Faktor-XIII-Bestimmung und Substitution bei Trauma und großflächiger Verbrennung

Faktor-XIII-Defizite können nach (Poly-)Trauma oder bei Verbrennung mit Spalthauttransplantation zu Blutungskomplikationen und ausgeprägten Wundheilungsstörungen beitragen. Da der Faktor-XIII-Mangel nicht an Quick-Wert oder PTT ablesbar ist, ist eine Einzelfaktorbestimmung nötig, die regelmäßig erfolgen sollte, um gezielt substituieren zu können. Bei akuter Blutung kann auch eine Substitution ohne vorherige Messung indiziert sein. Bei großflächigen Verbrennungen plädieren Experten für ein konsequentes Faktor-XIII-Monitoring und eine frühe Substitution. Als Transglutaminase stabilisiert der u.a. in der Leber produzierte Faktor XIII im Rahmen der Blutgerinnung nach Aktivierung durch Thrombin das Fibringerinnsel und trägt auf diese Weise zur Blutstillung bei. Fibrin bzw. Fibrinogen ist allerdings nur das Hauptsubstrat von Faktor XIII. Der Gerinnungsfaktor wirkt auch auf zahlreiche andere Substrate, darunter Faktor V, Faktor X und Prothrombin, Alpha-2-Antiplasmin, verschiedene Komplementfaktoren und unterschiedliche Bestandteile des Zytoskeletts [1, 2]. Entsprechend der Vielzahl der Substrate hat Faktor XIII eine ganze Reihe weiterer Funktionen, die über die unmittelbare Blutstillung und Gerinnung hinausgehen. So sei Faktor XIII u.a. an Angiogenese, außerdem an metabolischen, immunologischen und inflammatorischen Prozessen sowie der Schwangerschaft und nicht zuletzt der Wundheilung beteiligt, sagte Dr. Martin Olivieri, München (Abb. 1) [2]. Abb. 1 Faktor XIII ist an zahlreichen physiologischenund pathophysiologischen Prozessen unmittelbar beteiligt; modifiziert nach [2] Springer Medizin Verlag GmbH × Faktor XIII bei Blutungen in der Pädiatrie Als Pädiater habe er unter anderem bei postnatalen Blutungen mit Faktor-XIII-Mangel zu tun, betonte Olivieri. Er berichtete beispielhaft über einen sieben Tage alten, reif geborenen Säugling, der wenige Tage nach Entlassung aus der Geburtsklinik plötzlich spontan aus dem Nabel blutete. Mögliche Differenzialdiagnosen waren Hypo-, Dys- und Afibrinogenämien, außerdem ein Faktor-X- und ein (angeborener oder erworbener) Faktor-XIII-Mangel. Entscheidend sei, sich zu vergegenwärtigen, dass die Globaltests der Gerinnung, also Quick-Wert und aPTT, nicht alle möglichen Gerinnungsstörungen erfassten. Insbesondere von-Willebrand-Syndrom, Thrombozytopathien und Faktor-XIII-Mangel würden nicht erfasst. Letzteres war bei dem geschilderten Neugeborenen der Fall: „Wir brauchten eine erweiterte Gerinnungsfaktordiagnostik mit Einzelfaktorenanalyse“, so Olivieri. Abschließend konnte bei einer Faktor-XIII-Aktivität <1% ein schwerer Faktor-XIII-Mangel diagnostiziert werden, in diesem Fall angeboren. Deutlich häufiger und auch bei älteren Kindern bzw. Erwachsenen relevant seien erworbene Formen des Faktor-XIII-Mangels. Synthesestörungen bei Lebererkrankungen sind eine wichtige Ursache des erworbenen Mangels. Die zweite große Gruppe sind Patienten, bei denen es zu einem vermehrten Verbrauch von Faktor XIII kommt, in erster Linie Patienten mit schweren Blutungen. „Klinisch zeigt sich ein Faktor-XIII-Mangel durch OP-assoziierte Blutungen, Wundheilungsstörungen und bei Frauen durch Aborte“, betonte Olivieri. Die Blutungsneigung sei häufig sehr ausgeprägt, ähnlich wie bei einem Fibrinogenmangel und stärker als zum Beispiel bei einem Faktor-V- oder Faktor-VII-Mangel. Faktor-XIII-Mangel und Wundheilungsstörungen bei Verletzungen Genauer auf den erworbenen Faktor-XIII-Mangel ging Dr. Michaela Wilhelmi, Hannover ein. Sie betonte, dass insbesondere beim Polytrauma nicht nur die akute Blutung, sondern zusätzlich auch die systemische Inflammation eine Gerinnungsstörung triggere, die dann in Wundheilungsstörungen resultiere. Bei der Wundheilung nehme der Faktor XIII eine zentrale Rolle ein, so Wilhelmi. Er begünstige die Anlagerung von Thrombozyten und sei für den Crosslink zwischen Fibrinmolekülen relevant. Dies führe zur Clot-Stabilisierung, trage aber auch dazu bei, dass Infektionserreger in der Wunde immobilisiert und neutralisiert würden. Im weiteren Verlauf stimuliere Faktor XIII dann die Einwanderung von Phagozyten und begünstige über eine VEGF-Rezeptor-2-vermittelte Wirkung die Angiogenese sowie die Einwanderung von Fibroblasten und Osteoblasten (Abb. 2) [3]. Abb. 2 Vielfältige Aufgaben von Faktor XIII bei der Wundheilung; modifiziert nach [3] Springer Medizin Verlag GmbH × Dass die infektionshemmende Wirkung von Faktor XIII nicht nur Theorie ist, illustrierte Wilhelmi mit einer experimentellen Arbeit bei Mäusen, die mit dem Erreger der nekrotisierenden Fasziitis Streptococcus pyogenes infiziert waren [4]. Schon 24 Stunden nach Behandlung mit Faktor-XIII-Konzentrat war der bakterielle Load im Vergleich zu unbehandelten Tieren wesentlich geringer: „Das zeigt, dass der Faktor XIII dazu in der Lage ist, Bakterien zu immobilisieren“, so Wilhelmi. Wichtig sei dieser Zusammenhang insbesondere beim Polytrauma, wo der blutungsbedingte Verlust von Faktor XIII auf einen erhöhten Faktor-XIII-Bedarf wegen oft großflächiger Wunden und teils begleitender Sepsis treffe. Das führe letztlich dazu, dass die infektionspräventive Wirkung des Gerinnungsfaktors gerade dann nicht zur Verfügung stehe, wenn sie am meisten gebraucht werde. Frühe Substitution bei Traumapatienten Die Leitlinien seien sich einig, dass der Diagnostik eines Faktor-XIII-Mangels und einer adäquaten Substitution große Bedeutung zukommen, so Wilhelmi. So betont die Bundesärztekammer, dass Faktor XIII stets gesondert bestimmt und bei schweren Blutungen ggf. auch eine Blindsubstitution erwogen werden sollte [5]. Wilhelmi berichtete über eine aktuelle Arbeit, bei der bei über 1.000 chirurgischen Patienten vor Operation Faktor XIII gemessen wurde. Bei einer Aktivität <70% war das Risiko für Transfusionen von Erythrozytenkonzentraten um den Faktor 4,6 erhöht, wohingegen ein Fibrinogen <1,5g/l nicht mit erhöhtem Transfusionsrisiko einherging [6]. Generell sei es in der Traumatologie vor allem bei starken Blutungen, bei großen Wundflächen und bei bakterieller Kontamination wichtig, an den Faktor XIII zu denken, so Wilhelmi: „Wenn Sie nicht die Möglichkeit haben, zu messen, dürfen Sie ihn auch blind geben.“ Die Expertin empfahl, bei der akuten Blutung den Cutoff für eine Substitution mit Faktor XIII (Fibrogammin®) auf <65% zu setzen. Bei Wundheilungsstörungen gelte derselbe Cutoff, und der Faktor XIII sollte zumindest einmal pro Woche bestimmt werden. Auch bei Sepsis, nekrotisierender Fasziitis und schweren Wundinfekten sollte eine Faktor-XIII-Diagnostik erfolgen. Verbrennungsopfer: Gerinnungsfaktormanagement ist essentiell Auf eine weitere, spezielle Zielgruppe für die Faktor-XIII-Substitution ging Johannes Horter, Ludwigshafen, ein, nämlich Menschen mit großflächigen Verbrennungen. Horter wies darauf hin, dass die Entnahme oberflächlicher Hautschichten im Rahmen einer Spalthauttransplantation den Hautschaden der Verbrennungspatienten zunächst noch vergrößere, was den Verbrauch von unter anderem Faktor XIII steigere. Zudem könne es im Kontext einer Verbrennungskrankheit zu Schäden an der Leber kommen, was wiederum die Synthese von Faktor XIII beeinträchtige. Entsprechend wichtig ist bei diesen Patienten das Faktor-XIII-Monitoring. Horter berichtete über eine brasilianische Untersuchung, bei der im Kontext der Brandverletztenchirurgie untersucht wurde, wie sich Faktor XIII auf die Notwendigkeit von Transfusionen auswirkte. „Dabei zeigte sich, dass Patienten mit Faktor-XIII-Substitution für vergleichbare Eingriffe deutlich weniger Erythrozytenkonzentrate brauchten [7].“ Klinisch typisch für einen Gerinnungsmangel bei Brandverletzten seien weniger makroskopische Blutungen als eher diffuse Blutungsmuster über der Spalthaut, die unter anderem dazu führen könnten, dass sich die Spalthaut ablöse. Insgesamt sprächen die Erfahrungen mit brandverletzten Patienten klar für eine frühzeitige Faktor-XIII-Substitution insbesondere bei großflächigen Verbrennungen mit großflächigen Spalthautransplantationen. „Wir messen Faktor XIII routinemäßig einmal pro Woche, genauso regelmäßig wie Vitamin D, Folsäure, Kupfer und Mikronährstoffe.“ Literatur Nikolajsen CL et al., J Biol Chem 2014, 289:6526–34 Schroeder V, Kohler HP, J Thomb Haemost 2013, 11:234–44 Fahad SM et al., Int J Mol Sci 2021, 22:3055 Dickneite G et al., Thromb Haemost 2015, 113:686–97 Bundesärztekammer, Querschnitts-Leitlinie zur Therapie mit Blut-komponenten und Plasmaderivaten – Gesamtnovelle 2020 Listyo S et al., J Clin Med 2020, 9:2456 de Morais Carneiro J et al., Braz J Anaesth 2018, 68:238–243 Impressum „Wundheilung bei großen Wundflächen und Spalthaut: Wege zum Erfolg“ Webinar, 14. April 2021 Berichterstattung: Philipp Grätzel, Berlin Artikel gedruckt in „Der Chirurg“ Band 97, Heft 7, Juli 2021 Mit freundlicher Unterstützung der CSL Behring GmbH, Marburg Corporate Publishing (verantwortl. i. S. v. § 55 Abs. 2 RStV): Ulrike Hafner, Tiergartenstraße 17, 69121 Heidelberg Redaktion: Dr. Sabine Lohrengel Springer Medizin Verlag GmbH Heidelberger Platz 3 14197 Berlin Tel: 0800 7780 777 (kostenfrei) | +49 (0) 30 827 875 566 Fax: +49 (0) 30 827 875 570 E-Mail: kundenservice@springermedizin.de Die Springer Medizin Verlag GmbH ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Nature. 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