Bei Patienten, bei denen Symptome und erhöhte NT-proBNP-Werte den Verdacht auf eine Herzinsuffizienz nähren, vergeht bis zur formellen Diagnose oft zu viel Zeit. Mit der Verzögerung geht ein hohes Risiko für Hospitalisierungen und Mortalität einher, zeigt eine neue Studie.
Bei Patientinnen und Patienten mit unspezifischen Symptomen wie Dyspnoe oder periphere Ödeme können erhöhte Messwerte für den kardialen Biomarker NT-proBNP den Verdacht auf eine neu aufgetretene („de novo“) Herzinsuffizienz als mögliche Ursache lenken. Zur definitiven Diagnosesicherung bedarf es dann möglichst schnell einer Echokardiografie bzw. Abklärung durch Spezialisten, um gegebenenfalls frühzeitig eine adäquate Therapie einleiten zu können.
Knapp 6.000 Personen mit Verdacht auf Herzinsuffizienz analysiert
Doch viel zu häufig verzögern sich Echokardiografie und Diagnosestellung – und damit auch die potenziell lebensrettende Behandlung der einem hohen kardiovaskulären Risiko unterliegenden Patienten. Dies belegen Daten die REVOLUTION-HF-Studie, die Dr. Lisa Anderson, St George’s Healthcare NHS Trust, London, beim Kongress Heart Failure 2024 in Lissabon präsentiert hat.
Nach den Ergebnissen der auf schwedischen Registerdaten basierten Studie ist nur bei weniger als einem Drittel aller Patienten mit Verdacht auf De-novo-Herzinsuffizienz innerhalb eines Jahres die formelle Herzinsuffizienz-Diagnose auch tatsächlich gestellt worden. Das sei „wirklich sehr enttäuschend“, bedauerte Anderson. Über neue Wege einer frühzeitigen Behandlung von Risikopatienten mit Verdacht auf Herzinsuffizienz müsse deshalb nachgedacht werden.
Für die Studie haben Anderson und ihr Team zwischen 2015 und 2020 erfasste Daten von 5.943 Patientinnen und Patienten (mittleres Alter 77 Jahre, 51% Frauen) aus schwedischen Registern herangezogen, die in ambulanten Zentren (Allgemeinpraxen, spezialisierte Zentren) mit Zeichen (periphere Ödeme) und/oder Symptomen (Dyspnoe) einer Herzinsuffizienz vorstellig wurden. Bei allen war dann sehr schnell auch ein erhöhter NT-proBNP-Spiegel (> 300 ng/l) festgestellt worden. Es bestand somit begründeter Verdacht auf eine Herzinsuffizienz.
Diagnoserate stieg innerhalb eines Jahres nur sehr langsam
Trotz rasch verfügbarer NT-proBNP-Werte vergingen bis zu einer in Registern dokumentierten kardialen Echo-Untersuchung im Schnitt 40 Tage. Nach einem Jahr lag nur bei 29% aller Patienten mit Verdacht auf Herzinsuffizienz auch tatsächlich eine formelle Diagnose vor. Und selbst bei Risikopatienten mit beunruhigend hohen NT-proBNP-Werten von > 2,000 ng/l erhöhte sich die Diagnoserate im Jahresverlauf nur sehr langsam, berichtete Anderson.
Auch therapeutisch tat sich nicht viel. Zwar vervierfachte sich prompt die Verordnung von Diuretika, was sehr dafür spricht, dass viele behandelnde Ärztinnen und Ärzte wohl von einer bestehenden Herzinsuffizienz ausgingen. Im Hinblick auf prognoseverbessernde Therapien (Betablocker, RAS-Blocker, Mineralkortikoidrezeptor-Antagonisten) war jedoch innerhalb eines Jahres nur ein minimaler Anstieg bei den Verordnungen zu verzeichnen.
Hohes Risiko bei unbehandelter Herzinsuffizienz
Welche Risiken damit für Patienten mit Verdacht auf Herzinsuffizienz verbunden sind, verdeutlicht ein von Anderson und ihrem Team vorgenommener Vergleich mit einer „gematchten“ Gruppe von ambulanten Patienten (n=2.048), bei denen kein entsprechender Verdacht bestand. Dieser Vergleich ergab deutliche Unterschiede bezüglich Hospitalisierungsrate und Mortalität. So betrug die Inzidenzrate für Hospitalisierungen wegen Herzinsuffizienz in der Gruppe mit Herzinsuffizienz-Verdacht 16,5% pro Jahr, im Vergleich zu 2,2% in der „gemachten“ Kontrollgruppe. Die Mortalität in der Gruppe mit Verdacht auf Herzinsuffizienz lag bei 10,3% pro Jahr, im Vergleich zu 6,5% in der Kontrollgruppe. Einige Hochrisikopatienten mit NT-proBNP-Werten von > 2,000 ng/l hätten bereits innerhalb weniger Tage nach der Verdachtsdiagnose stationär versorgt werden müssen, so Anderson. Dies zeige klar, welche Risiken mit einer unbehandelten Herzinsuffizienz einhergingen.
Plädoyer für verbessertes Therapiemanagement
Angesichts dieser Ergebnisse müsse nun verstärkt darüber nachgedacht werden, wie das therapeutische Management in der oft großen Zeitlücke, die zwischen Herzinsuffizienz-Verdacht einerseits und der formellen Diagnosesicherung andererseits besteht, verbessert werden kann, um das hohe Hospitalisierungs- und Sterberisiko der Patientinnen und Patienten zu reduzieren, forderte Anderson. Sie sprach sich für einen pragmatischen „NT-proBNP rule-in“-Ansatz“ in der Herzinsuffizienz-Diagnostik aus, bei dem sich die Notwendigkeit erübrigt, auf eine Phänotypisierung der Herzinsuffizienz durch Echokardiografie warten zu müssen.
basierend auf: Kongress Heart Failure 2024 der European Society of Cardiology (ESC), Lissabon, 11. – 14. Mai 2024