Zusammenfassung
In Spanien gab es bis vor Kurzem noch keine gesetzliche Regelung zum Thema assistierter Suizid. Diese gesetzliche Lücke wurde auf Antrag der sozialistischen Regierung im Jahr 2021 geschlossen. Dabei wurde im selben Zug auch eine Regelung für die Tötung auf Verlangen geschaffen. Der Gesetzestext zur Regelung der sogenannten „Euthanasie“, worunter sowohl die Tötung auf Verlangen als auch der assistierte Suizid subsumiert wird, wurde im März 2021 im Boletín Oficial del Estado publiziert und trat drei Monate später im Juni 2021 in Kraft.
Die Diskussion um „Hilfeleistung zum Sterben“ ist in Spanien eng verknüpft mit dem Schicksal einiger Menschen, die aufgrund schwerwiegender Erkrankungen im Laufe der letzten Jahrzehnte für sich oder ihre Angehörigen diese Möglichkeit eingefordert hatten.
In der Einleitung des Gesetzes ist festgehalten, dass das „Recht des Erkrankten auf Hilfeleistung zum Sterben anerkannt“ wird und durch das Gesetz entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen werden sollen. Gleichzeitig wird darauf hingewiesen, dass dieses „Recht des Erkrankten auf Hilfeleistung zum Sterben“ in einem Rahmen wahrgenommen werden soll, der durch klare Regelungen einen Schutz gegen externen Druck bietet. Die „Hilfeleistung zum Sterben“ kann in zwei Formen in Anspruch genommen werden. Dabei kann entweder eine tödliche Substanz vom Gesundheitspersonal direkt verabreicht werden oder in der zweiten Form eine tödliche Substanz zur selbständigen Einnahme zur Verfügung gestellt werden.
Grundsätzlich sind durch das Gesetz volljährige Erwachsene, die im vollen Besitz ihrer geistigen Kräfte sind, berechtigt, einen Antrag auf „Hilfeleistung zum Sterben“ zu stellen. Als Voraussetzung werden weiters „schwere, unheilbare Krankheiten oder schwere chronische Behinderungen, die mit anderen Mitteln nicht gemildert werden können“, genannt. Die Erkrankung muss „unerträgliches Leiden“ verursachen.
Für die Umsetzung des Gesetzes sind „Personen aus dem Gesundheitsbereich“ vorgesehen. Ausdrücklich abgezielt wird dabei auch auf den Ausbau der Verfügbarkeit im öffentlichen Gesundheitssystem sowie auf die Möglichkeit der Durchführung einer „Hilfeleistung zum Sterben“ in der häuslichen Umgebung der Patientinnen.
Die Person, die den Wunsch nach „Hilfeleistung zum Sterben“ geäußert hat, muss dieses Anliegen im Abstand von zwei Wochen zweimal schriftlich an die behandelnde Ärztin richten. Dabei muss klar werden, dass der Wunsch nicht durch „Druck von außen“ zustande kommt. Die Person muss sowohl über den Verlauf ihrer Erkrankung als auch über Möglichkeiten der Behandlung inklusive der Möglichkeit, palliative Unterstützung in Anspruch zu nehmen, aufgeklärt sein. Nach einer weiteren fachärztlichen Prüfung wird das Ansuchen an eine sogenannte „Garantie- und Prüfungskommission der Region“ weitergeleitet.
Innerhalb von insgesamt elf Tagen nach Eingang des Ansuchens sollen zwei medizinische bzw. juristische Expertinnen der Kommission zu einer Entscheidung über den Antrag kommen. Unmittelbar vor der Durchführung der Tötungshandlung muss die Patientin dann ihren Sterbewillen neuerlich bekräftigen. Insgesamt kann durch die zeitliche Abfolge des präzise geregelten Ablaufs die „Hilfeleistung zum Sterben“ nach Antragsstellung um über ein Monat „verzögert warden“.
Ärztinnen und Pflegerinnen können sich grundsätzlich aus Gewissensgründen dem Prozess der „Hilfeleistung zum Sterben“ entschlagen. Diese Ablehnung ist im Vorhinein zu deklarieren und soll in ein von den Gesundheitsbehörden noch zu erstellendes Register eingetragen werden.
Aus medizinischer Sicht bleiben trotz allem viele Fragen zur Durchführung der „Hilfeleistung zum Sterben“ offen. Eine Beratung der Patientinnen durch pflegerische oder auch sozialarbeiterische Expertinnen im Rahmen des Aufklärungsprozesses ist nicht vorgesehen, ebenso wenig wie die Bereitstellung psychologischer oder spirituell-seelsorgerlicher Expertise.
Bei Studium des Gesetzestextes drängt sich die dringliche Frage nach der praktischen Umsetzungsmöglichkeit der kleinschrittigen Details auf. Offen ist, welche Spitalsambulanzen bzw. welche Hausärztinnen des öffentlichen Gesundheitswesens die Ressourcen für die Abwicklung des detaillierten Ablaufes aufbringen können. Es bleibt also abzuwarten, welche Form der Umsetzung dieses Gesetzes in der Realität praktikabel sein wird.