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Open Access 2023 | OriginalPaper | Buchkapitel

2. Möglichkeiten der Qualitätsmessung anhand von Routinedaten in der ambulanten Pflege

verfasst von : Kathrin Wehner

Erschienen in: Pflege-Report 2023

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

Zusammenfassung

Zusammenfassung

Die Versorgung in der eigenen häuslichen Umgebung ist für viele pflegebedürftige Menschen von großer Bedeutung. Neben Angehörigen spielen ambulante Pflegedienste eine zunehmend wichtige Rolle für die Gewährleistung der häuslichen Versorgung. Ein Viertel der zu Hause betreuten pflegebedürftigen Menschen wird gemeinsam mit oder vollständig durch einen ambulanten Pflegedienst versorgt. Die Themen Qualität und Qualitätsentwicklung und -sicherung der ambulanten pflegerischen Versorgung sind daher zunehmend Gegenstand pflegefachlicher und politischer Diskussionen. Eine Möglichkeit zur Messung von Versorgungsqualität ist die Nutzung von Routinedaten von Kranken- bzw. Pflegekassen. Für die stationäre Langzeitpflege liegen bereits Ansätze für die Qualitätsmessung mittels Routinedaten vor. Für die ambulante Pflege gibt es diesbezüglich noch keine Überlegungen. Im Rahmen einer Forschungsarbeit wurde nun die generelle Nutzbarkeit von Routinedaten auch für die ambulante Pflege untersucht. Im Ergebnis zeigt sich, dass eine Reihe von qualitätsrelevanten Versorgungsaspekten in der ambulanten Pflege anhand von Routinedaten operationalisierbar ist. Die Mehrzahl der identifizierten Versorgungsaspekte ist jedoch nicht über Routinedaten abbildbar. Hierfür wären, vor allem für den Regelungsbereich des SGB XI, grundlegende Anpassungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen erforderlich.
Zusammenfassung
Die Versorgung in der eigenen häuslichen Umgebung ist für viele pflegebedürftige Menschen von großer Bedeutung. Neben Angehörigen spielen ambulante Pflegedienste eine zunehmend wichtige Rolle für die Gewährleistung der häuslichen Versorgung. Ein Viertel der zu Hause betreuten pflegebedürftigen Menschen wird gemeinsam mit oder vollständig durch einen ambulanten Pflegedienst versorgt. Die Themen Qualität und Qualitätsentwicklung und -sicherung der ambulanten pflegerischen Versorgung sind daher zunehmend Gegenstand pflegefachlicher und politischer Diskussionen. Eine Möglichkeit zur Messung von Versorgungsqualität ist die Nutzung von Routinedaten von Kranken- bzw. Pflegekassen. Für die stationäre Langzeitpflege liegen bereits Ansätze für die Qualitätsmessung mittels Routinedaten vor. Für die ambulante Pflege gibt es diesbezüglich noch keine Überlegungen. Im Rahmen einer Forschungsarbeit wurde nun die generelle Nutzbarkeit von Routinedaten auch für die ambulante Pflege untersucht. Im Ergebnis zeigt sich, dass eine Reihe von qualitätsrelevanten Versorgungsaspekten in der ambulanten Pflege anhand von Routinedaten operationalisierbar ist. Die Mehrzahl der identifizierten Versorgungsaspekte ist jedoch nicht über Routinedaten abbildbar. Hierfür wären, vor allem für den Regelungsbereich des SGB XI, grundlegende Anpassungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen erforderlich.
Being cared for in one’s own home environment is of great importance for many people in need of care. In addition to care provided by relatives, the care provided by professional home care services plays an increasingly important role in ensuring home care. 25 % of the people in need of care who are cared for at home are already (co-)cared by a home care service. Accordingly, the topics of quality as well as quality development and assurance of home care are increasingly the subject of professional and political discussions. One possibility for measuring the quality of care is to use routine data from health and long-term care insurance funds. An approach for quality measurement using routine data has already been developed for inpatient long-term care. For home care, however, there are no such considerations in this regard so far. The usability of routine data for home care has now been investigated. The result shows that some quality-related aspects of home care can be operationalised on the basis of routine data. However, the majority of aspects of care cannot be mapped using routine data. This would require fundamental adjustments to the legal framework, especially for the regulatory area of the German Social Code, Book Eleven (SGB XI).

2.1 Hintergrund

Aufgrund der steten Alterung der deutschen Bevölkerung (Statistisches Bundesamt 2023) sowie der damit einhergehenden Zunahme von altersassoziierten bzw. krankheitsbedingten Beeinträchtigungen wächst der Kreis der Menschen, die aufgrund von chronischen Erkrankungen oder lang andauernden gesundheitlichen Problemen bzw. gesundheitsbedingten Beeinträchtigungen bei den Alltagsaktivitäten vorübergehend oder auch dauerhaft unterstützungs- bzw. pflegebedürftig sind, kontinuierlich (RKI 2016; Heidemann et al. 2021). Bei der Mehrheit der Menschen, die Pflege, Betreuung und Unterstützung im Alltag bedürfen, besteht der Wunsch, in der eigenen häuslichen Umgebung versorgt zu werden (Büscher 2011; Hajek et al. 2018). Dies bestätigen die Ergebnisse der Pflegestatistik 2021: 84 % (4,17 Mio.) der pflegebedürftigen Menschen in Deutschland werden zu Hause versorgt. Bei 25 % (ca. 1,05 Mio.) dieser zu Hause betreuten pflegebedürftigen Menschen erfolgt die Versorgung zusammen mit oder vollständig durch einen ambulanten Pflegedienst (Statistisches Bundesamt 2022).
Ambulante Pflegedienste übernehmen dabei sowohl Aufgaben der pflegerischen Versorgung nach SGB XI (z. B. körperbezogene Pflegemaßnahmen oder Hilfen bei der Haushaltsführung) als auch Aufgaben der medizinisch-pflegerischen Versorgung nach SGB V (häusliche Krankenpflege; Büscher und Krebs 2018). Die Ergebnisse der Qualitätsprüfungen nach § 114a Absatz 6 SGB XI des Medizinisches Dienstes zeigen, dass die Mehrzahl der ambulant versorgten pflegebedürftigen Menschen allein Leistungen der häuslichen Krankenpflege (HKP; 29,5 %) bzw. sowohl pflegerische Leistungen nach SGB XI als auch Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach SGB V erhalten (28,3 %). Knapp 20 % dieser versorgten Menschen erhalten ausschließlich pflegerische Leistungen nach SGB XI (MDS 2020). In Deutschland stehen für die Versorgung derzeit ca. 15.400 zugelassene ambulante Pflegedienste zur Verfügung (Statistisches Bundesamt 2022).
Neben einer ausreichenden Verfügbarkeit von ambulanten Pflegediensten ist für die Gewährleistung einer adäquaten Versorgung die Qualität der erbrachten pflegerischen bzw. medizinisch-pflegerischen Leistungen von Bedeutung. Im Fokus der fachwissenschaftlichen und politischen Diskussionen sowie gesetzgeberischen Aktivitäten standen dementsprechend in den vergangenen Jahren vor allem Maßnahmen zur Qualitätsentwicklung und -sicherung, „[…] durch die ein Schutz pflegebedürftiger Menschen vor unsachgemäßer Pflege gewährleistet und eine Verbesserung der Pflegequalität erreicht werden kann.“ (Büscher et al. 2018a, S. 37). Hierbei wurde sich anfänglich vor allem auf die Messung und Darstellung der Qualität von Pflegeeinrichtungen, speziell in der stationären Langzeitpflege konzentriert. Eine intensivere Beschäftigung mit der Qualitätsentwicklung und -sicherung im Bereich der ambulanten Pflege erfolgte erst in den letzten Jahren (Büscher 2015; Büscher et al. 2018b; Paquet 2020).
Als eine Möglichkeit zur Messung der Versorgungsqualität wurde für den Versorgungsbereich der stationären Langzeitpflege die Nutzung der Routinedaten von Kranken- bzw. Pflegekassen geprüft (Behrendt et al. 2022). Als Vorteile von Routinedaten gelten die Möglichkeiten einer schnellen, aufwandsarmen und kostengünstigen Nutzung von aktuellen und umfangreichen Daten aus der tatsächlichen Routineversorgung. Darüber hinaus werden die Vollständigkeit der Daten sowie der eindeutige Personen- bzw. Bevölkerungsbezug der Daten hervorgehoben. Dadurch werden anhand der Routinedaten längsschnittliche sowie sektoren- und leistungserbringerübergreifende Analysen möglich (Laux et al. 2014; Slagman et al. 2023; Swart und Ihle 2015). Die Nutzung von Routinedaten für die Qualitätsmessung hat sich in den vergangenen Jahren im Bereich der Messung der medizinischen Versorgungsqualität zunehmend etabliert. Für die Qualitätsmessung in der ambulanten Pflege wurden entsprechende Möglichkeiten bisher noch nicht geprüft.
Dieses Desiderat wurde im Rahmen einer Forschungsarbeit aufgegriffen und untersucht, inwieweit auch im Bereich der ambulanten Pflege die Routinedaten der Kranken- bzw. Pflegekassen zur Messung der Versorgungsqualität nutzbar sind. Die zentrale Fragestellung war: „Sind Routinedaten der Kranken- bzw. Pflegekassen für die Messung und Darstellung der Versorgungsqualität von pflegebedürftigen Menschen, die Leistungen von einem ambulanten Pflegedienst erhalten, geeignet?“.

2.2 Methodisches Vorgehen

Voraussetzung für die Messung der Versorgungsqualität ist die Beschreibung von konkreten Anforderungen, die für eine qualitativ hochwertige Versorgung relevant sind bzw. erfüllt sein müssen. Daher wurde im ersten Schritt zur Beantwortung der Forschungsfrage die aktuelle Versorgungssituation aufbereitet und darauf aufbauend wurden qualitätsrelevante struktur-, prozess- und ergebnisbezogene Anforderungen (sog. Versorgungsaspekte) im Versorgungsbereich der ambulanten Pflege abgeleitet und beschrieben. Zur Aufbereitung der Versorgungssituation wurde in Anlehnung an die JBI-Methodik zur Durchführung von Scoping Reviews (Arksey und O’Malley 2005; Peters et al. 2020) eine Literaturübersicht erstellt, anhand derer sich ein systematischer Überblick über den Themenbereich verschafft und der aktuelle Wissensstand erschlossen werden konnte. Daran schloss sich die Analyse der Literatur hinsichtlich der inhaltlichen Themenschwerpunkte sowie in einem mehrschrittigen induktiven Vorgehen die Ableitung der relevanten struktur-, prozess- und ergebnisbezogenen Versorgungsaspekte an (Wehner et al. 2021). Für die abgeleiteten Versorgungsaspekte wurde im Weiteren die Zuordnung zu einem Rahmenkonzept für Qualität mit generischen Anforderungen an eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung (Qualitätsdimensionen) vorgenommen (IQTIG 2022) und diese zu einem Rahmenmodell für die Qualität in der ambulanten Pflege zusammengeführt (Wehner et al. 2021).
Bedingung für die Nutzbarkeit der Routinedaten für die Messung der Versorgungsqualität ist, dass sich die identifizierten Versorgungsaspekte auch über die Routinedaten der Kranken- bzw. Pflegekassen abbilden und operationalisieren lassen. D. h. zu den identifizierten Anforderungen müssen grundsätzlich Informationen in den Routinedaten der Kranken- bzw. Pflegekassen vorliegen. Die Operationalisierbarkeit wird dadurch bestimmt, dass die spezifisch in den Routinedaten vorliegenden Informationen der Leistungsabrechnung von ambulanten und/oder stationären Leistungserbringern auch dazu geeignet sind, die formulierten Anforderungen zielgenau und umfassend zu erfassen. Im zweiten Schritt wurde geprüft, ob die identifizierten Versorgungsaspekte grundsätzlich anhand der bei den Kranken- bzw. Pflegekassen routinemäßig vorliegenden Datenbestände der Leistungsabrechnung nach SGB XI und SGB V abbildbar sind. Im Rahmen einer empirischen Prüfung wurde zudem die konkrete Operationalisierung der abbildbaren Versorgungsaspekte anhand eines Forschungsdatensatzes mit Routinedaten der AOK-Kranken- bzw. -Pflegekassen untersucht. Hinsichtlich der Versorgungsaspekte wurde geprüft, inwieweit die ausgewählten Daten sowie die formulierten Rechenregeln geeignet sind, eine valide Messung der Versorgungsaspekte zu erreichen und welche Limitationen der Operationalisierung ggf. die routinedatenbasierte Messung einschränken. Durch die empirischen Analysen wurden so auch erste routinedatenbasierte Ergebnisse zur Versorgungssituation ermittelt, aus denen Hinweise auf vorliegende Qualitätsdefizite im Bereich der ambulanten Pflege abgeleitet werden konnten.

2.3 Ergebnisse

2.3.1 Qualitätsrelevante Versorgungsaspekte in der ambulanten Pflege

Im Rahmen der systematischen Literaturrecherche wurden 222 themenrelevante Publikationen eingeschlossen, die als Grundlage für die Ableitung von im Ergebnis 17 Versorgungsaspekten im Bereich der ambulanten Pflege dienten. Identifiziert wurden dabei Aspekte, die sich auf relevante Versorgungsstrukturen, auf die Beziehungsgestaltung mit pflegebedürftigen Menschen und deren pflegenden Angehörigen sowie auf die Unterstützung von pflegebedürftigen Menschen und pflegenden Angehörigen beziehen. Zudem adressieren verschiedene Versorgungsaspekte relevante Prozesse der ambulanten pflegerischen und medizinisch-pflegerischen Versorgung. Des Weiteren konnten einige ergebnisbezogene Versorgungsaspekte abgeleitet werden (Wehner et al. 2021).
Strukturbezogene Versorgungsaspekte
Insgesamt wurden zwei relevante strukturbezogene Versorgungsaspekte identifiziert.
Der Versorgungsaspekt „(strukturelle) Rahmenbedingungen und Anforderungen“ bezieht sich auf die speziellen Arbeitsbedingungen, die durch die Besonderheiten der baulichen und räumlichen Gegebenheiten im häuslichen Umfeld bestimmt werden. Aufgrund von teilweise ungünstigen strukturellen Rahmenbedingungen sowie einer zunehmenden Komplexität der Versorgung durch den Anstieg von multimorbiden pflegebedürftigen Menschen ist die Arbeit in der ambulanten Pflege zudem durch eine hohe körperliche und psychische Arbeitsbelastung bestimmt, die durch den vorherrschenden Zeitmangel/-druck sowie den bestehenden Personal- und Fachkräftemangel verschärft wird. Zudem bezieht sich der Versorgungsaspekt auf interne und externe Anforderungen, die von ambulanten Pflegediensten erfüllt werden sollten, um eine adäquate und qualitativ hochwertige Versorgung zu gewährleisten. Hierzu zählen beispielsweise organisatorische Anforderungen wie das Vorhalten von Verfahrensregelungen/-standards sowie das Monitoring und die Evaluation der erbrachten Pflegeleistungen als Instrumente des internen Qualitätsmanagements. Anforderungen, die von pflegebedürftigen Menschen und deren Angehörigen an ambulante Pflegedienste gestellt werden, sind u. a. Verlässlichkeit, Erreichbarkeit, Pünktlichkeit und Flexibilität.
Die Qualifikation der Pflege(fach)kräfte stellt einen weiteren wesentlichen strukturbezogenen Versorgungsaspekt dar. Um eine qualitativ hochwertige Versorgung sicherzustellen, ist das fachpflegerische und medizinische Wissen von hoher Relevanz. Darüber hinaus sind kommunikative, soziale und interkulturelle Kompetenzen wesentlich, um eine adäquate Versorgung zu gewährleisten. Hierbei spielt auch die Spezialisierung von Pflege(fach)kräften, z. B. auf die Beatmungs- oder Intensivpflege, eine wichtige Rolle. Der Versorgungsaspekt adressiert zudem den diesbezüglich noch bestehenden Schulungs-/Fort- und Weiterbildungsbedarf von Pflege(fach)kräften in der ambulanten Pflege.
Versorgungsaspekte zur Beziehungsgestaltung mit pflegebedürftigen Menschen und pflegenden Angehörigen
Die drei Versorgungsaspekte zur Beziehungsgestaltung umfassen die Art der Kommunikation und Interaktion mit den pflegebedürftigen Menschen und deren pflegenden Angehörigen. Eine personenzentrierte Kommunikation und Interaktion mit pflegebedürftigen Menschen und deren Angehörigen bildet die Grundlage für den Aufbau eines Vertrauensverhältnisses und einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit. Eine gute Kommunikation mit der Möglichkeit, sich offen, direkt und respektvoll über Bedürfnisse, Probleme und Erfahrungen auszutauschen ermöglicht es, eine vertrauensvolle und wertschätzende Beziehung aufzubauen sowie gemeinsam Entscheidungen hinsichtlich der pflegerischen Versorgung zu treffen.
Voraussetzung für den Aufbau einer solchen Beziehung sowie für ein funktionierendes Pflegearrangement ist dabei, dass professionelle und persönliche Grenzen gesetzt und gegenseitig respektiert werden. So werden die Akzeptanz und das Respektieren der Privatsphäre sowie der familiären Routinen im Alltag von pflegebedürftigen Menschen und deren Angehörigen als sehr wichtig empfunden, um eine tragfähige Beziehung mit den Pflegekräften aufbauen zu können. Aus der Perspektive der Pflegekräfte ist wiederum wesentlich, berufliche Grenzen zu setzen und aufrechtzuerhalten sowie sich professionell abzugrenzen, um Rollenkonflikte im Pflegearrangement zu vermeiden und eine professionelle pflegerische Versorgung gewährleisten zu können.
Versorgungsaspekte zur Unterstützung von pflegebedürftigen Menschen und pflegenden Angehörigen
Die Information und Aufklärung ist ein relevanter Aspekt, um pflegebedürftige Menschen und pflegende Angehörige im Umgang mit der Erkrankung bzw. mit den bestehenden (krankheitsspezifischen) Beeinträchtigungen sowie im Hinblick auf die Bewältigung der Pflegesituation zu unterstützen. Entsprechend wurde ein Versorgungsaspekt abgeleitet, der auf die krankheitsspezifische Information von pflegebedürftigen Menschen und deren Angehörigen und die Wissensvermittlung (z. B. zu krankheitsspezifischen Beeinträchtigungen sowie behandlungsbedingten Aus- und Nebenwirkungen) fokussiert. Darüber hinaus wurde ein Versorgungsaspekt abgeleitet, der sich auf die Beratung, Schulung und Anleitung bezieht. Die pflegerische Beratung zu sowie pflegepraktische Schulung und bedarfsorientierte Anleitung in gesundheitsbezogenen, präventiven und pflegerischen Maßnahmen fördert die Kompetenz und Sicherheit der pflegebedürftigen Menschen und deren Angehörigen im Hinblick auf eine adäquate Durchführung der erforderlichen pflegerischen bzw. medizinisch-pflegerischen Tätigkeiten.
Zudem stellen die Förderung der Selbstmanagementfähigkeiten bzw. Selbstpflegekompetenzen sowie die Wahrung der Eigenständigkeit und der Erhalt der Selbstbestimmtheit in der Pflegesituation aus Sicht von pflegebedürftigen Menschen wichtige Aspekte einer guten Versorgungsqualität dar. Entsprechend adressiert ein weiterer Versorgungsaspekt die Unterstützung im Selbstmanagement und den Erhalt der Selbständigkeit von pflegebedürftigen Menschen.
Prozessbezogene Versorgungsaspekte
Des Weiteren wurden sechs prozessbezogene Versorgungsaspekte abgeleitet. Diese adressieren die Planung und Durchführung einer bedarfs- und bedürfnisorientierten Pflege. Die angemessene und sorgfältige Planung und Durchführung einer an den Bedarfen und Bedürfnissen der pflegebedürftigen Menschen ausgerichteten Pflege stellt ein wesentliches Kriterium für eine gute und sichere Pflege dar. Hierzu zählt vor allem auch die Berücksichtigung von kulturellen Vorstellungen und Wünschen sowie von religiösen Belangen, weshalb der Aspekt der kultursensiblen Pflege als weiterer relevanter Versorgungsaspekt identifiziert wurde. Darüber hinaus wurden die adäquate standard- bzw. leitliniengerechte Durchführung von pflegerischen Tätigkeiten, die angemessene Umsetzung gesetzlich vorgegebener und fachlich geeigneter Hygienemaßnahmen sowie die Gewährleistung eines adäquaten Medikamentenmanagements als relevante Versorgungsaspekte identifiziert.
Für eine qualitativ hochwertige ambulante Versorgung ist es zudem notwendig, dass die an der Versorgung beteiligten Akteure gut zusammenarbeiten und funktionierende Kommunikations- und Abstimmungsprozesse etabliert sind. Ein weiterer Versorgungsaspekt adressiert dementsprechend die intra- und interprofessionelle Zusammenarbeit und umfasst die Kommunikation und Kooperation zwischen den sowie die Koordination der an der Versorgung beteiligten Berufsgruppen.
Ergebnisbezogene Versorgungsaspekte
Aufgrund der speziellen Rahmenbedingungen kommt der Sicherstellung der Kontinuität der ambulanten pflegerischen bzw. medizinisch-pflegerischen Versorgung eine entscheidende Bedeutung zu. Die Beständigkeit der an der Pflege beteiligten Pflegekräfte bzw. auch der ambulanten Pflegedienste ist daher ein wichtiger Aspekt hinsichtlich der Gewährleistung einer qualitativ hochwertigen Versorgung. Durch einen häufigen Wechsel von Pflegekräften oder von ambulanten Pflegediensten kann die Qualität der Versorgung aufgrund von Wissens- und Informationsverlusten negativ beeinflusst werden. Darüber hinaus verhindert eine mangelnde (personelle) Kontinuität den Aufbau eines nachhaltigen Vertrauensverhältnisses zwischen den an der Pflege Beteiligten. Dementsprechend wurde als ein ergebnisbezogener Versorgungsaspekt die Kontinuität in der Versorgung abgeleitet.
Zwei weitere ergebnisbezogene Versorgungsaspekte adressieren die pflegerische Unterversorgung sowie pflege- und gesundheitsbezogene (Outcome-)Parameter. Der Versorgungsaspekt „Pflegerische Unterversorgung“ umfasst zum einen den Mangel an pflegerischer Unterstützung und zum anderen den Bedarf an zusätzlicher pflegerischer Versorgung. Obwohl bereits ein ambulanter Pflegedienst an der Versorgung beteiligt ist, kann es dennoch zu einer pflegerischen bzw. medizinisch-pflegerischen Unterversorgung kommen, weil ggf. nicht alle pflegebezogenen Unterstützungsbedarfe gedeckt werden (können). Dies kann mitunter darin begründet liegen, dass aufgrund u. a. von Zeitdruck/-mangel oder auch Kommunikationsproblemen erforderliche Pflegetätigkeiten von den Pflegekräften nicht erbracht, unterbrochen oder rationiert werden müssen und die pflegebedürftigen Menschen teilweise oder ggf. auch vollständig unterversorgt bleiben.
Der Versorgungsaspekt „Pflege- und gesundheitsbezogene (Outcome-)Parameter“ adressiert relevante Endpunkte der Versorgung von pflegebedürftigen Menschen, die mittelbar oder unmittelbar durch die medizinische, pflegerische bzw. medizinisch-pflegerische Versorgung beeinflusst werden können. Dies umfasst sowohl pflegerelevante gesundheitsbezogene Parameter wie das Vorliegen bestimmter Erkrankungen bzw. krankheits- oder altersbedingter Beeinträchtigungen, z. B. Demenz, chronische Wunden, Harninkontinenz oder die Besiedlung bzw. Infektion mit multiresistenten Erregern, als auch pflegespezifische Outcomeparameter wie z. B. Dekubitus, Sturz, Mangelernährung oder mangelnde Mundgesundheit.

2.3.2 Abbildbarkeit der qualitätsrelevanten Versorgungsaspekte über die Routinedaten der Kranken- bzw. Pflegekassen

Für die Prüfung der Abbildbarkeit der qualitätsrelevanten Versorgungsaspekte über die Routinedaten der Kranken- bzw. Pflegekassen wurden die in Tab. 2.1 aufgeführten Datenbestände zu pflegerischen, medizinisch-pflegerischen, therapeutischen und medizinischen Leistungen nach SGB XI bzw. SGB V herangezogen. Die detaillierte Prüfung der Versorgungsaspekte ergab, dass lediglich drei der 17 identifizierten Versorgungsaspekte vollständig bzw. teilweise über die Routinedaten der Kranken- bzw. Pflegekassen abbildbar sind (Tab. 2.2). Bei den abbildbaren Versorgungsaspekten handelt es sich vorwiegend um Versorgungsaspekte, die die Ergebnisqualität in der ambulanten Pflege adressieren.
Tab. 2.1
Zur Prüfung der grundsätzlichen Abbildbarkeit der qualitätsrelevanten Versorgungsaspekte verwendete Datenbestände nach SGB V bzw. SGB XI
Datenbestand nach Abrechnungskontext
Beschreibung
SGB XI
Pflegerische Leistungen nach § 105 SGB XI
Ambulante und stationäre Pflegeleistungen gemäß §§ 28 bzw. 28a SGB XI
SGB V
Ärztliche Leistungen nach § 295 SGB V
Ambulante vertragsärztliche Behandlung gemäß § 28 SGB V
Krankenhausbehandlung nach § 301 SGB V
Vollstationäre, stationsäquivalente, teilstationäre, vor- und nachstationäre sowie ambulant erbrachte Krankenhausbehandlung gemäß § 39 SGB V
Abrechnung der Apotheken und weiterer Stellen nach § 300 SGB V
Arznei- und Verbandmittelversorgung gemäß § 31 SGB V
Abrechnung der sonstigen Leistungserbringer nach § 302 SGB V
Heilmittelversorgung gemäß § 32 SGB V
Hilfsmittelversorgung gemäß § 33 SGB V
Häusliche Krankenpflege gemäß § 37 SGB V
Pflege-Report 2023
Tab. 2.2
Übersicht zur Abbildbarkeit der qualitätsrelevanten Versorgungsaspekte über die Routinedaten der Kranken- bzw. Pflegekassen
Qualitätsrelevante Versorgungsaspekte
Abbildbarkeit über die Routinedaten der Kranken- bzw. Pflegekassen
(Strukturelle) Rahmenbedingungen und Anforderungen
Nein
Qualifikation der Pflege(fach)kräfte
Nein
Personenzentrierte Kommunikation und Interaktion mit pflegebedürftigen Menschen/pflegenden Angehörigen
Nein
Beziehungsgestaltung mit und Einbezug von pflegenden Angehörigen
Nein
Setzung professioneller und Respektierung persönlicher Grenzen
Nein
Information und Aufklärung von pflegebedürftigen Menschen/pflegenden Angehörigen
Nein
Beratung, Schulung und Anleitung von pflegebedürftigen Menschen/pflegenden Angehörigen
Eingeschränkt möglich
Unterstützung im Selbstmanagement und Erhalt der Selbstständigkeit der pflegebedürftigen Menschen
Nein
Planung und Durchführung einer bedarfs- und bedürfnisorientierten Pflege
Nein
Kultursensible Pflege
Nein
Adäquate Durchführung von grund- und behandlungspflegerischen Tätigkeiten
Nein
Umsetzung notwendiger und geeigneter Hygienemaßnahmen
Nein
Medikamentenmanagement
Ja, teilweise
Intra- und interprofessionelle Zusammenarbeit
Nein
Kontinuität in der Versorgung
Ja, teilweise
Pflegerische Unterversorgung
Nein
Pflege- und gesundheitsbezogene (Outcome-)Parameter
Ja
Pflege-Report 2023
So kann über die Routinedaten der Versorgungsaspekt „Pflege- und gesundheitsbezogene (Outcome-)Parameter“ nahezu vollständig abgebildet werden. In den Abrechnungsdaten liegen zahlreiche Informationen vor, anhand derer eine Erfassung der verschiedenen pflegespezifischen Outcomeparameter (z. B. Dekubitus) sowie der pflegerelevanten gesundheitsbezogenen Parameter (z. B. Harninkontinenz) möglich wird. Zu nennen sind hier die Abrechnungsdaten der ambulant vertragsärztlichen Versorgung (§ 295 SGB V) und der stationären Krankenhausbehandlung (§ 301 SGB V), die sowohl Diagnosedaten als auch Daten der Leistungsabrechnung (u. a. Operationen-/Prozedurenschlüssel) enthalten, die zur Abbildung herangezogen werden können. Des Weiteren enthalten auch die Datenbestände zur Abrechnung von Leistungen der Arznei- und Verbandmittelversorgung (§ 300 SGB V) sowie zur Heil- und Hilfsmittelversorgung und häuslichen Krankenpflege (§ 302 SGB V) Informationen, die zur Abbildung der relevanten pflege- und gesundheitsbezogenen (Outcome-)Parameter genutzt werden können. In den Abrechnungsdaten von pflegerischen Leistungen nach SGB XI sind dagegen keinerlei Informationen enthalten, die zur Abbildung des Versorgungsaspekts herangezogen werden können.
Darüber hinaus liegen in den Routinedaten Informationen vor, die zur Abbildung von Teilaspekten der Versorgungsaspekte „Kontinuität in der Versorgung“ sowie „Medikamentenmanagement“ genutzt werden können. Zur Abbildung von Teilen des Versorgungsaspekts „Kontinuität in der Versorgung“ können die administrativen Daten (Institutionskennzeichen der ambulanten Pflegedienste) der Leistungsabrechnung nach § 105 SGB XI und § 302 SGB V (häusliche Krankenpflege) herangezogen werden, um einen Wechsel von ambulanten Pflegediensten zu identifizieren. Ein Wechsel von Pflegekräften ist dagegen nicht anhand von Routinedaten erfassbar. Ebenso sind in den Routinedaten Informationen zur Abbildung von Teilen des Versorgungsaspekts „Medikamentenmanagement“ enthalten, der neben struktur- und prozessbezogenen Merkmalen auch die Ergebnisqualität eines adäquaten Medikamentenmanagements adressiert. Hierzu können die Daten nach § 300 SGB V zur Arznei- und Verbandmittelversorgung verwendet werden.
Daneben wurde die Abbildbarkeit des Versorgungsaspekts „Beratung, Schulung und Anleitung von pflegebedürftigen Menschen/pflegenden Angehörigen“ als eingeschränkt möglich eingeschätzt. Es liegen verschiedene Informationen zu bestimmten Teilaspekten (z. B. Beratungsbesuche nach § 37 SGB XI oder Pflegekurse nach § 45 SGB XI) in den Routinedaten vor, jedoch handelt es sich hierbei um Leistungen, die lediglich freiwillig in Anspruch genommen werden können. Vor diesem Hintergrund wurde trotz des generellen Vorliegens von Informationen in den Routinedaten die vom Versorgungsaspekt speziell adressierte kontinuierliche, bedarfsgerechte Beratung, Schulung und Anleitung von pflegebedürftigen Menschen im Pflegeprozess als nicht umfassend und zielgenau möglich eingeschätzt und der Versorgungsaspekt nicht weiter geprüft.
Für die übrigen 13 qualitätsrelevanten Versorgungsaspekte zeigte die Prüfung, dass sie über die Routinedaten nicht abgebildet werden können. Dies liegt darin begründet, dass diese Versorgungsaspekte zum einen strukturelle Merkmale der ambulanten Pflege bzw. strukturbezogene Anforderungen an die an der Versorgung beteiligten ambulanten Pflegedienste adressieren, die bei der Leistungsabrechnung und -vergütung in der Regel keine Rolle spielen und damit per se nicht in den Routinedaten enthalten sind. Gleiches gilt für die Versorgungsaspekte, die sich auf die Prozesse der Kommunikation, Interaktion und Unterstützung von pflegebedürftigen Menschen und deren Angehörigen sowie insgesamt auf die Beziehungsgestaltung im Rahmen des Pflegearrangements beziehen. Die innerhalb des Pflegearrangements stattfindenden Interaktions-, Aushandlungs- und Entscheidungsprozesse sind kein Bestandteil der Routinedaten. Zum anderen adressiert die Mehrzahl der übrigen nicht abbildbaren Versorgungsaspekte die Durchführung einer bedarfs- und bedürfnisorientierten Pflege sowie die adäquate Umsetzung von pflegerischen bzw. medizinisch-pflegerischen Tätigkeiten gemäß dem allgemeinen Stand pflegefachlicher Erkenntnisse. Damit beziehen sich diese Versorgungsaspekte vorwiegend auf prozessbezogene Merkmale des pflegerischen bzw. medizinisch-pflegerischen Handelns, die ebenfalls kein Bestandteil der Leistungsabrechnung mit den Kranken- bzw. Pflegekassen sind.

2.3.3 Operationalisierung und empirische Analyse von ausgewählten routinedatenbasierten Kennzahlen der über Routinedaten abbildbaren qualitätsrelevanten Versorgungsaspekte

Zur empirischen Prüfung der grundsätzlich über Routinedaten der Kranken- bzw. Pflegekassen abbildbaren Versorgungsaspekte wurde eine konkrete Operationalisierung von einzelnen Teilaspekten vorgenommen und diese anhand eines zur Verfügung gestellten Forschungsdatensatzes ausgewertet. Der Forschungsdatensatz beinhaltete die anonymisierten versichertenbezogenen Abrechnungsdaten der Jahre 2018 sowie 2019 aller elf AOK Kranken- bzw. Pflegekassen. Berücksichtigt wurden dabei Versicherte, die mindestens einen Tag (im Quartal) im häuslichen Umfeld durch einen ambulanten Pflegedienst (mit)versorgt wurden, d. h.
  • Sach- oder Kombinationsleistungen nach §§ 36 bzw. 38 SGB XI
    oder
  • Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V erhalten haben
    und
  • im Zeitraum von 2018 (1. Quartal) bis 2019 (4. Quartal) oder bis zum Versterben/sonstigen Ausscheiden durchgehend bei der AOK versichert waren.
Im Forschungsdatensatz enthalten waren die Diagnosedaten aus der ambulant vertragsärztlichen und stationären Versorgung sowie Daten zur Arznei- und Heilmittelversorgung und zur häuslichen Krankenpflege nach SGB V. Darüber hinaus lagen Informationen zum Pflegegrad sowie zur Art der Pflegeleistung nach SGB XI vor. Die Analysen erfolgten quartalsbezogen.
Die finale Stichprobe umfasste über beide Berichtsjahre hinweg insgesamt 278.091 Versicherte. Im Jahr 2018 erfüllten 209.417 Versicherte die Einschlusskriterien, im Berichtsjahr 2019 insgesamt 209.507 Versicherte. Tab. 2.3 gibt eine Übersicht über die Charakteristika der Studienpopulation.
Tab. 2.3
Charakteristika der Studienpopulation. (Quelle: AOK-Daten 2018/2019)
 
2018
2019
Pflegebedürftige Menschen mit ambulanten Pflegeleistungen, n
209.417
209.507
Geschlecht, in %
Frauen
64,1
64,0
Männer
35,9
36,0
Mittleres Alter, in Jahren
Frauen
80,6
80,7
Männer
74,6
74,8
Alter in Jahren, in %
< 18
0,4
0,4
18–59
9,6
9,6
60–79
30,8
29,8
80+
59,1
60,2
Pflegegrad, in %
Kein Pflegegrad
14,2
11,4
1
4,7
5,6
2
37,1
37,8
3
25,9
27,1
4
12,5
12,5
5
5,6
5,5
Pflege-Report 2023
Im Nachfolgenden werden die Ergebnisse der Operationalisierung und empirischen Analysen von zwei beispielhaft ausgewählten relevanten Endpunkten aus dem Versorgungsaspekt „Pflege- und gesundheitsbezogene (Outcome-)Parameter“ dargestellt.
Dekubitus in der ambulanten Pflege
Die Operationalisierung der Kennzahl „Anteil pflegebedürftiger Menschen in der ambulanten Pflege mit Dekubitus“ erfolgte anhand von mehreren Datenbeständen. Im ersten Schritt wurden die einschlägigen Dekubitus-Diagnosen gemäß ICD-10-GM-Klassifikation zusammengestellt. Zudem wurden die Leistungen der häuslichen Krankenpflege zur Dekubitusversorgung/-behandlung herangezogen. Darüber hinaus wurden die Daten zur Arznei- und Verbandmittelversorgung genutzt, um auf behandlungsbedürftige Dekubitūs zu fokussieren. Die Operationalisierung orientierte sich damit an der Operationalisierung einer routinedatenbasierten Kennzahl zu Dekubitūs bei Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohnern (Schwinger et al. 2018). Die zur Berechnung der Kennzahl herangezogenen Informationen sind Tab. 2.4 zu entnehmen.
Tab. 2.4
Dekubitus – berücksichtigte Datenbestände und Abrechnungskodes zur Identifikation anhand von Routinedaten. (Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Schwinger et al. 2018)
 
Dekubitus-Diagnose
Dekubitusversorgung/-behandlung
Verbandstoffe
Klassifikation
ICD-10-GM
Bundeseinheitliches Positionsnummernverzeichnis
Pharmazentralnummern
Beschreibung
L89* – Dekubitalgeschwür und Druckzone
Einzel-GOP mit Bezug zur Dekubitusversorgung/-behandlung
Hydroaktive Wundauflagen, vgl. Tabelle 10.9 in Schwinger et al. 2018
Daten
Ambulante (gesicherte) Diagnosen bzw. stationäre Haupt- und Nebendiagnosen
Häusliche Krankenpflege
Ambulante Verordnungen von Arznei- bzw. Verbandmitteln
Pflege-Report 2023
Abb. 2.1 fasst die Ergebnisse der empirischen Analysen zur Operationalisierung der Kennzahl zusammen. Im Durchschnitt der Quartale beider Berichtsjahre lag bei 6,5 % aller ambulant versorgten pflegebedürftigen Menschen eine ambulante bzw. stationäre Dekubitus-Diagnose vor. Bei 85,7 % der ambulant versorgten pflegebedürftigen Menschen mit Dekubitus-Diagnose war dies eine ambulant vertragsärztliche Diagnose. Bei 14,3 % der pflegebedürftigen Menschen mit einer Dekubitus-Diagnose lag dementsprechend allein eine stationäre Dekubitus-Diagnose als Haupt- oder Nebendiagnose aus den Abrechnungsdaten zu Krankenhausbehandlungen vor.
Leistungen der häuslichen Krankenpflege zur Dekubitusversorgung/-behandlung wurden im Durchschnitt bei 0,9 % aller ambulant versorgten pflegebedürftigen Menschen abgerechnet. Dabei zeigte sich, dass im Mittel bei 76,3 % der pflegebedürftigen Menschen mit HKP-Leistungen zur Dekubitusversorgung/-behandlung ebenfalls auch eine ambulante oder stationäre Dekubitus-Diagnose kodiert war. Darüber hinaus lagen im Durchschnitt bei 11,1 % aller ambulant versorgten pflegebedürftigen Menschen Verordnungen von Verbandmaterialien zur Wundversorgung bei Dekubitūs vor. Da die aufgeführten Verbandmaterialien zur Wundversorgung neben der Behandlung von Dekubitūs (DEK-PZN) auch zur Behandlung von anderen chronischen Wunden eingesetzt werden können, wurden zusätzlich Analysen zur Kombination der verordneten DEK-PZN mit den vorhandenen Dekubitus-Diagnosen bzw. Leistungen der häuslichen Krankenpflege zur Dekubitusversorgung/-behandlung vorgenommen. Die Analysen ergaben, dass im Mittel bei 3,4 % aller pflegebedürftigen Menschen eine Dekubitus-Diagnose in Verbindung mit einer entsprechenden PZN zu Verbandmaterialien vorlag. Im Durchschnitt bei 0,7 % aller ambulant versorgten pflegebedürftigen Menschen lag eine HKP-Leistung zur Dekubitusversorgung/-behandlung in Verbindung mit einer verordneten PZN vor. Daraus ergibt sich, dass lediglich bei 52 % der ambulant versorgten pflegebedürftigen Menschen mit Dekubitus-Diagnose auch gleichzeitig Verbandmaterialien zur Wundversorgung verordnet wurden. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass es sich bei einem relevanten Anteil von Dekubitus-Diagnosen um „inaktive“ Diagnosen (sog. Dauerdiagnosen) oder auch Fehlkodierungen handelt. Bei den ambulant versorgten pflegebedürftigen Menschen mit einer HKP-Leistung zur Dekubitusversorgung/-behandlung lag im Durchschnitt bei 82 % eine zusätzliche Verordnung von PZN zu Verbandmaterialien vor. Vor diesem Hintergrund wurde entschieden, die Berechnung der Kennzahl nicht allein auf Basis der Diagnosen bzw. Leistungen der häuslichen Krankenpflege vorzunehmen, sondern weiterhin die Verordnung von Verbandmaterialien zu berücksichtigen, um ambulant versorgte pflegebedürftige Menschen mit „aktiven“ behandlungsbedürftigen Dekubitūs zu erfassen.
Die Berechnung der entsprechend final operationalisierten Kennzahl zeigte, dass im Durchschnitt der Quartale beider Berichtsjahre bei insgesamt 3,6 % aller ambulant versorgten pflegebedürftigen Menschen eine ambulante oder stationäre Dekubitus-Diagnose oder HKP-Leistung zur Dekubitusversorgung/-behandlung in Kombination mit einer Verordnung von Verbandmaterialien zur Wundversorgung vorlag. Abb. 2.2 gibt einen Überblick über die quartalsbezogenen Ergebnisse sowie die Gesamtergebnisse im Durchschnitt der Quartale der beiden Berichtsjahre (2018 bzw. 2019).
Die Ergebnisse der empirischen Analysen zeigten, dass die vorliegende Kennzahl grundsätzlich auf Basis von Routinedaten operationalisierbar ist. Das Kennzahlergebnis mit einer Dekubitus-Prävalenz von 3,6 % liegt im Bereich der in der Literatur angeführten Prävalenz von 2–7 % Dekubitūs (Beerens et al. 2014; Kröger und Jöster 2018; Lahmann et al. 2015; Lichterfeld-Kottner et al. 2018; Raeder et al. 2019; Suhr et al. 2019) und stützt damit das diesbezüglich bestehende Qualitätsdefizit im Versorgungsbereich der ambulanten Pflege.
Pflegebedürftige Menschen in der ambulanten Pflege mit einer Hospitalisierung aufgrund von sturzassoziierten Verletzungen
Die Operationalisierung der Kennzahl „Anteil pflegebedürftiger Menschen in der ambulanten Pflege mit einer Hospitalisierung aufgrund von sturzassoziierten Verletzungen“ erfolgte anhand der Diagnosen zu Verletzungen, die mit einem Sturzereignis assoziiert sein können und in deren Folge aufgrund der Schwere der Verletzungen eine stationäre Krankenhausaufnahme notwendig werden kann. Dementsprechend wurden die stationären Diagnosen zu Krankenhausbehandlungen gemäß § 301 SGB V herangezogen und hierbei ausschließlich die Hauptdiagnosen (stationäre Entlassungsdiagnosen) berücksichtigt, da diese entsprechend den Deutschen Kodierrichtlinien den hauptsächlichen Grund für einen stationären Krankenhausaufenthalt abbilden (DKG et al. 2022). Als Hauptdiagnosen wurden die einschlägigen Diagnosegruppen zu Verletzungen oder Frakturen gemäß ICD-10-GM-Klassifikation aus dem Kapitel XIX „Verletzungen, Vergiftungen und bestimmte andere Folgen äußerer Ursachen“ berücksichtigt (Tab. 2.5).
Tab. 2.5
sturzassoziierte Verletzungen – berücksichtigte Diagnosegruppen zur Identifikation anhand der Routinedaten. (Quelle: eigene Darstellung nach ICD-10-GM-Klassifikation)
ICD-10-GM
Verletzungen oder Frakturen
S00–S09
Verletzungen des Kopfes
S10–S19
Verletzungen des Halses
S20–S29
Verletzungen des Thorax
S30–S39
Verletzungen des Abdomens, der Lumbosakralgegend, der Lendenwirbelsäule und des Beckens
S40–S49
Verletzungen der Schulter und des Oberarmes
S50–S59
Verletzungen des Ellenbogens und des Unterarmes
S60–S69
Verletzungen des Handgelenkes und der Hand
S70–S79
Verletzungen der Hüfte und des Oberschenkels
S80–S89
Verletzungen des Knies und des Unterschenkels
S90–S99
Verletzungen der Knöchelregion und des Fußes
T00–T07
Verletzungen mit Beteiligung mehrerer Körperregionen
T08–T14
Verletzungen nicht näher bezeichneter Teile des Rumpfes, der Extremitäten
Pflege-Report 2023
Die empirischen Analysen zeigten, dass im Durchschnitt aller Quartale der Berichtsjahre 2018 und 2019 3,1 % der ambulant versorgten pflegebedürftigen Menschen mit der Diagnose einer sturzassoziierten Verletzung stationär in ein Krankenhaus aufgenommen wurden. Der Anteil der pflegebedürftigen Menschen mit einer Hospitalisierung aufgrund von sturzassoziierten Verletzungen lag in allen betrachteten Quartalen konstant zwischen 3,0 und 3,2 % (siehe Abb. 2.3).
Die häufigsten Verletzungen, die eine stationäre Krankenhausaufnahme notwendig machten, waren Verletzungen der Hüfte oder des Oberschenkels (24,9 %) sowie Verletzungen des Abdomens, der Lumbosakralgegend, der Lendenwirbelsäule oder des Beckens (14,2 %). Die Häufigkeitsverteilung aller Hauptdiagnosen bei stationärer Krankenhausaufnahme wegen einer Verletzung oder Fraktur ist Abb. 2.4 zu entnehmen.
Auch für diese Kennzahl zeigten die empirischen Analysen, dass eine Operationalisierung anhand von Routinedaten prinzipiell möglich ist. Sowohl der Anteil von 3,1 % stationär behandlungsbedürftigen sturzassoziierten Verletzungen als auch die Häufigkeitsverteilung der Art der Verletzungen bzw. Frakturen ist mit den Ergebnissen entsprechender Studien vergleichbar (Lahmann et al. 2015; Rupp et al. 2021).

2.4 Diskussion

Im Rahmen der Aufbereitung der aktuellen Versorgungssituation wurden anhand einer systematischen Literaturrecherche 17 struktur-, prozess- und ergebnisbezogene Versorgungsaspekte abgeleitet, die wesentliche Anforderungen an eine qualitativ hochwertige Versorgung in der ambulanten Pflege beschreiben. Jeder der identifizierten Versorgungsaspekte konnte mindestens einer Qualitätsdimension eines Rahmenkonzepts für Qualität (IQTIG 2022) zugeordnet werden. Die Mehrzahl der identifizierten Versorgungsaspekte adressiert dabei die Qualitätsdimensionen „Ausrichtung der Versorgungsgestaltung an den Patientinnen und Patienten“ sowie „Patientensicherheit“. Dies hebt hervor, dass vor allem die Beziehungsarbeit mit den pflegebedürftigen Menschen und deren Angehörigen ein zentrales Kriterium für die Qualität der ambulanten pflegerischen bzw. medizinisch-pflegerischen Versorgung darstellt. Daneben spielen die Versorgungsaspekte, die die Patientensicherheit adressieren, ebenfalls eine wichtige Rolle für die Versorgungsqualität. Dies erscheint nachvollziehbar, da die Gewährleistung der Patientensicherheit unter den besonderen Voraussetzungen der Pflege im häuslichen Umfeld und unter Berücksichtigung der spezifischen Wohnumgebung eine enorme Herausforderung für die Pflegekräfte darstellt. Die weiteren Qualitätsdimensionen „Angemessenheit“ sowie „Koordination und Kontinuität“ und „Wirksamkeit“ werden ebenfalls jeweils von mehreren Versorgungsaspekten adressiert. Dies sind Versorgungsaspekte, die sich vor allem auf die grundlegenden pflegerischen bzw. medizinisch-pflegerischen Tätigkeiten (körperbezogene Pflegemaßnahmen und behandlungspflegerische Maßnahmen, Umsetzung geeigneter Hygienemaßnahmen sowie Medikamentenmanagement) beziehen und deren angemessene Durchführung und Koordination daher eine hohe Relevanz für die Gewährleistung einer qualitativ hochwertigen Versorgung haben. Darüber hinaus sind Versorgungsaspekte subsummiert, die verschiedene relevante pflege- und gesundheitsbezogene Ergebnisse umfassen, anhand derer sich die Wirksamkeit der pflegerischen bzw. medizinisch-pflegerischen Versorgung zeigt (Wehner et al. 2021). Damit wird sowohl die Mehrdimensionalität von Qualität in der ambulanten Pflege als auch die Komplexität des Versorgungsbereichs und die daraus resultierenden Herausforderungen für die Gewährleistung einer guten pflegerischen bzw. medizinisch-pflegerischen Versorgungsqualität verdeutlicht.
Hinsichtlich der Ableitung der qualitätsrelevanten Versorgungsaspekte ist jedoch darauf hinzuweisen, dass diese ausschließlich literaturbasiert erfolgte. Ein – auch im Rahmen der Erstellung von Scoping Reviews empfohlener – Einbezug von themenbezogenen Interessengruppen (z. B. durch Interviews oder Fokusgruppen) wurde nicht durchgeführt. Aufgrund dessen ist es möglich, dass über die Literatur hinausgehende qualitätsrelevante Themen oder Anforderungen nicht identifiziert wurden. Zudem erfolgten die Aufbereitung und Recherche der Literatur ausschließlich durch die Autorin, was zu einer systematischen Verzerrung beim Einschluss von Publikationen geführt haben kann. Jedoch ist hervorzuheben, dass die abgeleiteten qualitätsrelevanten Versorgungsaspekte grundsätzlich mit weiteren in der Literatur beschriebenen Themenbereichen, die für die Qualität in der (ambulanten) Pflege als relevant eingeschätzt werden, übereinstimmen (Büscher et al. 2018b; Hasseler et al. 2013).
Die Prüfung der grundsätzlichen Abbildbarkeit der Versorgungsaspekte ergab, dass lediglich drei der 17 Versorgungsaspekte vollständig oder teilweise über die Routinedaten der Kranken- bzw. Pflegekassen abbildbar sind. Hierbei liegen vorwiegend zur Erfassung der ergebnisbezogenen Versorgungsaspekte geeignete Informationen in den Abrechnungs- und Verordnungsdaten vor. Eine generelle Einschränkung der Abbildung der identifizierten Versorgungsaspekte über die Routinedaten ist dabei durch die speziellen Abrechnungs- und Vergütungsmodalitäten in der ambulanten Pflege, die einem komplexen Vertrags- und Leistungsrecht unterliegen, bedingt. So werden im Regelungsbereich des SGB XI die grundsätzlichen Leistungsinhalte sowie Abrechnungsbedingungen der ambulanten Pflege in individuellen Versorgungsverträgen nach § 72 SGB XI und Vergütungsvereinbarungen nach § 89 SGB XI zwischen den Pflegekassen und den Trägern von ambulanten Pflegediensten geschlossen. Als Grundlage für diese Versorgungsverträge sowie Vergütungsvereinbarungen dienen landesspezifische Rahmenverträge nach § 75 Absatz 1 SGB XI, die allgemeine Vorgaben zu den Abrechnungs- und Vergütungsmodalitäten machen. Die Regelung der Leistungsinhalte sowie der Abrechnungs- und Vergütungsmodalitäten in landesspezifischen und damit im Detail unterschiedlichen Rahmenverträgen und Vergütungsvereinbarungen führt dazu, dass sich der Datenbestand der Leistungsabrechnung nach § 105 SGB XI hinsichtlich der abgerechneten Leistungspakete/-komplexe sowie der zugeordneten Abrechnungsziffern stark unterscheidet, sodass eine bundeseinheitliche Abbildbarkeit der Versorgungsaspekte anhand dieses Datenbestandes nur eingeschränkt oder gar nicht möglich ist.
Eine Abbildung der Versorgungsaspekte über die Routinedaten der Kranken- bzw. Pflegekassen ist daher vor allem auf Grundlage der Datenbestände nach SGB V möglich. Die Abrechnungsdaten sowohl zur ambulant vertragsärztlichen Versorgung als auch zur Krankenhausbehandlung sowie die Abrechnungs- und Verordnungsdaten der Arznei-, Heil- und Hilfsmittelversorgung und häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V basieren auf bundeseinheitlichen Abrechnungsregelungen sowie bundeseinheitlichen Klassifikationssystemen (z. B. ICD-10-GM, EBM-Katalog) bzw. Positionsnummernverzeichnissen (z. B. bundeseinheitliches Positionsnummernverzeichnis für Leistungen der häuslichen Krankenpflege). Die entsprechend den Klassifikationssystemen bzw. bundeseinheitlichen Positionsnummernverzeichnissen abgerechneten Leistungen sowie die Verordnungsdaten von Leistungen bleiben bei den Kranken- bzw. Pflegekassen als solche in den jeweiligen Datenbeständen bestehen, sodass hierüber eine fundierte Einschätzung hinsichtlich einer zielgenauen Abbildung der Versorgungsaspekte möglich ist. Aber auch bei bestimmten Leistungen nach SGB V muss beachtet werden, dass hierbei leistungsrechtlich bedingte Einschränkungen vorliegen können, die eine Abbildung anhand der Routinedaten beeinflussen können. Zu nennen ist hier beispielsweise die Genehmigungspflicht von verordneten Leistungen zur Hilfs- und Heilmittelversorgung sowie von Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V.
Die konkrete Operationalisierung von zwei beispielhaften Kennzahlen des Versorgungsaspekts „Pflege- und gesundheitsbezogene (Outcome-)Parameter“ verdeutlicht, dass eine Operationalisierung von verschiedenen Kennzahlen für die ambulante Pflege auf Routinedatenbasis grundsätzlich realisierbar ist. Die Kennzahlergebnisse sind mit entsprechenden Studienergebnissen vergleichbar und untermauern die in der Literatur aufgezeigten Qualitätsdefizite im Versorgungsbereich der ambulanten Pflege. Im Hinblick auf die Generalisierbarkeit der Kennzahlergebnisse ist dennoch darauf hinzuweisen, dass die Berechnungen ausschließlich auf den Daten der Versichertenpopulation der AOK basieren. Mögliche Verzerrungen der Kennzahlergebnisse aufgrund der spezifischen Mitgliederstruktur der AOK können daher nicht vollständig ausgeschlossen werden.
Darüber hinaus ist anzumerken, dass die Operationalisierung der Kennzahlen und deren empirische Prüfung dadurch eingeschränkt wurden, dass im Forschungsdatensatz nicht alle für die Abbildung als geeignet eingeschätzte Datenbestände enthalten waren. Zu nennen sind hier beispielsweise die Daten zur Hilfsmittelversorgung nach § 302 SGB V sowie die Daten zu ambulant-vertragsärztlichen Leistungen nach § 295 SGB V (GOP gemäß EBM-Katalog). Eine Berücksichtigung von entsprechenden Datenbeständen wäre im Hinblick auf eine Optimierung der Operationalisierung und damit einer noch valideren Erfassung im Weiteren zu prüfen.
Zusätzlich ist anzumerken, dass die den empirischen Analysen zugrunde liegende Studienpopulation sehr heterogen zusammengesetzt war. Einbezogen wurden Versicherte, die innerhalb eines Quartals und ggf. auch nur einmal im jeweiligen Berichtsjahr ausschließlich eine Leistung der häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V erhielten und dementsprechend nur kurzzeitig eine pflegerische Versorgung benötigten. Zum anderen waren Versicherte enthalten, die über mehrere Quartale und beide Berichtsjahre hinweg Sach- oder Kombinationsleistungen nach SGB XI oder auch Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach SGB V über mehrere Monate erhielten und damit langzeitpflegebedürftig waren. Demzufolge wäre zukünftig ggf. eine zusätzliche stratifizierte Betrachtung der Kennzahlergebnisse entsprechend diesen beiden Subgruppen sinnvoll.
Aufgrund der quartalsbezogenen Berechnungen kann es zudem zu Ungenauigkeiten bei den Auswertungen der Kennzahlen gekommen sein. Durch den Quartalsbezug ist es möglich, dass z. B. bei der Kennzahl zur stationären Aufnahme aufgrund sturzassoziierter Verletzungen Versicherte miterfasst wurden, die zu Beginn eines Quartals aufgrund einer sturzassoziierten Verletzung stationär in ein Krankenhaus aufgenommen wurden, aber erst im späteren Verlauf des Quartals erstmals z. B. Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach SGB V oder Sach- oder Kombinationsleistungen nach SGB XI erhielten. Dadurch kann es bei den Kennzahlen zu einer teilweisen Überschätzung der Anteile der tatsächlich betroffenen ambulant versorgten pflegebedürftigen Menschen kommen. Diese Ungenauigkeiten sind vor allem bei Kennzahlen, die in die Verantwortung von ambulanten Pflegediensten gestellt werden und einem Leistungserbringervergleich dienen sollen, zukünftig genauer zu berücksichtigen.

2.5 Fazit

Die Prüfung der generellen Abbildbarkeit sowie der Operationalisierbarkeit der qualitätsrelevanten Versorgungsaspekte zeigt, dass die Routinedaten der Kranken- bzw. Pflegekassen für die Messung und Darstellung bestimmter Aspekte der Versorgungsqualität in der ambulanten Pflege geeignet sind. In der Zusammenschau der Ergebnisse wird jedoch auch deutlich, dass eine Reihe von Versorgungsaspekten über die Routinedaten nur eingeschränkt bzw. gar nicht erfasst werden können. Dies ist dadurch begründet, dass sich diese auf struktur- und prozessbezogene Aspekte der Versorgung beziehen, zu deren Erfassung in den Routinedaten – aufgrund von deren ursprünglicher Zweckbestimmung – keine Informationen zur Verfügung stehen.
Die Erfassung der Versorgungsaspekte über die Routinedaten der Kranken- bzw. Pflegekassen wird dabei – vor allem im Regelungsbereich des SGB XI – durch leistungsrechtliche Bestimmungen sowie spezifische Abrechnungs- und Vergütungsregelungen eingeschränkt bzw. erschwert. Hier wäre eine Veränderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen sowie der geltenden Empfehlungen und Rahmenverträge im Hinblick auf die Leistungsabrechnung und Vergütungsregelungen erforderlich, damit die de facto bereits erbrachten einzelnen Leistungen der ambulanten pflegerischen Versorgung für die Qualitätsmessung genutzt werden können. Eine weitere Erkenntnis ist, dass viele qualitätsrelevante Aspekte der ambulanten pflegerischen Versorgung sich nicht im Abrechnungs- und Vergütungssystem widerspiegeln, was ggf. in gesundheits- und pflegepolitischen Diskussionen aufgegriffen werden sollte. Bereits jetzt gut nutzbar sind weitestgehend die Daten der medizinischen und therapeutischen Versorgung aus dem Regelungsbereich des SGB V. Routinedatenbasierte Kennzahlen könnten damit als sinnvolle Ergänzung für die Qualitätsprüfung und -darstellung in der ambulanten Pflege eingesetzt werden. Die Kennzahlen bieten die Möglichkeit, aufwandsarm auch sektoren- und sozialleistungsträgerübergreifende Informationen in die Messung und Darstellung der Versorgungsqualität in der ambulanten Pflege einzubeziehen.
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Metadaten
Titel
Möglichkeiten der Qualitätsmessung anhand von Routinedaten in der ambulanten Pflege
verfasst von
Kathrin Wehner
Copyright-Jahr
2023
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-67669-1_2