Erschienen in:
01.03.2014 | Schwerpunkt
Genetische Analysen als Basis einer individualisierten Medizin bei koronarer Herzkrankheit
verfasst von:
T. Kessler, B. Kaess, F. Bourier, J. Erdmann, Prof. Dr. H. Schunkert
Erschienen in:
Herz
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Ausgabe 2/2014
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Zusammenfassung
Genomweite Analysen haben das Verständnis der Ätiologie der koronaren Herzerkrankung (KHK) um neue Dimensionen erweitert. Nach aktuellem Stand finden sich bei Westeuropäern 46 chromosomale Loci, die mit genomweiter Signifikanz (d. h. p<5×10-8) mit einem erhöhten Risiko für die KHK assoziiert sind. Da die individuelle DNA-Sequenz schon bei Geburt feststeht und somit die risikobehafteten Varianten nicht erst durch sekundäre Krankheitsprozesse („confounder“) auftreten, kann angenommen werden, dass jedes betroffene Gen in einen primären und damit kausalen Pathomechanismus der KHK eingreift. Interessanterweise lassen sich nur etwa 20% der Effekte, welche durch die neu entdeckten Loci vermittelt werden, durch die Beeinflussung traditioneller Risikofaktoren erklären. Dies impliziert, dass bislang noch unerforschte Mechanismen – und damit potenziell neue therapeutische Angriffsflächen – zur Entstehung der KHK beitragen. Überrascht hat auch die hohe Allelhäufigkeit der bislang entdeckten Risikoallele: Im doppelt angelegten Chromosomensatz tragen Individuen westeuropäischer Abstammung im Durchschnitt 30–50 risikobehaftete Allele an den 46 Loci. Somit besteht bei allen Mitgliedern unserer Population eine mehr oder weniger große genetische Disposition zur KHK. Andererseits ist auch bemerkenswert, dass das genetische Risiko bei vielen Trägern der Risikoallele anscheinend kompensiert werden kann, da selbst im hohen Alter nicht bei jedem eine klinisch manifeste KHK auftritt. Dies weist auf bislang noch unverstandene Gen-Gen- oder Gen-Umwelt-Interaktionen hin und begrenzt die aktuellen Möglichkeiten der individuellen Risikoprädiktion.