Epidemiologie und Pathogenese
Aktuelle
Referenzwerte (Stand Dezember 2016) aus dem deutschen KISS-Projekt geben eine mittlere ZVK
-assoziierte Sepsisrate von 0,69 pro 1000 ZVK-Tage für alle Intensivstationen an (
www.nrz-hygiene.de).
Die primäre
Sepsis ist überwiegend durch den zentralen Venenkatheter induziert.
Die klinischen Kriterien einer ZVK-assoziierten Infektion
(primärer
Sepsis) müssen erfüllt sein. Hierzu müssen die Erreger aus einer
Blutkultur nachgewiesen werden und Infektionen an anderer Infektionslokalisation ausgeschlossen sein. Koagulasenegative
Staphylokokken sowie andere häufige Hautkontaminanten (z. B. Propionibakterien, Mikrokokken oder Bacillus spp.) werden nur dann als Erreger anerkannt, wenn diese mehrfach in Blutkulturen nachgewiesen wurden. Katheterassoziierte Infektionen entstehen zum einen dadurch, dass eine Verbindung vom Gefäßsystem nach außen hergestellt wird. Zum anderen haften einige
Bakterien – v. a. koagulasenegative Staphylokokken – bevorzugt an Fremdmaterial und sind durch Biofilmbildung gegenüber Phagozytose und
Antibiotika gut geschützt. Nach initialer Kontamination kolonisieren die Erreger zunächst den Katheter und werden dann sukzessive in die Blutbahn abgegeben.
Bei kurzer Liegedauer überwiegen Infektionen, die entlang der Außenseite des Katheters entstehen. Hier spielen v. a. Kontaminationen mit Hautbakterien des Patienten oder des medizinischen Personals bei Anlage des Katheters eine Rolle.
Bei länger liegenden Kathetern werden zunehmend intraluminale Infektionswege relevant, z. B. sind Kontaminationen bei Injektionen oder
Blutentnahmen über 3-Wege-Hähne möglich. Kontaminierte Infusionen oder Desinfektionsmittel sind äußerst selten ursächlich. Die hämatogene Besiedlung infolge einer Bakteriämie bei entfernten Infektionsherden wird in weniger als 5 % der Fälle vermutet.
Diagnose
Die Diagnose ist oft schwierig zu stellen, besonders wenn der Venenkatheter belassen werden soll. Es wird empfohlen, die Insertionsstelle täglich zu inspizieren, um Infektionen schnell zu erkennen. Tritt Eiter aus, sollte ein
Abstrich genommen und der Katheter sofort entfernt werden.
Bei katheterassoziierter Bakteriämie
fehlen meist lokale Entzündungszeichen an der Einstichstelle, sodass sich die Diagnostik auf allgemeine Infektionszeichen und
Blutkulturen bei Ausschluss anderer Infektionsherde stützt. Die Entscheidung, ob der Katheter zur Bestätigung der Verdachtsdiagnose entfernt wird oder ob er belassen werden kann, ist unter Berücksichtigung des gesamten klinischen Bildes individuell zu treffen.
Wird der Katheter belassen, sollten 30–40 ml Blut aus 2 peripheren Venen für 4
Blutkulturflaschen abgenommen und das mikrobiologische Ergebnis mit Kulturen verglichen werden, die aus Blut aus dem Katheter angelegt wurden.
Die Aussagekraft von
Kulturen aus zentralvenösen Kathetern ist aber insgesamt unbefriedigend: Bei negativem Ergebnis ist eine katheterassoziierte Infektion zwar unwahrscheinlich, bei positivem Ergebnis ist sie jedoch nicht bewiesen.
Quantitative Blutkulturen können die diagnostische Sicherheit verbessern, wenn die Koloniezahlen aus den Kathetern diejenigen in peripher gewonnenen Kulturen 5- bis 10-fach überschreiten. Die Methode ist aber aufwändig und teuer und wird deshalb in erster Linie empfohlen, wenn die erneute Anlage problematisch ist, z. B. bei operativ implantierten Kathetern. Da viele Blutkultursysteme mit einem Laserstrahler arbeiten, welcher bei Bakterienwachstum ein Alarmsignal auslöst, wurde als alternatives Kriterium die Zeitdifferenz bis zum Signal vorgeschlagen („time to positivity“
, TTP). Es konnte gezeigt werden, dass die Letalität bei einer S. aureus-Sepsis
signifikant ansteigt, wenn die TTP weniger als 12 h beträgt [
27].
Erlaubt das klinische Bild kein Abwarten der Kulturbefunde und besteht ein hochgradiger Verdacht auf eine katheterassoziierte Infektion, so muss der Katheter unter aseptischen Bedingungen entfernt werden. Bei Bedarf kann man an einer anderen Stelle ohne Abwarten direkt neu punktieren. Der intravasale Anteil des entfernten Katheters (bei Pulmonalarterienkathetern zusätzlich die Schleuse) wird mikrobiologisch untersucht. Qualitative Kulturen in einer Nährbouillon – Nachweis von Erregern ohne Mengenangabe – haben jedoch keine Aussagekraft und sind daher obsolet: Bleibt die Bouillon nach Bebrütung klar, kann eine katheterassoziierte Infektion weitgehend ausgeschlossen werden, bei Wachstum ist jedoch nicht zwischen Kontamination bei Entfernung des Katheters, asymptomatischer Kolonisation und tatsächlicher Infektion zu unterscheiden.
Die am weitesten verbreitete Methode zum Ausschluss von akzidentellen Kontaminationen ist die semiquantitative
Kulturtechnik der Katheterspitze nach Maki. Der Grenzwert wird bei 15 Kolonien nach Rollen des Katheters über eine Agarplatte angegeben [
25]. Der prädiktive Wert positiver Kulturen ist jedoch v. a. für kurz liegende Katheter gering und das Ergebnis ist nur in Verbindung mit dem klinischen Bild verwertbar. Außerdem können Katheter lediglich auf der Innenseite kolonisiert sein, sodass die Infektion dem Nachweis entgeht.
Weitere diagnostische Ansätze sind eine Ultraschallbehandlung sowie mechanisches Schütteln des Katheters auf einem Laborvortexgerät
, mit dem Ziel, auch endoluminal adhärente
Bakterien im Kulturmedium nachweisen zu können.
Da keine der genannten Methoden eine sichere Unterscheidung zwischen asymptomatischer Kolonisation und Katheterinfektion erlaubt, ist die routinemäßige mikrobiologische Untersuchung von entfernten Kathetern ohne klinischen Infektionsverdacht nicht sinnvoll.
Therapie
Sind die klinischen Symptome gering ausgeprägt und bessern sich unmittelbar nach Entfernen des Katheters, kann bei stabilen, immunkompetenten Patienten meist auf eine Antibiotikatherapie verzichtet werden. In diesen Fällen werden häufig koagulasenegative
Staphylokokken als Infektionserreger in
Blutkulturen nachgewiesen. Bei kritisch kranken Patienten ist meist eine empirische Antibiotikagabe indiziert. Die Auswahl richtet sich nach der Häufigkeit bestimmter Erreger, der Schwere des Krankheitsbilds und speziellen Risikofaktoren:
-
Staphylokokken sind die häufigsten Erreger einer Katheterinfektion. Bei hoher
Prävalenz von
MRSA sollte mit einem MRSA-wirksamen Antibiotikum wie z. B.
Vancomycin oder
Teicoplanin empirisch begonnen werden. Alternativen hierzu wären Linezolid, Daptomycin oder Tigecyclin.
-
Bei
methicillinsensiblen S. aureus (MSSA) sind penicillinasestabile Penicilline z. B. Flucloxacillin oder auch Erstgenerationscephalosporine Mittel der Wahl. Aus klinischen und In-vitro-Studien ist bekannt, dass diese Medikamente Vancomycin überlegen sind. Auch bei empirischen initialen Beginn mit einem MRSA wirksamen Medikament (z. B. Vancomycin) sollte bei Nachweis von MSSA auf z. B. Flucloxacillin deeskaliert werden [
30]. Wenn der ZVK in der Leiste liegt oder aus anderen Gründen mit gramnegativen Erregern gerechnet wird, ist die zusätzliche Gabe z. B. eines Drittgenerationscephalosporins sinnvoll.
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Bei Patienten mit schwerer Sepsis oder septischem Schock kann initial ein β-Laktam-Antibiotikum mit einem Fluorchinolon kombiniert werden; bei Erregernachweis bzw. deutlicher klinischer Besserung sollte auf eine Monotherapie deeskaliert werden.
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Der primäre Einsatz von Antimykotika bedarf spezieller Indikationen (z. B. Immunsuppression, hämatologische Grundkrankheit).
In Abhängigkeit vom klinischen Bild und dem kulturellen Nachweis muss das Initialregime erregerbezogen modifiziert werden.