Bestimmte Krebsmedikamente wirken kardiotoxisch. Schon seit längerem wird darüber diskutiert, wie sich entsprechenden Komplikationen vorbeugen lässt. In einer Analyse haben sich Statine nun als Präventionsmöglichkeit ins Spiel gebracht.
Eine präventive Statingabe könnte eine Strategie sein, um Chemotherapie-bedingte Herzschäden zu vermeiden. In einer retrospektiven Analyse haben sich die Lipidsenker in dieser Indikation zumindest als potenzielle Therapiekandidaten qualifiziert.
In der Studie hatten Frauen, die vor einer Brustkrebsbehandlung mit Anthracyklinen Statine eingenommen hatten, signifikant weniger Herzinsuffizienz-Komplikationen entwickelt als Patientinnen mit derselben Krebsbehandlung, aber ohne vorherige Statinverordnung. Derselbe positive Effekt einer Statingabe zeigte sich auch bei Frauen, die aufgrund eines Mammakarzinoms mit Trastuzumab behandelt worden sind, wenngleich hier das Ergebnis die Signifikanz verfehlte.
Randomisierte Studie gefordert
„Diese Ergebnisse unterstützen die Planung einer randomisierten kontrollierten Studie mit Statinen zur Prävention einer Kardiotoxizität“, lautet das Resümee der Studienautoren um Prof. Husam Abdel-Qadir.
Aufgrund der fehlenden Randomisierung sind Aussagen zu klinischen Implikationen dieser Ergebnisse zum jetzigen Zeitpunkt zwar kaum möglich. Einen Schluss ziehen die Kardiologen von dem Women’s College Hospital in Toronto aber bereits jetzt: Wenn eine Indikation für eine begründete Statintherapie vorliegt, sollten Frauen, bei denen eine potenziell kardiotoxische Chemotherapie wegen einer frühen Brustkrebserkrankung begonnen wird, dazu angehalten werden, die Statine auch einzunehmen.
Bisher gibt es wenige Möglichkeiten der Prävention
Dass eine Behandlung mit Anthracyklinen ein erhebliches Risiko für myokardiale Schädigungen birgt, daran gibt es heute keine Zweifel. Auch zielgerichtete Therapeutika sind nicht frei von Nebenwirkungen, so treten unter dem monoklonalen Antikörper Trastuzumab häufig Herzinsuffizienz und linkventrikuläre Dysfunktionen auf.
Unsicherheit herrscht allerdings, wie man solchen Schäden vorbeugen kann? Klinische Studie mit potenziell kardioprotekiven Substanzen hätten moderate und widersprüchliche Ergebnisse hervorgebracht, erörtern die kanadischen Kardiologen die aktuelle Datenlage. Eine Ausnahme bildet ihren Angaben zufolge nur Dexrazoxan, dessen Einsatz allerdings auf Frauen mit fortgeschrittenen Mammakarzinomen limitiert ist.
Statine sind es zumindest wert, untersucht zu werden
Die aktuelle Analyse macht Hoffnung, dass sich eine Statingabe schon in früheren Brustkrebsstadien zur Vorbeugung einer Chemotherapie-bedingten Kardiotoxizität eignen könnte.
Berücksichtigt in der Studie wurden nämlich Frauen mit einer Neudiagnose einer frühen Brustkrebserkrankung in einem Alter von 66 Jahren oder älter, die im Ontario Krebsregister registriert waren. Mittels Propensity-Score-Matching bildeten die Wissenschaftler Paare aus Frauen, für die im Jahr zuvor mind. zwei Statinverordnungen dokumentiert worden sind, und Patientinnen ohne eine solche Statinexposition; im Falle von Anthracyklin wurden 2 × 666 Patientinnen, bei Trastuzumab 2 × 390 Frauen miteinander verglichen.
Weniger Krankenhauseinweisungen wegen Herzinsuffizienz
Von den Frauen, die Statine eingenommen hatten, mussten in den folgenden fünf Jahren nach Beginn der Anthracyklin-Behandlung 1,2% in ein Krankenhaus wegen einer Herzinsuffizienz eingewiesen werden. Die kumulative Inzidenz bei Patientinnen ohne vorherige Statintherapie lag bei 2,7%. Damit ging eine Statinexposition mit einem um 55% relativ geringem Risiko für Herzinsuffizienz-Hospitalisierungen einher (Hazard Ratio, HR: 0,45; p=0,01).
Im Falle der mit Trastuzumab behandelten Frauen lag die Inzidenz für herzinsuffizienzbedingte Klinikeinweisungen bei 2,7% mit Statinexposition versus 3,7% ohne vorherige Lipidsenkertherapie. Eine Statinverordnung ging damit ebenfalls tendenziell mit einem geringeren Risiko einher, das Ergebnis erreichte allerdings keine statistische Signifikanz (HR: 0,46; p=0,07).
Kausale Wirkung aktuell noch fraglich
Selbstverständlich lässt sich aus diesen Ergebnissen aufgrund des retrospektiven Designs und der fehlenden Randomisierung keine Kausalität ableiten. Bisher handelt es sich nur um Assoziationen. Ob also eine gezielt, vor einer Chemotherapie begonnene Statintherapie kardiotoxische Schäden verhindern kann, ist aktuell noch fraglich und lässt sich nur durch eine randomisierte Studie beweisen.
Die Kardiologen um Abdel-Qadir jedenfalls halten eine Schutzwirkung durch Statine mechanistisch für plausibel. Statine hätten das Potenzial, einer durch Krebsmedikamente getriggerten Produktion reaktiver Sauerstoffspezies entgegenzuwirken und das Überleben von Kardiomyozyten zu fördern, erläutern sie eine mögliche Wirkungsweise. Der Mechanismus scheint dabei unabhängig von den lipidsenkenden Effekten zu sein. In der statistischen Analyse wurde nämlich auf die Höhe des LDL-Cholesterins adjustiert, und Patientinnen, die im Laufe der Zeit einen akuten Herzinfarkt erlitten haben, wurden nicht berücksichtigt.