Nach einer Krebstherapie mit Immuncheckpoint-Inhibitoren (ICI) sind kardiovaskuläre Ereignisse mit gut 10% viel häufiger als bislang angenommen. Belgische Forscherinnen und Forscher monieren, dass Erkrankte mit entsprechender Vorbelastung in den Zulassungsstudien oft ausgeschlossen waren.
Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels.
Immuncheckpoint-Inhibitoren (ICI) kommen heute routinemäßig bei einer Vielzahl von Tumorentitäten zum Einsatz, darunter malignes Melanom, metastasiertes Nierenzellkarzinom und Lungenkarzinom. Über die Blockade inhibitorischer Moleküle und die damit bewirkte Stimulation der T-Zell-vermittelten Immunantwort gelingt es in vielen Fällen, das Fortschreiten der Erkrankung hinauszuzögern und das Überleben der Patientinnen und Patienten zu verlängern. Allerdings sind die Medikamente auch nicht ohne Risiko, vor allem für das Herz, wie eine aktuelle Studie belegt.
Dr. Dorien Laenens, Kardiologin am Universitätsklinikum Leuven, und ihr Team berichten in ihrer Kohortenstudie von einer deutlichen Häufung kardiovaskulärer Ereignisse nach ICI-Therapie. Die Forschenden vermuten einen zusätzlichen Schadeffekt neben bereits bestehenden Herz-Kreislauf-Risiken.
In jedem zehnten Fall ein MACE
Unter dem primären Endpunkt MACE (major adverse cardiovascular events) waren akutes Koronarsyndrom, Herzinsuffizienz sowie Schlaganfall oder TIA (transitorische ischämische Attacke) zusammengefasst. Ein solches Ereignis hatten innerhalb der Nachbeobachtungszeit (median 13 Monate) 10,3% von insgesamt 672 ICI-Patienten erlitten, wobei zwischen Therapie und Ereignis median fünf Monate vergangen waren.
In einer Vergleichsstudie wurden einem Teil der ICI-Gruppe (n = 421) zwei nach Alter, Geschlecht und kardiovaskulärer Vorgeschichte angepasste Gruppen gegenübergestellt:
- Krebspatientinnen und -patienten ohne ICI-Therapie (n = 396); hier hatte man auch darauf geachtet, dass jeweils gleiche Tumorarten gegenübergestellt wurden,
- Personen ohne Krebs, die an einer prospektiven Bevölkerungsstudie teilgenommen hatten (n = 399).
In beiden Vergleichsgruppen war das MACE-Risiko deutlich niedriger als bei den ICI-Patientinnen und -Patienten, nämlich um 39% in der Vergleichsgruppe mit Krebs und um 76% bei den nicht an einem Karzinom Erkrankten. Bei den nicht mit ICI behandelten Tumorpatienten war der Unterschied maßgeblich durch das geringere Herzinsuffizienzrisiko bedingt, berichten Laenens und ihr Team; dieses sei um 45% niedriger gewesen als in der ICI-Gruppe.
Herzinsuffizienz und Klappenerkrankung als Risikofaktoren
Bei Studienbeginn waren die Teilnehmenden im Mittel 65 Jahre alt. Neben höherem Alter ließen in der adjustierten Analyse sowohl eine bestehende Herzinsuffizienz als auch das Vorliegen einer Klappenerkrankung das Risiko für ein MACE steigen (Hazard Ratio, HR 2,27 bzw. 3,01). Insgesamt hatten gut 20% der mit ICI Behandelten an einer kardiovaskulären Vorerkrankung gelitten. Die kardiovaskuläre Mortalität per se war allerdings mit 2% gering (wenngleich zum Studienende insgesamt 55% aus der ICI-Gruppe verstorben waren).
Laenens und ihre Mitforschenden weisen darauf hin, dass Patientinnen und Patienten mit bestehenden Herzerkrankungen oft aus Phase-III-Studien ausgeschlossen werden. Damit würden auch eventuell damit verbundene Toxizitäten unter den Tisch fallen. In Kohortenstudien kämen solche Zusammenhänge dagegen ans Licht. In der jetzt vorgelegten Studie seien immerhin 17% der Krebspatienten vor der ICI-Therapie mit VEGF-Inhibitoren behandelt worden, denen ein gewisses kardiotoxisches Potenzial nachgesagt wird. Zumindest in der nicht adjustierten Analyse sei diese Therapie mit einem erhöhten Risiko für MACE, akutes Koronarsyndrom und Herzinsuffizienz assoziiert gewesen; für Leanens et al. ein „interessantes Signal“ für eine mögliche Interaktion zwischen dem Tyrosinkinaseinhibitor und der ICI-Behandlung.
Bei Herzpatienten erhöhte Wachsamkeit!
Die Schlussfolgerung des belgischen Teams: Krebspatientinnen und -patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen, vor allem einer Herzinsuffizienz oder einer Klappenerkrankung in der Vorgeschichte, sind offenbar besonderes vulnerabel für ein kardiovaskuläres Ereignis unter ICI-Therapie. Sie sollten daher zunächst einer gründlichen Evaluation unterzogen werden, bevor sie mit einer solchen Therapie beginnen. Und auch im Anschluss daran sei erhöhte Wachsamkeit geboten. Bei Hochrisikogruppen werden, neben einer ausführlichen Anamnese, EKG und Herzecho sowie die Bestimmung von Biomarkern wie Troponin, Brain Natriuretic Peptide oder NT-proBNP empfohlen. Falls sich dabei ungewöhnliche Befunde ergäben, sollten die Patienten an eine spezialisierte kardioonkologische Abteilung überwiesen werden.
Das Wichtigste in Kürze |
Frage: Wie hoch ist das Risiko für ein MACE (major adverse cardiovascular event) bei Krebspatientinnen und -patienten, die mit einem Immuncheckpoint-Inhibitor (ICI) behandelt werden? Antwort: Das Risiko lag in einer Kohortenstudie bei gut 10%, deutlich höher als bei Krebserkrankten ohne ICI-Therapie. Bedeutung: Vor einer entsprechenden Behandlung sollte eine sorgfältige kardiovaskuläre Evaluation erfolgen, im Anschluss an die Therapie wird ein gezieltes Monitoring empfohlen. Einschränkung: Kohortenstudie; Kausalzusammenhang zwischen ICI und MACE lässt sich schwer nachweisen; Nachbeobachtung über median 13 Monate; später auftretende Ereignisse wurden nicht erfasst. |