Übergewicht und Fettleibigkeit begünstigen Vorhofflimmern. Doch welche strukturellen und elektrophysiologischen Veränderungen im Vorhofmyokard müssen passieren, damit zu viel Fett das Herz aus dem Takt bringt? Australische Forscher haben genauer nachgeschaut. Ihr Versuchslabor war ein Schafstall.
Ein Übermaß an Körperfett geht mit einem erhöhten Risiko für Vorhofflimmern einher. Diese Assoziation ist in epidemiologischen Studien wiederholt beobachtet worden.
Gewichtsreduktion scheint umgekehrt protektiv zu wirken. Beim Kongress des American College of Cardiology im Frühjahr 2015 beeindruckte eine Forschergruppe um Dr. Rajeev Pathak von der Universität Adelaide mit der LEGACY-Studie. Ihre Ergebnisse belegen eine klare „Dosis-Wirkung“-Beziehung zwischen Gewichtsreduktion und der Arrhythmie-Last infolge Vorhofflimmern.
Risikomarker oder Risikofaktor?
Die epidemiologische Assoziation verrät aber nicht, ob Fettleibigkeit nur ein Risikomarker oder ein Risikofaktor für Vorhofflimmern ist. Übergewicht geht bekanntlich mit weiteren Störungen wie Schlafapnoe, Bluthochdruck und Typ-2-Diabetes einher, die selbst atriale Veränderungen als Substrat für elektrophysiologische Störungen hervorrufen können. Möglicherweise trägt Fettleibigkeit aber auch über spezifische Mechanismen direkt zur Entstehung von Vorhofflimmern bei.
Eine australische Forschergruppe um Dr. Prashanthan Sanders aus Adelaid ist der Sache in einer Studie auf den Grund gegangen – nicht bei beleibten Menschen, sondern bei adipösen Schafen als Modell. Sanders und seine Kollegen glauben, dadurch Effekte von „Störfaktoren“ wie Schlafapnoe und Diabetes ausschalten und so dem genuinen Einfluss der Adipositas besser auf die Spur kommen zu können. Dem renommierten kardiologischen Fachjournal „JACC“ war die Studie immerhin eine Spitzenplatzierung in der Ausgabe vom 7. Juli 2015 wert.
Herzforschung im Schafstall
Zehn Schafe durften sich bei diesem Experiment 36 Wochen lang durch ungezügeltes Fressen von angereichertem hochkalorischem Futter ein beträchtliches Fettpolster zulegen. Die so erzielte Adipositas wurde dann für weitere 36 Wochen aufrechterhalten. Bei zehn weiteren Schafen wurde dagegen beim Futter und Gewicht stets auf Normalmaß geachtet. Normalgewichtige Schafe wogen im Schnitt 60 kg (davon 9 kg Körperfett), adipöse Schafe dagegen 100 kg (davon 35 kg Körperfett).
Um mögliche adipositasassoziierte Veränderungen im Vorhof aufzudecken, wurden bei den Versuchstieren beider Gruppen alle herzdiagnostischen Register gezogen, einschließlich elektrophysiologisches und elektroanatomisches (CARTO-) Mapping, hämodynamische Untersuchung und kardiale Bildgebung (Herz-Echo) sowie histologische und molekulare Gewebeanalysen.
Hämodynamisch wiesen adipöse Tiere im Vergleich signifikant erhöhte pulmonalarterielle und rechts- sowie linksatriale Drücke auf. Auch der systemische Blutdruck war erhöht. Dem entspricht, dass auch die rechts- und linksatrialen Volumina signifikant vergrößert waren.
Erhöhte Anfälligkeit für Vorhofflimmern
Die an sieben Stellen im Vorhof gemessenen atrialen effektiven Refraktärperioden (ERP) unterschieden sich nicht. Allerdings waren eine signifikante Verlangsamung und Heterogenität der Leitungsgeschwindigkeit bei den fetten Schafen zu beobachten. Bei ihnen fand sich zudem eine Zunahme von sogenannten komplexen fraktionierten atrialen Elektrogrammen (CFAE) als Hinweis auf eine veränderte elektrische Aktivität.
Das Vorhofmyokard dieser Tiere wies darüber hinaus einen erhöhten Grad an diffuser Fibrosierung auf - eine Veränderung, die möglicherweise in Zusammenhang mit einer ebenfalls deutlich erhöhten atrialen Expression des Peptids TGF-beta-1 (Transforming Growth Factor beta 1) steht.
Als Resultat dieser hämodynamischen, strukturellen und elektrophysiologischen Veränderungen stellten die Forscher bei der elektrophysiologischen Untersuchung auch eine erhöhte Anfälligkeit (vulnerability) adipöser Tiere für Vorhofflimmern fest.
Atriale Fettinfiltration als spezifisches Substrat
Einen Befund heben Sanders und seine Kollegen besonders hervor, da sich darin ein spezifisches Substrat für durch Adipositas bedingtes Vorhofflimmern widerspiegeln könnte. Festgestellt wurde bei den fetten Tieren nämlich auch eine Infiltration von Fett aus epikardialen Fettdepots in das atriale Myokardgewebe. Erleichtert wird diese Infiltration durch das Fehlen einer faszialen Barriere.
Diese Fettinfiltration spielte sich vor allem an der Hinterwand des linken Vorhofs nahe der Einmündung der Pulmonalvenen ab. Die australischen Forscher vermuten, dass es dadurch in diesem Bereich zu atrialen Leitungsstörungen kommen kann.