Lange Zeit galt ein Prädiabetes als unproblematisch. Diese Einstellung ändert sich zunehmend. Und nun legt eine Studie nahe, dass bereits Diabetes-Vorstufen ein Risiko für kardiale Komplikationen bergen könnten.
Bereits ein Prädiabetes sollte aus kardiologischer Sicht erst genommen werden. Eine Analyse, deren Ergebnisse am 16. Mai beim Kongress der „American College of Cardiology“ (ACC) vorgestellt werden, legt nahe, dass das Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen bereits im Falle einer solchen Glukoseintoleranz deutlich ansteigt.
„Anstatt den Diabetes zu verhindern, sollten wir den Fokus verschieben und den Prädiabetes verhindern“, stellte Studienleiter Dr. Adrian Michel die Konsequenzen der aktuellen Ergebnisse vorab in einer Pressmitteilung der ACC heraus.
Im Rahmen der retrospektiven Analyse wurden 25.829 Patienten, die zwischen 2006 und 2020 im Gesundheitswesen des US-Bundesstaates Michigan behandelt worden sind, anhand von zwei zurückliegenden HbA1c-Werten in zwei Gruppen eingeteilt: Patienten mit Werten, die für einen Prädiabetes sprechen, und Patienten mit normalen HbA1c-Werten.
Wann ein Prädiabetes vorliegt
Laut der Amerikanischen Diabetes-Gesellschaft ADA ist bei HbA1c-Werten zwischen 5,7% bis 6,4%, einem Nüchternblutzucker zwischen 100–125 mg/dl oder bei Werten von 140–199 mg/dl in einem oralen Glukosetoleranztest von einem Prädiabetes auszugehen.
Innerhalb von fünf Jahren erlitten 18% der Patienten aus der Gruppe mit entsprechend auffälligen HbA1c-Werten einen Herzinfarkt, Schlaganfall oder ein anderes schweres kardiovaskuläres Ereignis. Im Vergleich dazu lag die Rate bei den Patienten mit normalem Blutzuckerwerten bei 11%. Selbst nach Adjustierung auf andere Einflussfaktoren sei der Zusammenhang zwischen Prädiabetes und kardiovaskulären Ereignissen signifikant geblieben, heißt es dazu in der ACC-Pressmitteilung.
Risiko fast verdoppelt
„Basierend auf unsere Daten zeigt sich, dass das Vorliegen eines Prädiabetes die Wahrscheinlichkeit für schwerwiegende kardiovaskuläre Komplikationen fast verdoppelt“, verdeutlicht Michel das Risiko für betroffene Patienten. Der Internist vom Beaumont Hospital-Royal Oak appelliert deshalb an Ärzte, sich mehr Zeit für die Aufklärung der Patienten zu nehmen, um ihnen das Risiko erhöhter Blutzuckerwerte darzulegen.
Etwas ernüchternd erscheint in diesem Kontext der Befund, dass selbst diejenigen Patienten, die es im weiteren Verlauf geschafft haben, ihren Blutzucker auf ein normales Level zu bringen, weiterhin ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko aufwiesen: Etwas mehr als jeder zehnte von ihnen erlitt ein kardiales Ereignis, von denen ohne Prädiabetes und Diabetes waren nur 6% betroffen. Michel schließt daraus, dass es am besten ist, einen Prädiabetes gar nicht erst entstehen zu lassen, ihn also von vornherein zu verhindern.
Trotz der beachtlichen Patientenzahl ist die aktuelle Analyse aufgrund ihres retrospektiven Designs in ihrer Aussagekraft limitiert. Störfaktoren könnten das Ergebnis beeinflusst haben, und damit ist die Studie kein Beweis dafür, dass der Prädiabetes alleinig und kausal für die Risikoerhöhung verantwortlich war.