Erschienen in:
15.08.2023 | Tinnitus | Leitthema
Tinnitus im Wechselspiel zwischen Emotion und Kognition
verfasst von:
Prof. Dr. Christian Dobel, Markus Junghöfer
Erschienen in:
HNO
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Ausgabe 10/2023
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Zusammenfassung
Subjektiver Tinnitus (im Folgenden Tinnitus) wird häufig als Wahrnehmungsphänomen betrachtet und untersucht. Bei Tinnituspatienten wurde dementsprechend über diverse Auffälligkeiten im Bereich der kognitiven Verarbeitung berichtet. Gleichzeitig ist die Störung durch eine erhebliche emotionale Belastung charakterisiert, die mit einer hohen Komorbidität von Affektstörungen einhergeht. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die enge Verbindung zwischen Kognition und Emotion darzulegen und zu zeigen, wie in der aktuellen Forschung aus dem Bereich der kognitiven Neurowissenschaft die Verarbeitung und der Erwerb von emotionalen Reizen untersucht werden. Die emotionale Valenz von Reizen kann nach kurzer Lernexposition gewonnen werden und führt von einer neutralen zu einer appetitiven oder aversiven Evaluation. Im Gegensatz zu neutralen Reizen ziehen emotionale Reize sehr früh (etwa 100 ms) während der Verarbeitung Aufmerksamkeit auf sich, führen zu tieferer Verarbeitung und entsprechenden Gedächtniseffekten. Das involvierte subkortikale und kortikale Netzwerk umschließt limbische und sensorische Areale. Insbesondere präfrontale Regionen sind beim Erwerb und bei der Evaluation emotionaler Reize involviert, wie auch Studien an Patienten mit Affektstörungen zeigten. Das Zusammenspiel von kognitiven und emotionalen Prozessen scheint den Autoren zentral für die Entstehung, Aufrechterhaltung und Behandlung von Tinnitus.