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27.09.2022 | Vorhofflimmern | Nachrichten

Risikofaktor Körpergröße

Vorhofflimmern-Risiko bei Frauen unterschätzt?

verfasst von: Dr. Elke Oberhofer

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Dass Frauen seltener Vorhofflimmern entwickeln als Männer, haben gleich mehrere Studien gezeigt. Einem Ärzteteam aus Los Angeles war diese Aussage jedoch zu pauschal: Sie berücksichtigten bei der Risikoberechnung anstelle des BMI jeweils einzeln die Körpergröße und das Gewicht. Das Ergebnis war danach ein ganz anderes.

Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels.

Die Inzidenz von Vorhofflimmern (VHF) ist bei Frauen Studien zufolge deutlich geringer als bei Männern. Eine aktuelle Auswertung von Daten der VITAL-Rhythm-Studie zeigt jedoch: Wenn man nicht den BMI, sondern anstelle dessen die Körpergröße und das Gewicht als Einzelgrößen berücksichtigt, kehrt sich das Risikoverhältnis zu Ungunsten der Frauen um, zumindest bei Personen ohne vorbestehende Herz-Kreislauf-Erkrankung. Nach Dr. Hasan K. Siddiqi vom Cedars-Sinai Medical Center in Los Angeles und seinem Team bedeutet das für die Praxis, dass man die VHF-Prävention beim weiblichen Geschlecht künftig stärker in den Blick nehmen sollte.

Kardiovaskuläre Vorerkrankungen ausgeschlossen

An der im Fachblatt JAMA Cardiology publizierten Studie hatten insgesamt 25.119 Personen (12.757 Frauen und 12.362 Männer) ohne kardiovaskuläre Vorerkrankung teilgenommen. Zu Beginn waren die Männer mindestens 50 und die Frauen mindestens 55 Jahre alt. Siddiqi und seine Kolleginnen schauten nun, wie häufig Frauen bzw. Männer innerhalb von fünf Jahren ein ärztlich bestätigtes VHF entwickelt hatten. Der Anteil war, wie auch schon in früheren Studien, bei den Männern deutlich höher (4,0% gegenüber 3,2%). Daran änderte sich auch nach Berücksichtigung des Alters und der jeweiligen Therapiegruppe nichts (in der VITAL-Rhythm-Studie hatte man die Gabe von Vitamin D bzw. Omega-3-Fettsäuren zur VHF-Prävention mit Placebo verglichen). In der adjustierten Analyse lag die VHF-Inzidenz bei den Frauen zum Studienende um 32% niedriger als bei den Männern, das entsprach einer kumulativen Inzidenz von 5,7 (Frauen) bzw. 8,0 (Männer) pro 1000 Personenjahre.

Risikoverhältnis kehrt sich um

Interessant wurde es jedoch, wenn man in der mehrdimensionalen Analyse den BMI durch die Variablen Körpergröße und Gewicht ersetzte. Unter diesen Umständen kehrte sich die Assoziation überraschenderweise um, mit einem jetzt um relative 49% höheren VHF-Risiko bei den Frauen. Wie sich herausstellte, hatte dabei vor allem die Körpergröße zu Buche geschlagen, viel mehr als das Gewicht. Diese positive Assoziation schwand jedoch, wenn man Größenunterschiede innerhalb der Geschlechtergruppen (mithilfe von geschlechtsspezifischen z-Scores) berücksichtigte. Nach Siddiqi und seinem Team legen diese Ergebnisse nahe, dass das in vielen Studien beobachtete geringere VHF-Risiko der Frauen zu einem erheblichen Teil auf geschlechtsabhängige Größenunterschiede zurückzuführen sei.

Atriale Fibrosierung als Schlüsselmechanismus?

Erklären lasse sich dieser Zusammenhang möglicherweise über die atriale Fibrosierung, die bei jeweils gleicher Körpergröße bei Frauen möglicherweise ausgeprägter sei als bei Männern. Dass Körpergröße und Größe des linken Vorhofs korrelierten, sei bekannt, so Siddiqi et al. Außerdem komme es bei Frauen möglicherweise häufiger zur Vorhoferweiterung bzw. zu atrialen Funktionsstörungen als bei Männern; beides könne das Auftreten von VHF begünstigen.

Die Forschenden fanden auch heraus, dass das VHF bei den Frauen häufiger mit Symptomen einherging als bei den Männern (in 77% gegenüber 63% der Fälle) und bei Ersteren die Beschwerden häufiger paroxysmal auftraten (65% gegenüber 56%). Beides schlägt sich, wie bereits frühere Studien gezeigt haben, deutlich auf die Lebensqualität nieder.

VHF-Risikofaktoren waren in der VITAL-Rhythm-Kohorte, wie in früheren Studien auch, bei beiden Geschlechtern neben dem Alter das Körpergewicht, der BMI und die Hypertonie. Letztere lassen sich bei Männern wie bei Frauen therapeutisch angehen.

Das Wichtigste in Kürze

Frage: Hängt das Risiko, Vorhofflimmern zu entwickeln, vom Geschlecht ab?

Antwort: In einer Kohorte ohne kardiovaskuläre Vorerkrankungen war das VHF-Risiko innerhalb von fünf Jahren in der altersabhängigen Analyse bei Frauen niedriger. Das Risikoverhältnis kehrte sich jedoch um, wenn man in der mehrdimensionalen Analyse den BMI durch Körpergröße und Gewicht ersetzte. Danach hatten Frauen ein um 49% höheres Risiko als Männer.

Bedeutung: Das VHF-Risiko scheint mehr mit der Körpergröße zusammenzuhängen als mit dem Geschlecht.

Einschränkung: Kohortenstudie; keine kardiovaskulären Vorerkrankungen, Teilnehmende bei Studienbeginn bereits relativ alt (median 67 Jahre).

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Literatur

Siddiqi HK et al. Sex Differences in Atrial Fibrillation Risk: The VITAL Rhythm Study. JAMA Cardiol 2022; https://doi.org/10.1001/jamacardio.2022.2825

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