Vorhandene Therapieoptionen für eine optimale Sequenztherapie nutzen

Zum Thema Beim Management fortgeschrittener Karzinome von Magen und gastroösophagealem Übergang (GEJ; gastroesophageal junction) haben sich in den letzten Jahren durch die Einführung zielgerichteter Substanzen und von Immun-Checkpoint-Inhibitoren (ICI) erhebliche Fortschritte ergeben. Der Nachweis von Biomarkern und molekularen Signaturen ist daher heute von großer Bedeutung. Ebenfalls wichtig ist eine vorausschauende Therapieplanung ab der ersten Linie, um Patientinnen und Patienten im Verlauf ihrer Tumorerkrankung alle vorhandenen Optionen anbieten zu können. Die kürzlich aktualisierte Onkopedia-Leitlinie gibt hierzu relevante Empfehlungen und nennt Ramucirumaba in Kombination mit Paclitaxel oder als Monotherapie als unverzichtbare Komponente in der Zweitlinientherapie [1]. Inhalt Aktualisierte Onkopedia-Leitlinie Ramucirumab plus Paclitaxel in der Zweitlinie Fallbeispiel Ramucirumab-Monotherapie Interview mit Prof. Dr. Michael Stahl In Deutschland werden jährlich rund 15.000 Magenkarzinome neu diagnostiziert – davon etwa 9.200 bei Männern und ca. 5.560 bei Frauen [2]. Es erkranken meist ältere Menschen: Das mittlere Alter bei Diagnosestellung liegt bei Männern bei 71 Jahren und bei Frauen bei 76 Jahren, was den Einsatz aggressiver Therapiemodalitäten limitiert [2]. Die Prognose beim Magenkarzinom ist nach wie vor ungünstig: Die 5-Jahres-Überlebensrate von 37% bei Frauen und 34% bei Männern ist im Vergleich zu anderen Tumoren wie dem Brustkrebs mit 88% bzw. 84% oder dem Prostatakarzinom mit 89% unverändert niedrig [3]. Im metastasierten Stadium liegt das Gesamtüberleben (OS) bei nur 10–12 Monaten. Über alle Stadien hinweg versterben 40% der Betroffenen bereits im ersten Jahr nach der Diagnosestellung. Präzisionsmedizin auch beim Magenkarzinom Hoffen lassen jedoch neue Entwicklungen wie die Identifizierung molekularer Subgruppen und die Zulassung von ICI sowie zielgerichtet wirkender Antikörper bei Patientinnen und Patienten im metastasierten Stadium IV. So ist bei ca. 20% der Magenkarzinome eine HER2-Überexpression, bei gut einem Drittel eine PD-L1- (programmed death-ligand 1) Expression nachweisbar [4]. Ein kleiner Anteil der Patientinnen und Patienten weist eine hohe Mikrosatelliten-Instabilität (MSI-high) im Tumor auf. Diese Zahlen verdeutlichen, dass heute beim Magenkarzinom – wie bereits seit längerem u. a. beim Mammakarzinom oder nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom – eine Testung auf molekulare Biomarker unverzichtbar ist. Denn nur so lassen sich neue Therapeutika in bereits bestehende Regime optimal integrieren, um Therapiesequenzen planen zu können, die für Patientinnen und Patienten den maximalen Nutzen erzielen. Aktualisierte Onkopedia-Leitlinie Die Onkopedia Leitlinie wurde im Juni 2022 und nochmals im Mai 2023 aktualisiert, um die wichtigen Neuentwicklungen in das Therapiekonzept bei Magen- und GEJ-Karzinomen integrieren zu können [1]. Empfohlener Chemotherapie-Standard in der ersten Linie ist danach weiterhin bei negativen Biomarker-Untersuchungen die Doublette mit Platin und Fluoropyrimidin (FP). Bei HER2-positiven Tumoren wird die Chemotherapie durch den Anti-HER2-Antikörper Trastuzumab ergänzt. Seit August 2023 ist zudem Pembrolizumab bei HER2-positiven Tumoren mit einem CPS (Combined Positive Score) >1 zugelassen [5]. Patientinnen und Patienten mit HER2-negativen, aber PD-L1-positiven Magen- und GEJ-Tumoren mit einem CPS ≥5 erhalten zusätzlich zur Platin/FP-Doublette den ICI Nivolumab, da so laut den Daten der Studie CheckMate 649 eine OS-Verlängerung im Vergleich zur Doublette allein erreicht wird [6]. Pembrolizumab zusätzlich zum Platin/FP-Regime ist in Europa nur bei Adenokarzinomen des GEJ mit einem CPS ≥10 zugelassen. Den Leitlinien-Empfehlungen entsprechend sollte in der Erstlinien-Chemotherapie auf den Einsatz des FLOT (5-Fluorouracil, Leucovorin, Oxaliplatin, Taxan)-Regimes verzichtet werden. Denn bislang liegen keine prospektiven Daten vor, die für eine höhere Effektivität der toxischeren Triplette im Vergleich zur FP-Doublette in der palliativen Therapie sprechen. Das wird durch eine aktuelle Real-World-Studie aus den USA untermauert, in der kein Überlebensvorteil bei Einsatz der Triplette gegenüber der Doublette erreicht wurde (Hazard Ratio [HR] 0,97; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,88–1,07; p=0,5080) [7]. Im Sinne einer besseren Verträglichkeit bietet sich bei älteren Patientinnen und Patienten oder bei Patientinnen und Patienten in schlechtem Allgemeinzustand (AZ) eine dosisreduzierte Doublette an. Dafür sprechen die Ergebnisse der Phase-III-Studie GO2, in der sich niedrig dosierte Capecitabin/Oxaliplatin-Regime mit 80% bzw. 60% der üblichen Standarddosierung in puncto Wirksamkeit als nicht unterlegen erwiesen, jedoch deutlich besser vertragen wurden [8]. Ramucirumab plus Paclitaxel als Zweitlinien-Standard Leitliniengemäß erhalten Patientinnen und Patienten in gutem Allgemeinzustand bei Progress eine Zweitlinientherapie. Standard unabhängig von der Vortherapie bei Patientinnen und Patienten ohne Kontraindikationen für eine Chemotherapie oder Antiangiogenese ist laut Onkopedia-Leitlinie das Regime Ramucirumab (Cyramza®)a plus Paclitaxel (Abb. 1) [1, 9]. Es führte in der Phase-III-Studie RAINBOW gegenüber Paclitaxel allein zu einer signifikanten Verlängerung des OS als primärem Endpunkt (9,6 vs. 7,4 Monate; HR 0,807; 95%-KI 0,678–0,962; p=0,017; Abb. 2) [10]. Abb. 1: Zweitlinientherapie bei Magen- und GEJ-Karzinomen gemäß aktueller Onkopedia-Leitlinie (modifiziert nach [1]) Springer Medizin Verlag GmbH × Abb. 2: RAINBOW-Studie: Gesamtüberleben unter der Kombination Ramucirumab plus Paclitaxel versus Paclitaxel allein (modifiziert nach 10]) Springer Medizin Verlag GmbH × Patientinnen und Patienten, die eine Chemotherapie nicht vertragen, steht mit der Ramucirumab-Monotherapie ebenfalls eine effektive Option in der zweiten Linie zur Verfügung [1]. In der REGARD-Studie wurde durch Ramucirumab eine OS-Verlängerung auf 5,2 Monate gegenüber den nur supportiv behandelten Patientinnen und Patienten erreicht (3,8 Monate; HR 0,776; 95%-KI 0,603–0,991; p=0,0473) [11]. Bei Kontraindikationen gegenüber einer Antiangiogenese kommen gemäß Onkopedia-Leitlinie ein Taxan oder Irinotecan zum Einsatz [1]. Für Patientinnen und Patienten mit MSI-high empfiehlt die Leitlinie Pembrolizumab als Monotherapie [1]. Neue Zweitlinienoption bei HER2-positiven Tumoren Die o. g. Empfehlungen wurden bereits nach der Aktualisierung der Onkopedia-Leitlinie im Juni 2022 ausgesprochen. Sie sind weiterhin gültig, wurden aber bei der letzten Aktualisierung im Mai 2023 um das Antikörper-Drug-Konjugat (ADC) Trastuzumab-Deruxtecan (T-DXd) erweitert [1]. Mit dem ADC wurde in der Phase-II-Studie DESTINY-Gastric02 bei Patientinnen und Patienten mit HER2-positiven fortgeschrittenen Karzinomen von Magen und GEJ nach Trastuzumab-Vortherapie eine OS-Verlängerung auf 12,1 Monate erreicht [12]. In der Onkopedia-Leitlinie wird darauf hingewiesen, dass ca. 30% der Tumoren nach Versagen der Trastuzumab-Erstlinientherapie die HER2-Überexpression verlieren [1]. Deshalb empfiehlt die Leitlinie eine erneute Überprüfung des HER2-Status anhand einer frischen Biopsie vor Beginn der T-DXd-Therapie in der zweiten Linie, da laut Onkopedia-Leitlinie mit Ramucirumab plus Paclitaxel eine valide Alternative für die Zweitlinientherapie vorhanden ist. Auch für die Drittlinientherapie fortgeschrittener Magenkarzinome stehen mittlerweile mehrere zugelassene Optionen zur Verfügung. Wird eine intravenöse Therapie bevorzugt, kommt ein Taxan oder Irinotecan zum Einsatz. Ist eine orale Therapie möglich, spricht sich die Onkopedia-Leitlinie für Trifluridin-Tipiracil aus [1]. Im Mai 2023 wurden die Leitlinien-Empfehlungen um T-DXd ergänzt, das bei HER2-Überexpression und vorheriger Trastuzumab-Therapie verabreicht werden kann, sofern das ADC nicht bereits in der zweiten Linie angewandt wurde [1]. aCyramza® ist in Kombination mit Paclitaxel indiziert zur Behandlung von erwachsenen Patientinnen und Patienten mit einem fortgeschrittenen Adenokarzinom des Magens oder des gastroösophagealen Übergangs mit Tumorprogress nach vorausgegangener Platin- und Fluoropyrimidin-haltiger Chemotherapie. Cyramza® ist als Monotherapie indiziert zur Behandlung von erwachsenen Patientinnen und Patienten mit einem fortgeschrittenen Adenokarzinom des Magens oder des gastroösophagealen Übergangs mit Tumorprogress nach vorausgegangener Platin- und Fluoropyrimidin-haltiger Chemotherapie, wenn diese Patientinnen und Patienten für eine Kombinationstherapie mit Paclitaxel nicht geeignet sind [9]. Ein Fall aus der Praxis Ramucirumab-Monotherapie: lang anhaltend wirksam und gut verträglich Die vorgestellte Kasuistik (Prof. Dr. Michael Stahl, Klinik für Internistische Onkologie und Hämatologie mit integrierter Palliativmedizin, Evangelische Kliniken Essen-Mitte) einer betagten Patientin mit in die Leber metastasiertem Magenkarzinom weist auf die hohe Effektivität der gut verträglichen Ramucirumab-Monotherapie nach einer Chemotherapie plus Nivolumab in der Erstlinie hin. Die 81-jährige Patientin in etwas eingeschränktem Allgemeinzustand (AZ; Grad 1 nach WHO) klagte seit drei Monaten über zunehmende Schluckstörungen, teilweise begleitet von Regurgitation, und hatte in dieser Zeit bereits 5 kg Gewicht verloren. Sie war noch weitgehend selbstständig, lebte allein und versorgte sich selbst. In der Familie waren keine Tumorerkrankungen bekannt. Im Januar 2021 wurde aufgrund der Beschwerden eine Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD) durchgeführt, bei der ein subkardial gelegener Tumor mit Wachstum in den Ösophagus (AEG Typ III nach Siewert) nachgewiesen wurde. Histopathologisch wurde der Tumor als tubuläres Adenokarzinom vom Grad 2 klassifiziert. In der Molekularpathologie wurde er als HER2-negativ (1+), PD-L1 positiv (CPS 5) und mikrosatelliten-stabil (MSS) beschrieben. Laut Computertomografie (CT) und diagnostischer Laparoskopie handelte es sich um einen Tumor im klinischen Stadium T3 N+ M0. Leber- und Nierenfunktion der Patientin waren nicht eingeschränkt. Verlauf und Therapie Zwischen Februar und April 2021 erhielt sie präoperativ vier Zyklen FOLFOX. Auf die zusätzliche Gabe von Docetaxel wurde wegen des hohen Lebensalters der Patientin und aufgrund ihres Wunsches nach einer Behandlung ohne Entwicklung einer Alopezie verzichtet. Nach Abschluss der Chemotherapie erfolgte im Mai 2021 eine totale Gastrektomie mit distaler Ösophagus-Resektion und systematischer Lymphadenektomie im Kompartment II und III. Postoperativ wurde ein Tumorstadium ypT3 ypN3a (10/21) pL 1 pV0 pPn1 diagnostiziert; der Tumor konnte R0-reseziert werden. Er hatte nur wenig auf die präoperative Therapie angesprochen (Regressionsgrad 3 nach Becker). Die Patientin erholte sich postoperativ rasch und erhielt im Juni und Juli 2021 vier Zyklen FOLFOX als adjuvante Therapie, unter der sie eine leichte Polyneuropathie (Grad 1) entwickelte. Ein Dreivierteljahr später, im März 2022, fielen in der Magnetresonanztomografie (MRT), die wegen Kontrastmittel-Unverträglichkeit anstelle der CT durchgeführt wurde, Lebermetastasen auf. Zwischen März und April 2022 wurde eine Erstlinientherapie mit vier Zyklen FOLFOX initiiert, die wegen des positiven PD-L1-Status (CPS 5) mit Nivolumab ergänzt wurde, jedoch nicht zu einer Tumorschrumpfung führte. Zudem verstärkte sich unter der Therapie die weiterhin bestehende Polyneuropathie (Grad 2). Beginn der Zweitlinientherapie Trotz der ab April 2022 durchgeführten Nivolumab-Erhaltungstherapie wurden im August 2002 progrediente Lebermetastasen und Metastasen im Pankreas festgestellt (Abb. 3). Gleichzeitig fielen im MRT osteoporotisch bedingte Wirbelkörpersinterungen auf. Der AZ der Patientin hatte sich mittlerweile verschlechtert (Grad 2 nach WHO). Abb. 3: Das MRT vor Beginn der Zweitlinientherapie zeigt eine ausgeprägte Lebermetastasierung (progrediente Leberfiliae MRT 8/2022; neue Raumforderung im Pankreas) Evang. Kliniken Essen-Mitte × Daher wurde im August 2022 eine palliative Monotherapie mit Ramucirumab begonnen. Auf die Kombination mit Paclitaxel wurde wegen der anhaltenden Polyneuropathie und auf Wunsch der Patientin (kein Haarausfall!) verzichtet. Die Therapie wurde insgesamt gut vertragen und bewirkte eine Schrumpfung der Lebermetastasen. Unter der gleichzeitig eingeleiteten Schmerztherapie wurde zudem eine Besserung des AZ verzeichnet. Im Januar 2023 ergab die MRT eine komplette Remission der Lebermetastasierung (Abb. 4). Abb. 4: Die Monotherapie mit Ramucirumab in der zweiten Linie führte zu einer kompletten Regression der Lebermetastasen (Leberfiliae 1/2023) Evang. Kliniken Essen-Mitte × Im Mai 2023 wurde nach insgesamt 20 Zyklen Ramucirumab eine deutliche Verschlechterung des AZ mit einem starken Gewichtsverlust konstatiert. Das MRT der Leber zeigte zu diesem Zeitpunkt eine Progression der Leberfiliae, sodass die tumorspezifische Therapie beendet und eine supportive Therapie initiiert wurde. Fazit Bei dieser Patientin in eingeschränktem AZ und mit persistierender Polyneuropathie zeigte die Ramucirumab-Monotherapie bei guter Verträglichkeit eine hohe Wirksamkeit. Sie führte über zehn Monate zu einer Stabilisierung der Tumorerkrankung und ermöglichte zusammen mit einer Schmerztherapie eine erneute Besserung des AZ. Zugewinn an Lebenszeit durch Sequenztherapie Beim fortgeschrittenen Magenkarzinom sind heute verschiedene Substanzen zugelassen, sodass eine Sequenztherapie machbar ist. Sie verbessert die Prognose der Betroffenen, wird aber in Deutschland zu wenig eingesetzt. Prof. Dr. Michael Stahl, Essen, informiert über die Optionen der Sequenztherapie und zu erwartende neue therapeutische Entwicklungen. Prof. Dr. Michael Stahl, Klinik für Internistische Onkologie und Hämatologie mit integrierter Palliativmedizin, Evangelische Kliniken Essen-Mitte Michael Stahl × Warum ist eine Sequenztherapie beim Magenkarzinom so wichtig? Stahl: Eine Sequenztherapie ist prinzipiell nicht nur beim Magenkarzinom von Bedeutung. Stehen bei einer Tumorerkrankung verschiedene Substanzen für die palliative Therapie zur Verfügung, so sollten diese auch sequenziell eingesetzt werden. Denn wir wissen, dass Patientinnen und Patienten in Bezug auf das Überleben am meisten profitieren, wenn sie mit allen verfügbaren Medikamenten behandelt werden. Das zeigen Erfahrungen aus Japan, wo der Anteil an Magenkarzinom-Patientinnen und -Patienten, die eine Zweit- und Drittlinientherapie erhalten, bereits seit Längerem hoch ist. Es ist eine Tatsache, dass man durch eine Sequenztherapie mehr Überlebenszeit gewinnt. Wie hoch ist der Anteil an Patientinnen und Patienten mit Magenkarzinom, die in Deutschland eine Sequenztherapie erhalten? Stahl: Hierzulande bekommen etwa 60% der Betroffenen eine Zweitlinientherapie, im weiteren Verlauf nur noch etwa 30–35% eine Drittlinientherapie. In Asien sind die Zahlen deutlich höher, erhalten doch noch ca. 60% eine Drittlinientherapie. Vermutlich kommen auch in Deutschland mehr Patientinnen und Patienten für eine Sequenztherapie infrage. So bekommen in unserem Zentrum ebenfalls rund zwei Drittel eine Therapie in der dritten Linie. Was sind die Herausforderungen bei der Therapie? Stahl: In der Vergangenheit, als bei etlichen Tumorerkrankungen lediglich eine Therapie zur Verfügung stand, konnte man Patientinnen und Patienten durchaus etwas lockerer führen. Heute dagegen müssen behandelnde Ärztinnen und Ärzte am Ball bleiben. Wenn mehrere Optionen vorhanden sind, müssen der Therapieverlauf kritisch beobachtet und rechtzeitig diagnostische Maßnahmen ergriffen werden, um einen Progress so frühzeitig festzustellen, dass die Patientin oder der Patient noch für weitere Therapien geeignet ist. AZ und Organfunktionen dürfen sich nicht bereits so verschlechtert haben, dass den Betroffenen keine weitere Therapielinie mehr zugemutet werden kann. Wie ordnen Sie die Empfehlung der Onkopedia-Leitlinie ein, Patientinnen und Patienten in höherem Lebensalter und in schlechtem AZ mit einer dosisreduzierten Chemotherapie in der Erstlinie zu behandeln [1]? Stahl: Für die Gruppe der älteren Patientinnen und Patienten haben wir Daten einer sehr guten britischen Studie, der GO2-Studie: Sie belegen, dass bei Reduktion der Chemotherapie auf 80% oder sogar nur 60% der Standarddosis keine Verschlechterung der Prognose in Kauf zu nehmen ist [8]. Denn gibt man fragilen Patientinnen und Patienten eine Chemotherapie in voller Dosierung, ist das Risiko für Toxizitäten hoch und die Therapie muss häufig unterbrochen werden, sodass die Therapieintensität deutlich geringer wird. Startet man die Chemotherapie dagegen in reduzierter Dosis, kann sie regelhaft durchgeführt werden. Bei Patientinnen und Patienten in schlechtem AZ muss man unabhängig vom Alter von vornherein überlegen, ob man tatsächlich noch eine Chemotherapie beginnt. Ein „bisschen Therapie“ ist in dieser Subgruppe keine wirksame Maßnahme. ICI spielen in der Therapie des fortgeschrittenen Magenkarzinoms eine zunehmende Rolle. Welche weiteren Entwicklungen erwarten Sie in diesem Bereich? Stahl: Interessant ist die Zulassungserweiterung im August 2023 beim HER2-positiven Magenkarzinom: Hier kann jetzt die Erstlinien-Chemotherapie plus Trastuzumab durch Pembrolizumab ergänzt werden. Dies beruht auf Daten der Studie KEYNOTE-811, in der die Hinzunahme des ICI zu einem deutlich verbesserten Ansprechen führte [5]. Damit wird sich der Anteil an Patienten und Patientinnen, die eine Immuntherapie erhalten können und sollen, künftig erweitern. Ich erwarte auch bei Betroffenen mit lokal begrenztem Magenkarzinom positive Daten zur Effektivität der Immuntherapie mit ICI. Beim Magenkarzinom mit MSI-H wird international bereits eine Immuntherapie in der ersten Linie empfohlen. Die Onkopedia-Leitlinie spricht sich erst in der Zweitlinie für die Checkpoint-Inhibition aus [1]. Welche Optionen sehen Sie nach dem Einsatz von ICI in der Erstlinie als besonders geeignet an? Stahl: Unabhängig vom Einsatz eines ICI in der ersten Linie ist die Kombination des gegen den VEGF (vascular endothelial growth factor)-Rezeptor gerichteten Antikörpers Ramucirumab mit Paclitaxel Standard. Es gibt mittlerweile erste Hinweise auf einen synergistischen Effekt der Angiogenesehemmung mit Ramucirumab nach Checkpoint-Blockade [12]. Das ist noch vorsichtig zu interpretieren, da bisher keine Daten kontrollierter Studien vorliegen. Man kann aber auf jeden Fall sagen, dass Patientinnen und Patienten mit Progress unter Checkpoint-Inhibition von dem VEGF-Rezeptor-Antikörper profitieren. Die Onkopedia-Empfehlungen zum Einsatz von T-DXd in der Zweitlinie präzisieren den Zulassungstext der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA), der keinen erneuten Nachweis einer HER2-Überexpression nach Trastuzumab in der Erstlinie fordert [1]. Was war der Grund dafür? Stahl: Bei ca. 60% der Magenkarzinome ist nach einer Chemotherapie und insbesondere nach der zielgerichteten Therapie mit Trastuzumab keine HER2-Überexpression mehr festzustellen. Damit ist die Anti-HER2-Therapie nicht mehr wirksam. Bisher haben wir keine Daten, dass T-DXd beim Magenkarzinom mit niedriger HER2-Expression (HER2 low) effektiv ist, so wie es beim Mammakarzinom der Fall ist. Deshalb sollte vor Start der Zweitlinientherapie eine Re-Biopsie zur erneuten Bestimmung des HER2-Status vorgenommen werden. Andernfalls sollte in der zweiten Linie die Kombination Ramucirumab plus Paclitaxel und T-DXd erst in der Drittlinie verabreicht werden. In der dritten Linie ist der Einsatz des Antikörper-Drug-Konjugats auch ohne erneute HER2-Testung möglich. Welche sonstigen Entwicklungen könnten in naher Zukunft in die Therapie des fortgeschrittenen Magenkarzinoms Einzug halten? Stahl: Beim Magenkarzinom – wie bei anderen Tumoren auch – wurden mittlerweile weitere therapeutisch angreifbare Targets identifiziert. Hierzu gehört die Überexpression von Claudin-18.2. Gegen dieses Protein wurde bereits ein Antikörper entwickelt und positiv geprüft, sodass eine Zulassung zu erwarten ist. Außerdem überexprimieren einige Magenkarzinome den FGFR2b (Fibroblast Growth Factor Receptor 2b). Hier steht mit Bemarituzumab ebenfalls bereits ein Antikörper zur Verfügung. Damit werden wir beim Magenkarzinom zukünftig über weitere zielgerichtete Optionen verfügen. Literatur https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/magenkarzinom/@@guideline/html/index.html (letzter Aufruf: 22.09.2023) https://www.krebsinformationsdienst.de/tumorarten/magenkrebs/index.php (letzter Aufruf: 29.09.2023) https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Krebsregisterdaten/krebs_node.html (letzter Aufruf: 22.09.2023) Cancer Genome Atlas Research Network, Nature 2014, 513:202–209 Janjigian YY et al., Nature 2021, 600:727–730 Janjigian YY et al., Lancet 2021, 398:27–40 Sama S et al., ASCO-GI 2023, Abstr. 313 Hall PS et al., JAMA Oncol 2021, 7:869–877 Fachinformation Cyramza®, aktueller Stand, www.lilly-pharma.de/cyramza Wilke H et al., Lancet Oncol 2014,15:1224–1235 Fuchs CS et al., Lancet 2014, 383:31–39 Van Cutsem E et al., Lancet Oncol 2023, 24:755–756 Fachinformation Die aktuelle Fachinformation finden Sie unter www.lilly-pharma.de/cyramza Impressum Fortgeschrittenes Magenkarzinom: Vorhandene Therapieoptionen für eine optimale Sequenztherapie nutzen Literaturarbeit und Interview Bericht: Dr. Katharina Arnheim, Freiburg i. Br. Beilage in „Die Onkologie“, Band 30, Heft 1, Januar 2024 „Die Gastroenterologie”, Band 18, Heft 6, Dezember 2023 Mit freundlicher Unterstützung der Lilly Deutschland GmbH, Bad Homburg v. d. H. Corporate Publishing (verantwortl. i. S. v. § 55 Abs. 2 RStV): Ulrike Hafner, Tiergartenstraße 17, 69121 Heidelberg Redaktion: Dr. Tobias Berenz Springer Medizin Verlag GmbH Heidelberger Platz 3 14197 Berlin Tel: 0800 7780 777 (kostenfrei) | +49 (0) 30 827 875 566 Fax: +49 (0) 30 827 875 570 E-Mail: kundenservice@springermedizin.de Die Springer Medizin Verlag GmbH ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Nature Geschäftsführung: Fabian Kaufmann, Dr. Cécile Mack, Dr. Hendrik Pugge Handelsregister Amtsgericht Berlin-Charlottenburg HRB 167094 B Umsatzsteueridentifikationsnummer: DE 230026696 © Springer Medizin Verlag GmbH Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. PDF-Download: Fortgeschrittenes Magenkarzinom - Vorhandene Therapieoptionen für eine optimale Sequenztherapie nutzen PP-RB-DE-1993

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