Schleifendiuretika gelten bei Herzinsuffizienz als unverzichtbare Option zur Bekämpfung von Symptomen einer Flüssigkeitsretention. Erstmals deutet nun eine Studie an, dass ihr Nutzen über die symptomverbessernde Wirksamkeit hinausgehen könnte.
Das Arsenal der Therapeutika zur Behandlung einer Herzinsuffizienz (speziell bei HFrEF, Heart Failure with reduced Ejection Fraction) ist reich an evidenzbasierten Therapieoptionen, die in randomisierten kontrollierten Studien ihre prognoseverbessernde Wirksamkeit unter Beweis gestellt haben. Eine Ausnahme sind Schleifendiuretika wie Furosemid. Zwar sind sie seit mehr als einem halben Jahrhundert ein wichtiger Bestandteil der symptomatischen Herzinsuffizienz-Therapie, jedoch ist ihr Einfluss etwa auf Klinikeinweisungen und Mortalität nie in einer großen randomisierten Endpunktstudie untersucht worden.
Weniger Rehospitalisierungen und Todesfälle
Jetzt legen US-Forscher erstmals eine Studie vor, in der sie mögliche Wirkungen von Schleifendiuretika auf klinische Ereignisse einschließlich Todesfälle zwar nicht in einem randomisiertem Design, zumindest aber per Vergleich „gematchter“ Patientengruppen ergründen wollten. Sie kommen dabei zu einem positiven Ergebnis: Hospitalisierte ältere Patienten mit Herzinsuffizienz, die zum Zeitpunkt der Klinikentlassung ein Schleifendiuretikum erhielten, hatten im Vergleich zu Patienten ohne entsprechende Therapie ein deutlich niedrigeres Risiko, im ersten Monat nach Entlassung erneut wegen Herzinsuffizienz-Beschwerden stationär aufgenommen werden zu müssen. Auch war ihr Sterberisiko in dieser Zeit signifikant geringer.
US-Forscher um Dr. Ali Ahmed und Dr. Charles Faselis vom VA Medical Center in Washington, DC, haben für ihre Studie auf Daten aus dem OPTIMIZE-HF (Organized Program to Initiate Lifesaving Treatment in Hospitalized Patients with Heart Failure)-Register zurückgegriffen. Von den daran beteiligten 25.345 Patienten, die alle wegen dekompensierter Herzinsuffizienz in Kliniken behandelt werden mussten, hatten 9.866 (39%) vor der Klinikeinweisung keine Diuretika erhalten. Nach Ausschluss von 1.083 Patienten (wegen Dialyse-Therapie) sowie 847 Patienten (wegen Verordnung von Thiazid-Diuretika) blieben 7.936 Patienten übrig, von denen 5,568 (70%) bei der Klinikentlassung auf ein Schleifendiuretikum eingestellt waren.
30-Tage-Mortalität um 27% niedriger
Mithilfe von Propensity Scores für die Wahrscheinlichkeit, ein Schleifendiuretikum verordnet zu bekommen, generierten die US-Forscher zwei gematchte Gruppen mit jeweils 2,191 Patienten, von denen die eine Schleifendiuretika erhalten hatte, die andere jedoch nicht. Bezüglich 74 Baseline-Charakteristika sollte so eine balancierte Merkmalsverteilung zwischen beiden Gruppen sichergestellt werden. Das Durchschnittsalter der insgesamt 4382 Patienten, davon 54% Frauen, betrug 78 Jahre.
Das sind die Ergebnisse:
- Nach 30 Tage betrugen die Raten für die Gesamtmortalität 4,9% vs. 6,6% (107 vs. 144 Todesfälle) in der Gruppe mit versus ohne Schleifendiuretika als Entlassungsmedikation. Die Therapie mit Schleifendiuretika war demnach mit einer signifikanten relativen Risikoreduktion um 27% assoziiert (Hazard Ratio: 0,73; 95% Konfidenzintervall: 0,57 – 0,94; p = 0,016).
- Eine niedrigere 30-Tages-Rate für die Gesamtmortalität im Fall einer Schleifendiuretika-Therapie wurde sowohl bei Patienten mit HFrEF (5,7% vs. 6,6%; HR: 0,78; 95% KI: 0,56 -1.09; p = 0,147) als auch bei Patienten mit Herzinsuffizienz und erhaltener Auswurffraktion (HFpEF: Heart Failure with preserved Ejection Fraction) festgestellt (4,1% vs. 5,9%; HR: 0,68; 95% KI: 0,46 – 0,99; p = 0,043) festgestellt (p-Wert für Interaktion = 0,582).
- Die 30-Tages-Raten für frühe Rehospitalisierungen wegen Herzinsuffizienz betrugen 6,2% (135 Patienten) und 7,7% (168 Patienten) – ein signifikanter relativer Unterschied um 21% zugunsten der Schleifendiuretika-Therapie (HR: 0,79; 95% KI: 0,63 - 0,99; p = 0,037).
- Die 30-Tages-Raten für den kombinierten Endpunkt aus Gesamtmortalität plus Klinikeinweisungen wegen Herzinsuffizienz betrugen 11% (233 Patienten) vs. 14% (299 Patienten). Bezüglich dieses Endpunktes war die Schleifendiuretika-Therapie mit einer signifikanten relativen Risikoreduktion um 24% assoziiert (0,76; 95% KI: 0,64 – 0,91; p = 0,002).
- Bezüglich der Gesamtrate aller – inklusive nicht kardiovaskulär bedingter – Re-Hospitalisierungen in den ersten 30 Tagen nach Klinikentlassung bestand kein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen mit und ohne Schleifendiuretika-Therapie (HR: 0,89; 95% KI: 0,79 – 1,01; p = 0,081).
Zum Zeitpunkt nach 60 Tagen war allerdings von den genannten Assoziationen keine mehr statistisch signifikant. Gleichwohl gehen die Autoren um Ahmed und Faselis davon aus, dass ihre Studie die erste ist, in der zumindest für einen 30-Tage-Zeitraum eine Assoziation von Schleifendiuretika mit einem günstigeren klinischen Verlauf bezüglich Wiedereinweisungen und Mortalität beschrieben worden ist. Die Ergebnisse legten nahe, dass der Nutzen dieser Therapeutika bei Herzinsuffizienz über eine Symptomverbesserung hinausgehe.
Was folgt für die Praxis?
Die „sorgfältige“ Studie der Gruppe um Ahmed und Faselis könne von „großem Wert“ sein, betonen Dr. Zachary L. Cox und Dr. Lynne Warner Stevenson, beide von der Vanderbilt University in Nashville, in einem Begleitkommentar. Denn sie rege dazu an, die Empfehlungen zur Diuretika-Therapie bei Herzinsuffizienz zu überdenken. So könnte der Evidenzgrad (level of evidence) für diese Therapie in den US-Leitlinien von derzeit C auf B angehoben und damit dem in den europäischen Herzinsuffizienz-Leitlinien attestierten Evidenzgrad angepasst werden. Auch lasse sich die Rationale für diese Therapie möglicherweise um einen über die reine Symptomverbesserung hinausgehenden Nutzen erweitern.,
Anstoß für neue Empfehlungen zur Diuretika-Therapie?
Noch wichtiger sei, dass die Studie einen „Anstoß“ liefere für neue Empfehlungen zur Diuretika-Therapie bei Patienten, die zwar eine Flüssigkeitsretention in der Vorgeschichte ausweisen, derzeit aber als „stabil“ angesehen werden. Hier sei zu überlegen, ob die antidiuretische Therapie auch nach Abklingen der Stauungszeichen dauerhaft etwa mit dem Ziel einer „Reduktion von Klinikeinweisungen“ fortgeführt werden sollte.
Cox und Stevenson nehmen die Studie auch zum Anlass, kritische Überlegungen zur Notwendigkeit von randomisierten placebokontrollierten Stunden bezüglich des Nutzen einer Diuretika-Therapie bei Herzinsuffizienz anzustellen. Nach ihrer Ansicht wird es immer Interventionen geben, die sich wegen ihres fraglosen Nutzens nicht im Vergleich mit Placebo testen lassen. Beide Experten sehen eine gewisse Analogie zwischen symptomverbessernden Diuretika und Fallschirmen, für die es ebenfalls aus verständlichen Gründen keine randomisierten Studien gebe.
Das bedeute aber nicht, dass Diuretika für alle Zeiten als „notwendiges Übel“ der Herzinsuffizienz-Therapie Bestand haben müssen. Cox und Stevenson erinnern daran, dass Herzinsuffizienz-Therapien wie ACE-Hemmer oder AT1-Blocker, Betablocker, Sacubitril/Valsartan sowie neuerdings SGLT2-Blocker ebenfalls einer Flüssigkeitsretention entgegen wirken und so Klinikeinweisungen wegen sich verschlechternder Herzinsuffizienz reduzieren können. Welche Bedeutung Diuretika im Kontext einer darauf gestützten modernen Herzinsuffizienz noch haben, müssten entsprechende Studien zeigen.