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31.10.2023 | EKG | Nachrichten

Bizarre EKG-Signale

ST-Hebungen im EKG – wie lautet Ihre Diagnose?

verfasst von: Thomas Müller

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Ein 37-jähriger Mann hatte noch einmal Glück: Seine Bauchschmerzen beruhten nicht auf einem Herzinfarkt. Ärzte hatten zunächst einen STEMI vermutet, nachdem sich im EKG wiederholt ST-Hebungen zeigten. Diese beruhten jedoch auf falsch angelegten Elektroden.

Letztendlich war es wohl doch nur eine Verstopfung, die bei einem 37-jährigen Mann in Malaysia zu so schweren Bauchschmerzen führte, dass er eine Klinik aufsuchte. Die Ärztinnen und Ärzte vor Ort gingen jedoch von einem weit schlimmeren Ereignis aus: Sie vermuteten einen STEMI, nachdem sich im EKG multiple und sich verändernde ST-Hebungen zeigten. Diese beruhten jedoch auf falsch platzierten Elektroden.

Wie Ärztinnen und Ärzte um Dr. Neerusha Kaisbain aus der Königin-Elisabeth-Klinik in Kota Kinabalu berichten, stellte sich der Mann in der Notaufnahme vor und klagte über krampfartige Schmerzen im Unterbauch. Diese seien nach starkem Pressen beim Stuhlgang aufgetreten. Die Beschwerden waren mit Übelkeit und Schweißausbrüchen verbunden. In der Notaufnahme wurde ein Blutdruck von 160/113 mmHg, eine Herzfrequenz von 105/min und einer Körpertemperatur von 36,8°C gemessen.

Aufgrund des hohen Blutdrucks veranlasste die behandelnde Ärztin ein 12-Kanal-EKG. Sie interpretierte das EKG als Sinusrhythmus mit konkaver ST-Hebung in der Ableitung I sowie T-Wellen-Inversion in den Ableitungen III und aVF. Sie veranlasste ein zweites EKG und sah zu ihrer Überraschung eine neue ST-Hebung in aVL – zusätzlich zu den ursprünglichen Abweichungen. Ein drittes EKG zeigte identische Befunde.

R und L verwechselt

Die Ärztin stellte den Verdacht auf einen hochlateralen Herzinfarkt mit ST-Hebung, verabreichte dem Patienten eine Anfangsdosis ASS (300 mg) und überstellte ihn an eine andere Klinik mit Kardiologie. Dort erfolgte in der Notaufnahme zunächst ein viertes EKG, wobei sich tiefe Q-Zacken in I sowie T-Inversionen in aVL ergaben. Auch hier wurde zunächst der Verdacht auf einen sich entwickelnden STEMI gestellt; aus diesem Grund erhielt der Patient 300 mg Clopidogrel und Fondaparinux. Doch die Ärzte veranlassten ein fünftes EKGs, und dort waren alle ST-Hebungen plötzlich verschwunden, ebenso die Q-Zacken. Schließlich erfolgte eine kardiologische Konsultation, wobei den Ärzten die atypische Präsentation mit merkwürdigen EKG-Veränderungen bei einer unbedeutenden Erhöhung der kardialen Troponinwerte verdächtig vorkam. Sie schauten sich die EKG-Untersuchung genauer an und fanden schließlich mehrere Fehler beim Anbringen der Elektroden: eine zu hohe präkordiale Platzierung von V1 und V2, Verwechslung von L und V2 sowie R und L. Dies habe offenbar zu Ableitungen geführt, die einem sich entwickelnden STEMI ähnelten.

Eine transthorakale Echokardiographie ergab eine erhaltene linksventrikuläre Auswurffraktion; die Herzklappen waren normal und die rechtsventrikuläre Funktion war erhalten. Der Patient blieb 24 Stunden zur Beobachtung in der Klinik, wobei er keine Bauchschmerzen mehr hatte. Ein sechstes EKG zeigte abgesehen von anhaltenden T-Wellen-Inversionen in III und aVF keine Auffälligkeiten. Mit einem Abführmittel, Tipps zur ballaststoffreichen Ernährung sowie einem Blutdrucksenker wurde der Mann schließlich entlassen.

Das Team um Kaisbain erinnert daran, dass seltsame EKG-Muster zunächst einmal dazu führen sollten, die Position der Elektroden gründlich zu überprüfen.

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Literatur

Kaisbain N et al. ECG lead misplacement in the frontal and horizontal plane mimicking A myocardial infarction: A case report. Am J Emerg Med 2023; https://doi.org/10.1016/j.ajem.2023.10.009

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