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Klinische Kardiologie
Info
Publiziert am: 04.01.2022

Erworbene Erkrankungen der Aortenklappe

Verfasst von: Daniel Braun und Steffen Massberg
Die Aortenklappenstenose und die Aortenklappeninsuffizienz zählen zu den häufigsten Vitien im klinischen Alltag.
Die Aortenklappenstenose kann durch degenerative Veränderungen, eine bikuspid fehlangelegte Klappe oder durch rheumatische Veränderungen bedingt sein. Klinische Leitsymptome sind Dyspnoe, Synkopen und Angina pectoris. Diagnostisch wegweisend ist die transthorakale Echokardiografie. Die Mortalität ist bei symptomatischen Patienten mit hochgradiger Stenose deutlich erhöht, weshalb ein Klappenersatz durchgeführt werden sollte. Neben einem chirurgischen Klappenersatz kann ein großer Teil der Patienten inzwischen durch einen Transkatheter-Aortenklappenersatz behandelt werden.
Die chronische Aortenklappeninsuffizienz kann durch eine bikuspid angelegte Klappe, degenerative Veränderungen oder Bindegewebserkrankungen bedingt sein. Diagnostisch wegweisend ist die transthorakale Echokardiografie. Der klinische Verlauf ist meist über Jahre inapparent, kann aber im Endstadium zu einer Herzinsuffizienz führen, weshalb insbesondere diese Patienten einen Klappenersatz erhalten sollten.

Aortenklappenstenose

Epidemiologie

Die Aortenklappenstenose ist das häufigste zur chirurgischen oder interventionellen Therapie führende Vitium in der westlichen Welt. Die Prävalenz der Aortenklappenstenose nimmt aufgrund der alternden Gesellschaft stetig zu. Während bei 1,3 % der Menschen in der 7. Lebensdekade eine Aortenklappenstenose nachgewiesen werden konnte, war dies in der 8. und 9. Lebensdekade bereits bei 3,9 % bzw. 9,8 % der Fall (Eveborn et al. 2013).

Ätiologie

Der Aortenklappenstenose kann hinsichtlich der Pathogenese in drei Hauptgruppen eingeteilt werden:
1.
Kalzifizierende Aortenklappenstenose einer trikuspid angelegten Klappe. Bei dieser in der westlichen Welt häufigsten Form führen kalzifizierende Plaqueablagerungen an der Klappe zunächst zur Sklerose und in der Folge mit zunehmender Verkalkung zu einer progredienten Einschränkung der Öffnungsbewegung der Klappensegel. Sie tritt insbesondere im höheren Lebensalter (>65 Jahre) auf und hat einen chronisch progredienten Verlauf.
 
2.
Bikuspide Aortenklappe. Bei dieser Form ist die Aortenklappe primär bikuspid angelegt oder es kommt zu einer sekundären Fusion von zwei Taschen (sekundär bikuspid). Bei dieser Form der Aortenklappenstenose bedingt eine erhöhte mechanische Belastung eine frühzeitige und akzelerierte Degeneration und Kalzifizierung der Aortenklappe. Die Aortenklappenstenose tritt im Vergleich zur kalzifizierenden Aortenklappenstenose einer trikuspid angelegten Klappe in jüngerem Lebensalter auf. Häufig werden kombinierte Vitien mit begleitender Insuffizienz nachgewiesen.
 
3.
Rheumatisch bedingte Aortenklappenstenose. Diese ist Folge eines rheumatischen Fiebers im Rahmen eines Infektes mit Beta-hämolysierenden Streptokokken oder anderen Autoimmunprozessen mit gegen kardiale Strukturen gerichteten Antikörpern. Durch die antibiotische Behandlung von Streptokokkeninfektionen ist diese Form in der westlichen Welt selten geworden.
 
Bei Diagnosestellung kann die primäre Ätiologie häufig nicht mehr eindeutig geklärt werden, da im Endstadium die Aortenklappenstenose bei allen genannten Ätiologien in einer erheblichen Verkalkung der Taschenklappe resultieren kann.

Klinische Symptome

Leichte und mittelgradige Stenosen der Aortenklappe bleiben meist symptomlos. Auch Patienten mit hochgradiger Aortenklappenstenose können einen zunächst asymptomatischen Verlauf haben. Die klinischen Leitsymptome einer hochgradigen Aortenklappenstenose sind Belastungsdyspnoe, belastungsabhängige Synkopen oder Schwindel infolge einer zerebralen Minderperfusion und Angina pectoris. Letztere tritt unabhängig vom Vorliegen einer koronaren Herzerkrankung auf und resultiert aus einem erhöhten Sauerstoffbedarf bei linksventrikulärer Hypertrophie sowie einer erhöhten Wandspannung mit Beeinträchtigung der Gefäßversorgung.

Prognose

Die Prognose der asymptomatischen Aortenklappenstenose ist gut. Mit Beginn von Symptomen verschlechtert sich die Prognose jedoch erheblich. Historische Studien geben ein mittleres Überleben nach dem Auftreten von Herzinsuffizienzsymptomen oder Synkopen von 0,5–3,8 Jahren an (Turina et al. 1987). In der PARTNER-1B-Studie, bei der bei inoperablen Patienten mit Aortenklappenstenose ein Transkatheter-Aortenklappenersatz (TAVI) mit einer optimalen medikamentösen Therapie verglichen wurde, lag die Mortalität im konservativen Arm nach einem Jahr bei 51 % verglichen mit 31 % im Therapiearm (Leon et al. 2010).

Diagnostik

Die körperliche Untersuchung bildet die Basis für die Diagnosestellung der Aortenklappenstenose. Palpatorisch geht sie einher mit einem Pulsus parvus (klein) et tardus (langsam), einem hebenden Herzspitzenstoß sowie einem systolischen „Schwirren“ über den Karotiden. Auskultatorisch lässt sich insbesondere am Punctum maximum (2. Interkostalraum rechts parasternal) ein spindelförmiges (crescendo-decrescendo) systolisches Herzgeräusch mit Fortleitung in die Karotiden ableiten. Durch die Aortenklappenstenose kann die Intensität des 2. Herztons abnehmen. Der verspätete Schluss der Aortenklappe kann zur Aufhebung der Spaltung des 2. Herztons oder im Extremfall zu einer paradoxen Spaltung führen. Insbesondere bei der bikuspiden Aortenklappe kann ein Ejection Click direkt nach dem 1. Herzton nachgewiesen werden. In einigen Fällen kann über dem Apex ein 4. Herzton auskultiert werden, der seine Ursache in der reduzierten Compliance des hypertrophierten linken Ventrikels hat (Abb. 1).
Neben der körperlichen Untersuchung kann die apparative Basisdiagnostik wichtige Hinweise auf das Vorliegen einer Aortenklappenstenose liefern. Das EKG kann Zeichen einer durch die Aortenklappenstenose bedingten Linksherzhypertrophie aufweisen und häufig auch das Bild eines Linksschenkelblocks zeigen. Im Röntgenthorax können sich ein prominenter linker Ventrikel, eine poststenotische Dilatation der Aortenwurzel sowie eine verkalkte Aortenklappe zeigen.
Der Goldstandard für die spezifische Diagnostik der Aortenklappenstenose ist die transthorakale Echokardiografie, wo die maximale Geschwindigkeit und der mittlere Gradient über der Klappe sowie die Klappenöffnungsfläche bestimmt werden. Weiterhin werden hier die LV-Wanddicken und -funktion bestimmt. Bei grenzwertigen Befunden kann ergänzend eine transösophageale Echokardiografie durchgeführt werden, bei der die Klappenöffnungsfläche im Querschnitt der Aortenklappe direkt planimetriert werden kann.
Eine ergänzende CT-Untersuchung des Herzens kann durch Quantifizierung der Klappenverkalkung bei grenzwertigen Befunden in Erwägung gezogen werden.
Im Rahmen einer Linksherzkatheteruntersuchung kann bei einzelnen Patienten der invasive Druckgradient über der Aortenklappe direkt bestimmt werden. Eine zusätzliche Rechtsherzkatheteruntersuchung ermöglicht die Bestimmung der Klappenöffnungsfläche über die Gorlin-Formel.

Quantifizierung der Aortenklappenstenose

Der Goldstandard zur Quantifizierung der Aortenklappenstenose ist die transthorakale Echokardiografie. Mit Hilfe des Geschwindigkeit-Zeit-Integrals des im apikalen Fünfkammerblick abgeleiteten CW-Dopplersignals kann neben der maximalen Geschwindigkeit der mittlere Druckgradient über der Aortenklappe zuverlässig und reproduzierbar ermittelt werden. Durch die Bestimmung des Geschwindigkeit-Zeit-Integrals des PW-Dopplersignals im linksventrikulären Ausflusstrakt sowie des Diameters des linksventrikulären Ausflusstrakts (LVOT) kann über die Kontinuitätsgleichung die Klappenöffnungsfläche ermittelt und somit die Schwere der Stenose exakt quantifiziert werden (Abb. 2). Eine gesunde Aortenklappe hat eine Klappenöffnungsfläche von 2,7–3,5 cm2 und keinen nennenswerten mittleren Gradienten über der Klappe (<5 mmHg). Die Aortenklappenstenose wird anhand der erhobenen Parameter i. d. R. in drei Schweregrade eingeteilt (Tab. 1). Symptome treten bei ansonsten gesundem kardiopulmonalen Status im Verlauf bei hochgradiger Aortenklappenstenose auf.
Tab. 1
Einteilung der Aortenklappenstenose nach maximaler Geschwindigkeit (Vmax), mittlerem Druckgradienten (dPmean) und Klappenöffnungsfläche (KÖF)
Aortenklappenstenose
Geringgradig
Mittelgradig
Hochgradig
Vmax (m/s)
2–2,9
3–3,9
≥4
dPmean (mmHg)
<20
20–39
≥40
KÖF (cm2)
>1,5
1–1,5
<1
Hochgradige High-Gradient-Aortenklappenstenose
Die klassische hochgradige High-Gradient-Aortenklappenstenose ist definiert durch eine maximale Geschwindigkeit >4 m/s und einen mittleren Gradienten >40 mmHg. Die Klappenöffnungsfläche ist dabei i. d. R. <1 cm2 (Abb. 2).
Demgegenüber unterscheidet man drei verschiedene Formen der hochgradigen Low-Gradient-Aortenklappenstenosen. Ihnen gemeinsam ist eine Klappenöffnungsfläche <1 cm2, jedoch ein mittlerer Gradient <40 mmHg.
1.
Klassische Low-Flow/Low-Gradient-Aortenklappenstenose. Hier liegt eine hochgradige Aortenklappenstenose mit einer Klappenöffnungsfläche <1 cm2 vor, aufgrund einer eingeschränkten linksventrikulären Funktion mit einem Schlagvolumenindex (SVi) ≤35 ml/m2 kann jedoch kein adäquater Gradient mehr aufgebaut werden.
 
2.
Paradoxe Low-Flow/Low-Gradient-Aortenklappenstenose. Bei dieser Sonderform der Aortenklappenstenose, die bis zu 30 % der Patienten betrifft, ist die Klappenöffnungsfläche <1 cm2. Trotz guter linksventrikulärer Funktion (LVEF >50 %) wird jedoch aufgrund eines SVi ≤35 ml/m2 kein Gradient >40 mmHg aufgebaut. Dies kann beispielsweise bei LV-Hypertrophie mit kleinem Kavum oder bei diastolischer Herzinsuffizienz der Fall sein.
 
3.
Normal-Flow/Low-Gradient-Aortenklappenstenose. Hier wird eine Klappenöffnungsfläche <1 cm2 trotz guter linksventrikulärer Funktion (LVEF >50 %) und normalem SVi ≥35 ml/m2 bestimmt. Man geht bei dieser Konstellation davon aus, dass tatsächlich keine hochgradige Aortenklappenstenose vorliegt.
 
Die unterschiedlichen Formen der Aortenklappenstenose werden in Abb. 3 mit ihren jeweiligen Kerncharakteristika zusammengefasst.
Bei den Low-Gradient-Aortenklappenstenosen können weitere diagnostische Untersuchungen helfen, die klinische Relevanz einzuschätzen.
Eine transösophageale Echokardiografie kann bei allen Formen der Low-Gradient-Aortenklappenstenose zur genauen Evaluation des Stenosegrads durchgeführt werden. Hier wird die Klappenöffnungsfläche im Kurzachsenschnitt direkt planimetriert. Obwohl eine Planimetrie durchaus subjektiven Charakter hat, kann sie einen visuellen Eindruck von der Schwere der Stenose geben.
Eine Dobutamin-Stressechokardiografie sollte bei der klassischen Low-Flow/Low-Gradient-Aortenklappenstenose in Erwägung gezogen werden. Hierdurch kann die kontraktile Reserve des linken Ventrikels beurteilt werden. Steigt die Klappenöffnungsfläche von in Ruhe <1 cm2 unter Belastung auf >1 cm2 an, spricht man von einer Pseudostenose. Hier steht die eingeschränkte LV-Funktion im Vordergrund. Bleibt die Klappenöffnungsfläche auch unter Belastung <1 cm2 handelt es sich um eine echte Stenose.
Die Multislice-Computertomografie (MSCT) kann als zusätzliche Modalität zur Quantifizierung der Aortenklappenstenose insbesondere bei der paradoxen Low-Flow/Low-Gradient-Aortenklappenstenose herangezogen werden. Bei einem Kalzium-Score von ≥2000 AU bei Männern und ≥1200 AU bei Frauen ist das Vorliegen einer hochgradigen Aortenklappenstenose wahrscheinlich.
In Ergänzung zu den o. g. nichtinvasiven Untersuchungen kann die Aortenklappenstenose beispielsweise im Rahmen einer Koronarangiografie invasiv quantifiziert werden. Hier wird nach Klappenpassage der invasive Peak-to-Peak-Gradient bestimmt, der mit dem echokardiografisch bestimmten mittleren Gradienten korreliert (Abb. 4). Eine zusätzliche Rechtsherzkatheteruntersuchung ermöglicht die invasive Bestimmung der Klappenöffnungsfläche mit Hilfe der Gorlin-Formel.

Vorgehen bei hochgradiger Aortenklappenstenose

Bei Vorliegen einer klassischen hochgradigen Aortenklappenstenose mit Symptomen besteht unabhängig vom gewählten Verfahren die Indikation für einen Aortenklappenersatz. Bei symptomlosen Patienten hängt die Indikation zum Klappenersatz von der linksventrikulären Funktion ab. Bei eingeschränkter LVEF (<50 %) besteht auch hier die Indikation zum Aortenklappenersatz. Bei erhaltener LV-Funktion (LVEF ≥50 %) sollte, wenn möglich, ein Belastungstest durchgeführt werden. Kommt es hierbei zu Symptomen oder zu einem Blutdruckabfall unter den Ausgangswert, sollte ein Aortenklappenersatz durchgeführt werden. Bei negativem Belastungstest und fehlenden Risikofaktoren sind 6-monatige Verlaufskontrollen oder eine Reevaluation bei Beschwerden angezeigt. Bei Vorliegen von Risikofaktoren wie sehr schwere Stenose (Vmax ≥4,5 m/s, dPmean ≥50 mmHg), ausgeprägte Klappenverkalkung, Progression der Stenose von ≥0,3 m/s pro Jahr, pulmonale Hypertonie (systolischer pulmonalarterieller Druck >60 mmHg) oder NT-proBNP-Erhöung sollte unter Berücksichtigung des individuellen Therapierisikos auch bei asymptomatischen Patienten ein Klappenersatz in Erwägung gezogen werden (Abb. 5). Gestützt wird dieses Vorgehen von der 2020 publizierten, randomisierten RECOVERY-Studie, bei der bei Patienten mit hochgradiger, asymptomatischer Aortenklappenstenose und einem mittleren Gradient ≥50 mmHg ein früher chirurgischer Aortenklappenersatz mit einem konservativen Vorgehen verglichen wurde. Ein kombinierter Endpunkt aus operativer Mortalität und kardiovaskulärem Tod im Follow-up-Zeitraum von 4 Jahren trat dabei signifikant seltener in der Klappenersatzgruppe auf (1 % vs. 15 %) (Kang et al. 2020). Die Ergebnisse der laufenden EARLY-TAVR-Studie (und weiterer Studien), bei der eine TAVI-Implantation mit einem konservativen Vorgehen bei asymptomatischen Patienten verglichen wird, könnte in diesem Zusammenhang Einfluss auf künftige Leitlinienempfehlungen haben.
Patienten mit hochgradiger paradoxer Low-Flow/Low-Gradient-Aortenklappenstenose haben im Vergleich zu Patienten mit klassischer hochgradiger Aortenklappenstenose eine schlechtere Prognose. Die Datenlage zur Therapie dieser Stenosen ist jedoch heterogener und die Empfehlung zum Klappenersatz basiert auf nichtrandomisierten Daten (Dayan et al. 2015). Zur besseren Einordnung der Relevanz und damit Therapiebedürftigkeit dieser Stenosen können eine Reihe von klinischen und bildgebenden Kriterien heranzogen werden. Bei Patienten mit typischen Symptomen einer Aortenklappenstenose ohne andere Erklärung sowie bei Patienten mit einer LV-Hypertrophie, die nicht hinreichend durch eine arterielle Hypertonie erklärt ist, ist das Vorhandensein einer relevanten Aortenklappenstenose wahrscheinlich. Außerdem kann eine errechnete Klappenöffnungsfläche <0,8 cm2 oder ein grenzwertiger mittlerer Gradient (30–40 mmHg) als Kriterium für eine relevante Stenose herangezogen werden. Weiterhin können moderne bildgebende diagnostische Methoden eingesetzt werden. Die in die Kontinuitätsgleichung eingehende LVOT-Fläche und die damit errechnete Klappenöffnungsfläche (KÖF) kann im zweidimensionalen Echo aufgrund der ovalen Anatomie des LVOT unterschätzt werden. Hier kann die LVOT-Fläche im 3D-Echo oder CT exakt bestimmt und Fehler bei der Bestimmung der Klappenöffnungsfläche vermieden werden. Weiterhin kann die Multislice-Computertomografie zur Beurteilung der Stenose hilfreich sein. Bei Patienten mit einem erhöhten Kalzium-Score (Männer >2000 AU, Frauen >1200 AU) ist das Vorliegen einer relevanten Stenose wahrscheinlich, bei Patienten mit niedrigem Kalzium-Score (Männer <1600 AU, Frauen <800 AU) dagegen unwahrscheinlich.

Therapiestrategien bei hochgradiger Aortenklappenstenose

Medikamentöse Therapie
Es gibt keine klinisch etablierte medikamentöse Therapie, die das Fortschreiten der Aortenklappenstenose beeinflusst. Bei Auftreten einer Linksherzinsuffizienz ist eine Herzinsuffizienztherapie mit insbesondere Gabe von Diuretika indiziert. ACE-Hemmer bzw. Angiotensin-II-Rezeptor-Antagonisten sollten aufgrund der ausgeprägten Hypotonieneigung nur äußerst vorsichtig angewendet werden. Auf Nitrate sollte aus dem gleichen Grund verzichtet werden. Die Aortenklappenvalvuloplastie in Ergänzung zur medikamentösen Therapie hat sich als nicht nachhaltig erwiesen und wird nur noch selten, beispielsweise präoperativ oder bei einer eingeschränkten Lebenserwartung, durchgeführt.
Chirurgischer Aortenklappenersatz (AKE)
Der Goldstandard für die Behandlung der hochgradigen Aortenklappenstenose bei Patienten mit geringem oder intermediärem Operationsrisiko <65 Jahren ist der operative Aortenklappenersatz. Bei Patienten <50 Jahren sollte aufgrund der dauerhaften Haltbarkeit ein mechanischer Aortenklappenersatz bevorzugt werden. Dieser erfordert eine lebenslange orale Antikoagulation mit einem Vitamin-K-Antagonisten. Bei Patienten zwischen 50 und 65 Jahren kann unter Einbeziehung des individuellen Patientenwunsches ein mechanischer oder biologischer Aortenklappenersatz durchgeführt werden. Hier muss die notwendige, dauerhafte, orale Antikoagulation bei mechanischem AKE gegen die begrenzte Haltbarkeit der Bioprothese abgewogen werden. Bei Patienten zwischen 65 und 80 Jahren kann ein chirurgischer biologischer Aortenklappenersatz oder eine Transkatheter-Aortenklappenimplantation in Erwägung gezogen werden. Die individuelle Therapieentscheidung sollte unter Einbeziehung des Patientenwunsches im Herzteam bestehend aus interventionellem Kardiologen und Herzchirurgen getroffen werden, wobei bei Patienten >75 Jahren meist die TAVI-Implantation bevorzugt wird.
Transkatheter-Aortenklappenersatz (TAVI)
Die transfemorale TAVI-Implantation ist mittlerweile der Goldstandard für die Therapie der hochgradigen Aortenklappenstenose bei Patienten mit hohem Operationsrisiko oder bei inoperablen Patienten. Hier kommen ballonexpandierende oder selbstexpandierende Systeme zum Einsatz, die bei diesem Patientenkollektiv in mehreren randomisierten Studien evaluiert wurden und mindestens vergleichbare Ergebnisse wie der chirurgische AKE erzielen konnten (Gleason et al. 2018; Mack et al. 2015) (Video 1 + Video 2). Bei Kontraindikationen für einen transfemoralen Zugang können alternative Zugangswege gewählt werden. Die Implantation über einen transapikalen Zugang am schlagenden Herzen ist der häufigste alternative Zugangsweg. Darüber sind TAVI-Implantationen über einen transaortalen, transaxillären oder transkarotidalen Zugang möglich.
Inzwischen wurde die TAVI-Implantation auch bei Patienten mit intermediärem und geringem OP-Risiko in mehreren randomisierten Studien evaluiert. Auch bei diesem Patientenkollektiv war die TAVI dem chirurgischen AKE mindestens gleichwertig, wobei für die Patienten mit geringem OP-Risiko noch keine Langzeitdaten >2 Jahre zur Verfügung stehen (Makkar et al. 2020; Leon et al. 2021; Reardon et al. 2017; Popma et al. 2019). Die Entscheidung für eine TAVI-Implantation oder einen chirurgischen AKE sollte immer im Herzteam unter Einbeziehung des individuellen Patientenwunsches erfolgen. Patienten >80 Jahre wird auch bei geringem Operationsrisiko eine TAVI-Implantation empfohlen. Bei Patienten zwischen 65 und 80 Jahren sollten neben dem Patientenwunsch weitere klinische und anatomische Gesichtspunkte beurteilt werden, die in Tab. 2 aufgeführt sind. Patienten <65 Jahren waren in den randomisierten TAVI-Studien unterrepräsentiert. In dieser Patientengruppe ist der Anteil der in den randomisierten Studien ausgeschlossenen Patienten mit bikuspider Aortenklappe zudem höher als bei älteren Patienten. Weiterhin ist die langfristige Haltbarkeit der Klappe von besonderer Bedeutung. Da diesbezüglich die Datenlage für die TAVI-Implantation noch unzureichend ist, sollte diese hier nur in Ausnahmefällen durchgeführt werden.
Tab. 2
Klinische und anatomische Charakteristika, die eine Therapieentscheidung hinsichtlich Transkatheter-Aortenklappenersatz (TAVI) bzw. chirurgischem Aortenklappenersatz (AKE) favorisieren
 
Favorisiert TAVI
Favorisiert AKE
Klinische Charakteristika
  
>75 Jahre
+
 
<70 Jahre
 
+
Schwere Komorbidität (nicht adäquat in Risk-Scores abgebildet)
+
 
Z. n. herzchirurgischem Eingriff
+
 
Z. n. biologischem Aortenklappenersatz
+
 
Z. n. Bestrahlung
+
 
Gebrechlichkeit/eingeschränkte Mobilität
+
 
Verdacht auf Endokarditis
+
 
Anatomische Charakteristika
  
Günstiger Zugang für TAVI
+
 
Anatomie erlaubt Implantation einer großen Klappe
+
 
Porzellanaorta
+
 
Intakte Bypassgrafts
+
 
Erwarteter ,,patient-prosthesis mismatch“
+
 
Thoraxdeformation oder Skoliose
+
 
Geringer Abstand zwischen Koronarostien und Annulus
 
+
Annulus zu groß für TAVI
 
+
Aortenwurzelmorphologie ungünstig für TAVI
 
+
Klappenmorphologie (bikuspid, Kalklokalisation) ungünstig für TAVI
 
+
Thromben in Aorta oder linkem Ventrikel
 
+
Kardiale Begleiterkrankungen
  
Schwere KHK mit Indikation zur Bypass-OP
 
+
Begleitendes relevantes Mitral- oder Trikuspidalvitium
 
+
Aneurysma der Aorta ascendens
 
+
Septumhypertrophie mit Indikation zur Myektomie
 
+
Das aktuell therapeutische Vorgehen bei Patienten mit therapiebedürftiger, hochgradiger Aortenklappenstenose ist in Abb. 6 illustriert. Allerdings ist die Differenzialindikation operativer vs. interventioneller Aortenklappenersatz Gegenstand laufender klinischer Studien, sodass davon auszugehen ist, dass die Empfehlungen in den kommenden Jahren weiter angepasst werden müssen.

Leitlinienempfehlungen

Im Folgenden werden die aktuellen ACC/AHA-Leitlinien zu Patienten mit Aortenklappenstenose zusammengefasst (Writing Committee et al. 2021):
Empfehlungen zum Zeitpunkt der Therapie
Bei symptomatischen Patienten mit hochgradiger High-Gradient-Aortenklappenstenose wird ein Aortenklappenersatz empfohlen (Klasse-1-A-Indikation).
Bei asymptomatischen Patienten mit hochgradiger Aortenklappenstenose und LVEF<50 % wird ein Aortenklappenersatz empfohlen (Klasse-1-B-Indikation).
Bei Patienten mit symptomatischer Low-Flow/Low-Gradient-Aortenklappenstenose mit eingeschränkter LVEF wird ein Aortenklappenersatz empfohlen (Klasse-1-B-Indikation).
Bei Patienten mit symptomatischer Low-Flow/Low-Gradient-Aortenklappenstenose mit erhaltener LVEF wird ein Aortenklappenersatz empfohlen, wenn die Aortenklappenstenose die wahrscheinlichste Ursache der Beschwerden ist (Klasse-1-B-Indikation).
Bei Patienten mit asymptomatischer Aortenklappenstenose und geringem OP-Risiko wird ein Aortenklappenersatz empfohlen, wenn im Belastungstest ein Blutdruckabfall unter den Ausgangswert nachweisbar ist, wenn eine sehr schwere Stenose vorliegt (>5 m/s), wenn das NT-proBNP 3-fach über der Norm liegt oder wenn eine Progression der Stenose >0,3 m/s jährlich vorliegt (Klasse-2a-B-Indikation).
Empfehlungen zur Art der Therapie (chirurgischer AKE vs. TAVI)
Bei Patienten <65 Jahre mit Indikation zum Aortenklappenersatz wird ein chirurgischer Klappenersatz empfohlen (Klasse-1-A-Indikation).
Bei Patienten zwischen 65 und 80 Jahren mit Indikation zum Aortenklappenersatz wird ein chirurgischer oder interventioneller Klappenersatz nach Abwägung der individuellen Patientencharakteristika im Herzteam empfohlen (Klasse-1-A-Indikation).
Patienten >80 Jahre mit Indikation zum Aortenklappenersatz wird ein interventioneller Klappenersatz empfohlen (Klasse-1-A-Indikation).
Patienten jeglichen Alters mit hohem Operationsrisiko und Indikation zum Aortenklappenersatz wird ein interventioneller Klappenersatz empfohlen (Klasse-1-A-Indikation).
In den aktuellen ESC/EACTS-Guidelines von 2017 zum Vorgehen bei Patienten mit hochgradiger Aortenklappenstenose wird ein interventioneller Klappenersatz vorwiegend für inoperable Patienten oder für Patienten mit hohem OP-Risiko nach interdisziplinärer Besprechung im Herzteam empfohlen (Baumgartner et al. 2017). Dies spiegelt jedoch nicht die aktuelle Datenlage wieder, weshalb die europäischen Leitlinien diesbezüglich aktualisiert werden.
In einem aktuellen Konsensuspapier der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) und der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) von 2020 wird die TAVI mit Einschränkungen als alternative Behandlungsform auch für Patienten ab 70 Jahren mit niedrigem OP-Risiko und nach interdisziplinärer Besprechung im Herzteam empfohlen (Kuck et al. 2020).

Aortenklappeninsuffizienz

Epidemiologie

Die Aortenklappeninsuffizienz (AI) ist nach der Aortenklappenstenose und der Mitralklappeninsuffzienz die dritthäufigste linksseitige Klappenerkrankung. In der Framing Heart Study wird die Häufigkeit einer mindestens mittelgradigen Aortenklappeninsuffizienz mit 13 % bei Männern und 8,5 % bei Frauen angegeben (Singh et al. 1999).

Ätiologie

Bei der Ätiologie der AI unterscheidet man eine akute von einer chronischen Form, die mit einem unterschiedlichen klinischen Verlauf einhergeht.
Akute Aortenklappeninsuffizienz
Die akute AI ist am häufigsten durch eine Endokarditis (s. Kap. „Endokarditis“) oder eine Aortendissektion bedingt. Selten kann es zu einer traumatisch bedingten AI kommen.
Chronische Aortenklappeninsuffizienz
Die chronische AI kann bedingt sein durch das Vorhandensein einer bikuspiden Aortenklappe. Weiterhin kommen degenerative Ursachen wie Bindegewebserkrankungen (Marfan-Syndrom, Ehlers-Danlos-Syndrom) in Betracht. Hier kann eine strukturell geschädigte Aortenklappe Ursache der Insuffizienz sein. Weiterhin kann es im Rahmen eines Aneurysmas der Aorta ascendens zu einem Auseinanderweichen der Taschen und in der Folge zur zentralen Insuffizienz kommen. Darüber hinaus gibt es chronisch infektiöse Ursachen einer AI.

Klinische Symptome

Bei einer akut aufgetretenen AI handelt es sich häufig um einen medizinischen Notfall, da der linke Ventrikel sich nicht an eine abrupte Erhöhung des enddiastolischen Volumens durch den Reflux adaptieren kann. In der Folge kann dies bis zum kardiogenen Schock führen.
Demgegenüber ist die chronische AI lange klinisch inapparent. Sie führt jedoch im Endstadium zu einer dann häufig irreversiblen Linksherzinsuffizienz.

Prognose

Die chronische hochgradige AI geht mit einer lang anhaltenden, asymptomatischen, kompensierten Phase einher. Bei einigen Patienten kann diese jedoch in eine dekompensierte Phase mit LV-Dilatation, LV-Dysfunktion sowie Entwicklung einer Herzinsuffizienzsymptomatik übergehen. Historische Langzeitbeobachtungen von Patienten mit chronischer hochgradiger AI wurden herangezogen, um eine kompensierte von einer dekompensierten Form der hochgradigen AI zu unterscheiden:
Asymptomatische Patienten mit hochgradiger AI, einer LVEF >50 % und einem linksventrikulären endsystolischen Diameter (LVESD) <45 mm sowie einem linksventrikulären enddiastolischen Diameter <60 mm befinden sich einer kompensierten Phase mit geringem Risiko für die Entwicklung einer Herzinsuffizienz (Bonow et al. 1991; Bonow et al. 1983).
Asymptomatische Patienten mit hochgradiger AI und eingeschränkter LV-Funktion (LVEF <50 %) oder LVESD >50 mm befinden sich am Beginn einer dekompensierten Phase und haben ein hohes Risiko für die Entwicklung einer Herzinsuffizienz. Patienten mit einer LVEF <50 % haben ein jährliches Risiko für die Entwicklung einer Herzinsuffizienz von ca. 25 %. Die Mortalitätsrate wurde bei Patienten mit hochgradiger AI und NYHA-Stadium II mit ca. 6 % jährlich und bei Patienten im NYHA-Stadium III oder IV mit ca. 25 % jährlich beschrieben (Henry et al. 1980; Dujardin et al. 1999).

Diagnostik

Die körperliche Untersuchung bildet die Basis für die Diagnosestellung der AI. Eine relevante AI geht mit einer großen Blutdruckamplitude bzw. mit einer isolierten systolischen Hypertonie einher. Ursächlich hierfür ist die durch den Reflux durch die undichte Aortenklappe bedingte, eingeschränkte Windkesselfunktion der Aorta, die zu einer Erniedrigung insbesondere des diastolischen Blutdrucks führt. Weiterhin führt das Pendelvolumen zu einer Erhöhung des linksventrikulären Schlagvolumens, was zu einer Erhöhung des systolischen Blutdrucks führt.
Palpatorisch lässt sich aus o. g. Gründen ein Pulsus celer (schnell) et altus (hoch), der sog. Wasserhammerpuls, ableiten. Weitere mögliche Zeichen einer relevanten AI sind ein sichtbarer Kapillarpuls z. B. unter den Fingernägeln (Quincke-Zeichen), eine sichtbare Karotidenpulsation (Corrigan-Zeichen) oder ein systolischer Blutdruck in der A. brachialis >60 mmHg höher als in der A. poplitea (Hill-Zeichen).
Auskultatorisch lässt sich insbesondere am Punctum maximum (2. Interkostalraum rechts parasternal oder dem Erb-Punkt im 3. Interkostalraum links parasternal) ein Protodiastolikum („Sofortdiastolikum“) ableiten, das sich im Verlauf der Diastole decrescendoförmig abschwächt (Abb. 7). Eine Behinderung der Mitralklappenöffnung durch den AI-Reflux-Jet kann weiterhin zu einem Austin-Flint-Geräusch führen, welches durch ein „Flattern“ des anterioren Mitralsegels bedingt ist. Eine relative Aortenklappenstenose durch ein erhöhtes linksventrikuläres Schlagvolumen bei normaler Klappenöffnungsfläche kann sich zudem durch ein spindelförmiges Systolikum bemerkbar machen.
Neben der körperlichen Untersuchung kann die apparative Basisdiagnostik wichtige Hinweise auf das Vorliegen einer AI liefern. So zeigt sich im Röntgenthorax infolge der Linksherzdilatation ein auslandender linker Ventrikel mit Betonung der Aorta.
Der Goldstandard für die Diagnostik der AI ist die transthorakale Echokardiografie, die für die Quantifizierung der Insuffizienz i. d. R. ausreicht. Weiterhin können hier die linksventrikulären Wanddicken sowie die für die Therapieentscheidung wichtigen Diameter und Volumina exakt bestimmt werden. Eine transösophageale Echokardiografie sollte zum Ausschluss einer differenzialdiagnostisch möglichen Endokarditis großzügig ergänzt werden.
Bei zweifelhaften Befunden sollte die AI ergänzend auch in der kardialen Magnetresonanztomografie bestimmt werden. Diese Untersuchung liefert auch eine exakte Bestimmung der linksventrikulären Volumina.
Im Rahmen einer Linksherzkatheteruntersuchung sollte eine invasive Bestimmung des systolischen und diastolischen Blutdrucks erfolgen sowie der enddiastolische Druck im linken Ventrikel bestimmt werden. Durch eine fakultative Bulbusangiografie kann die Schwere der AI semiquantitativ bestimmt werden, wobei hier die Position des Pigtail-Katheters in der Aorta ascendens den Reflux in den linken Ventrikel maßgeblich mitbestimmt.

Quantifizierung

Die Quantifizierung der Aortenklappeninsuffizienz gelingt i. d. R. in der transthorakalen Echokardiografie. Für die Beurteilung der Schwere der Insuffizienz müssen mehrere Parameter integriert werden (Tab. 3).
Tab. 3
Kriterien zur Quantifizierung der Aortenklappeninsuffizienz in der Echokardiografie, im Kardio-MRT sowie in der invasiven Diagnostik
Aortenklappeninsuffizienz
Geringgradig
Mittelgradig
Hochgradig
Echokardiografie
   
Vena contracta (cm)
<0,3
0,3–0,6
>0,6
Jetbreite/LVOT-Durchmesser (%)
<25
24–65
>65
Druckhalbwertszeit (PHT) (ms)
>500
500–200
<200
Regurgitationsvolumen (ml)
<30
30–60
>60
Regurgitationsfraktion (%)
<30
30–50
>50
Effective Regurgitant Orifice Area (cm2)
<0,1
0,1–0,29
≥0,3
LV-Dilatation
+
Holodiastolischer Reflux in der Aorta descendens
+
MRT
   
Regurgitationsvolumen (ml)
<30
30–60
>60
Regurgitationsfraktion (%)
<30
30–50
>50
LV-Dilatation
+
Invasive Diagnostik
   
Aortografie
Keine komplette KM-Anreicherung des LV
KM-Anreicherung des LV nach mehreren Schlägen
KM-Anreicherung des LV nach 1–2 Schlägen
Erniedrigter diastolischer Druck
±
+
LVEDP erhöht
±
+
Eine hochgradige AI liegt vor bei einer Vena contracta (kleinster diastolischer Farbdurchtritt in der Klappenebene) >6 mm, einem Verhältnis von Jetbreite/LVOT-Durchmesser >0,65 sowie einer Druckhalbwertszeit (PHT) <200 ms (Abb. 8). Weiterhin sind ein Regurgitationsvolumen >60 ml, eine Regurgitationsfraktion >50 % sowie eine EROA („effective regurgitant orifice area“) >0,3 cm2 Kriterien für eine Hochgradigkeit.
Bei Vorliegen einer stark exzentrischen AI sind die Parameter Jetbreite/LVOT-Durchmesser sowie die PHT z. T. nicht suffizient bestimmbar. Hier sollten Regurgitationsvolumen und Regurgitationsfraktion im Echo und wenn möglich im Kardio-MRT zur Beurteilung des Schweregrades der AI herangezogen werden.
Invasiv spricht eine erhöhte Blutdruckamplitude mit stark erniedrigtem diastolischem Wert sowie ein erhöhter linksventrikulärer enddiastolischer Druck für das Vorliegen einer hochgradigen AI. Bei der Bulbusangiografie beweist eine komplette Kontrastmittelanreicherung des linken Ventrikels nach 1–2 Schlägen die Hochgradigkeit der AI.

Vorgehen bei hochgradiger Aortenklappeninsuffizienz

Patienten mit einer hochgradigen symptomatischen AI sollte eine zeitnahe operative Therapie i. d. R. durch Klappenersatz empfohlen werden. Demgegenüber müssen Patienten mit hochgradiger asymptomatischer AI aufgrund des oft jahrelang benignen Verlaufs differenzierter betrachtet werden. Bei guter LV-Funktion (LVEF >55 %) und normalen LV-Dimensionen ist ein abwartendes Vorgehen mit 6-monatigen Verlaufskontrollen angezeigt. Asymptomatischen Patienten mit eingeschränkter systolischer LV-Funktion <55 % sollte jedoch ein Klappenersatz empfohlen werden. Weiterhin sollte Patienten mit einer LV-Dilatation (LVESD >50 mm, LVEDD >70 mm) ein Klappenersatz empfohlen werden (Abb. 9). Bei Patienten mit Dilatation der Aorta ascendens und Indikation zum Ersatz insbesondere bei bikuspider Aortenklappe kann eine frühzeitige Operation auch der Aortenklappe sinnvoll sein.

Therapie

Medikamentöse Therapie
Eine medikamentöse Herzinsuffizienztherapie ist insbesondere eine Option bei inoperablen Patienten mit hochgradiger symptomatischer AI oder bei inoperablen Patienten mit asymptomatischer AI mit eingeschränkter LV-Funktion und/oder LV-Dilatation. Eine medikamentöse Therapie kann jedoch auch bei asymptomatischer AI mit beginnender LV-Dilatation erwogen werden. Darüber hinaus sollten Patienten mit symptomatischer AI präoperativ eine optimale medikamentöse Therapie erhalten. Die Art der medikamentösen Therapie unterscheidet sich dabei nicht von der Therapie anderer Formen der Herzinsuffizienz. Manche Kliniker vermeiden die Anwendung einer Betablockertherapie, da eine reduzierte Herzfrequenz zu einer verlängerten Diastole und damit erhöhtem Regurgitationsvolumen führt. Retrospektive Daten weisen jedoch eher auf einen protektiven Effekt einer Betablockertherapie in diesem Patientenkollektiv hin (Sampat et al. 2009).
Chirurgische Therapie
Bei jungen Patienten mit hochgradiger AI bei bikuspider Aortenklappe kann eine chirurgische Rekonstruktion der Aortenklappe erwogen werden. Bei der überwiegenden Mehrzahl der Patienten wird jedoch ein operativer Aortenklappenersatz mit je nach Patientenalter und -wunsch mechanischer oder biologischer Aortenklappe durchgeführt.
Ein Transkatheter-Aortenklappenersatz ist zur Therapie der reinen Aortenklappeninsuffizienz ohne begleitende Klappenkalzifizierung aufgrund des fehlenden Widerlagers für das Stentgerüst und damit einhergehender Dislokationsgefahr mit den aktuell zur Verfügung stehenden Devices meist nicht geeignet. Bei kombiniertem Aortenklappenvitium mit Sklerose und Verkalkung der Klappe kann jedoch bei fehlender operativer Option eine TAVI-Implantation evaluiert werden.

Leitlinienempfehlungen

Im Folgenden werden die aktuellen ACC/AHA-Leitlinien zu Patienten mit hochgradiger Aortenklappeninsuffizienz zusammengefasst (Writing Committee et al. 2021):
Bei Patienten mit symptomatischer hochgradiger AI wird eine operative Therapie empfohlen (Klasse-1-B-Indikation).
Bei Patienten mit asymptomatischer hochgradiger AI und eingeschränkter LV-Funktion (LVEF <55 %) ohne andere Ursache wird eine operative Therapie empfohlen (Klasse-1-B-Indikation).
Bei Patienten mit asymptomatischer hochgradiger AI und ausgeprägter LV-Dilatation (LVESD >50 mm) wird auch bei normaler LV-Funktion eine operative Therapie empfohlen (Klasse-2a-B-Indikation).
Bei Patienten mit asymptomatischer hochgradiger AI und niedrigem OP-Risiko kann eine operative Therapie auch dann erwogen werden, wenn sich die LV-Funktion zunehmend in den niedrig-normalen Bereich verschlechtert hat (LVEF 55–60 %) oder wenn es zu einer zunehmende LV-Dilatation (LVEDD >65 mm) kommt (Klasse-2b-B-Indikation).
Die derzeit aktuellsten ESC/EACTS-Guidelines von 2017 zum Vorgehen bei hochgradiger AI sind im Wesentlichen deckungsgleich zu den amerikanischen Empfehlungen. Hinsichtlich der Therapie von asymptomatischen Patienten mit eingeschränkter Pumpfunktion wird jedoch erst ab einer LVEF <50 % eine OP-Empfehlung ausgesprochen. Weiterhin wird auf eine OP-Empfehlung bei niedrigem OP-Risiko bei zunehmender LVEF-Verschlechterung in den niedrig-normalen Bereich oder bei zunehmender LV-Dilatation (LVEDD >65 mm) verzichtet (Baumgartner et al. 2017).

Ergänzende Information

Video 1A
(WMV 2072 kb)
Video 1B
(WMV 663 kb)
Video 2A
(WMV 203 kb)
Video 2B
(WMV 284 kb)
Video 2C
(WMV 438 kb)
Literatur
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