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22.02.2023 | Herzerkrankungen, Kinderwunsch und Schwangerschaft | Nachrichten

Hohes Präeklampsie-Risiko: Wie lange sollte ASS gegeben werden?

verfasst von: Veronika Schlimpert

Derzeit gibt es keine klaren Empfehlungen, wie lange eine Behandlung mit ASS bei schwangeren Frauen mit hohem Präeklampsie-Risiko fortgesetzt werden sollten. Eine randomisierte Studie hat nun zwei Strategien miteinander verglichen, und kommt zu einem unerwarteten Ergebnis.

Für schwangere Frauen mit einem erhöhten Präeklampsie-Risiko wird eine Behandlung mit ASS empfohlen, um das Risiko für die Entwicklung lebensbedrohlicher Schwangerschaftskomplikationen zu schmälern. Am effektivsten ist die Plättchenhemmer-Therapie, wenn sie zwischen der Schwangerschaftswoche (SSW) 11 (11+0), und SSW 16 (16 + 6), begonnen wird.

Bisher gibt es keine eindeutigen Empfehlungen

Doch wann sollte die Prophylaxe beendet werden? Eine Frage, auf die es mangels Daten derzeit keine eindeutige Antwort gibt: Sollte sie bis kurz vor der Geburt, also bis zur 36. Woche gegeben werden, oder kann sie schon früher abgesetzt werden? Argumente gibt es theoretisch für beide Strategien: Die kürzere Therapievariante könnte das Risiko für spätere Schwangerschaftskomplikationen steigern. Die fortgeführte ASS-Therapie wiederum birgt ggf. ein Risiko für Blutungen während der Geburt.

Randomisierte Studie mit 968 Schwangeren

Ob bzw. welche der Annahmen am Ende zutreffen, sollte in der randomisierten offenen Phase III-Studie StopPRE geprüft werden. In 9 spanischen Geburtskliniken wurden 968 schwangere Frauen, die wegen eines hohen Präeklampsie-Risikos im ersten Trimester-Screening mit ASS (150 mg/Tag) behandelt wurden (begonnen vor SSW 16 + 6), rekrutiert. Ein hohes Präeklampsie-Risiko wurde nach einem bestimmten Algorithmus festgelegt (unter Berücksichtigung demografischer Faktoren [Alter], zurückliegender Schwangerschaften, dem arteriellen Blutdruck, mütterlicher Risikofaktoren [z.B. Diabetes und Übergewicht], auffälliger Dopplersonografie). Voraussetzung für die Studienteilnahme war ein in der SSW 24–28 gemessener normaler „soluble fms-like tyrosine kinase–1” zu „placental growth factor“ (sFlt-1:PlGF)-Quotient (≤ 38), als Marker für ein zu diesem Zeitpunkt nicht mehr vorhandenes Präeklampsie-Risiko.

Nichtunterlegenheit belegt

936 Frauen wurden letztlich 1:1 randomisiert und analysiert: Bei 473 wurde die ASS-Therapie zwischen SSW 24 (24+0) und SSW 27 (27+6) abgesetzt (Interventionsgruppe), 463 Probandinnen erhielten die Behandlung bis zur 36. Schwangerschaftswoche. Die Studie war auf Nichtunterlegenheit ausgelegt.

Und dieses Ziel wurde erreicht: So kam es in der Interventionsgruppe in 1,48% der Fälle zu einer Präeklampsie vor der Geburt (˂ SSW 37), in der Kontrollgruppe trat dieser primäre Endpunkt bei 1,73% der Frauen auf (absolute Differenz – 0,25%, Grenze für Nichtunterlegenheit: ∆ 1,9%).

Mehr späte Komplikationen bei fortgeführter ASS-Therapie

Auch die Rate von unerwünschten Komplikationen in der SSW 37 oder danach unterschied sich nicht signifikant zwischen beiden Gruppen (13,3% vs. 18,5%). Dieses Ergebnis hat die Autoren der Studie um Dr. Manel Mendoza besonders überraschend: „Das unerwartetste Ergebnis der Studie war die höhere Inzidenz von Schwangerschaftskomplikationen in der 37. Schwangerschaftswoche oder später in der Kontrollgruppe“, schreiben die spanischen Gynäkologinnen und Gynäkologen in der Publikation. Wie Mendoza und Kollegen ausführen, hätte man eigentlich von einer höheren Rate an Geburts-Präeklampsien in der Interventionsgruppe ausgehen müssen, und nicht vom Gegenteil. Denn es werde angenommen, dass ASS das Eintreten einer Präeklampsie verzögere, erläutern sie, und dadurch eine „preterm"-Präeklampsie, zu der es ohne Behandlung gekommen wäre, in eine „term“-Präeklampsie überführe.

Wie ist dieses vermeintlich widersprüchliche Ergebnis zu erklären? Womöglich sei ASS in der zweiten Schwangerschaftshälfte bei Schwangeren, die nicht mehr einem erhöhten Präeklampsie-Risiko ausgesetzt sind, sogar schädlich, lautet eine Vermutung der Autoren. Das sei aber eine Hypothese, die durch die aktuellen Ergebnisse nicht bestätigt werden könnte, geben sie einschränkend zu bedenken.  

Fortsetzung von ASS nicht bei allen Betroffenen notwendig

Weniger überraschend war das Studienergebnis, dass das frühere Absetzen von ASS eine signifikante Reduktion von weniger schwerwiegenden Blutungskomplikationen bewirkt hat (7,6% vs. 12,3%). Wobei sich die Häufigkeit schwerwiegender, selten vorkommender Blutungsereignisse zwischen beiden Gruppen nicht unterschied. Die Studie war aber auch nicht dafür gepowert, entsprechende Unterschiede aufzuzeigen.  

Trotz dieser Limitation halten es die Studienautoren angesichts der Ergebnisse für unnötig, eine Aspirin-Behandlung bei allen Schwangeren mit anfänglich erhöhtem Präeklampsie-Risiko bis zur SSW 36 fortzusetzten. Die Therapie solle auf Schwangere beschränkt werden, die einem unmittelbar hohen Risiko für eine Präeklampsie ausgesetzt sind, und die sollte so kurz wie möglich erfolgen, lautet ihre Empfehlung.

Die Autoren betonen aber die Notwendigkeit weiterer Studien, um unterschiedliche Therapiestrategien (ASS-Dosen und Dauer) in dieser Indikation zu untersuchen. Die WHO empfiehlt beispielsweise ASS 75 mg/Tag und nicht, wie in der Studie eingesetzt, 150 mg/Tag (zur optimalen Dosis gibt es bisher ebenfalls keine Evidenz).

Literatur

Mendoza M et al. Aspirin Discontinuation at 24 to 28 Weeks’ Gestation in Pregnancies at High Risk of Preterm Preeclampsia: A Randomized Clinical Trial. JAMA. 2023;329(7):542–550. doi:10.1001/jama.2023.0691

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