02.02.2024 | Fehlgeburt | Originalarbeit
Versorgung und Nachbetreuung von Aborten – Empfehlungen für Public-health-Maßnahmen
Qualitative Interviews zur Ermittlung des Bedarfs und möglicher Schnittstellenprobleme bei der Betreuung für Eltern nach einer sporadischen Fehlgeburt und rezidivierenden Aborten
verfasst von:
Sandra T. Gardecki, M.Sc. Public Health, Sophia L. Vogel-Adigozalov, M.Sc. Public Health
Erschienen in:
Prävention und Gesundheitsförderung
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Zusammenfassung
Hintergrund
Etwa 25 % aller Frauen im reproduktionsfähigen Alter erleben mindestens eine Fehlgeburt in ihrem Leben. Für betroffene Eltern kann ein Abort häufig unerkannte physische und psychische Auswirkungen zur Folge haben, weshalb eine adäquate Nachsorge entscheidend ist. Das Ziel dieser Forschungsarbeit ist es, im deutschen Gesundheitssystem mögliche Schnittstellenproblematiken in der Nachbetreuung herauszuarbeiten, Erfahrungen zu Nachsorgeangeboten zu erheben, individuelle Bedarfe zu ermitteln sowie Public-health-Maßnahmen für die Praxis zu generieren.
Methodik
Für die Bedarfsermittlung wurde eine qualitative Untersuchung mittels leitfadengestützter Telefon- oder Videointerviews mit 10 Frauen aus verschiedenen Regionen Deutschlands durchgeführt, die einen Abort oder mehrere Fehlgeburten erlitten haben. Diese wurden in Anlehnung an die qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring ausgewertet.
Ergebnisse
Fehlgebärende fordern unter Einbeziehung der Partnersicht einen empathischeren Umgang mit der Situation der Betroffenen im Rahmen der Nachsorge und ein interdisziplinäres Angebot im stationären und ambulanten Setting. Überwiegend werden Selbsthilfegruppen und niederschwellige Online-Nachsorgeangebote in Anspruch genommen. Ambulante Therapiegespräche wurden den Online-Therapieformen vorgezogen. Die Risikoberatung und -betreuung bei Folgeschwangerschaften durch Gynäkolog*innen und Kinderwunschkliniken wird überwiegend positiv bewertet. Weitere Bedarfe wie sektorenübergreifende Informationsgaben, die flächendeckende Ausweitung von speziellen Rückbildungskursen für verwaiste Mütter und der Zugang zu Rehakliniken sowie die Entstigmatisierung von Fehlgeburten wurden im Bereich der Nachsorge ermittelt.
Schlussfolgerung
Aus den analysierten Schnittstellenproblematiken und daraus abgeleiteten Bedarfen werden Ansätze für Public-health-Maßnahmen für die Praxis generiert. Diese Empfehlungen erfordern Optimierungen der Nachsorgestrategien, wie eine verstärkte medizinische Aufklärung und sektorenübergreifende Informationsvermittlung zu potenziellen Unterstützungsleistungen. Schulungen sowie Fortbildungen in den verschiedenen Berufsgruppen, ein sensiblerer Umgang seitens der Behörden sowie Verbesserungen der gesetzlich verankerten Kostenregelungen im deutschen Sozialversicherungsrecht sind notwendig. Zudem sind weitere Studien erforderlich, die neben den Perspektiven der Frauen auch die der Männer und der Leistungserbringenden erfassen.