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2020 | Buch

Psychologie in der medizinischen Rehabilitation

Somatopsychologie und Verhaltensmedizin

herausgegeben von: Prof. Dr. Dr. Jürgen Bengel, Prof. Dr. Oskar Mittag

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

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Über dieses Buch

Dieses Buch ist das Lehrbuch zur Psychologie in der medizinischen Rehabilitation für alle Berufsgruppen. Es ist für Reha-Psychologen und klinische Psychologen als Basisbuch verwendbar. Als Praxishandbuch enthält es alle Informationen, die in der medizinischen Rehabilitation gebraucht werden, und dient als Begleitbuch zur Fortbildung „Fachpsychologe in der Rehabilitation“. Geschrieben für Psychologen in der medizinischen Rehabilitation sowie für Ärzte, Ergo- und Physiotherapeuten, Sportlehrer, Pflegekräfte sowie Studierende mit Ziel Masterabschluss Psychologie.

Aus dem Inhalt:

Grundlagen (u. a. Geschichte, Selbstverständnis, Krankheitsbewältigung) – Diagnostik und Dokumentation (u. a. psychische Komorbidität, berufliche Belastungen, Entlassbericht) – Psychologische Interventionen (u. a. Beratung, motivierende Gesprächsführung, Handlungs- und Bewältigungsplanung) – Themenspezifische Maßnahmen (u. a. MBOR, Stressbewältigung, Entspannungsverfahren, Schmerzbewältigung, Nichtrauchertraining, Gewichtsreduktion, komorbide Suchtprobleme) – Spezifische Versorgungssettings (Orthopädie, Kardiologie, Psychoonkologie, Psychodiabetologie, Neuropsychologie) – Nachsorge, Team, Forschung (u. a. Teamentwicklung, Qualitätsmanagement).

Die Herausgeber:

Prof. Dr. phil. Dr. med. Jürgen Bengel (Dipl.-Psych., Arzt, Psychotherapeut) und Prof. Dr. rer. nat. Oskar Mittag (Dipl.-Psych., Psychotherapeut), Universität Freiburg.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Grundlagen

Frontmatter
1. Grundlagen und Selbstverständnis
Zusammenfassung
Die medizinische Rehabilitation hat sich innerhalb von 40 Jahren zu einem wichtigen Arbeitsfeld für Psychologen entwickelt. Über 5000 Psychologen arbeiten in Deutschland im Bereich der Rehabilitation. Die Psychologie als Fach und als Profession hat eine Schlüsselrolle nicht nur in der Rehabilitation von psychischen Erkrankungen und Suchterkrankungen, sondern auch in der somatischen Rehabilitation. Die Rehabilitationspsychologie erfährt als Teilgebiet der Klinischen Psychologie in der medizinischen Rehabilitation sowie im Zusammenhang mit Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben besondere Bedeutung. Sie umfasst Maßnahmen für chronisch kranke und behinderte Personen sowie für deren Angehörige bzw. deren direktes Umfeld und schließt auch Prävention und Gesundheitsförderung ein.
Jürgen Bengel, Oskar Mittag
2. Grundlagen der Rehabilitation
Zusammenfassung
Ziel der Rehabilitation ist es, die Menschen in die Lage zu versetzen, trotz Beeinträchtigungen durch chronische Erkrankungen und ihre Folgen die Aufgaben im Beruf sowie die Rollen in Familie und Gesellschaft weiterhin zu erfüllen. Neben Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gibt es Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA, berufliche Rehabilitation) und Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (soziale Rehabilitation). Die medizinische Rehabilitation ergänzt die Krankenbehandlung und erfolgt in ambulanten und stationären Einrichtungen. Für Erwerbstätige werden die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation i. d. R. durch die Rentenversicherung getragen. Die Rehabilitation von Nicht-Erwerbstätigen, wie z. B. Altersrentnern, wird im Allgemeinen durch die Krankenkassen erbracht. Bei Arbeits- und Wegeunfällen sowie Berufskrankheiten liegt die Zuständigkeit bei der Unfallversicherung. Für die Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen sowie bei Krebserkrankungen gibt es Sonderregelungen.
Rolf Buschmann-Steinhage, Teresia Widera
3. Chronische körperliche Krankheit und Krankheitsbewältigung
Zusammenfassung
Chronische körperliche Erkrankungen bilden eine Gruppe von Krankheiten mit unterschiedlicher Ätiologie, Pathogenese, Symptomatik und Prognose. Den Krankheitsbildern ist gemeinsam, dass sie langfristig bestehen und eine vollständige Heilung in der Regel nicht erreicht werden kann. Die Rehabilitation soll dabei unterstützen, die chronische körperliche Erkrankung und die damit einhergehenden Belastungen zu bewältigen, sowie dadurch möglichst weitgehend und selbständig am gewohnten Leben in Familie, Beruf und Gesellschaft teilhaben zu können. Das Kapitel gibt zunächst einen Überblick über die Belastungen, die im Rahmen von chronischen Erkrankungen auftreten können und beschreibt mögliche Belastungsfolgen. Im Anschluss werden verschiedene Arten der Krankheitsbewältigung beschrieben. Der Einfluss der Krankheitsbewältigung auf Belastungen und Belastungsfolgen wird diskutiert. Aus den theoretischen Ausführungen leiten sich praktische Implikationen für die psychologische Versorgung ab.
Lena V. Krämer, Jürgen Bengel

Diagnostik und Dokumentation

Frontmatter
4. Diagnostik und Indikationsstellung bei psychischen Belastungen und Störungen
Zusammenfassung
Menschen mit körperlichen Erkrankungen weisen häufig psychische Belastungen auf, die zu einem substantiellen Anteil auch die Kriterien einer psychischen Störung erfüllen. Liegen komorbid psychische Belastungen und psychische Störungen vor, ist dies mit einer negativen Behandlungs- und Erkrankungsprognose assoziiert. Entsprechend bedeutsam ist eine fundierte Psychodiagnostik in der somatischen Rehabilitation, die die Erkennungsraten psychischer Belastungen und psychischer Störungen weiter verbessert. Das vorliegende Kapitel bietet hierfür die methodischen Grundlagen zur dimensionalen Erfassung psychischer Belastungen und kategorialen Diagnostik psychischer Störungen in der somatischen Rehabilitation, einschließlich einer Darstellung der Besonderheiten bei der Psychodiagnostik somatisch erkrankter Rehabilitanden und der Beschreibung einer praxiserprobten psychodiagnostischen Routine.
Harald Baumeister
5. Diagnostik beruflicher Belastungen
Zusammenfassung
Arbeits- und berufsbezogene Anforderungen und Belastungen können Gesundheit, Leistungsvermögen und Erwerbsfähigkeit beeinträchtigen. Zu den Interventionen für solcherart belastete Personen zählen beruflich orientierte medizinische Rehabilitationsmaßnahmen. Diese haben einen (über die „normale“ medizinische Rehabilitation hinausgehenden) expliziten arbeits- und berufsorientierten Schwerpunkt in Diagnostik und Therapie und richten sich an Rehabilitanden mit beruflichen Problemlagen. Mit diagnostischen Instrumenten und Verfahren können Rehabilitanden mit beruflichen Problemlagen identifiziert (Screenings) und ihre arbeitsbezogene Leistungsfähigkeit eingeschätzt werden. Fähigkeiten und Arbeitsplatzanforderungen werden abgeglichen und arbeits- und berufsrelevante Faktoren aus Rehabilitandensicht erfasst.
Matthias Lukasczik, Heiner Vogel
6. Gesundheitspsychologische Diagnostik
Zusammenfassung
Gesundheitspsychologische Diagnostik erhebt Informationen über psychologische Faktoren, die einen Einfluss auf die Entstehung und den Verlauf einer körperlichen Erkrankung haben, sowie psychologische Korrelate von Gesundheit und Krankheit. Das Kapitel gibt einen Überblick über für den Einsatz in der somatischen Rehabilitation geeignete generische diagnostische Instrumente aus den Inhaltsbereichen Reha-Motivation, Reha-Ziele, Krankheitskonzepte und Krankheitswissen, Krankheitsverarbeitung, Lebensqualität und subjektive Gesundheit, Gesundheitsverhalten sowie personale und soziale Ressourcen.
Matthias Romppel, Gesine Grande
7. Sozialmedizinische Begutachtung
Zusammenfassung
Die sozialmedizinische Beurteilung des Leistungsvermögens ist eine wesentliche Aufgabe der medizinischen Rehabilitation, sie liegt traditionell in ärztlicher Hand. Sozialmedizinisch sind insbesondere die Auswirkungen von Krankheiten relevant, die einen Versicherten über einen längeren Zeitraum oder dauerhaft bei der Ausübung seiner Erwerbstätigkeit erheblich behindern. Da psychosoziale Faktoren (z. B. Lebens- und Arbeitssituation, soziale Unterstützung, Arbeitslosigkeit) sowie psychische Komorbiditäten für die Einschätzung des beruflichen Leistungsvermögens eine wesentliche Bedeutung haben, sollten Psychologen fachlich hier einen wesentlichen Beitrag leisten. Der fachspezifische psychologische Befund setzt den erhobenen psychopathologischen Befund in Beziehung zu den Dimensionen der ICF und daraus abgeleitet zu den beruflichen Rollenerwartungen dem Patienten gegenüber. Durch ihren Beitrag zur Leistungsbeurteilung kommen Psychologen in eine Gutachterrolle, die mit der traditionellen Rolle des Therapeuten und Beraters kollidieren kann.
Claus Derra
8. Psychologische Dokumentation und Reha-Entlassungsbericht
Zusammenfassung
In der Rehabilitationspraxis wird zwischen einer Dokumentation des Behandlungsverlaufs für die Patientenakte und dem Reha-Entlassungsbericht unterschieden. Die Behandlungsdokumentation in der Patientenakte dient dem internen Controlling und der Koordination der Behandlungsprozesse. Der Reha-Entlassungsbericht fasst den gesamten multidisziplinären Rehabilitationsverlauf und -erfolg aus sozialmedizinischer Perspektive zusammen. Mit seiner sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung nimmt er eine Gutachtenfunktion ein und steht der externen Qualitätssicherung der Leistungsträger zur Verfügung. Bei beiden Dokumentationsformen sind datenschutz-, berufs- und haftungsrechtliche Vorgaben zu berücksichtigen.
Ulrike Worringen, Martin Kleinhans, Dieter Schmucker

Allgemeine psychologische Interventionen

Frontmatter
9. Psychologische Einzelinterventionen
Zusammenfassung
Psychologische Einzelinterventionen sind fester Bestandteil der medizinischen Rehabilitation. Die Indikationsstellung für psychologische Einzelinterventionen erfolgt in Abhängigkeit von der spezifischen Situation des Rehabilitanden. Es können sowohl indikationsübergreifende (z. B. psychische Komorbidität, psychosoziale Belastungen) als auch krankheitsspezifische Problemlagen (z. B. Rezidiv- oder Progredienzangst bei onkologischen Erkrankungen) eine Rolle spielen. Rehabilitanden, die eine Krisensituation erleben oder suizidgefährdet sind, müssen besondere Beachtung finden. Evidenz für die Wirksamkeit psychologischer oder psychotherapeutischer Interventionen bei chronischen körperlichen Erkrankungen liegt insbesondere aus internationalen Studien vor.
Oskar Mittag, Christina Reese
10. Motivational Interviewing
Zusammenfassung
Motivational Interviewing ist ein zugleich direktives und patientenzentriertes Verfahren, das zunächst in Abgrenzung zur herkömmlichen – oftmals konfrontativen – Behandlung alkoholabhängiger Patienten entwickelt wurde. In den vergangenen Jahren wurde der Anwendungsbereich zunehmend erweitert. Verschiedene Adaptationen haben die Anwendung im Rahmen der (verhaltens-)medizinischen Versorgung und der Rehabilitation ermöglicht. Um die intrinsische Motivation des Patienten zu wecken, initiiert der Therapeut einen so genannten Change Talk – ein lautes Nachdenken über Veränderung – und versucht, unfruchtbare Auseinandersetzungen, die lediglich die Vorbehalte des Patienten verstärken, zu vermeiden.
Ralf Demmel
11. Handlungsplanung, Barrieren und Barrierenmanagement
Zusammenfassung
Neben der Festigung der Motivation sollte das Ziel jeder Rehabilitation darin bestehen, Patienten bei der Umsetzung ihrer Verhaltensabsichten zu unterstützen. In diesem Kapitel wird eine Reihe an Maßnahmen vorgestellt, die veranschaulichen, wie Personen auf ihrem Weg von der Absicht zur Umsetzung begleitet werden können. Im Fokus stehen dabei Maßnahmen zur Handlungsplanung (Was möchte ich tun? Wo? Wann? Wie? Mit wem?), zur Antizipation von Barrieren (Welche Situationen können vom Handlungsplan abhalten?) und zum Barrierenmanagement (Wie kann mit Barrieren umgegangen werden?). Zusätzlich werden Maßnahmen zur Steigerung von Selbstbeobachtung, Selbstbewertung und -belohnung sowie Strategien zum Umgang mit Misserfolg vorgestellt.
Lena V. Krämer, Wiebke Göhner
12. Patientenschulung und Gesundheitskompetenz
Zusammenfassung
Patientenschulungen, auch psychoedukative Interventionen genannt, sind ein zentraler Baustein der medizinischen Rehabilitation. Sie sollen die Gesundheitskompetenz von chronisch kranken Menschen fördern und diese dadurch in die Lage versetzen, selbstbestimmt mit den Folgen ihrer Erkrankung umzugehen. Im folgenden Kapitel werden Sie erfahren, welche Ziele Patientenschulungen verfolgen, wie diese inhaltlich und didaktisch gestaltet sind und welche Effekte sie erreichen. Wir werden den theoretischen Hintergrund von Schulungen beleuchten, aber auch einen Blick auf die Schulungspraxis werfen. Dabei werden Qualitätskriterien für Schulungen und Strategien vorgestellt, mit deren Hilfe manualisierte, evaluierte Schulungsprogramme in die rehabilitative Routineversorgung implementiert werden können, um die Schulungspraxis in der medizinischen Rehabilitation zu optimieren.
Karin Meng, Hermann Faller
13. Künstlerische Therapien
Zusammenfassung
Künstlerische Therapien sind erlebnis- sowie handlungsorientierte Formen der Psychotherapie, wobei der Begriff der Psychotherapie im Kontext der künstlerischen Therapien nicht im Sinne des Psychotherapeutengesetzes verwendet wird, sondern als ein therapeutischer Zugang zum Patienten. Zentrales therapeutisches Mittel der künstlerischen Therapien sind Materialien und Ausdrucksformen der bildenden (Malerei und Plastik) wie auch der transitorischen Künste (Musik und Tanz). Hierbei sind der Gestaltungsprozess und das schöpferische Resultat gleichermaßen dialogische Bezugspunkte der therapeutischen Arbeit. Im schöpferischen Prozess werden das eigene Erleben sowie bewusste und unbewusste Anteile der Psyche unmittelbar angesprochen. Psychische und geistige Funktionen des Menschen werden aktiviert und in Bewegung gebracht. Gleichzeitig findet, wie beispielsweise in der Tanztherapie und im therapeutischen Plastizieren, eine auf den Körper bezogene Auseinandersetzung statt, die die Körperwahrnehmung und das Körperbild beeinflussen und verändern kann. Durch künstlerische Therapien können seelische, körperliche und auch soziale Ressourcen aktiviert werden.
Joachim Weis, Harald Gruber

Themenspezifische Maßnahmen

Frontmatter
14. Medizinisch-berufliche Maßnahmen
Zusammenfassung
Der Erhalt und die Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit sind zentrale Anliegen medizinischer Rehabilitation. Berufsorientierte Leistungen wurden jedoch in den vergangenen Jahrzehnten zu selten, mit zu geringer Intensität und nicht bedarfsorientiert erbracht. Randomisiert kontrollierte Studien haben gezeigt, dass die Berücksichtigung berufsorientierter Inhalte die Ergebnisse der Rehabilitation verbessert. Damit dies gelingt, sollte der Bezug auf die konkrete Arbeitssituation und die damit einhergehenden Anforderungen im gesamten Behandlungsprozess erfahrbar sein. Psychologische Interventionen spielen dabei eine wichtige Rolle. Für die Anwendung in der rehabilitationspsychologischen Praxis sind verschiedene manualisierte und evaluierte Programme verfügbar. Eine große Herausforderung bleibt die direkte Einbindung des Arbeitsplatzes und der dortigen Akteure.
Matthias Bethge, Silke Neuderth
15. Stressbewältigung
Zusammenfassung
Psychosozialer Stress ist ein bedeutsamer (mit-)verursachender, auslösender oder aggravierender Faktor für chronische Erkrankungen. Maßnahmen zur Förderung individueller Stressbewältigungskompetenzen bilden daher einen wichtigen Ansatzpunkt für die allgemeine Gesundheitsbildung in der medizinischen Rehabilitation. Das allgemeine Ziel von Stressbewältigungsprogrammen ist die Gesundheit der Teilnehmer durch die Vermittlung von Bewältigungskompetenzen zu verbessern oder zu schützen. Hierbei haben sich in der Praxis modulare Programme durchgesetzt, die auf verschiedene Interventionsstrategien zurückgreifen und deren Interventionstechniken direkt an Erkenntnisse moderner Stresstheorien anknüpfen.
Max Rotter, Babette Renneberg, Gert Kaluza
16. Entspannungsverfahren
Zusammenfassung
Entspannungsverfahren gelten als basale Interventionsstrategie im medizinischen, klinisch-psychologischen und psychotherapeutischen Kontext. In der medizinischen Rehabilitation sind sie standardmäßig integriert in ein indikationsspezifisches übergeordnetes Behandlungskonzept. Zunächst werden in diesem Kapitel grundlegende Überlegungen zu Entspannung und ihrem Wert für Individuum und Gesellschaft dargestellt, mit einem Kurzportrait ausgewählter Entspannungstechniken. Danach wird die wissenschaftliche Erforschung der Wirkung von Entspannung beschrieben, unter Bezug auf konkrete Anwendungsfelder und die aktuelle Evidenzlage. Im letzten Abschnitt geht es um pragmatische Aspekte von Entspannungstherapie in der Rehabilitation.
Dieter Küch, Jan van Dixhoorn
17. Chronischer Schmerz und Schmerzbewältigung
Zusammenfassung
Chronische Schmerzen stellen in den westlichen Industrienationen eine bedeutsame Gesundheitsstörung dar. Die betroffenen Patienten sind durch die Erkrankung deutlich in ihrer Lebensqualität beeinträchtigt und ein Ziel der Rehabilitation stellt die Verbesserung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft dar. Schmerz bietet als bio-psycho-soziales Phänomen sehr viele Ansatzpunkte für eine psychologische oder psychotherapeutische Behandlung. Häufig steht der Umgang mit den Beschwerden wie der Abbau von Bewegungsängsten und der Aufbau von Alltagsaktivitäten im Vordergrund. Mit zunehmender Chronifizierung des Krankheitsbildes kommen auch akzeptanzorientierte Verfahren zum Einsatz. Begleitende Komorbiditäten wie z. B. Depressionen sollten dabei berücksichtigt und mitbehandelt werden.
Anke Diezemann, Dieter Küch
18. Nichtrauchertraining und Tabakentwöhnung
Zusammenfassung
Tabakrauchen ist die bedeutendste vermeidbare Ursache für eine Reihe ernsthafter Erkrankungen und vorzeitige Mortalität. Das Potenzial einer systematischen, multiprofessionellen Tabakentwöhnungsintervention wurde lange Zeit unterschätzt. Insbesondere medizinische Rehabilitationseinrichtungen sind in mehrfacher Hinsicht prädestiniert, aktive Raucher zu identifizieren und bei einem Rauchstoppversuch professionell zu unterstützen. Für rauchende Patienten mit tabakassoziierten Erkrankungen wiederum stellt die Zeit einer stationären Behandlung eine Ausnahmesituation dar, die zugleich eine psychologisch günstige Gelegenheit („windows of opportunity“) darstellt. Das regelmäßige gezielte Nachfragen bezüglich des Rauchstatus, verbunden mit einem Unterstützungsangebot, hat positive Effekte; verschiedene empirisch fundierte Maßnahmen werden erläutert.
Stephan Mühlig, Britta Mai, Franziska Loth
19. Gewichtsreduktion
Zusammenfassung
Übergewicht ist Folge einer Energieimbalance, an deren Entstehung sowohl Umwelt- als auch genetische Faktoren beteiligt sind. Psychische Faktoren spielen vor allem bei der Aufrechterhaltung eine wichtige Rolle und sind zentraler Baustein der Behandlung (Lebensstilinterventionen, Ernährungs- und Psychotherapie sowie chirurgische Maßnahmen). Lebensstilprogramme basieren auf kognitiv-behavioralen Methoden, wie u. a. Psychoedukation, Selbst- und Verhaltensbeobachtung, Selbstbewertung und -verstärkung. Zur Gewichtsreduktion liegen zahlreiche gut kontrollierte Studien wie auch eine Reihe von Meta-Analysen vor. Die größte Herausforderung besteht darin, nach einer Gewichtsreduktion eine Gewichtsstabilisierung zu erzielen. Daher ist es von enormer Bedeutung, schon während der intensiven Behandlungsphase die Gestaltung der Nachsorge zu planen.
Petra Warschburger
20. Körperliche Aktivität
Zusammenfassung
Körperliche Aktivität ist gleichzeitig Bestandteil und Ziel der medizinischen Rehabilitation. Als therapeutische Leistung geht es in der Sport- und Bewegungstherapie sowie der Physiotherapie zunächst (proximal) um den Erhalt bzw. die Verbesserung von Körperfunktion und -strukturen sowie um bewegungsbezogen relevante Aktivitäten. Entsprechende Verbesserungen bleiben nur dann aufrechterhalten, wenn auch das (distale) Ziel einer Bindung an einen körperlich aktiveren Lebensstil erreicht wird. In der medizinischen Rehabilitation steht deshalb die Entwicklung von Kompetenzen für die Aufrechterhaltung körperlicher Aktivität und die Bewältigung der Gesundheitsstörung mit den Mitteln körperlich-sportlicher Aktivitäten im Zentrum, um damit zur gesellschaftlichen Teilhabe von Rehabilitandinnen und Rehabilitanden beizutragen.
Klaus Pfeifer, Gorden Sudeck
21. Schlaf und Schlafstörungen
Zusammenfassung
Schlafstörungen sind in der Allgemeinbevölkerung und im Kontext der Rehabilitation sehr häufig, beeinträchtigen die Lebensqualität und sind mit einer Reihe von psychischen und körperlichen Folgeerkrankungen verbunden. In diesem Kapitel wird die kognitiv-verhaltenstherapeutische Behandlung von Schlafstörungen dargestellt, die gemäß aktueller Leitlinien die Methode der Wahl ist. Die Behandlung umfasst verschiedene therapeutische Elemente, insbesondere einen psychoedukativen Teil, Entspannungsverfahren, die Schlafrestriktion und Stimuluskontrolle sowie kognitive Techniken.
Kai Spiegelhalder
22. Komorbide Suchtprobleme
Zusammenfassung
Übermäßiger und häufiger Konsum von Alkohol oder anderen Suchtmitteln bildet einen bedeutenden Risikofaktor für die Gesundheit und verursacht erhebliche direkte und indirekte Kosten. In Deutschland gibt es eine große Zahl von Menschen mit einem risikoreichen oder abhängigen Konsum von Alkohol oder Medikamenten (meist Schmerzmittel). Dieses Problem macht vor der Rehabilitation nicht halt. Praktisch alle Rehabilitationseinrichtungen (ohne Suchteinrichtungen) berichten über Auffälligkeiten im Zusammenhang mit Suchtmittelkonsum, in der überwiegenden Zahl der Fälle durch Alkohol. Der Anteil auffällig gewordener Rehabilitanden liegt bei zwei bis drei Prozent mit großen Unterschieden zwischen den Einrichtungen. In dem Beitrag werden praxisnahe und detaillierte Empfehlungen für den Umgang mit komorbiden Suchtproblemen in der nicht auf Sucht spezialisierten Rehabilitation gegeben. Die Rehabilitation eignet sich dabei in besonderer Weise für die Früherkennung und Frühintervention bei Suchtproblemen.
Oskar Mittag, Hartmut Pollmann

Spezifische Versorgungssettings

Frontmatter
23. Verhaltensmedizinisch orientierte orthopädische Rehabilitation
Zusammenfassung
Zahlreiche Patient *innen in der orthopädischen Rehabilitation haben chronische Schmerzen und psychische Beeinträchtigungen. Psychische Störungen können Folge, Mitursache oder verstärkender Faktor von Schmerzen und körperlicher Erkrankung sein. Komplexe Problemlagen erfordern besondere Versorgungsstrukturen. Im Rahmen der verhaltensmedizinisch orientierten Rehabilitation (VOR) werden Patient*innen in einem multidisziplinären Team betreut. Die VOR schließt neben bewegungstherapeutischen obligat psychotherapeutische Interventionen ein. Dazu gehören psychologische Diagnostik, psychologische Einzel- und Gruppeninterventionen sowie Entspannungstrainings. Die Maßnahmen werden in einem multiprofessionellen Team beraten und nachverfolgt. Die Maßnahmen der verhaltensmedizinisch orientierten Rehabilitation (VOR) haben in viele Leitlinien und Behandlungsempfehlungen für Erkrankungen mit chronischen Schmerzen Eingang gefunden.
Susanne Dibbelt, Stephan Panning
24. Psychoonkologie in der Rehabilitation
Zusammenfassung
Die Psychoonkologie ist heute ein integraler Bestandteil der onkologischen Rehabilitation und verfolgt das Ziel, die Krankheitsverarbeitung und die Lebensqualität zu verbessern sowie die Anpassung an die durch die Krankheit veränderte Lebenssituation zu fördern. Dadurch soll die Teilhabe am öffentlichen und sozialen Leben in den verschiedenen Lebensbereichen Familie, Freizeit, Beruf und soziales Umfeld ermöglicht werden.
Joachim Weis, Jürgen M. Giesler, Corinna Bergelt
25. Verhaltensmedizinische Kardiologie
Zusammenfassung
Eine verhaltensmedizinisch orientierte Rehabilitation für kardiovaskuläre Erkrankungen ist geeignet für PatientInnen mit kardiologischer Erkrankung und psychischer Komorbidität. Zentral für die verhaltensmedizinische Behandlung ist, dass diese von einem interdisziplinären Behandlungsteam erbracht wird. Das Team trifft sich zu regelmäßigen interdisziplinären Besprechungen in personeller Kontinuität über die gesamte Behandlungszeit hinweg. Die Behandlung findet in geschlossenen Gruppen von zehn bis maximal zwölf PatientInnen statt. Im Gegensatz zur regulären kardiologischen Rehabilitation nehmen alle PatientInnen obligatorisch an der psychologisch/psychotherapeutischen Behandlung teil, die in Einzel- und Gruppengesprächen organisiert ist. Eine Behandlung in geschlechtshomogenen Gruppen könnte vor allem für die teilnehmenden Frauen vorteilhaft sein. Als Rahmenkonzept für die psychologische Behandlung bietet sich die Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT) an. Der Schwerpunkt bei der ACT liegt auf einer bewusst akzeptierenden Haltung gegenüber aversivem Erleben, das mit der kardiologischen Erkrankung und der psychischen Begleitsymptomatik einhergeht, einer psychologischen Flexibilisierung sowie einer Orientierung des Verhaltens an den eigenen Werten und Zielen.
Dieter Benninghoven, Claudia China
26. Psychodiabetologie in der Rehabilitation
Zusammenfassung
Psychosoziale Faktoren sind für die Ätiologie, die Therapie wie auch die Prognose des Diabetes bedeutsam. Für Menschen mit Diabetes stellt der Umgang mit der Erkrankung eine Herausforderung, nicht selten auch eine lebenslange Belastung dar. Probleme bei der Bewältigung des Diabetes und dessen Folgen sowie bei der Umsetzung der Therapieanforderungen im Alltag (Non-Adhärenz) haben eine negative Wechselwirkung mit somatischen Parametern und der langfristigen Prognose des Diabetes. Bei Patienten, die längerfristig die Therapieziele der Diabetesbehandlung nicht erreichen, sind häufig Probleme des Selbstmanagements die Ursache. Die chronische Erkrankung Diabetes stellt einen Risikofaktor für eine verminderte Lebensqualität und für das Auftreten ernsthafter psychologischer Probleme wie auch psychischer Erkrankungen dar. Psychologische Aspekte sollten daher routinemäßig in die Diagnostik, Therapie und Schulung von Menschen mit Diabetes in der Rehabilitation integriert sein.
Bernhard Kulzer, Frank Petrak
27. Neuropsychologische Rehabilitation
Zusammenfassung
In Europa zählen neurologische Erkrankungen wie Schlaganfälle, Demenzen, Epilepsien, Rückenmarksverletzungen, traumatische Hirnverletzungen, Hirntumore oder idiopathische Parkinson-Syndrome zu den Erkrankungsbildern, die mit den häufigsten krankheitsbezogenen Belastungen einhergehen und nicht selten eine Vielzahl von motorischen und nicht-motorischen Funktionsbeeinträchtigungen bedingen. In der Behandlung dieser Erkrankungsbilder stellt die Neuropsychologie eine Fachdisziplin der Psychologie dar, die neben psychologischen auch auf neurowissenschaftlichen Erkenntnissen basiert. Dabei adressiert sie – unabhängig von deren Genese – die mit der neurologischen Erkrankung einhergehenden kognitiven, affektiven, motivationalen und psychosozialen Veränderungen. Es werden nicht nur Problembereiche identifiziert und die Schwere von Funktionsbeeinträchtigungen erfasst, sondern unter Berücksichtigung der individuellen Gegebenheiten und Bedürfnisse der Patienten restitutive und kompensatorische Behandlungen initiiert.
Hanna Kampling, Jutta Küst

Teamarbeit, Nachsorge und Forschung

Frontmatter
28. Reha-Team und Teamentwicklung
Zusammenfassung
In der medizinischen Rehabilitation arbeiten verschiedene Berufsgruppen zusammen, um die Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit der Patienten zu gewährleisten. Erst der interprofessionelle Austausch im Rehabilitationsteam ermöglicht ein ganzheitliches Verständnis des Rehabilitanden. Die zentrale Plattform für den Austausch der Berufsgruppen stellt die berufsgruppenübergreifende Teambesprechung dar. Die Rehabilitationsteams lassen sich in multi-, inter- und transprofessionelle Teammodelle klassifizieren. Diese unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Qualität der Zusammenarbeit und ihrer Effektivität. Zur Verbesserung der Teamarbeit können organisationsinterne und -externe Teaminterventionen eingesetzt werden.
Mirjam Körner, Monika Dorn
29. Nachsorge
Zusammenfassung
Medizinische Rehabilitation zeigt positive Effekte vor allem für den Zeitpunkt unmittelbar nach der Reha-Maßnahme. Da diese Effekte mittel- und langfristig nachlassen, sind Nachsorgemaßnahmen notwendig. Insbesondere der Transfer des in der Rehabilitation Gelernten in den Alltag muss unterstützt werden. Seit der Jahrtausendwende kam es zu einer stärkeren Fokussierung der Reha-Nachsorge, vor allem in der Reha-Forschung. Reha-Nachsorge wurde zu einem wichtigen Forschungsfeld, zahlreiche Nachsorgemodelle und -verfahren wurden entwickelt und werden in diesem Kapitel vorgestellt.
Ruth Deck, Jürgen Theissing
30. Forschung und Qualitätsmanagement
Zusammenfassung
Psychologen in der Rehabilitation sind oft direkt oder indirekt an Forschungsaktivitäten und Qualitätsmanagementprojekten beteiligt oder federführend. Ihre Beteiligung ergibt sich, wenn Psychologen als Berufsgruppe mit einer fundierten Methodenausbildung bei der Planung, Beantragung und Umsetzung von Studien mitwirken oder wenn die Psychologie aufgrund ihrer Nähe zu Themen wie Arbeitsorganisation, Mitarbeiterführung und Gruppenmoderation das Qualitätsmanagement der Einrichtung (mit-)gestaltet. Eine indirekte Form der Beteiligung ist gegeben, wenn psychologische Interventionen und Arbeitsabläufe zum Gegenstand von Evaluationsstudien werden oder wenn Arbeitsabläufe in der Psychologie in Form von Prozessregelungen standardisiert und in ein Qualitätsmanagement-Handbuch integriert werden.
Erik Farin-Glattacker
Backmatter
Metadaten
Titel
Psychologie in der medizinischen Rehabilitation
herausgegeben von
Prof. Dr. Dr. Jürgen Bengel
Prof. Dr. Oskar Mittag
Copyright-Jahr
2020
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-662-61170-8
Print ISBN
978-3-662-61169-2
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-61170-8

ADHS-Medikation erhöht das kardiovaskuläre Risiko

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Erwachsene, die Medikamente gegen das Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom einnehmen, laufen offenbar erhöhte Gefahr, an Herzschwäche zu erkranken oder einen Schlaganfall zu erleiden. Es scheint eine Dosis-Wirkungs-Beziehung zu bestehen.

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Sportliche Betätigung hilft nicht nur bei Depression, sondern auch in Gruppen von Patientinnen und Patienten mit unterschiedlichen psychischen Erkrankungen, wie Insomnie, Panikattacken, Agoraphobie und posttraumatischem Belastungssyndrom. Sie alle profitieren längerfristig.