In der dermatologischen Praxis über empfindliche Haut sprechen

Die Prävalenz des Sensitive Skin Syndrome (SSS) ist hoch und die Symptomlast oft erheblich. Um die Anzeichen und Symptome empfindlicher Haut nachhaltig zu vermindern, ist eine konsequente medizinische Basispflege und die Meidung von Trigger-Faktoren erforderlich. Behandelnde können in der dermatologischen Sprechstunde Produkte mit Wirkstoffkombinationen empfehlen, die eine nachgewiesene Wirkung haben und schnell Linderung verschaffen. Hierzu zählt der Wirkstoff-Komplex aus Niacinamid, Panthenol und Glycerin (NPG). Etwa 60–70% der Frauen und 50–60% der Männer haben Erfahrungen mit dem SSS [1, 2]. Kennzeichnend hierfür sind eine geschwächte Hautbarriere, die Neigung zu Irritationen (Juckreiz, Brennen, Stechen, Kribbeln und Schmerz), ein Spannungsgefühl sowie trockene und raue Hautareale. Getriggert wird das SSS durch allgegenwärtige Reize wie Hitze, Kälte, Wind, UV-Strahlung, Seifen/Reinigungsmittel, Kosmetika und Parfümstoffe/ätherische Öle, die bei normalem Hautzustand nicht zu diesen Reaktionen führen (Kasten) [3–5]. Übersteigerte Reaktionen empfindlicher Haut besser verstehen Die fünf Anzeichen empfindlicher Haut (geschwächte Hautbarriere, Irritationen, Spannungsgefühl, Trockenheit, Rauigkeit) gehen mit morphologischen Veränderungen der Haut einher, die zur Pathologie des SSS beitragen [3–5]: Die aktuelle Datenlage deutet darauf hin, dass eine geschwächte Hautbarriere durch Abnahme von Lipiden und Proteinen mit einem erhöhten Feuchtigkeitsverlust (Transepidermal Water Loss, TEWL) einhergeht. Dieser und eine erhöhte Permeabilität lassen die Haut schneller austrocknen. Eine geschwächte, poröse Hautbarriere erleichtert zudem die Penetration von Irritanzien und Allergenen. Eine raue Haut ist das Resultat einer verdickten Epidermis (Stratum corneum), was als potenzieller Schutzmechanismus der Keratinozyten interpretiert werden kann. Eine übersteigerte Reizweiterleitung mit neurosensorischer Hyperaktivität weist auf eine sensomotorische Dysfunktion der glatten Muskulatur hin, die mit verstärkter Vasodilatation auf externe Reize reagieren kann. Die Kombination aus TEWL, verdickter Epidermis und nervaler Hyperreaktivität mündet oft in einem Spannungsgefühl der Haut. Vornehmlich betrifft das SSS exponierte Hautareale wie Gesicht (Wangen 46%, Augenbereich 35%), Nacken (39%), Hände (35%) und Beine (35%). Die Haut kann unauffällig oder etwas gerötet sein. Typischerweise tritt eine empfindliche Haut begleitend zu verschiedenen Hauterkrankungen wie Akne, Rosacea und atopischer Dermatitis auf. Die Symptomlast kann aber auch ohne offensichtliche Grunderkrankung und bei vermeintlich unauffälliger Haut erheblich sein [1, 2]. In der dermatologischen Sprechstunde sollte daher auf entsprechende Hinweise von Patientinnen und Patienten geachtet werden. Bei Bedarf sollte eine Beratung angeboten werden, um diejenigen Personen zu erkennen, die aufgrund der Symptome und Anzeichen empfindlicher Haut von einer medizinischen Basispflege profitieren können. Mit der „Sensitive Scale-10” Beschwerden systematisch erfassen Im Jahr 2014 hat die Special Interest Group on Sensitive Skin des International Forum for the Study of Itch (IFSI) eine konkrete Definition des SSS vorgeschlagen und mit dem Sensitive-Scale(SS)-10-Index ein praktisches diagnostisches Hilfsmittel konzipiert [6]. Wenn die Beschwerden keiner anderen Hauterkrankung zugeordnet werden können, gibt die Sensitivitätsskala einen systematischen Überblick zum individuellen Beschwerdebild. Die von den Patientinnen und Patienten ausgefüllte SS-10 fragt das Vorliegen von zehn Symptomen wie Juckreiz, Brennen, Rötung/Flush sowie deren Ausmaß (Bereich: 0–10) in den vergangenen drei Tagen ab. Als Schwellenwert für die Indikation einer Beratung zu ganzheitlichen Pflegekonzepten haben sich Ergebnisse ab 30–35 Punkten bewährt [6]. Trigger-Faktoren konsequent meiden Die Beratung vermittelt allgemeine Hinweise, wie externe Trigger-Faktoren konsequent zu meiden sind. So sollten Externa und Kosmetika, die als Auslöser für das SSS in Betracht kommen, ggf. abgesetzt oder zumindest pausiert werden. Hierzu zählen insbesondere Seifen, (abrasive) Peelings, alkoholische Lösungen, Parfüm- und Farbstoffe sowie ätherische Öle und reizende Substanzen, wie Benzoylperoxid und Vitamin-A-Säure-Derivate. Stattdessen sollten seifenfreie Reinigungsmittel oder milde Tenside verwendet werden. Auch auf einen konsequenten UV-Schutz (mindestens LSF 30) ist zu achten. Die Kleidung sollte locker sein und aus Naturmaterialien wie Baumwolle, Leinen und Seide bestehen. Evidenzbasierte Empfehlungen für die Basispflege Ideal wäre die tägliche Anwendung speziell entwickelter Hautpflegeprodukte, die auf die Bedürfnisse empfindlicher Haut optimal abgestimmt sind und mehrere evidenzbasierte Inhaltsstoffe enthalten. Zu den gut untersuchten Wirkstoffkombinationen bei SSS zählen Niacinamid (Vitamin B3), Panthenol (Provitamin B5) und Glycerin. Der NPG-Wirkstoff-Komplex ist zum Beispiel in der Cetaphil®-Produktfamilie enthalten (u. a. Reinigungslotion und Feuchtigkeitscreme). Die Produkte enthalten speziell abgestimmte Kombinationen aus Inhaltsstoffen, die sich in In-vitro-Studien und Anwendungsbeobachtungen als wirksam bei empfindlicher Haut erwiesen haben. Der NPG-Wirkstoff-Komplex reduziert den transepidermalen Wasserverlust (TEWL) und trägt so zur schnellen und nachhaltigen Erhöhung des Feuchtigkeitsgehalts der oberen Hornschicht bei. Zudem wirkt Niacinamid antientzündlich sowie antioxidativ und spielt eine Rolle bei der Bildung von Kollagen, Ceramiden und freien Fettsäuren. Panthenol wirkt ebenfalls antientzündlich und steigert so die Regenerationsfähigkeit der Hautbarriere. Der NPG-Wirkstoff-Komplex wurde unter anderem in vitro an Zellkulturen humaner Epidermis untersucht. Die sechstägige Anwendung des NPG-Komplexes steigerte die Ceramid-Synthese um bis zu 36% sowie die Filaggrin- und Corneodesmosomen-Expression um bis zu 56% bzw. 34% im Vergleich zu Placebo. Es konnten dabei alle 15 Ceramidklassen stimuliert werden. Die Studienautoren schlussfolgern daraus, dass NPG-Formulierungen positive Effekte auf mehrere integrale Bestandteile der effektiven Regeneration der Hautbarriere erzielen können [7]. Zudem wurden die Effekte des NPG-Wirkstoff-Komplexes auf Entzündungsmarker in vitro untersucht. Dabei konnte gezeigt werden, dass der NPG-Wirkstoff-Komplex zelluläre Mediatoren von Hauttrockenheit (wie Aquaporin-3) und Juckreiz (wie TRPV3) sowie Entzündungsmarker (wie IL13RA2, CCL27, Psoriasin, PGE2) deutlich reduzierte [7]. Anwendungsbeobachtungen bestätigen In-vitro-Erkenntnisse Die In-vitro-Untersuchungen wurden durch Fallserien in Anwendungsstudien ergänzt. Es zeigte sich, dass die Anwendung des NPG-Wirkstoff-Komplexes bei SSS-Patientinnen und -Patienten die fünf belastenden Anzeichen sensitiver Haut deutlich verminderte. Die Anwendung einer Reinigungslotion (n=39) oder einer Feuchtigkeitscreme (n=36) mit dem NPG-Wirkstoff-Komplex über 28 Tage hinweg reduzierte zum Beispiel die Trockenheit und Rauigkeit der Haut im Vergleich zu einer Kontrollhautstelle signifikant (p<0,05) (Abb. 1) [8]. Abb. 1: Veränderung von Trockenheit und Rauigkeit der Haut an Gesicht und Körper nach 28-tägiger Anwendung der NPG-haltigen Reinigungslotion oder Feuchtigkeitscreme im Vergleich zu einer Kontrollhautstelle (modifiziert nach [8]) Springer Medizin Verlag GmbH × Wie die Auswertungen des SS-10-Index ergaben, erzielten beide Produkte nach 28 Tagen täglicher Anwendung signifikante Verbesserungen in allen Parametern wie Juckreiz, Hautreizung, Kribbeln, Brennen, Hitzegefühl, Spannungsgefühl, Schmerzen, allgemeines Unbehagen, Hitzewellen und Rötungen und somit auch des globalen Scores [8]. Fazit Anzeichen und Symptome empfindlicher Haut sind weit verbreitet und treten auch ohne schwerwiegende Grunderkrankung auf. Daher ist der Bedarf an evidenzbasierten Empfehlungen für eine adäquate medizinische Basispflege hoch. Anwendungsbeobachtungen und In-vitro-Ergebnisse stützen die Wirksamkeit eines NPG-Wirkstoff-Komplexes. Eine tägliche Basispflege kann die Hautbarriere stärken, die Feuchtigkeitsversorgung verbessern und zur Hautberuhigung und Verbesserung des Wohlbefindens von Menschen mit empfindlicher Haut beitragen. Literatur Farage MA, Front Med 2019, 6:98 Misery L et al., J Eur Acad Dermatol Venerol 2009, 23:376–381 Misery L et al., Acta Derm Venereol 2017, 97:4–6 Harding CR et al., Int J Cosmet Sci 2000, 22:21–52 Giovanni P et al., 31st EADV Congress 2022, Poster P0759 Misery L et al., Acta Derm Venereol 2014, 94:635–639 Nussbaum D et al., J Am Acad Dermatol 2022, 87, AB16, Abstract #34945 Vaudour C et al., 31st EADV Congress 2022, Poster P0433 Impressum „Medizinische Basispflege zur Stärkung der Hautbarriere: In der dermatologischen Praxis über empfindliche Haut sprechen“, Literaturarbeit Bericht: Dr. Christine Willen, Cloppenburg Artikel gedruckt in: Deutsche Dermatologie, Band 71, Heft 9/2023 Mit freundlicher Unterstützung der Galderma Laboratorium GmbH, Düsseldorf Corporate Publishing (verantwortl. i. S. v. § 55 Abs. 2 RStV): Ulrike Hafner, Tiergartenstraße 17, 69121 Heidelberg Redaktion: Dr. Hildegard Hausmann Springer Medizin Verlag GmbH Heidelberger Platz 3 14197 Berlin Tel: 0800 7780 777 (kostenfrei) | +49 (0) 30 827 875 566 Fax: +49 (0) 30 827 875 570 E-Mail: kundenservice@springermedizin.de Die Springer Medizin Verlag GmbH ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Nature Geschäftsführung: Fabian Kaufmann, Dr. Cécile Mack, Dr. Hendrik Pugge Handelsregister Amtsgericht Berlin-Charlottenburg HRB 167094 B Umsatzsteueridentifikationsnummer: DE 230026696 © Springer Medizin Verlag GmbH Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. PDF-Download: Medizinische Basispflege zur Stärkung der Hautbarriere - In der dermatologischen Praxis über empfindliche Haut sprechen

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