Zusammenfassung
Die Zahl von Patienten, die professionelle Hilfe suchen, weil ihr exzessiver Pornografiekonsum und/oder ihr exzessives Sexualverhalten zu negativen Konsequenzen und Leidendruck geführt haben, hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. In der ICD-11 wird dafür erstmals die Diagnose „Zwanghaftes Sexualverhalten“ in der Klasse der Impulskontrollstörungen eingeführt. Als wichtigste diagnostische Kriterien gelten ein hoher Zeitbedarf für die Beschäftigung mit sexuellen Impulsen und Verhaltensweisen, der Einsatz exzessiven Sexualverhaltens als Reaktion auf negative Gefühle und belastende Lebensereignisse sowie erfolglose Versuche, das trotz negativer Konsequenzen fortgeführte Verhalten zu kontrollieren. Die häufigsten negativen Konsequenzen hypersexuellen Verhaltens sind partnerschaftliche und berufliche Probleme sowie sozialer Rückzug. In der Praxis muss die Selbstdiagnose des Patienten durch Screeningfragen, Fragebögen und eine Sexualanamnese verifiziert werden. Die Beratung zielt auf zunächst auf ein Selbst-Monitoring sowie auf eine gestufte Reduktion der problematischen Verhaltensweisen. Das therapeutische Vorgehen besteht in multimodalen Ansätzen mit den Schwerpunkten auf der Verbesserung (a) der Verhaltenssteuerung, (b) der Affektwahrnehmung und -regulation, (c) der Beziehungsfähigkeit und begleitender sexueller Funktionsprobleme. Eine unterstützende Pharmakotherapie beginnt i. d. R. mit SSRIs und geht in Einzelfällen bis zur Gabe von Antiandrogenen.