Mehr Schaden als Nutzen durch präoperatives Aussetzen von GLP-1-Agonisten?

Derzeit wird empfohlen, eine Therapie mit GLP-1-Rezeptoragonisten präoperativ zu unterbrechen. Eine neue Studie nährt jedoch Zweifel an der Notwendigkeit der Maßnahme. GLP-1-Rezeptoragonisten (GLP-1-RA) verlangsamen die Entleerung des Magens. Dieser bei Diabetes und Adipositas durchaus begrüßenswerte Effekt steht unter dem Verdacht, bei Operationen in Allgemeinanästhesie das Risiko für pulmonale Aspirationen zu erhöhen. Aufgrund entsprechender Fallberichte hat die American Society of Anesthesiologists (ASA) bereits letztes Jahr in ihren Leitlinien die Empfehlung formuliert, GLP-1-RA präoperativ zu pausieren. Die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin, die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie und die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin sind in einer gemeinsamen Empfehlung zur präoperativen Evaluation von Erwachsenen vor elektiven, nicht Herz-Thorax-chirurgischen Eingriffen den Vorgaben der ASA gefolgt. Die Empfehlung zum Aussetzen von GLP-1-RA ist allerdings nicht unumstritten, da sie auf relativ dünner Evidenz beruht und der Blutzuckeranstieg sowie logistische Probleme zu berücksichtigen sind. Eine Arbeitsgruppe der Stanford University of Medicine spricht sich nun dafür aus, die Empfehlung zu liberalisieren. Grundlage dafür ist die Auswertung von Notfalloperationen bei Menschen mit Typ-2-Diabetes, die Anjali Dixit und Mitforschende auf Basis einer kommerziellen Datenbank vorgenommen haben. Berücksichtigt wurden nur Menschen, die noch am Tag der Vorstellung operiert wurden, um so das Aussetzen von GLP-1-RA auszuschließen. Komplikationsrate wie ohne GLP-1-RA Von 23.679 unter 65-jährigen notfallmäßig operierten Patienten und Patientinnen wurden 3502 mit GLP-1-RA behandelt. Im Vergleich zur Gruppe, die andere Antidiabetika erhielt, war unter ihnen der Anteil an Männern und mit Adipositas und die Zahl der verordneten Antidiabetika höher. Insgesamt wurden 13 notfallmäßige Eingriffe ausgewertet, am häufigsten transurethrale Interventionen sowie laparoskopische Cholezystektomien und Appendektomien. Postoperative respiratorische Komplikationen, definiert als Aspirationspneumonie, postoperatives Atemversagen und/oder Aufnahme auf Intensiv an den Tagen 0–7 nach dem Eingriff, ereigneten sich in der Gruppe mit GLP-1-RA bei 3,5% und in der Kontrollgruppe bei 4,0%. Der Unterschied zwischen den Gruppen ging verloren, wenn demografische Faktoren, Diabetesschweregrad, Komorbidität und Op.-Typ abgeglichen wurden (adjustierte Odds Ratio 1,03; 95%-Konfidenzintervall 0,82–1,29). „Präoperativ mit GLP-1-RA behandelte Patienten, die sich einer Not-Op. unterzogen, hatten kein höheres Risiko für postoperative respiratorische Komplikationen als Patienten ohne GLP-1-RA“, konstatieren Dixit et al. In Anbetracht der potenziellen Nachteile einer Therapieunterbrechung plädieren sie dafür, entsprechende Leitlinienempfehlungen liberaler zu formulieren.

Live-Webinar "Chronische Unterbauch- und Viszeralschmerzen in der Praxis managen"

Springer Medizin

Mehr Schaden als Nutzen durch präoperatives Aussetzen von GLP-1-Agonisten?

Weiterführende Themen

Praxisempfehlungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft

Live-Webinar "Chronische Unterbauch- und Viszeralschmerzen in der Praxis managen"

Springer Medizin

Bitte loggen Sie sich ein, um Zugang zu diesem Inhalt zu erhalten

Weiterführende Themen

Praxisempfehlungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft