Das Konzept des In-situ-spinozellulären-Karzinoms
hat in den letzten Jahren zu intensiven Diskussionen geführt, ist aber für die Dermatologie hochrelevant, da insbesondere aktinische Keratosen sehr häufig sind. Dubreuilh (
1896) prägte den Begriff
präkanzerös, doch ist dieser Begriff wissenschaftlich unkorrekt und wurde deshalb allmählich durch Begriffe wie
präinvasiv oder
In-situ-spinozelluläres-Karzinom ersetzt. Dieser Ansatz ist für den Dermatologen hilfreich, denn mit ihm kann er dem Patienten leicht erläutern, dass therapeutische Maßnahmen notwendig sind, wenn eine Hautveränderung eine – wenn auch nur geringe – Wahrscheinlichkeit besitzt, sich in ein invasives Karzinom weiterzuentwickeln. Die aktinische Keratose ist das mit Abstand häufigste Beispiel eines In-situ-spinozellulären-Karzinoms, aber daneben existieren zahlreiche andere Formen, die sich durch eine wohl definierte Ätiopathogenese sowie eine unterschiedliche Klinik abgrenzen lassen.
Aktinische Keratose
Histopathologie
Der entscheidende Befund sind atypische Keratinozyten ausschließlich innerhalb der Epidermis, die sich in Zell- oder Kernform und/oder -größe unterscheiden. Es existieren verschiedene Muster, die die große klinische Variationsbreite aufweisen. Im typischen Fall findet man fokale Herde von Parakeratose, die mit orthohyperkeratotischen Zonen abwechselnd auftreten (Pink-and-blue-Zeichen). Follikuläre Strukturen sind oftmals ausgespart, auch können Basalzellen in kleinen Nestern atypischer Zellen gegen die papilläre Dermis hin vorwachsen. Die meisten atypischen Zellen finden sich zunächst innerhalb des Basalzelllagers und repräsentieren den dort gesetzten Schaden in der DNA sich teilender Zellen oder epidermaler Stammzellen. Die Dermis zeigt immer eine solare Elastose als Zeichen der chronischen UV-Schädigung, und kann zusätzlich ein diskretes entzündliches Infiltrat sowie Teleangiektasien aufweisen. Mit dem Wachstum der aktinischen Keratose entwickelt sich eine Invasionstendenz in Richtung der papillären Dermis, auch eine Ausdehnung innerhalb des Epithels, und schließlich eine Einwanderung atypischer Zellen in Haarfollikel und sogar in die Ausführungsgänge von Schweißdrüsen.
Eine Reihe von speziellen Bezeichnungen wurde für bestimmte Varianten des histologischen Bildes entwickelt
. Wenn die atypischen Zellen alle Lagen der Epidermis durchsetzen, spricht man von einer
bowenoiden aktinischen Keratose. Ist die Proliferation nestartig innerhalb der Epidermis begrenzt, so wird von einem
Borst-Jadassohn-Effekt gesprochen oder auch von einer
Borst-Jadassohn-aktinischen Keratose. Besonders dicke Läsionen werden als akanthotische, besonders dünne als atrophische aktinische Keratose bezeichnet. Eine ausgeprägte Verdickung des Stratum corneum kennzeichnet hypertrophe aktinische Keratosen oder
Hauthörner, die mit einer aktinischen Keratose assoziiert sind. Beim Nachweis einer Spaltbildung (
Freudenthal-Lakune, (Freudenthal
1926)) direkt oberhalb des Basalzelllagers mit geringer Akantholyse wird die Bezeichnung
akantholytische aktinische Keratose bevorzugt. Pigmentierte aktinische Keratosen
zeigen eine vermehrte Melaninkonzentration im Basalzelllager und oftmals auch Melanophagen in der oberen Dermis. Gelegentlich sind die atypischen Keratinozyten glykogenreich und hell; diese Form wird als
Hellzell-(
clear-cell-)
aktinische Keratose bezeichnet
.
Bei einem lichenoiden Infiltrat kann die Diagnose einer
lichenoiden aktinischen Keratose gestellt werden
. Diese Diagnose wird gestellt, wenn Parakeratose und zytologische epidermale Atypien von einem lichenoiden Infiltrat unterlegt sind. Findet sich unterhalb einer aktinischen Keratose ein ausgeprägtes lichenoides Infiltrat, so zeigt der Patient klinisch oftmals Veränderungen, die einem
Lupus erythematodes nahezu identisch sind. Eine sorgfältige weitere Abgrenzung ist erforderlich, da auch der diskoide Lupus erythematodes in lichtexponierter Haut lokalisiert ist. Krebsassoziierte molekulare Veränderungen der DNA wie im
Tumorsuppressorgen p53 oder
Hras-Gen wurden sowohl in spinozellulären Karzinomen als auch in aktinischen Keratosen gefunden. Die veränderten Keratinozyten zeigen eine hohe Mutationsrate des Tumorsuppressorgens
p53 und zahlreicher weiterer Gene. Weiterhin wurden
chromosomale Aberrationen für invasive spinozelluläre Karzinome und aktinische Keratosen beschrieben.
Das Ausmaß der keratinozytären Atypien in der Epidermis wird als leicht (AK I), moderat (AK II) oder schwer (AK III) eingestuft. Bei aktinischen Keratosen Grad I finden sich in der basalen und suprabasalen Schicht, also im unteren Drittel der Epidermis, atypische Keratinozyten, wohingegen sich bei aktinischen Keratosen Grad II atypische Keratinozyten auch im mittleren Drittel der Epidermis nachweisen lassen. Bei einer aktinischen Keratose Grad III ist die gesamte Epidermis von Atypien durchsetzt.
Die Frage an den Histopathologen ist die gleiche wie an den Kliniker: Wann beginnt eine aktinische Keratose ein spinozelluläres Karzinom zu werden? Zum Teil ist dies eine subjektive Entscheidung, die vom Dermatopathologen getroffen wird. Oftmals stammt das eingesandte Material von einer Kürettage, sodass die Dermis entweder kaum erfasst ist oder nicht ausreichend beurteilt werden kann. Darüber hinaus ist der Übergang von der aktinischen Keratose zum spinozellulären Karzinom fließend. Die Diagnose eines frühen oder mikroinvasiven spinozellulären Karzinoms, welches in einer aktinischen Keratose entsteht, ist vermutlich die beste Bezeichnung, wenn nur wenige maligne Zellen in der papillären Dermis nachweisbar sind, da dies dem Kliniker die Information an die Hand gibt, dass diese spezielle Veränderung seiner besonderen Aufmerksamkeit bedarf. Wenn Inseln oder Stränge von malignen Keratinozyten in der Dermis vorhanden sind, sollte die Diagnose eines invasiven spinozellulären Karzinoms gestellt werden.
Morbus Bowen
Cave: Wenn ein einzelner Nagel psoriasiform verändert ist, sollte immer eine Biopsie zum Ausschluss eines Morbus Bowen durchgeführt werden.