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14.11.2022 | DKK 2022 | Kongressbericht | Nachrichten

Gastrointestinale Tumoren

Multimodale Therapie beim Rektumkarzinom ist eine Erfolgsstory!

verfasst von: Friederike Klein

Die Therapie von Patientinnen und Patienten mit Rektumkarzinom hat sich gewandelt, wurde auf dem Krebskongress berichtet: Ausschließlich neoadjuvante Strategien setzen sich durch – und es ist immer häufiger möglich, auf die Operation zu verzichten und das Rektum zu erhalten.

Der Erfolg der multimodalen Therapie beim Rektumkarzinom in den letzten 30 Jahren sei nur möglich gewesen, weil sich alle beteiligten Disziplinen weiterentwickelt hätten, fasst Professor Claus Rödel, Strahlentherapeut und klinischer Direktor des Universitären Zentrums für Tumorerkrankungen (UCT) am Universitätsklinikum Frankfurt rückblickend zusammen.

Die Chirurgie habe mit besseren Resektionsverfahren einen Rückgang der Lokalrezidivquote auf fünf Prozent und weniger ermöglicht, die internistische Onkologie habe eine größere Vielfalt an Substanzen für die systemische Therapie entwickelt und die Radioonkologie die Bestrahlung präzisiert. Es gilt auch hier: „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“, so Rödel beim Deutschen Krebskongress in Berlin.

Ära mit nur wenigen Konzepten ist vorbei

Lange gab es im Wesentlichen zwei Konzepte: In Skandinavien die Kurzzeitbestrahlung (5 x 5Gy) mit anschließender Op., die auch bei niedriggradigen Tumoren angeboten wurde, in Deutschland die neoadjuvante Chemoradiotherapie (CRT) mit 5-Fluorouracil (5-FU) und Op. nach kurzer Wartezeit für T3- und T4-Tumoren.

Nach Etablierung der totalen mesorektalen Exzision (TME) verbesserten beiden Strategien gleichermaßen die lokale Kontrolle, allerdings ohne das krankheitsfreie oder Gesamtüberleben verbessern zu können. Wegen der etwas höheren Toxizität der CRT wurde dieses Vorgehen nicht für alle Rektumkarzinome, sondern vor allem bei größeren oder tiefsitzenden Tumoren zum Downstaging eingesetzt.

Einen wichtigen Fortschritt stellte die Hinzunahme von Oxaliplatin zur Chemotherapie dar, um das Metastasierungsrisiko zu verringern und damit das krankheitsfreie und Gesamtüberleben verbessern zu können.

Ein anderer wichtiger Schritt war ein längeres Zuwarten nach primärer Bestrahlung/CRT, bevor operiert wird, um den verzögerten Effekt der Bestrahlung zu nutzen. Gleichzeitig kann in dieser Zeit vor der Therapie zusätzlich systemisch behandelt werden.

Außerdem wurden Konzepte verfolgt, die Patientinnen und Patienten mit Rektumkarzinom besser zu stratifizieren und die Therapie in bestimmten Situationen zu deeskalieren. Das geht bis hin zu einer Strategie des beobachtenden Zuwartens (engl. Watch & Wait, W&W), wenn klinisch eine Komplettremission (cCR) erreicht wurde.

Aktuelle Studienergebnisse

Die RAPIDO-Studie etablierte die totale neoadjuvante Therapie (TNT) bei lokal fortgeschritteneren Tumoren. Sie besteht aus einer Kurzzeitbestrahlung und einer Chemotherapie mit Fluoropyrimidin und Oxaliplatin (CAPOX oder FOLFOX). Die TME erfolgt erst nach 22–24 Wochen.

Das längere Abwarten – ein halbes Jahr, betonte Rödel – führte zu einer Verdoppelung der Rate des pathologischen Komplettansprechens (pCR) gegenüber einer Standard-CRT (28,4% versus 14,3%), und die Rate des krankheitsassoziierten Behandlungsversagen wurde um 25% reduziert (23,7% versus 30,4%).

Ein Manko ist die etwas verschlechterte TME-Qualität bei diesem Vorgehen. Aktuell gelte die TNT als mögliche Option nur bei Patientinnen und Patienten mit den Hochrisikokriterien, wie sie in dieser Studie definiert wurden, erklärte Rödel.

Über die günstigste Reihenfolge von CRT und Chemotherapie gab die deutsche Phase-II-Studie CAO/ARO/AIO-12 Auskunft. Mit der CRT als Erstes wurde ein pCR-Vorteil erreicht – möglicherweise, weil so die CRT längere Zeit hat zu wirken bis operiert wird. Wichtig ist, welche Ziele man hat, meinte Rödel: Steht die lokale Kontrolle im Vordergrund, ist der Beginn mit der CRT günstiger. Onkologisch macht die Reihenfolge letztlich keinen Unterschied.

Neues Therapieziel: Rektumerhalt

Eine Strategie des beobachtenden Zuwartens bei cCR mit der Chance auf einen längerfristigen Organerhalt ist auf verschiedenen Wegen zu erreichen. In der STAR-TREC-Studie wurden Patientinnen und Patienten mit weniger stark fortgeschrittenen Rektumkarzinomen (cT1-3b, N0 M0) nur mit einer TME (Kontrollen) oder mit der Kurzzeitbestrahlung oder einer CRT mit 25 x 2Gy plus Capecitabine behandelt.

Bei gutem Ansprechen drei Monate nach Kurzzeitbestrahlung oder CRT wurde weiter zugewartet bis Woche 16–20. War dann eine cCR erreicht, wurde W&W angeboten. Auf diese Weise konnte bei 60% der Betroffenen über zwölf Monate ein Organerhalt erreicht werden.

Eine Ära hin zu einer Monotherapie hat die Immuntherapie mit Durstalimab bei Mismatch-Repair-defizienten Rektumkarzinomen eingeläutet. In einer kleinen Kohorte von zwölf Patientinnen und Patienten führte die Therapie mit neun Zyklen des PD1-Inhibitors zu einem 100-prozentigen Komplettansprechen und damit einem Verzicht auf die Op. bei allen Behandelten. Diese Tumoren machen aber mit fünf Prozent nur einen kleinen Teil der Rektumkarzinome aus, erläuterte Rödel.

Doch eine hohe Rate des Organerhalts gibt es auch bei Patientinnen und Patienten mit anderen Rektumkarzinomen. In der OPRA-Studie wurden Betroffene mit distalen Stadium-II- und -III-Rektumkarzinomen nacheinander mit FOLFOX/CAPOX und CRT oder CRT und der Chemotherapie behandelt und erst nach 35 Wochen beurteilt. Mit der CRT zuerst konnte bei 53% über drei Jahre das Rektum erhalten werden, ohne dass das krankheitsfreie Überleben verschlechtert wäre.

Deutsche Studie zum W&W läuft

Die deutsche Studiengruppe ACO/ARO/AIO hat mit Unterstützung der Deutschen Krebshilfe eine randomisiert-kontrollierte Phase-III-Studie aufgelegt, die ebenfalls ein W&W bei cCR vorsieht. Verglichen wird das RAPIDO-Schema mit Kurzzeitbestrahlung gefolgt von 18 Wochen CAPOX oder FOLFOX mit dem in deutschen Studien etablierten Vorgehen CRT gefolgt von zwölf Wochen CAPOX oder FOLFOX.

Die Beurteilung des Ansprechens erfolgt in beiden Armen nach 22–24 Wochen. Wurde klinisch keine CR erreicht, wird eine TME durchgeführt, mit cCR nicht. Endpunkt der Studie ist der Organerhalt nach drei Jahren bei vergleichbarem krankheitsfreiem Überleben. Die Studie sei die erste der deutschen Studiengruppe, die schneller rekrutiert als geplant, berichtete Rödel stolz.

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basierend auf: 35. Deutscher Krebskongress vom 13.–16. November 2022 in Berlin; Plenar-Sitzung Gastrointestinale Tumoren II: Keynote Lecture: Entwicklung der multimodalen Therapie des Rektumkarzinoms in den letzten 30 Jahren, 14.11.2022

Dieser Kongressbericht ist Teil der Medienkooperation zwischen Springer Medizin und der Deutschen Krebsgesellschaft / der Deutschen Krebshilfe im Rahmen des DKK 2022.

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