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28.04.2022 | Reizdarmsyndrom | Nachrichten

Expertentipps für die Praxis

Eliminationsdiät bei Reizdarm – für Ihren Patienten das Richtige?

verfasst von: Dr. Elke Oberhofer

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US-Gastroenterologen haben Ernährungsempfehlungen zum Reizdarmsyndrom (RDS) herausgegeben. Die Quintessenz: Nicht jeder Patient ist für spezielle Diäten geeignet, vor allem psychische Störungen sollten ausgeschlossen werden. Eliminationsdiäten sollten zeitlich begrenzt sein. Von allen diätetischen Maßnahmen hat die Low-FODMAP-Ernährung derzeit die beste Evidenz beim RDS.

Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels.

Mit den meisten medikamentösen Therapien gegen das Reizdarmsyndrom (RDS) lassen sich die Symptome nur bei weniger als der Hälfte der Patienten verringern, die Angaben zum therapeutischen Effekt gegenüber Placebo schwanken zwischen 7% und 15%. Auf der anderen Seite berichten die meisten Reizdarmpatienten, dass die Beschwerden irgendwie mit den aufgenommenen Nahrungsmitteln zusammenhängen.

Die US-amerikanische Gastroenterologengesellschaft AGA (American Gastroenterological Association) hat nun der Rolle der Ernährung in der Behandlung des RDS eine ausgiebige Literaturrecherche gewidmet. Das Ergebnis, bei dem sich das Gremium auch auf Expertenmeinungen stützt, ist ein Katalog aus neun Empfehlungen, maßgeschneidert für die gastroenterologische Praxis.

Empfehlung 1: In einem ersten Schritt sollte geklärt werden, ob der Patient für eine Ernährungstherapie und speziell für eine Eliminationsdiät überhaupt geeignet ist. Idealerweise kommen hierfür Patientinnen und Patienten infrage, die ihre Symptome mit der Nahrungsaufnahme in Zusammenhang bringen und motiviert sind, etwas an ihrem Ernährungsverhalten zu ändern. Die Überweisung an einen zertifizierten Ernährungsberater kann sinnvoll sein, vor allem, wenn Patienten nicht in der Lage sind, die Umstellung alleine zu bewältigen.

Empfehlung 2: Wer von vornherein kaum Nahrungsmittel konsumiert, die mit dem RDS assoziiert sind, wer Gefahr für eine Mangelernährung läuft, in puncto Ernährung unsicher ist oder unter einer Essstörung bzw. einer unkontrollierten psychischen Störung leidet, ist eher schlecht für restriktive Diätformen geeignet. Die AGA-Experten weisen darauf hin, dass solche Störungen in der gastroenterologischen Praxis relativ häufig vorkommen und mahnen ein routinemäßiges Screening auf Essstörungen an.

Empfehlung 3: Wenn spezielle Diäten empfohlen werden, sollte man diese von vornherein auf einen bestimmten Zeitraum begrenzen. Spricht der Patient innerhalb dieses Zeitraums nicht an, sollte die jeweilige Maßnahme beendet und durch eine andere Therapie (andere Diät, medikamentöse Therapie oder gänzlich andere Maßnahme) ersetzt werden.

Empfehlung 4: Vor dem Termin mit einem Ernährungsberater sollte der Patient Informationen zu seiner aktuellen Ernährungsweise sammeln. Dies kann in Form eines Ernährungstagebuchs geschehen, das mit einer Aufstellung der jeweils aktuellen Symptome kombiniert wird. Um einen individuellen Ernährungsplan erstellen zu können, sollte diese Maßnahme über mindestens drei Tage erfolgen.

Empfehlung 5: Lösliche Ballaststoffe sind wirksam in der Behandlung der globalen RDS-Symptomatik, besonders beim Verstopfungstyp. Empfohlen wird ein Minimum von insgesamt 25–35 g Ballaststoffen täglich. Geeignet sind vor allem Flohsamenschalen, Maisfasern, Polycarbophil-Kalzium, Methylzellulose, Haferkleie sowie das Fruchtfleisch von Obst und Gemüse. All diese enthalten besonders hohe Mengen an löslichen Ballaststoffen.

Empfehlung 6: Eine Ernährung, die wenig fermentierbare Oligo-, Di- und Monosaccharide sowie wenig Polyole enthält (Low-FODMAP-Diät, LFD), hat beim RDS derzeit die beste Evidenz unter den Ernährungsmaßnahmen. In Studien konnte nachgewiesen werden, dass dadurch sowohl die Symptome gelindert als auch die Lebensqualität verbessert werden können, insbesondere beim RDS-Typ mit Diarrhö als vorherrschendem Symptom. In einer neueren Metaanalyse über 13 randomisierte kontrollierte Studien hatte man mehrere Ernährungsmaßnahmen indirekt miteinander verglichen. Dabei war die LFD von allen am effektivsten, sowohl bei der Besserung der Gesamtsymptomatik als auch bei der Linderung abdomineller Schmerzen und Blähungen. Die Aufnahme von Mikronährstoffen wird den AGA-Autoren zufolge dadurch nicht maßgeblich eingeschränkt.

Empfehlung 7: Die Experten empfehlen, die LFD in drei Phasen ablaufen zu lassen: 1. Restriktion (nicht länger als vier bis sechs Wochen), 2. schrittweises Wiedereinführen, 3. Abstimmen der Ernährung auf den einzelnen Patienten (Personalisierung).

Empfehlung 8: Für den Nutzen einer glutenfreien Ernährung beim RDS mangelt es an Evidenz. Laut den AGA-Experten liegen zwar zahlreiche Beobachtungsstudien vor, die bei den meisten Patienten eine Besserung der Symptome zeigen. Randomisierte kontrollierte Studien hätten jedoch gemischte Resultate ergeben. Teilweise sei es sogar zu einer signifikanten Verschlechterung im Vergleich zu Placebo gekommen. Andere Daten legen nahe, dass die beobachtete Verbesserung der RDS-Symptomatik nicht auf das Weglassen von Gluten zurückzuführen sei.

Empfehlung 9: In der Literatur gibt es Hinweise, dass bestimmte Biomarker das Ansprechen auf Ernährungsmaßnahmen voraussagen können. Einige Studien beschränken sich dabei auf den möglichen Erfolg einer glutenfreien Diät. In einer randomisierten kontrollierten Studie mit 150 Patienten führte eine Ausschlussdiät mit Weglassen aller Nahrungsmittel, für die die Patienten erhöhte IgG-Titer aufwiesen, zu einer Abnahme der Symptome um relative 10% gegenüber einer Scheindiät. Eine Querschnittstudie dagegen konnte keine signifikante Korrelation zwischen Reizdarmsymptomen und IgG4-Antikörpertitern nachweisen. Bevor man den Patienten eine „personalisierte Ernährung“ anbieten könne, müsse man erst Biomarker identifizieren, die in der Lage seien, das Ansprechen auf Ernährungsmaßnahmen vorherzusagen, so das Fazit der AGA-Experten.

Das Wichtigste in Kürze

Frage: Praxis-Update der American Gastroenterological Association (AGA) zur Rolle von Ernährungsmaßnahmen in der Therapie des Reizdarmsyndroms.

Antwort: Speziell vor Ausschlussdiäten sollte geschaut werden, ob sich der Patient dafür eignet. Ein Ernährungsberater kann bei der Umstellung hilfreich sein. Ob eine glutenfreie Ernährung wirksam ist, bleibt vorerst unklar. Die höchste Evidenz hat die Low-FODMAP-Diät. Biomarker können möglicherweise das Ansprechen auf bestimmte Maßnahmen vorhersagen, die Datenlage ist jedoch noch begrenzt.

Bedeutung: Nicht jeder Patient mit Reizdarmsyndrom eignet sich für Ernährungsmaßnahmen im Sinne einer Eliminationsdiät. Geachtet werden sollte vor allem auf Essstörungen und andere psychische Komorbiditäten.

Einschränkung: Literaturübersicht, Expertenmeinung.


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Literatur

Chey WD et al. AGA Clinical Practice Update on the Role of Diet in Irritable Bowel Syndrome: Expert Review. Gastroenterology 2022;162:1737–1745. https://doi.org/10.1053/j.gastro.2021.12.248

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