Wann sollte man Patienten mit einer schweren, aber asymptomatischen Aortenstenose operieren? Diese Frage wird noch immer kontrovers diskutiert. Ein spezieller Echoparameter könnte den entscheidenden Hinweis liefern.
Eine schwere Aortenklappenstenose, die keine Beschwerden verursacht, sollte man laut Leitlinien erst dann operieren, wenn die linksventrikuläre Auswurffraktion (LVEF) unter 50% beträgt. Doch es gibt immer mehr Hinweise, dass selbst Patienten mit einer normalen LVEF häufig eine ungünstige Prognose haben, die LVEF also nicht sensitiv genug ist, um den geeigneten Operationszeitpunkt zu definieren.
Sensitiverer Marker als LVEF?
Eine bessere Entscheidungsgrundlage könnte der sog. „Global Longitudinal Strain“ (GLS) liefern. Der GLS ist ein mittels „Speckle Tracking“ gemessener Echoparameter, der die Kontraktionsfähigkeit des linken Ventrikels widerspiegelt, also wie gut sich dieser während der Systole verkürzen kann. Über eine solche Deformationsanalyse können beginnenden Kontraktionsstörungen des linken Ventrikels früher aufgespürt werden als mit der Bestimmung der LVEF: Je negativer der Strain, desto besser die Funktion und umgekehrt.
Dr. Mara Vollema und Kollegen haben die Aussagekraft dieses Echoparameters nun an 220 Patienten mit schwerer asymptomatischer Aortenstenose, aber noch erhaltener LVEF (> 50%) untersucht. Eine schwere Aortenklappenstenose war definiert als Aortenklappenfläche von < 0,6 cm²/m² und/oder mittleren Aortenklappengradienten von ≥ 40 mmHg und/oder einer maximalen Flussgeschwindigkeit über der Klappe von ≥4 m/s.
Hinweis für beginnende Verschlechterung der Ventrikelfunktion
Trotz ihrer Beschwerdefreiheit und einer normalen LVEF wiesen diese Patienten im Mittel einen deutlich schlechteren Strain auf als gleichaltrige Kontrollpersonen (–17,9% vs. –19,6%). Innerhalb der nächsten 12 Monate verschlechterte sich dieser weiter – obwohl sich die LVEF kaum veränderte.
Und jene Patienten, deren Strain zu Studienbeginn deutliche Einschränkungen aufwies (> –18,2%), entwickelten im Verlauf der nächsten zwei bzw. fünf Jahre eher Beschwerden (59% vs. 45% bzw. 91% vs. 79%) oder erhielten einen Klappeneingriff (66% vs. 57% bzw. 96% vs. 82%). Wohlgemerkt wurden diese Daten von 3 verschiedenen Zentren retrospektiv ausgewertet.
Aber: Grenzwerte fehlen
Man könne in Versuchung kommen, daraus zu schließen, dass bei Patienten mit asymptomatischer Aortenstenose und reduziertem Strain ein früher Klappeneingriff erwogen werden sollten, kommentierte Prof. James Thomas die aktuellen Ergebnisse.
Doch der Kardiologe warnt vor überstürzten Schlussfolgerungen. Zum einen beweise diese Studie nicht, dass ein reduzierter Strain mit einer schlechteren Prognose einhergehe (und damit eine frühe Intervention evtl. bessere Ergebnisse erzielt), wobei das Follow-up wahrscheinlich auch zu kurz sei, um das zu zeigen. Zum anderen merkt der Kardiologe kritisch an, dass aktuell nicht genau definiert ist, welcher Strain-Wert überhaupt „normal“ ist und im Rückkehrschluss was als pathologisch gewertet werden kann. Erschwert wird die Festlegung solcher Grenzwerte durch Software-bedingte Abweichungen bei den Messwerten.
So hatten Patienten in dieser Analyse im Schnitt einen deutlich besseren Strain, als er für ein ähnliches Kollektiv in früheren Studien gemessen wurde (–15 bis –16,6%). Die Studienautoren weisen aber darauf hin, dass es sich bei ihren Studienteilnehmern um ein Niedrigrisikokollektiv gehandelt hat, deren Erkrankung sich in einem frühen Stadium befand und die Patienten vergleichsweise jung waren.