Schon bei Diabetes-Vorstufen medikamentös einzugreifen, ist umstritten. Metformin scheint die Atherosklerose-Entstehung bei Prädiabetes-Patienten auf lange Sicht jedenfalls verzögern zu können, wie sich in einer Diabetespräventionsstudie andeutet. Bietet dies eine Möglichkeit zur KHK-Prävention.
Diabetiker haben ein deutlich erhöhtes Risiko, eine koronare Herzerkrankung zu entwickeln. Dieses Risiko lässt sich womöglich verringern, wenn bereits in einem frühen Stadium der Dysglykämie medikamentös eingegriffen wird. Hinweise für diese Möglichkeit der Prävention liefert eine große Diabetespräventionsstudie, in der Patienten mit einem Prädiabetes 14 Jahre lang nachverfolgt wurden.
Vom Zustand eines „Prädiabetes“ spricht man, wenn bereits erhöhte Nüchternblutzuckerwerte (100 –125 mg/dl [5,6 bis 6,9 mmol/l]) oder eine gestörte Glukosetoleranz vorliegen, die Werte aber noch nicht den Kriterien eines Diabetes entsprechen. Diese Patienten haben zwar ein erhöhtes Risiko, einen Diabetes mellitus zu entwickeln, doch das ist nicht zwangsläufig bei jedem der Fall.
Spätkomplikationen durch frühe Therapie vermeiden?
In Expertenkreisen wird deshalb diskutiert, ob man bereits in einem solchen frühen Stadium der Stoffwechselstörung medikamentös intervenieren sollte. Die Rationale dafür wäre allerdings überhaupt nur gegeben, wenn sich der Übergang vom „Prädiabetes“ zum Diabetes durch eine medikamentöse Therapie aufhalten bzw. verzögern lassen könnte und diabetesbedingte vaskuläre Komplikationen dadurch vermieden würden.
Dieser Fragestellung ist man im Rahmen des „Diabetes Prevention Program“ (DDP) nachgegangen. Über 3.000 nicht-diabetische Patienten mit gestörter Glukosetoleranz und erhöhtem Nüchternblutzucker erhielten randomisiert entweder Metformin, eine Lebensstilintervention (u. a. mit fettreduzierter Ernährung) oder Placebo. Nach dem 3,2-jährigen Studienverlauf konnte die Metformin-Therapie das Diabetesrisiko um 33% senken, die Lebenstilintervention erbrachte eine Risikoreduktion von 58%.
Nicht wenige Diabetologen teilen aufgrund dieser Ergebnisse die Ansicht, dass im Stadium eines Prädiabetes besser mit einer Lebensstiländerung statt mit einer medikamentösen Intervention begonnen werden sollte.
Metformin scheint vor Atherosklerose zu schützen…
Nun deuten die Ergebnisse einer Langzeitnachbeobachtung der DPP-Patienten an, dass Metformin neben dem Einfluss auf das Diabetesrisiko wohl auch die Entstehung der Atherosklerose bereits im frühen Stadium der Dysglykämie verzögern kann – zumindest bei Männern. Dass Metformin das KHK-Risiko von an Typ-2-Diabetes erkrankten Patienten positiv zu beeinflussen vermag, hat sich in früheren Untersuchungen bereits angedeutet.
Insgesamt konnte bei 2.029 Patienten im Rahmen der „Diabetes Prevention Program and its Outcome“-Studie (DPPOS) nach einer 14-jährigen Nachbeobachtung eine CT-Bestimmung des Koronarkalks vorgenommen werden.
…aber nur bei den Männern
Bei den männlichen Teilnehmern, die Metformin eingenommen haben, ließ sich hierbei signifikant seltener Koronarkalk nachweisen als bei denen, die Placebo oder eine Lebensstilintervention erhalten haben (75% vs. 84% bzw. 85%) – und zwar unabhängig davon, ob sie in dieser Zeit einen Diabetes entwickelt haben oder nicht (bei entsprechend 54%, 59% und 51% war dies der Fall). Auch das Ausmaß der Verkalkung war bei den Männern mit Metformin-Therapie geringer (altersadjustierter mittlerer Kalkscore: 39,5 vs. 66,9 bzw. 58,3 Agatston units [AU]).
Bei den Frauen waren entsprechende Effekte des Metformins nicht zu erkennen.
Metformin könne womöglich im Stadium des Prädiabetes und kurz nach Einsetzen der Stoffwechselstörung vor Atherosklerose schützen, resümieren die Studienautoren um Ronald Goldberg von dem George Washington University Biostatistics Center in Rockville.
Warum keine Effekte bei den Frauen?
Etwas merkwürdig ist allerdings, dass die Wirkung des oralen Antidiabetikums nur bei Männern zu greifen scheint. Goldberg und Kollegen versuchen die ausbleibenden Effekte bei den Frauen mit dem geringere Verkalkungsgrad der weiblichen Koronararterien zu erklären. Womöglich sei es deshalb schwieriger, Effekte des Metformins bei Frauen nachzuweisen.
Als weitere Ursache ziehen die Wissenschaftler hormonelle Interaktionen in Betracht. Man wisse aus früheren Untersuchungen, dass Metformin die Testosteron-Spiegel von Männern, nicht aber die von Frauen verringern kann.
Erwähnenswert ist allerdings, dass bei den Männern im Studienverlauf häufiger eine Statin-Therapie begonnen wurde als bei den Frauen. Einen möglichen Einfluss der Komedikation auf das Ergebnis können die Autoren deshalb nicht ausschließen.
Langfristige Metformin-Therapie zur KHK-Prävention?
Die Studie liefert somit zwar Hinweise, dass Metformin das kardiovaskuläre Risiko zu beeinflussen vermag, eine Kausalität kann sie aber nicht belegen. Menschen zu präventiven Zwecken bereits in einem Vorstadium des Diabetes mit Metformin zu behandeln, bleibt daher nur eine hypothetische Überlegung.
Aktuell wird in der Nationalen Versorgungs-Leitlinie zur Therapie des Typ-2-Diabetes bei Menschen mit gestörter Glukosetoleranz und abnormer Nüchternglukose geraten, lebensstilmodifizierende Maßnahmen zu initiieren. Die amerikanische Diabetesgesellschaft (ADA) geht hier schon weiter und zieht gerade für spezielle Risikogruppen (BMI >35 kg/m2, Alter <60 Jahre, Frauen mit aktuellem oder zurückliegendem Gestationsdiabetes) eine Metformin-Therapie bereits im Stadium des Prädiabetes in Betracht.