Skip to main content

23.03.2022 | Dysphagie | Nachrichten

Forscher empfehlen MMST

Kognitive Schwäche als Marker für eine (unerkannte) Dysphagie?

verfasst von: Dr. Elke Oberhofer

print
DRUCKEN
insite
SUCHEN

Sollte man älteren Patientinnen und Patienten mit Schluckbeschwerden einen Mini-Mental-Status-Test anbieten? Warum ein italienisches Forscherteam dies für sinnvoll hält.

Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels.

Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko, eine Dysphagie zu entwickeln. Bei über 65-Jährigen beträgt die Prävalenz 15%, ab 80 Jahren weist fast jeder Dritte eine Schluckstörung auf. Dies könnte zum Teil mit dem reduzierten Tonus in der beteiligten Muskulatur zusammenhängen oder auch mit der Abnahme des Riech- und Schmeckvermögens in höheren Lebensjahren. Vollständig lässt sich die sogenannte Presbyphagie jedoch nicht damit erklären, da es durchaus auch Senioren ohne Schluckbeschwerden gibt.

Fachärzte der HNO-Abteilung im Universitätsklinikum Catania haben jetzt bei ihren eigenen Patienten untersucht, inwieweit kognitive Störungen mit dem Auftreten von Dysphagien verknüpft sind. Dazu führten sie bei 97 Patienten über 65 Jahren, die zur Abklärung von Schluckbeschwerden (häufiges Räuspern oder Husten nach dem Essen; Schwierigkeiten, bestimmte Nahrungsmittel zu schlucken) in die Klinik gekommen waren, eine neurologische Evaluation und einen Mini-Mental-Status-Test (MMST) durch. Die Schluckstörungen wurden mithilfe von Anamnese, klinischer Untersuchung und funktioneller endoskopischer Schluckuntersuchung (FEES) evaluiert. Bei 50 Teilnehmenden stellte sich eine zumindest leichte kognitive Beeinträchtigung heraus (MMST ≤ 23). Die restlichen 47 dienten als Kontrollen.

Linearer Zusammenhang

Wie Dr. Antonino Maniaci und sein Team berichten, konnte bei den Patienten mit kognitiver Störung signifikant häufiger eine Dysphagie nachgewiesen werden (40% gegenüber 19%). Dabei ließ sich ein linearer Zusammenhang zeigen: Je höher der Wert im MMST, d. h. je fitter die Teilnehmenden geistig waren, desto besser funktionierte das Schlucken. Umgekehrt wiesen kognitiv beeinträchtigte Teilnehmer deutlich häufiger leichte oder mittelgradige Schluckstörungen auf (28% gegenüber 15% bzw. 12% gegenüber 4%). Als Maß für den Dysphagie-Schweregrad diente dabei die DOS-Skala (Dysphagia Outcome Severity Scale).

Unter den kognitiv Beeinträchtigten waren ein MMST-Wert < 10 sowie ein Alter über 75 signifikant mit dem Schweregrad der Dysphagie assoziiert. Geschlecht oder Ehestatus schienen dagegen keine nennenswerte Rolle in diesem Zusammenhang zu spielen.

„Ein kognitiver Abbau könnte eine Rolle in der Genese der Dysphagie bei älteren Menschen spielen“, spekulieren Maniaci und sein Team. Damit das Schlucken funktioniere, sei nicht nur ein ausreichender Muskeltonus und ein intakter Schluckreflex erforderlich, sondern z. B. auch das visuelle Erkennen von Nahrung sowie das Planen und Ausführen des Schluckakts.

Auch um Folgen wie schlechten Ernährungsstatus oder ein erhöhtes Aspirationsrisiko zu verhindern, ist es den Wissenschaftlern zufolge wichtig, bereits subtilen Anzeichen einer Schluckstörung nachzugehen. Man solle vor allem dann hellhörig werden, wenn zusätzlich kognitive Einbußen vorlägen. Den MMST bezeichnen Maniaci und Kollegen als „nützliches Tool“, um den Weg zu einer weiterführenden Diagnostik mit Beurteilung des Schluckakts zu bahnen.

Das Wichtigste in Kürze

Frage: Gibt es einen Zusammenhang zwischen einer beeinträchtigten kognitiven Funktion und dem Auftreten von Schluckstörungen bei älteren Menschen?

Antwort: In einer retrospektiven Vergleichsstudie waren Schluckstörungen bei kognitiv beeinträchtigten Patienten signifikant häufiger. Der Zusammenhang zwischen dem Wert im MMST (Mini-Mental-Status-Test) und dem Grad der Dysphagie gemäß DOSS (Dysphagia Outcome Severity Scale) war linear.

Bedeutung: Bereits leichte Anzeichen einer Schluckstörung sollten ernst genommen werden; dabei kann der MMST nützlich sein, um den Weg zu einer weiterführenden Diagnostik zu bahnen.

Einschränkung: Es handelt sich um eine Retrospektive Studie. Der Beweis für einen kausalen Zusammenhang ist nicht erbracht. Teilnehmer und Teilnehmerinnen mit „stummer“ Dysphagie wurden möglicherweise nicht erfasst.

print
DRUCKEN
Literatur

Maniaci A et al. Cognitive Impairment and Mild to Moderate Dysphagia in Elderly Patients: A Retrospective Controlled Study. Ear Nose Throat J 2022;7:1455613211054631;

https://doi.org/10.1177/01455613211054631

Weiterführende Themen

Leitlinien kompakt für die Innere Medizin

Mit medbee Pocketcards sicher entscheiden.

Seit 2022 gehört die medbee GmbH zum Springer Medizin Verlag

„Jeder Fall von plötzlichem Tod muss obduziert werden!“

17.05.2024 Plötzlicher Herztod Nachrichten

Ein signifikanter Anteil der Fälle von plötzlichem Herztod ist genetisch bedingt. Um ihre Verwandten vor diesem Schicksal zu bewahren, sollten jüngere Personen, die plötzlich unerwartet versterben, ausnahmslos einer Autopsie unterzogen werden.

Hirnblutung unter DOAK und VKA ähnlich bedrohlich

17.05.2024 Direkte orale Antikoagulanzien Nachrichten

Kommt es zu einer nichttraumatischen Hirnblutung, spielt es keine große Rolle, ob die Betroffenen zuvor direkt wirksame orale Antikoagulanzien oder Marcumar bekommen haben: Die Prognose ist ähnlich schlecht.

Schlechtere Vorhofflimmern-Prognose bei kleinem linken Ventrikel

17.05.2024 Vorhofflimmern Nachrichten

Nicht nur ein vergrößerter, sondern auch ein kleiner linker Ventrikel ist bei Vorhofflimmern mit einer erhöhten Komplikationsrate assoziiert. Der Zusammenhang besteht nach Daten aus China unabhängig von anderen Risikofaktoren.

Semaglutid bei Herzinsuffizienz: Wie erklärt sich die Wirksamkeit?

17.05.2024 Herzinsuffizienz Nachrichten

Bei adipösen Patienten mit Herzinsuffizienz des HFpEF-Phänotyps ist Semaglutid von symptomatischem Nutzen. Resultiert dieser Benefit allein aus der Gewichtsreduktion oder auch aus spezifischen Effekten auf die Herzinsuffizienz-Pathogenese? Eine neue Analyse gibt Aufschluss.

Update Innere Medizin

Bestellen Sie unseren Fach-Newsletter und bleiben Sie gut informiert.