Wurzel S1 führt ausschließlich zu Blasen, Mastdarm- und Potenzstörungen sowie zu Sensibilitätsstörungen im Damm- und Gesäßbereich. Die Differenzialdiagnose gegenüber einem Conus-medullaris-Syndrom ist in solch einem Fall nur möglich, wenn die begleitende Sensibilitätsminderung einen dissoziierten Charakter aufweist, da isolierte Störungen des Schmerz- und Temperatursinns nur bei der Conus-medullaris-Schädigung auftreten.
Da Schädigungen der Cauda equina oft nicht sicher von Schädigungen des untersten Rückenmarkabschnitts unterschieden werden können, sollte man es sich zur Regel machen, bei der MRT bzw. Myelografie nicht nur den unteren lumbalen und sakralen Spinalkanal darzustellen, sondern auch den in Höhe LWK1/2 endenden Conus medullaris und einige Segmente darüber zu erfassen.
Untersuchungstechnik
Beim Verdacht auf eine Läsion lumbosakraler Nervenwurzeln hat sich folgende Untersuchungstechnik bewährt (Tab. 1): Die Untersuchung beginnt im Stehen mit der Abfolge Einbeinstand (Trendelenburg-L5), Kniebeuge (L3/4), Fersenstand (L5) sowie Zehenstand (S1). Diese Prüfungen werden zunächst am rechten und dann am linken Bein durchgeführt. Im Anschluss daran setzt man den Patienten auf den Rand der Untersuchungsliege, wobei die Kniekehlen mit der Bettkante abschließen und die Unterschenkel locker herunterhängen. In dieser Position werden die Hüftbeuger (L2/3) durch Anheben des Knies gegen Widerstand getestet. Darauf folgt die Prüfung des Quadrizeps- (L3/4) und des Triceps-surae-Reflexes (S1), die in dieser Haltung am zuverlässigsten zu untersuchen sind. Schließlich wird in Rückenlage die Untersuchung des Adduktoren- (L3) und des Tibialis-posterior-Reflexes (L5) sowie die Kraftprüfung der Zehenstrecker (L5), der Zehenbeuger (S1) und der Adduktoren (L3) durchgeführt, schließlich in Bauchlage die Funktionsprüfung der Kniebeuger (S1) und des M. glutaeus maximus (S1). Die Sensibilitätsprüfung mit dem Nadelrad erfolgt am besten im autonomen Hautareal identischer Dermatome im Seitenvergleich: Tibiainnenkante (L4), medialer Fußrücken zwischen erstem und zweitem Mittelfußknochen (L5) sowie lateraler Fußrand (S1). Beim geringsten Verdacht auf ein Kaudasyndrom muss die Dammregion in die Sensibilitätsprüfung einbezogen sowie eine Prüfung des Analreflexes und des Analsphinktertonus durchgeführt werden. Bereitet die Zuordnung einer Symptomatik zu einer Wurzelläsion Schwierigkeiten, können eine intakte Schweißsekretion in sensibel betroffenen Hautarealen, regelrechte sensible Nervenaktionspotenziale bei der sensiblen Neurografie sowie der Nachweis pathologischer Spontanaktivität bei paravertebraler EMG-Ableitung den radikulären Sitz der Erkrankung untermauern.
Tab. 1
Untersuchungstechnik bei Verdacht auf lumbosakrale Nervenwurzelläsionen (L3–S1)
Untersuchungsposition
Untersuchung
Stehend
Einbeinstand (Trendelenburg-Zeichen?)
Kniebeuge
Fersenstand
Zehenstand
Sitzend
Kraft der Hüftbeuger
Quadrizeps- und Triceps-surae-Reflex
Rückenlage
Kraftprüfung der Adduktoren, Zehenbeuger und -strecker
Adduktoren- und Tibialis-posterior-Reflex
Sensibilitätsprüfung der Dermatome L3 bis S1 im Seitenvergleich
Bauchlage
Kraftprüfung der Kniebeuger und des M. glutaeus maximus

Spezieller Teil: Ursachen von Nervenwurzelläsionen

Eine Übersicht über Ursachen von Nervenwurzelschädigungen sowie assoziierte Lokalisationsschwerpunkte und Besonderheiten der Symptomatik gibt Tab. 2.
Tab. 2
Ursachen von Nervenwurzelschädigungen. (Nach Stöhr und Riffel 1988)
Ursachen
Lokalisationsschwerpunkte und Besonderheiten der Symptomatik
Degenerative Wirbelsäulenerkrankungen (Osteochondrose und Spondylarthrose)
Monoradikuläre Syndrome mit Bevorzugung der Wurzeln C5–C7 sowie L4–S1
Beim medialen Massenprolaps im LWS-Bereich: Kaudasyndrom
Enger lumbaler Spinalkanal
Neurogene Claudicatio beim Gehen oder variable uni- oder bilaterale radikuläre Syndrome
Sonstige vertebragene Prozesse (Spondylolisthesis, Morbus Bechterew, Traumen, Tumoren, Entzündungen, Osteoporose mit Spontanfraktur)
Uni- und bilaterale Läsionen von Nervenwurzeln oder Kaudasyndrom oder neurogene Claudicatio
Tumoren von Nervenwurzeln und angrenzenden Strukturen
(Schwannome, Meningeome, Karzinom- und Sarkommetastasen, Plasmozytom, maligne Lymphome, Leukosen. Differenzialdiagnose: Abszesse und Hämatome)
Initial meist einseitiges monoradikuläres Schmerzsyndrom; bei (z. B. epiduraler) Tumorausbreitung auch mehrwurzelige und bilaterale bzw. Kaudasyndrome
Lumbosakral lokalisierte Missbildungstumoren und Ependymome
Konus- bzw. Kaudasyndrom
Meningeosis carcinomatosa und sarcomatosa; Abtropfmetastasen (z. B. bei Medulloblastom)
Polyradikuläre Symptomatik
Radikulitiden
(Zoster, Herpes simplex, Neuroborreliose, fokale Immun-Neuropathien)
Hautveränderungen: Zoster- bzw. Herpes-simplex-Bläschen; Erythema migrans; Eiweiß- und Zellerhöhung im Liquor
Metabolische Radikulopathien
Besonders bei älteren Diabetikern einzelne oder mehrere thorakale oder lumbosakrale Nervenwurzeln betroffen
Dysrhaphische Störungen und Tethered-Cord-Syndrom
Konus-Kauda-Syndrome, besonders bei Kindern im Zusammenhang mit Wachstumsschüben
Arachnopathien
Mono- oder polyradikuläre Reiz- und Ausfallssymptome
Punktion und Injektion
Mechanische oder toxische Nervenwurzelläsionen; selten Kaudasyndrom
Radiogene Nervenwurzelläsionen
Schmerzlos sich ausbildende Muskelatrophien und Paresen an beiden unteren Extremitäten

Degenerative Wirbelsäulenerkrankungen (Osteochondrose und Spondylarthrose)

Unter dem Begriff Osteochondrose subsumiert man die mit zunehmendem Lebensalter immer häufigeren regressiven Veränderungen der Zwischenwirbelscheibe mit reaktiver Osteophytenbildung an den Wirbelkanten. Durch Einrisse im Faserring der Bandscheibe können Teile des Gallertkerns durch diesen hindurchtreten und sich gegen den Spinalkanal vorwölben. Die Prognose einer solchen Bandscheibenprotrusion ist relativ günstig, da das intakte hintere Längsband zu einer Rückverlagerung des Nucleus pulposus führen kann. Wird das hintere Längsband perforiert, liegt ein Diskusprolaps vor; sofern sich der Diskus von seinem Ursprungsort gelöst hat, spricht man von einem Bandscheibensequester, welcher epidural und sehr selten auch intradural gelegen sein kann (Abb. 8).

Halswirbelsäule

Pathogenese, Klinik und Diagnostik
Die durch die Höhenminderung des Zwischenwirbelraums bedingte Gefügelockerung des betroffenen Bewegungssegments führt zu einer Fehlbelastung der Wirbelgelenke und begünstigt die Entstehung einer Spondylarthrose, die besonders im zervikalen Bereich oft einen wichtigen pathogenetischen Teilfaktor bei vertebragenen Wurzelläsionen darstellt (Abb. 9).
An der Halswirbelsäule reichen infolge der Enge der Foramina intervertebralia bereits leichtere zusätzliche Einengungen aus, um eine Wurzelkompression hervorzurufen, wobei entsprechend der Mobilität der HWS die Segmente C5/6 sowie C6/7 – und damit die Wurzeln C6 und C7 – mit Abstand am häufigsten betroffen sind. Die knöcherne Einengung eines Foramen intervertebrale erfolgt meist von medial und ventral durch lippenartig vorspringende unkovertebrale Exostosen, von dorsal durch den arthrotisch veränderten und z. T. subluxierten oberen Gelenkfortsatz des nächsttieferen Halswirbelkörpers. Für die Raumbeengung in einem Intervertebralkanal können daneben laterale Bandscheibenprotrusionen und -vorfälle sowie eine Höhenminderung zwischen den angrenzenden Wirbelkörpern verantwortlich sein. Wegen des horizontalen Verlaufs der zervikalen Wurzeln wird von einer erkrankten Bandscheibe in der Regel nur eine Wurzel irritiert (Abb. 9).
Die Symptome einer Zervikalwurzelläsion wurden bereits oben dargestellt. Im Rahmen der schmerzreflektorischen Ruhigstellung des erkrankten Bewegungssegments besteht meist ein palpabler Hartspann der Nacken-Schulter-Muskulatur mit Bewegungseinschränkung der HWS, teilweise auch eine fixierte Fehlhaltung des Kopfes in Entlastungsstellung.
Eine bildgebende Diagnostik ist dann erforderlich, wenn aufgrund der Schwere der neurologischen Ausfallserscheinungen oder wegen therapieresistenter Schmerzen ein operatives Vorgehen erwogen wird. Zervikalwurzelkompressionen können mittels MRT oder durch die Kombination von zervikaler Myelografie mit nachfolgender Computertomografie („Myelo-CT“) nachgewiesen werden.
Therapie
Die konservative Therapie zervikaler Wurzelkompressionssyndrome besteht in der kurzfristigen Ruhigstellung der HWS mittels einer individuell angepassten Halskrawatte in Kombination mit Analgetika, Muskelrelaxanzien und lokaler Eisanwendung. Physiotherapie in Kombination mit manueller Therapie und Bewegungsübungen sollten frühzeitig eingesetzt werden.
Therapieempfehlungen
  • Die Analgetika müssen in angemessenen Intervallen verabreicht werden (z. B. alle 8–12 h 50–100 mg Diclofenac oder alle 6–8 h 100–200 mg Tramadol in retardierter Form). Bei starken Schmerzen können kurzfristig retardierte Opioide indiziert sein.
  • Zur Muskelrelaxation empfehlen sich Wirkstoffe aus der Benzodiazepinreihe (z. B. Tetrazepam in 8-stündigen Intervallen), wobei die sedierende Wirkung besonders bei ambulanten Patienten zu beachten ist.
  • Gegen neuropathische Schmerzen wirksame Substanzen wie Pregabalin oder Amitryptilin können ergänzend gegeben werden.
Das beim Versagen dieser Behandlung bzw. bei hinzutretenden funktionell bedeutsamen Paresen indizierte operative Vorgehen hängt vom Ausmaß und von der Lokalisation der degenerativen HWS-Veränderungen ab. Wenn man sich zu einem operativen Vorgehen entschließt, sollte der Eingriff innerhalb der ersten Tage nach dem Auftreten von Paresen vorgenommen werden, da bei frühzeitiger Wurzelentlastung mit einer besseren Rückbildungstendenz gerechnet werden kann. Die neurochirurgische Dekompression der knöchern komprimierten Nervenwurzel erfolgt in Abhängigkeit vom Kompressionsort entweder von ventral oder von dorsal. Bei lateralen und intraforaminalen Bandscheibenvorfällen kommen eine ACDF („anterior cervical discectomy with fusion“) oder eine PCF („posterior cervical foraminotomy“) in Frage. Bei medianen und paramedianen Bandscheibenvorfällen sowie medialen spondylotischen Neubildungen sollte der ventrale Zugang gewählt werden. Neben der ACDF kommt der Bandscheibenersatz mit Prothese in Frage.
Im Gefolge eines operativen Eingriffs ist eine krankengymnastische Behandlung mit folgenden Zielen indiziert: Haltungsschulung, Beseitigung von Muskelverspannungen sowie Kräftigung der Schulter-Nacken-Muskulatur. Eine manuelle Therapie ist hier kontraindiziert.

Lendenwirbelsäule

Pathogenese, Klinik und Diagnostik
Im Bereich der Lendenwirbelsäule dominieren die Bandscheibenvorfälle zwischen LWK4 und 5 sowie zwischen LWK5 und Os sacrum mit einer Kompression der Wurzeln L5 bzw. S1. Weit lateral gelegene Hernien können – besonders wenn sie außerdem etwas nach kranial gerichtet sind – isoliert oder zusätzlich die nächsthöhere Wurzel komprimieren (Abb. 10). Die gleichzeitige Schädigung von zwei lumbosakralen Wurzeln ist besonders bei größeren mediolateralen Bandscheibenvorfällen keineswegs selten.
Bei einem medialen Massenprolaps resultieren bilaterale Kompressionen aller in der betreffenden Etage vorbeiziehenden Nervenwurzeln der Cauda equina (Kaudasyndrom Abschn. 1 „Lumbosakrale Nervenläsionen“).
Beim Zustandekommen einer lumbosakralen Wurzelkompression spielen außer dem Bandscheibenvorfall die konstitutionell oder durch knöcherne Anbauten festgelegte Weite des Spinalkanals (v. a. des Recessus lateralis), die Höhe des Zwischenwirbelraums, Verschiebungen der Wirbelkörper sowie – besonders bei voroperierten Patienten – narbige Veränderungen eine pathogenetisch manchmal entscheidende Rolle.
Die Diagnose eines lumbalen Bandscheibenvorfalls mit Wurzelkompression ist meist einfach. Oft weisen vorausgegangene belastungsabhängige Lumbalgien („Hexenschuss, Lumbago“) bereits auf das Bandscheibenleiden hin. Oft im Zusammenhang mit einer Belastung der LWS (Heben oder Tragen einer Last, Erschütterung, ungeschickte Bewegung) tritt akut ein radikulärer Schmerz, meist gemeinsam mit einer Lumbago auf. Typischerweise wird der radikuläre Schmerz durch Husten, Pressen und Niesen sowie durch Bewegungen im schmerzreflektorisch ruhiggestellten erkrankten Bewegungssegment provoziert, wobei es gleichgültig ist, ob man z. B. eine Rumpfbeugung oder ein Anheben des gestreckten Beins in Rückenlage (Lasègue-Zeichen) durchführt. Bei Irritationen der Wurzeln L3 und L4 kann man ein umgekehrtes Lasègue-Zeichen finden, in Form einer Schmerzprovokation durch Überstreckung des Hüftgelenks. Bei weit lateral im Recessus lateralis gelegenen Bandscheibenvorfällen ist öfters ein ausschließlich radikulärer Schmerz ohne begleitende Lumbalgie und ohne bewegungsabhängige Verstärkung vorhanden. Bei extraspinalen hohen lumbalen Diskushernien können Rückenschmerzen weitgehend fehlen.
Ein besonderes diagnostisches Problem stellen lumbosakrale Wurzelsyndrome nach vorangegangener Bandscheibenoperation dar, wobei intraoperative Schädigungen, postoperative Nachblutungen und – nach längerem Intervall – Narbenbildungen sowie Rezidivvorfälle verantwortlich sind. Ausschließlich belastungsabhängig auftretende Schmerzen können auf einer postoperativen Instabilität des operierten Bewegungssegmentes beruhen.
Zur Diagnose eines Bandscheibenvorfalls genügt meist bereits die Durchführung einer Computertomografie der LWS, welche kostengünstiger ist als eine Magnetresonanztomografie und annähernd gleich gute diagnostische Ergebnisse liefert. Bei typischer Anamnese und fehlenden funktionsbehindernden Paresen kann man bei etwa zwei Dritteln aller Patienten auf eine Bildgebung verzichten, da sich die Symptomatik unter konservativer Therapie innerhalb von 8–10 Tagen ganz oder weitgehend zurückbildet.
Therapie
Die konservative Therapie der lumbosakralen Wurzelkompressionssyndrome beschränkt sich in der akuten Phase auf vorübergehende Bettruhe in flacher Rückenlage oder in Stufenlagerung (je nach Schmerzlinderung). Bettruhe sollte dabei nur in der Akutphase verordnet werden. Eine frühe Mobilisierung und leichte bis mäßige Belastung ist wichtig.
Eine frühzeitige und ausreichende analgetische Therapie mit nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR; Roelofs et al. 2008) und muskelrelaxierender Therapie in Kombination mit lokaler Eis- oder Wärmeanwendung (z. B. in Form von Fangopackungen) sollte erfolgen. Das Ziel dieser Maßnahmen ist nicht nur eine unmittelbare Schmerzlinderung, sondern auch eine Durchbrechung der schmerzreflektorischen Fixierung der betroffenen Bewegungssegmente. Bei starken Schmerzen können kurzfristig auch (retardierte) Opioide indiziert sein.
Cave
Lokale epidurale Kortikosteroid-Injektionen können zwar einen günstigen Effekt auf die Schmerzen durch Beeinflussung der sekundären Entzündungsreaktionen zeigen, sind jedoch in aller Regel entbehrlich und wegen der Gefahr einer Spritzenschädigung oder Infektion gefährlich.
Mit einsetzender analgetischer Wirkung erfolgt die vorsichtige Remobilisation in Form einer krankengymnastischen Übungsbehandlung, evtl. unter Ausschaltung der Schwerkraft im Bewegungsbad. Diese aktive Übungsbehandlung muss über die Symptomfreiheit hinaus fortgesetzt und nach einigen Wochen durch ein tägliches selbstständig durchzuführendes Übungsprogramm zur Kräftigung der Bauch- und Rückenmuskulatur abgelöst werden. Während dieser Behandlungsphase muss der Patient darüber hinaus zu einem „bandscheibengerechten“ Verhalten erzogen werden: korrektes Stehen und Sitzen am Arbeitsplatz, Heben von Lasten aus der Hocke anstatt aus dem Kreuz heraus, symmetrische Belastung beim Tragen von Lasten, adäquates Schuhwerk.
Eine Indikation zur elektiven Operation besteht bei gesicherter morphologischer Ursache der Schmerzsymptomatik und Versagen der konservativen Therapie innerhalb von 1–3 Wochen, bei progredienten Paresen oder beim Vorliegen funktionell relevanter neurologischer Ausfälle.
Eine Notfalloperation ist bei den seltenen Kaudasyndromen infolge eines medialen Massenprolaps vorzunehmen, da bereits ein Zuwarten über mehrere Stunden zu irreversiblen Blasen-Mastdarm-Lähmungen und Potenzstörungen führen kann. Für die Mehrzahl der Patienten ist nach wie vor ein offenes operatives Vorgehen am zweckmäßigsten.
Eine in mikrochirurgischer Technik durchgeführte Diskektomie erbringt bessere Resultate als die konventionelle Operationsmethode und weist seltener perioperative Komplikationen auf. Lediglich die Häufigkeit einer postoperativen Diszitis liegt bei beiden Verfahren in einer vergleichbaren Größenordnung (0–2,3 %). Die Ergebnisse der Bandscheibenchirurgie sind in erster Linie von der sorgfältigen Auswahl geeigneter Patienten abhängig und erst in zweiter Linie von den chirurgischen Verfahren. Nur bei eindeutig radikulären Syndromen mit damit korrelierendem Befund in der Bildgebung werden befriedigende Ergebnisse erreicht.
Perkutane Operationsverfahren sind nur dann zu erwägen, wenn eine Sequestrierung von Bandscheibenmaterial sicher ausgeschlossen ist und keine begleitenden knöchernen Einengungen bestehen. Die verschiedenen perkutanen Techniken erreichen die Entlastung der komprimierten Nervenwurzel auf zwei prinzipiell unterschiedlichen Wegen:
Bei der perkutanen Diskektomie wird der Prolaps mit einem endoskopischen Instrumentarium über einen posterolateralen Zugang direkt erreicht und entfernt. Ein anderes Verfahren strebt eine intradiskale Dekompression durch Punktion des Nucleus pulposus an und zwar durch mechanisches Abtragen und Aspirieren von Bandscheibenmaterial mit einem sog. Nukleotom. Das Outcome ist nach Diskektomie und Mikrodiskektomie besser als nach minimalinvasiven Eingriffen (Arts et al. 2009).
Weitgehend verlassen sind die Induktion einer enzymatischen Proteolyse mit Chymopapain oder eine intradiskale Vaporisierung des Nucleus pulposus mittels Laserenergie (perkutane Laserdiskektomie).
In seltenen Fällen von postoperativer Segmentinstabilität kann eine operative Spondylodese indiziert sein.
Chronifizierte Rückenschmerzen ohne radikuläre Ausstrahlung sind durch operative Maßnahmen nicht zu verbessern! Beim Übergang vom akuten in ein chronisches Stadium können Physiotherapie, schmerzdistanzierende Antidepressiva und psychotherapeutische Verfahren (Verhaltenstherapie, Schmerzbewältigungsprogramme) sich sinnvoll ergänzen.

Lumbale Spinalkanalstenose

Pathogenese
Im Grunde beruhen alle Wurzelkompressionssyndrome im Zusammenhang mit degenerativen Wirbelsäulenveränderungen auf einem Missverhältnis zwischen dem vorhandenen und dem von den Nervenwurzeln benötigten Raum. Bei einer mehr oder weniger akut einsetzenden Raumbeengung durch einen Bandscheibenvorfall wird jedoch nicht von einer Spinalkanalstenose gesprochen, sondern lediglich bei einer chronischen Enge, die sich oft auf der Basis einer relativen kongenitalen Stenose entwickelt.
Normalerweise beträgt der Sagittaldurchmesser des lumbalen Spinalkanals über 14 mm; bei Werten zwischen 12–14 mm wird von einer relativen, bei Werten unter 12 mm von einer absoluten Spinalkanalstenose gesprochen. Einschränkend ist zu diesen Messwerten zu sagen, dass nicht nur die knöcherne Begrenzung pathogenetisch bedeutsam ist, sondern auch die Weichteile (z. B. die Dicke der Ligg. flava). Eine über die anlagemäßige Stenose hinausgehende Einengung kann durch jede der begrenzenden Strukturen erfolgen, z. B. durch eine Hypertrophie der Gelenkfortsätze, Osteophyten, eine Hypertrophie des Lig. flavum, aber auch durch eine Verlagerung der Wirbelkörper gegeneinander wie bei der Spondylolisthesis. Außerdem kann eine bei normalen räumlichen Verhältnissen belanglose Bandscheibenprotrusion im Fall einer konstitutionellen Enge zur Entwicklung von Wurzelkompressionssyndromen beitragen, was bei einer etwaigen operativen Therapie zu berücksichtigen ist. Insbesondere nach einer länger dauernden Kortikoidtherapie kann eine spinale Lipomatose eine Rolle spielen.
Außer dem Gesamtdurchmesser des Spinalkanals ist die Weite des Recessus lateralis von Bedeutung. Dieser stellt den lateralen Teil des – im unteren LWS-Bereich – dreieckförmigen Spinalkanals dar, durch den die zugehörige Nervenwurzel wie in einer Rinne verläuft, bevor sie den Spinalkanal am Unterrand der Bogenwurzel durch das Foramen intervertebrale verlässt. Der Recessus lateralis wird dorsal begrenzt durch das Lig. flavum und den kranialen Gelenkfortsatz des nächsttieferen Wirbelkörpers, lateral durch die Bogenwurzel und ventral durch die Hinterkante des Wirbelkörpers und den lateralen Teil der Bandscheibenhinterfläche. Eine Einengung des Recessus erfolgt vornehmlich von dorsal durch eine Hypertrophie der Gelenkfortsätze, aus der auch die „Kleeblattform“ des Spinalkanals resultiert (Abb. 11). Auch eine Erniedrigung einer Bandscheibe durch Degeneration oder operative Entfernung mit konsekutivem Rückwärtsgleiten des kranialen Wirbelkörpers sowie Vorrücken des kranialen Gelenkfortsatzes des nächsttieferen Wirbelkörpers kommt als Ursache einer Einengung des Recessus lateralis in Betracht. Dabei wird ein anteroposteriorer Durchmesser von 2 mm und darunter als sichere, ein Durchmesser von 2–3 mm als relative Einengung betrachtet.
Einengungen des Spinalkanals werden als zentrale Stenose, Einengungen des Recessus lateralis als laterale Stenose bezeichnet, wobei diese beiden Stenoseformen sowohl isoliert als auch in Kombination vorkommen.
Klinik
In Abhängigkeit von der Lokalisation und dem Ausmaß einer Spinalkanalstenose können sich unterschiedliche klinische Bilder entwickeln. Im Vergleich zu den Bandscheibenvorfällen zeichnen sich diese durch eine eher subakute bis chronische Verlaufsform aus. Im Einzelnen finden sich uni- und bilaterale monoradikuläre Syndrome, uni- und bilaterale Syndrome von 2–3 benachbarten Wurzeln (Abb. 11), Kaudasyndrome sowie besonders das Syndrom der neurogenen Claudicatio.
Als neurogene Claudicatio intermittens wird eine Symptomatik beschrieben, die ausschließlich intermittierend nach kürzeren oder längeren Gehstrecken auftritt. In Analogie zum intermittierenden schmerzbedingten Stehenbleiben bei der arteriellen Verschlusskrankheit wurde der Begriff der neurogenen Claudicatio intermittens geprägt: Da sich die Symptomatik auch beim aufrechten Stehen entwickelt, spricht man korrekter von einer haltungsabhängigen intermittierenden Einklemmung der Cauda equina bzw. einzelner lumbosakraler Nervenwurzeln. Je nachdem, ob die gesamte Cauda equina oder – was wesentlich häufiger vorkommt – nur einzelne lumbosakrale Nervenwurzeln (ein- oder beidseitig) komprimiert werden, entwickeln sich uni- oder bilaterale Beinschmerzen nach einer unterschiedlich langen Gehstrecke. Am häufigsten sind dabei die Dermatome L4, L5 und/oder S1 betroffen. In schwereren Fällen können auch Parästhesien und Paresen auftreten, von denen sich besonders die Fußheber- und die seltenere Kniestreckerschwäche negativ auf das Gangbild auswirken.
Im Unterschied zur arteriellen Verschlusskrankheit führt das Stehenbleiben in aufrechter Haltung nicht zum Nachlassen der Schmerzen, sondern lediglich das Vorwärtsbeugen des Rumpfes (im Stehen oder Sitzen) bzw. das Hinlegen mit angebeugten Beinen (Entlordosierung). Im Unterschied zur vaskulären Claudicatio intermittens können die Patienten beschwerdefrei über viele Kilometer Rad fahren.
Die Symptomatik kommt dadurch zustande, dass sich bei aufrechter Haltung der Durchmesser des Spinalkanals verkleinert; bei der lumbalen Myelografie sieht man oft einen Kontrastmittelabbruch bei Lordose der LWS, der sich unter Kyphosierung auflöst. Demgemäß entwickeln sich bei den Patienten die Beschwerden beim Bergabgehen rascher als beim Bergaufgehen.
Diagnostik
Die Diagnose einer neurogenen Claudicatio intermittens steht und fällt mit einer exakten Anamnese, da der neurologische Untersuchungsbefund im Intervall oft unauffällig ist. In der Untersuchungssituation kann man die segmental angeordneten Schmerzen oft durch längeres Stehen in Hyperlordosierung der LWS provozieren. Die bildgebende Diagnostik ist nur im Zusammenhang mit einer typischen klinischen Symptomatik beweiskräftig, wobei neben einer lumbalen MRT auch die Kombination von lumbaler Myelografie und anschließender Computertomografie („Myelo-CT“) möglich ist.
Therapie
Die Therapie der genannten Engesyndrome ist in aller Regel operativ, wobei der Umfang des Eingriffs je nach klinischer Symptomatik und räumlichen Verhältnissen sowie altersabhängig von der Facettektomie bis zur Laminektomie über mehrere Etagen unter Belassung der Gelenkfortsätze reicht. Aus Stabilitätsgründen sollte versucht werden, mit einer interlaminaren Dekompression auf einer oder mehreren Etagen mit Erhaltung der Dornfortsätze und der interspinalen Ligamente auszukommen, um eine postoperative Instabilität zu verhindern. Der Nutzen einer gleichzeitigen Spondylodese bei Dekompressionsoperation ist umstritten (Forsth et al. 2016). Bei der isolierten Enge des Recessus lateralis ist die Dekompression der betroffenen Nervenwurzel durch Entdachung des Wurzelkanals angezeigt. Ob die Kurzzeitprognose oder das Outcome nach 2 Jahren postoperativ tatsächlich besser ist als bei einem konservativen Vorgehen (Weinstein et al. 2010), ist nicht endgültig geklärt (Zaina et al. 2016).

Sonstige vertebragene Prozesse

Spondylolisthesis

Lediglich zwei Formen sind von praktischer Bedeutung:
1.
die spondylolytische Form, die auf eine Stressfraktur am Isthmus der Bogenwurzel mit Pseudarthrose und u. U. Kallusbildung im Spaltbereich zurückgeführt wird,
 
2.
die degenerative Form des Wirbelgleitens (Pseudospondylolisthesis) mit Subluxation der Gelenke infolge einer Bandscheibenerniedrigung und Lockerung des Bandapparats.
 
Viele an einer solchen Erkrankung leidenden Patienten bleiben symptomfrei oder verspüren lediglich intermittierende Kreuzschmerzen. In Abhängigkeit vom Ausmaß der Veränderungen können aber auch intermittierende oder konstante radikuläre Symptome bis hin zur Kaudalähmung auftreten, wobei folgende Pathomechanismen zugrunde liegen:
  • Bei der spondylolytischen Form bildet sich häufig im Bereich der Pseudarthrose Granulations- oder Kallusgewebe, welches die hieran adhärente Nervenwurzel uni- oder bilateral komprimieren kann.
  • Eine chronische ein- oder beidseitige Wurzelkompression resultiert ebenso bei der Einengung des Foramen intervertebrale infolge von Höhenminderung, Gleitvorgängen und/oder knöchernen Anbauten.
  • Bei der spondylolytischen Form tritt bei starkem Wirbelgleiten eine Zerrung der Cauda equina über die Hinterkante des nächsttieferen Wirbelkörpers ein, die zu permanenten oder intermittierenden Reiz- und Ausfallssymptomen führen kann.
Bei der degenerativen Form, bei der die Bogenanteile mit in den Gleitvorgang einbezogen sind, resultiert außerdem eine Verkleinerung des Sagittaldurchmessers des Spinalkanals mit der möglichen Konsequenz einer Kaudakompression.
In Abhängigkeit von den jeweils vorliegenden pathogenetischen Mechanismen kommen uni- und bilaterale Schädigungen einer oder mehrerer Wurzeln ebenso vor wie ein Cauda-equina-Syndrom. Manche Patienten leiden lediglich in aufrechter Körperhaltung, d. h. beim Stehen oder Gehen, an radikulären Reiz- und evtl. Ausfallserscheinungen im Sinne einer neurogenen Claudicatio (s. oben). Infolge der abnormen Belastung kommen selbstverständlich sowohl in der Etage des Gleitwirbels als auch in den darüber- oder darunterliegenden Segmenten Bandscheibenvorfälle mit möglichen hierdurch bedingten Nervenwurzelläsionen vor.

Morbus Bechterew

Die ankylosierende Spondylitis kann in der aktiven Krankheitsphase mit Läsionen einzelner thorakaler oder lumbosakraler Nervenwurzeln einhergehen, wobei in der Regel lediglich radikuläre Schmerzen auftreten. Als Spätkomplikation kommen sehr langsam progrediente Cauda-equina-Syndrome teilweise in Kombination mit Blasen-Mastdarm-Lähmungen vor. Schmerzen in der Dammregion und/oder in den Beinen können das Kaudasyndrom einleiten oder begleiten. Das Computertomogramm zeigt eine für dieses Syndrom charakteristische Kombination von dorsalen Arachnoidalzysten und korrespondierenden Erosionen in den Wirbelbögen und Dornfortsätzen kaudal von LWK1.
Die Pathogenese des Kaudasyndroms bei der Bechterew-Erkrankung ist unklar. Am wahrscheinlichsten ist ein krankheitsbedingter Elastizitätsverlust des kaudalen Duralsacks mit zusätzlichen Adhäsionen an den umgebenden Strukturen, was zu einer verminderten Reagibilität auf intermittierende Liquordruckerhöhungen führt. Die ungedämpften Liquordrucksteigerungen scheinen die Nervenwurzeln im Sinne einer repetitiven Mikrotraumatisierung zu schädigen, wobei erste Hinweise vorliegen, dass durch die Anlage eines lumboperitonealen Shunts eine weitere Progression verhindert werden kann.

Weitere vertebragene Erkrankungen, die zur Schädigung einzelner Nervenwurzeln bzw. zu einem Kaudasyndrom führen können

Hier sind v. a. Wirbelsäulenverletzungen, Spondylitiden und Spondylodiszitiden sowie Spontanfrakturen von Wirbelkörpern aufzuführen.

Tumoren von Nervenwurzeln und angrenzenden Strukturen

Nervenwurzelläsionen kommen im Zusammenhang mit verschiedenartigen, von den Nervenwurzeln oder unmittelbar benachbarten Strukturen ausgehenden Tumoren vor; dabei sind Neurinome und Meningeome intradural, metastatische Prozesse mit wenigen Ausnahmen extradural gelegen. Die klinische Verdachtsdiagnose ergibt sich aus dem Vorliegen eines oft allmählich einsetzenden und in der Folgezeit progredienten radikulären Syndroms.

Neurinome (Schwannome)

Schwannome entwickeln sich am häufigsten intradural im Hinterwurzelbereich und können über lange Zeit ausschließlich radikuläre Schmerzen hervorrufen. Sobald die betroffene Wurzel stärker in Mitleidenschaft gezogen wird, resultieren daneben sensible, motorische und Reflexausfälle im betroffenen Segment. Häufig werden die Symptome je nach Tumorlokalisation über Monate oder Jahre hinweg als „Zervikobrachialgie“, „Interkostalneuralgie“ bzw. „Ischias“ fehlgedeutet. Sofern in seltenen Fällen ein Tumor das Syndrom der neurogenen Claudicatio intermittens hervorruft, ist auch die Verwechslung mit einer Spinalkanalstenose möglich.
Bei der Neurofibromatose muss mit einem multiplen Vorkommen von Neurinomen mit Häufung im Kaudabereich gerechnet werden. Bei der kernspin- oder computertomografischen Abgrenzung gegen andere Tumoren ist von Bedeutung, dass Schwannome ebenso wie Meningeome Kontrastmittel aufnehmen und dass sie meist zu einer Knochenarrosion führen.

Meningeome

Diese Tumoren sind im Hinblick auf die initiale Symptomatik, die Häufigkeit und die langsame Wachstumstendenz mit den Neurinomen vergleichbar, breiten sich aber in der Regel nur innerhalb des Spinalkanals aus, sodass sie früher als diese zu Symptomen von Seiten der langen Bahnen führen.

Tumormetastasen

Die mit Abstand häufigsten und fast immer extradural gelegenen Tumoren, die zur Schädigung einer oder mehrerer Nervenwurzeln führen, sind Karzinommetastasen. Daher sind radikuläre Schmerzen bei vielen Patienten das Initialsymptom von spinalen Tumormetastasen und für deren frühzeitige Erkennung von allergrößter Bedeutung. Bei Metastasierungen in die Wirbelbögen bleiben die Symptome auch im weiteren Verlauf oft auf die Nervenwurzeln beschränkt, während sich in den übrigen Fällen in der Regel nach Wochen bis Monaten die zusätzlichen Symptome eines spinalen Querschnitts- bzw. Kaudasyndroms ausbilden.
Die wichtigsten Primärtumoren sind Bronchial-, Prostata-, Mamma-, Schilddrüsenkarzinome und Hypernephrome, die sich z. T. direkt, häufiger aber im Anschluss an einen Wirbelbefall im Epiduralraum absiedeln. In etwa einem Drittel der Fälle finden sich – teils asymptomatische – multiple epidurale Metastasen, sodass bei der bildgebenden Diagnostik die gesamte Wirbelsäule erfasst werden sollte (sofern therapeutische Konsequenzen zu erwarten sind).
Außer den Karzinommetastasen können sich zahlreiche andere gut- und bösartige Geschwülste direkt oder über einen Wirbelbefall im Epiduralraum ausbreiten und Nervenwurzelläsionen hervorrufen. Am wichtigsten sind das Plasmozytom, maligne Lymphome, Leukosen und Sarkommetastasen. Differenzialdiagnostisch muss bei allen extraduralen Raumforderungen immer auch an Abszesse und Hämatome gedacht werden. Epidurale Abszesse kommen mit und ohne Wirbelkörperbefall vor und sind am häufigsten die Folge einer fortgeleiteten oder hämatogenen Staphylokokken-Infektion. Tuberkulöse Abszesse folgen in der Regel einer spezifischen Spondylitis.

Intramedulläre Tumoren im Konus-Kauda-Bereich

Unter den vorwiegend intramedullär wachsenden Tumoren sind im Zusammenhang mit einem peripheren Ausfallsmuster die Ependymome des Conus medullaris und des Filum terminale am wichtigsten. Diese können monate- oder jahrelang mit umschriebenen radikulären Reiz- und später Ausfallserscheinungen einhergehen, ehe sich ein Konus-Kauda-Syndrom entwickelt. Bei der Abgrenzung gegenüber einer Polyneuropathie, deren Annahme bei symmetrischen distal betonten sensomotorischen Ausfällen naheliegt, sind die frühzeitig hinzutretenden Blasen-Mastdarm-Störungen von entscheidender Bedeutung.
Seltenere, oft im Zusammenhang mit Missbildungen anzutreffende Raumforderungen, die u. a. zu einem Kaudasyndrom führen können, sind Lipome, Dermoidzysten, Epidermoide und Teratome. Beim spontanen oder auch intraoperativen Einbruch einer Dermoidzyste in den Subarachnoidalraum wird das Bild durch eine toxische Meningitis überlagert, die durch die Reizwirkung der im Liquor nachweisbaren Cholesterinkristalle bedingt ist. Schließlich sind die bevorzugt im Sakralbereich lokalisierten Chordome zu erwähnen.
Beim Vorliegen eines Kaudasyndroms empfiehlt es sich, primär eine MRT und nicht eine Myelografie durchzuführen, um ein Anpunktieren des jeweiligen Krankheitsprozesses mit der Punktionsnadel zu vermeiden. Diese Regel gilt im verstärkten Maß bei der Möglichkeit eines epiduralen Abszesses.

Meningeosis carcinomatosa und Abtropfmetastasen mit Wurzelbefall

Eine letzte Gruppe von Tumoren, die zu radikulären Symptomen führen können, sind diffuse Tumorinfiltrationen in den weichen Rückenmarkhäuten und/oder in den Nervenwurzeln innerhalb des Liquorraums. So können sich z. B. bei Medulloblastomen und Ependymomen Abtropfmetastasen v. a. an den lumbosakralen Nervenwurzeln festsetzen.
Polyradikuläre Symptome mit symmetrischen oder asymmetrischen sensomotorischen Reiz- und Ausfallserscheinungen an den Beinen finden sich bei der spinalen Meningeosis sarcomatosa und carcinomatosa, wobei Letztere am häufigsten bei Magen-, Darm-, Bronchial- und Mammakarzinomen sowie Melanomen vorkommt. Etwa 20 % weisen als klinisches Frühsymptom zervikale und besonders lumbosakrale Wurzelsyndrome auf.
Bei einer Tumoranamnese sollten solche Symptome immer Anlass zu einer sorgfältigen liquorzytologischen Untersuchung sein, wobei Pleozytosen bis zu 100 Zellen/μl in Kombination mit Proteinerhöhung und Glukoseerniedrigung typisch sind. Ein Nachweis von Tumorzellen gelingt bei der Erstpunktion nur bei etwa der Hälfte der Patienten; bei begründetem Verdacht sind u. U. mehrfache Lumbalpunktionen notwendig. Mitunter lassen sich knötchenförmige Veränderungen oder diffuse Verdickungen von Nervenwurzeln in der MRT nachweisen.

Radikulitiden

Entzündliche Nervenwurzelprozesse finden sich bei einigen generalisierten Erkrankungen des peripheren Nervensystems wie dem Guillain-Barré-Syndrom und der diphtherischen Polyneuritis (Kap. „Entzündliche Polyneuropathien (Polyneuritiden)“). Der Schwerpunkt der Veränderungen im Bereich der Nervenwurzeln wird bei diesen Erkrankungen auf die dort weniger dichte Blut-Nerven-Schranke mit hieraus resultierender höherer Anfälligkeit gegen Toxine und Antikörper zurückgeführt. Insbesondere bei HIV-Patienten kommen außerdem Radikulitiden durch Tuberkelbakterien oder Kryptokokken vor.

Zoster

Die durch das Varicella-Zoster-Virus hervorgerufene Gürtelrose geht v. a. auf das Spinalganglion und angrenzende Nervenwurzeln betreffende entzündliche Veränderungen zurück. Dies führt zu mono- oder polysegmentalen Schmerzen an einer Extremität bzw. Rumpfhälfte, z. T. in Kombination mit sensomotorischen Ausfallserscheinungen, die im Rumpfbereich meist unbemerkt bleiben. Beim Befall einer kaudalen Thorakalwurzel treten umschriebene Bauchwandparesen auf, während sich an den betroffenen Extremitäten schlaffe Lähmungen in einem oder mehreren Myotomen finden. In klinisch inapparenten Fällen lässt sich die Mitbeteiligung der Vorderwurzeln durch den elektromyografischen Nachweis von Denervierungszeichen in der paraspinalen Muskulatur des betreffenden Segments erbringen.
Zur Verhinderung einer postzosterischen Neuralgie ist die möglichst frühzeitige und wirksame (d. h. parenterale) Behandlung mit Aciclovir indiziert (5 mg/kg KG 3-mal täglich im Abstand von 8 h über 6–8 Tage). Eine Impfung bei Personen über 60 Jahre beugt dem Zoster segmentalis effektiv vor.

Herpes simplex

Radikuläre Schmerzen und Dysästhesien finden sich beim rezidivierenden Herpes simplex, besonders wenn dieser im Gesäß- und Genitalbereich lokalisiert ist (Typ 2). Führende Symptome sind uni- oder bilaterale Schmerzen und Parästhesien bevorzugt im Versorgungsbereich der sakralen Nervenwurzeln, evtl. begleitet von einer Blasen-Mastdarm-Lähmung sowie schlaffen Paresen und Reflexausfällen an den Beinen. Der Liquor zeigt eine lymphozytäre Reaktion neben einer Eiweiß- und IgG-Erhöhung. Pathogenetisch wird eine aszendierende Neuritis sakraler Wurzeln durch das über Haut und Schleimhaut eindringende Herpes-simplex-Virus vermutet.

Neuroborreliose

Die Meningoradikulitis Bannwarth geht auf eine Borrelieninfektion zurück, die durch Zeckenbisse, aber auch Insektenstiche übertragen wird. In einem Teil der Fälle entsteht an der Biss- bzw. Stichstelle ein Erythema migrans, welches mit allgemeinem Unwohlsein, Kopfschmerzen und Arthralgien verbunden sein kann. In der Folgezeit entwickeln sich häufig nächtlich verstärkte Schmerzen in dem betroffenen Körperabschnitt, gefolgt von Parästhesien und sensomotorischen Ausfallserscheinungen. Diese können auf eine Extremität beschränkt sein, sich aber auch auf die kontralaterale Extremität ausbreiten; auch kommen zusätzliche Hirnnervenlähmungen (v. a. ein- oder beidseitige Fazialisparesen) vor, während eine klinisch manifeste zentralnervöse Mitbeteiligung selten ist. Der Liquor zeigt in der Regel eine Pleozytose (30–300 Zellen/μl) in Kombination mit einer Proteinerhöhung und einer deutlich erhöhten autochthonen IgG-Produktion mit spezifischen IgG- und IgM-Antikörpern.
Das klinische Erscheinungsbild variiert in Abhängigkeit von den jeweils betroffenen Nervenwurzeln. Beim Befall der kaudalen Thorakalwurzeln (thorakoabdominale Manifestationsform) stehen Schmerzen in den betreffenden Segmenten und Bauchmuskellähmungen im Vordergrund, wobei die Lähmung der Bauchmuskulatur nur bei gezielter Untersuchung erfasst wird.
Beim bilateralen Befall der sakralen Nervenwurzeln entsteht die Symptomatik des Elsberg-Syndroms mit entsprechend lokalisierten sensomotorischen Ausfallserscheinungen und einer Blasen-Mastdarm-Lähmung. (Andere mögliche Ursachen für dieses Syndrom sind der bereits erwähnte Herpes simplex und bei subakutem Verlauf die Sarkoidose.)
Die Behandlung erfolgt parenteral mittels Cephalosporinen der 3. Generation (z. B. Ceftriaxon 1-mal 2 g täglich oder Cefotaxim 3-mal 2 g täglich, wobei eine Therapiedauer von 2 Wochen in der Regel ausreichend ist). Ausweichpräparat bei Unverträglichkeit ist Doxycyclin.

Diabetische Radikulopathien

Im Zusammenhang mit Stoffwechselstörungen, besonders dem Diabetes mellitus, resultieren nicht nur ausgebreitete symmetrische Polyneuropathien, sondern auch umschriebene Radikulopathien (bzw. Plexoradikulopathien) mit Bevorzugung des thorakolumbalen Abschnitts.

Diabetische Amyotrophie

Die häufigste Form ist das als diabetische Amyotrophie bekannte Krankheitsbild, wobei neuropathologische Studien ursächlich eine diabetische Mikroangiopathie der Vasa nervorum nahelegen. Die klinische Symptomatik ist variabel. Betroffen sind überwiegend Patienten im 6. oder 7. Lebensjahrzehnt, bei denen der Diabetes im Erwachsenenalter auftrat und meist befriedigend eingestellt ist. Die Symptome beginnen in der Regel akut oder subakut, wobei in den ersten Tagen starke, in der Nacht exazerbierende Schmerzen und Dysästhesien bevorzugt am ventralen Oberschenkel im Vordergrund stehen. Bereits nach einigen Tagen tritt eine erhebliche Muskelschwäche hinzu, die bevorzugt den M. quadriceps femoris betrifft, der in der Folgezeit eine oft ausgeprägte Atrophie entwickelt. Häufig sind auch die Hüftbeuger und die Adduktoren betroffen mit Abschwächung oder Ausfall des Quadrizeps- und Adduktorenreflexes. Sensible Ausfälle treten demgegenüber in den Hintergrund, doch werden öfter Berührungsmissempfindungen bevorzugt an der Vorderinnenseite des Oberschenkels angegeben.

Thorakoabdominale Radikuloneuropathie

Ein analoges, aber die weiter rostral gelegenen Nervenwurzeln betreffendes Krankheitsbild stellt die diabetische thorakoabdominale Radikuloneuropathie dar. Diese manifestiert sich mit meist akut einsetzenden und danach persistierenden Schmerzen im Bereich des Thorax oder Abdomens. Die Schmerzzone und eine etwaige begleitende Hypästhesie oder Hyperpathie erstrecken sich oft über mehrere Segmente, wobei ein uni- und bilaterales Auftreten möglich sind, ebenso multiple Lokalisationen. Ein Teil der Patienten weist Paresen der Bauchdeckenmuskulatur mit umschriebener Vorwölbung besonders beim Pressen auf. Elektromyografisch lässt sich Denervierungsaktivität sowohl in der Bauchdecken- als auch in der paravertebralen Muskulatur der betroffenen Segmente nachweisen.
In der Mehrzahl der Fälle weist eine bilaterale Abschwächung des Triceps-surae-Reflexes und des Vibrationsempfindens an den Zehen auf eine gleichzeitig bestehende symmetrische diabetische Polyneuropathie hin. Im Liquor findet sich häufig eine Eiweißerhöhung, wobei der fehlende Nachweis von Tumorzellen wichtig ist bei der Abgrenzung gegenüber einer Meningeosis carcinomatosa mit multiradikulärem Befall.
Trotz des dramatischen Beginns, der heftigen Schmerzen und der häufig bestehenden Allgemeinsymptome (Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust, Adynamie) ist die Prognose der diabetischen Radikulopathien günstig. In der Regel kommt es nach einigen Wochen bis Monaten zur Besserung der Schmerzen und in der Folgezeit zu einer allmählichen Rückbildung der Paresen. Bei etwa 20 % der Patienten entwickelt sich im Verlauf von Monaten bis Jahren ein Rezidiv, wobei in diesen Fällen öfter ein andersartiges oder auch identisches Ausfallsmuster auf der Gegenseite beobachtet wird.

Dysrhaphische Störungen

Missbildungstumoren wie Lipome, Epidermoide, Dermoide und Teratome sind öfter vergesellschaftet mit dysrhaphischen Störungen wie Spina bifida, Meningozele, Meningomyelozele, Diastematomyelie und Hydromyelie. Im Zusammenhang damit entwickelt sich nicht selten eine Fixierung („tethering“) des kaudalen Rückenmarkabschnitts an das umgebende Gewebe infolge einer Adhärenz des neuralen an mesodermales Gewebe (Tethered-Cord-Syndrom). Der z. B. durch ein verdicktes Filum terminale oder ein Lipom fixierte Conus medullaris kann die im Rahmen des Längenwachstums normalerweise eintretende Kranialverschiebung gegenüber der Wirbelsäule nicht mitmachen und weist daher einen Tiefstand auf. Außerdem wird bei jeder Anteflexion des Rumpfes ein verstärkter Längszug auf das Rückenmark mit konsekutiver Durchblutungsstörung ausgeübt, die als Hauptursache der klinischen Symptomatik angesehen wird. Diese besteht meist in stetig oder schubweise progredienten Schmerzen und sensomotorischen Ausfällen an den Beinen mit begleitenden Muskelatrophien, einer Abschwächung der Beineigenreflexe sowie Fußdeformitäten. Sehr häufig sind auch Blasenstörungen vom peripheren Typ mit erhöhten Restharnmengen anzutreffen. Seltener und als vaskuläre Fernschädigung zu interpretieren sind zusätzliche zentrale Paresen und Blasen-Mastdarm-Störungen, die sich meist schon im Kindesalter im Zusammenhang mit Wachstumsschüben manifestieren. Da die Rückbildungstendenz bereits manifester Ausfälle gering ist, sollte eine Frühdiagnose und -behandlung angestrebt werden. Letztere besteht in einer Durchtrennung des verdickten Filum terminale und anderer fixierender Strukturen, einer Entfernung des lipomatösen Gewebes und einem Duraverschluss mit lyophilisierter Dura, um eine erneute postoperative Fixierung zu verhindern.

Arachnopathien

Chronisch progressive Arachnopathien entwickeln sich teils spontan, teils im Anschluss an intrathekale Medikamentengaben, Wirbelsäulen- und Rückenmarktraumen oder -operationen sowie spinale Meningitiden. In der Regel ist der Kaudalsack isoliert oder bevorzugt betroffen, sodass Reiz- und ggf. Ausfallserscheinungen von Seiten der lumbosakralen Wurzeln im Vordergrund stehen.

Nervenwurzelläsionen durch Punktion und Injektion

Die lumbosakralen, seltener auch die thorakalen und zervikalen Nervenwurzeln können bei der Paravertebral-, der Peridural- und der Spinalanästhesie eine Schädigung erfahren. In der Regel handelt es sich hierbei um eine mechanische Verletzung von neuralen und/oder vaskulären Wurzelanteilen durch die Punktionsnadel, den Katheter oder den Injektionsdruck (etwa bei rascher intraneuraler Injektion größerer Flüssigkeitsvolumina). Besonders vulnerabel sind die Nervenwurzeln an ihrem Fixationspunkt im Bereich des Foramen intervertebrale, während sie innerhalb des Subarachnoidalraums der vordringenden Nadel leichter ausweichen können. Die Symptomatik dieser Radikulopathien ist durch einen initialen Schmerz von radikulärer Ausstrahlung charakterisiert. Nach dem Abklingen einer der Injektion folgenden Anästhesie verbleiben radikuläre Ausfälle z. T. in Kombination mit quälenden Schmerzen.

Radiogene Nervenwurzelläsionen

Nervenwurzelläsionen als Strahlenspätfolge sind eine Rarität, da zumindest in den zervikothorakalen Abschnitten die Strahlentoleranz des Rückenmarks geringer ist als die der Nervenwurzeln. Radiogene Wurzelläsionen kommen daher nur im Lumbosakralbereich vor und wurden ursprünglich als „amyotrophische Form der Strahlenmyelopathie“ infolge selektiver Schädigung motorischer Vorderhornzellen beschrieben. Aufgrund klinischer, elektrophysiologischer und neuropathologischer Befunde handelt es sich jedoch meist um eine polyradikuläre Läsion mit bevorzugtem Betroffensein motorischer Nervenfasern. Die Patienten entwickeln Monate bis Jahre nach Abschluss der Bestrahlung progrediente Muskelatrophien und Paresen, z. T. mit begleitenden Faszikulationen. Blasen-, Mastdarm- sowie Sensibilitätsstörungen fehlen oder sind nur in diskreter Form vorhanden; die Paresen sind in der Regel stetig oder schubweise progredient.
In der Differenzialdiagnose gegenüber anderen Kaudasyndromen, z. B. infolge Metastasierung eines bestrahlten Malignoms, sind die fehlenden Schmerzen, die fehlenden oder höchstens diskret vorhandenen Sensibilitäts- und Blasenstörungen sowie die zurückliegende Bestrahlung mit applizierten Strahlendosen meist über 50 Gy von Bedeutung.

Facharztfragen

1.
Nennen Sie die Leitsymptome der häufigsten zervikalen und lumbosakralen Wurzelläsionen.
 
2.
Welche neurophysiologische Diagnostik hilft in der Differenzierung Wurzelläsion versus periphere Nervenläsion weiter?
 
3.
Nennen Sie die Leitsymptome eines Kauda- und eines Konussyndroms.
 
4.
Wann muss bei einer Lumboischialgie operiert werden?
 
5.
Was ist eine neurogene Claudicatio und wie kommt sie zustande?
 
6.
Nennen Sie nichtdegenerative Ursachen von mono- und pluriradikulären Symptomen.
 
7.
Welche Formen der diabetischen Radikulopathie kennen Sie?
 
Literatur
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