Studien suchen Patienten: Was bringen grüner Tee und Nikotinpflaster?

Von Schwindel bis Schlaganfall – auf dem DGN-Kongress in Düsseldorf wurden knapp 40 Studien präsentiert, die unter deutscher Beteiligung in Kürze beginnen oder bereits laufen. Für die meisten werden noch Patienten gesucht. In manchen Indikationen ist es bereits schwierig, genügend Patienten für klinische Studien zu gewinnen – zu viele Untersuchungen laufen parallel. Die Studienzentren freuen sich daher, wenn Neurologen ihnen weitere Patienten zuweisen – und betonen, dass sie diese auf jeden Fall wieder zurückreichen. Einen Überblick zur aktuellen Studienlage lieferte ein Symposium auf dem DGN-Kongress in Düsseldorf. Bewegungsstörungen: Eine kleinere Phase-II-Studie hat bereits einen Nutzen einer kombinierten Hirnstimulation bei Parkinsonpatienten mit anderweitig nicht behandelbarem Gang-Freezing nahegelegt. Die Stimulation des subthalamischen Nukleus (STN) zusammen mit der Pars reticulata der Substantia nigra (SNr) scheint beim Freezing einer STN-Monostimulation überlegen. Dies soll nun in einer Phase-IIb-Studie erneut geprüft werden. Ansprechpartner ist Dr. Daniel Weiss von der Universität Tübingen. Weitere Studienzentren befinden sich in Berlin, Hamburg, Düsseldorf, Leipzig und Regensburg. Dem Ende nähert sich bereits die Studie NIC-PD. Geprüft wird, ob ein Nikotinpflaster bei frisch diagnostizierten Parkinsonpatienten die Krankheitsprogression verzögern kann. Die Zahl von 160 Studienpatienten ist bereits erreicht, Ergebnisse werden Anfang 2017 erwartet. Ein Naturprodukt wird auch in der Studie PROMESA verwendet, und zwar das Antioxidans Epigallocatechingallat (ECGC) aus grünem Tee. Die Substanz hemmt in vitro die Alpha-Synuclein-Verklumpung. Getestet wird sie allerdings bei Patienten mit Multisystematrophie, und nicht bei Parkinson – bei der Orphan Disease ist das Genehmigungsverfahren einfacher. Die Patienten erhalten täglich bis zu 1200 mg der Substanz über 48 Wochen hinweg – das entspricht etwa 50 Tassen grünem Tee am Tag. Die Aufnahme von Patienten ist bereits abgeschlossen, Ergebnisse werden Anfang 2017 erwartet. Dagegen können noch Patienten an der Studie „Fampridin bei cerebellärer Gangstörung (FACEG)“ teilnehmen. Hier sind erst 60 der gewünschten 75 Patienten eingeschlossen. Betroffene werden in einem Cross-over-Design sechs Monate lang mit dem Aminopyridin und Placebo behandelt. Ansprechpartner ist Professor Klaus Jahn von der LMU. Bei zerebellärer Ataxie wird nun auch Acetyl-Leucin getestet. Für die placebokontrollierte Phase-III-Studie ALCAT sucht ein Team um Professor Michael Strupp von der LMU mehr als 100 Patienten in München, Essen, Tübingen und Bonn. Vorgesehen ist ein Cross-over-Design mit jeweils sechswöchigen Behandlungsphasen. Die Patientenaufnahme beginnt im Dezember. Auch Huntington-Patienten werden für Studien gesucht, etwa in ISIS-HTTRx. Dabei wird ein Antisense-Oligonukleotid getestet, das die Krankheitsprogression bremsen soll. An der Phase-I/IIa-Studie nehmen auch zwei deutsche Zentren teil. Ansprechpartner ist Dr. Jan Lewerenz von der Klinik für Neurologie in Ulm. Schlaganfall: Mit elf Zentren beteiligt sich Deutschland an der ECASS-4-Studie. Dabei wurden bislang erst 65 von erwünschten 264 Patienten aufgenommen. Die Studie will die Frage klären, ob eine rt-PA-Lyse auch noch im Zeitfenster von 4,5 bis 9 Stunden sowie bei Patienten mit Wake-up-Stroke einen Nutzen zeigt, sofern ein Penumbra-Mismatch erkennbar ist (Prof. Peter Ringleb, Uniklinik Heidelberg). 800 Patienten mit Wake-Up-Stroke und einem MRT-basierten Läsionsalter von über 4,5 Stunden werden auch in der Untersuchung „WAKE-UP“ benötigt. Hier steht ebenfalls der Nutzen der Lyse im Vordergrund. Ansprechpartner ist Dr. Götz Thomalla vom UKE in Hamburg. Thomalla kann auch Auskunft zur PRECIOUS-Studie geben. 3800 Patienten erhalten in den ersten vier Tagen nach einem ischämischen Infarkt oder einer intrazerebralen Blutung eine Zusatztherapie mit Ceftriaxon (2 g/d), Paracetamol (4 g/d) oder Metoclopramid (30 mg/d). Geschaut wird, ob sich dadurch das Risiko von Tod oder Behinderungen senken lässt. Beteiligt sind zwölf deutsche Zentren, Beginn ist im Januar 2016. Gleich drei randomisiert-kontrollierte Studien untersuchen den Nutzen der direkt wirksamen oralen Antikoagulanzien (DOAK) zur Prävention nach kryptogenem Schlaganfall (embolic stroke of undetermined source, ESUS). In ATTICUS wird Apixaban (5 mg zweimal täglich) gegen ASS 100 mg verglichen. Primärer Endpunkt ist die Reduktion zerebraler Embolien im MRT im Laufe von zwölf Monaten. Die Studie beginnt noch in diesem Jahr (Prof. Ulf Ziemann, Uniklinik Tübingen). Für RE-SPECT ESUS wird Dabigatran (150 oder 110 mg zweimal täglich) gegen ASS 100 mg geprüft. Primärer Endpunkt ist hier die Reinfarktrate nach drei Jahren Behandlung (Prof. Martin Grond, Uniklinik Siegen). Mit einem vergleichbaren Design tritt in NAVIGATE ESUS Rivaroxaban (15 mg/d) gegen ASS an (Prof. Matthias Endres, Charité Berlin). Schlaganfallpatienten sind auch für eine Reihe von Registerstudien nötig. So soll in einer Untersuchung der Nutzen von Dabigatran im Vergleich zu anderen Therapiestrategien bei Patienten mit ischämischem Insult und Vorhofflimmern evaluiert werden (Prof. Christian Weimar, Uniklinik Essen). Primärer Endpunkt: intrakranielle Blutungen innerhalb von drei Monaten. In ähnlicher Weise schaut das prospektive Register PRODAST-ICH nach erneuten Blutungen unter verschiedenen antithrombotischen Therapien bei Patienten mit Vorhofflimmern und vorangegangenen intrakraniellen Blutungen (Prof. Hans Christoph Diener, Uniklinik Essen). Das Berliner Vorhofflimmern-Register interessiert sich besonders für die Adhärenz unter oralen Antikoagulanzien. Diese wird bei über 1000 Patienten mit Vorhofflimmern und Schlaganfall über ein Jahr hinweg analysiert. Auch Komplikationen, Reinfarkte und die Lebensqualität stehen im Fokus (Prof. Karl Georg Häusler, Charité). Schwindel: Mit Carbamazepin ließ sich die Zahl der Schwindelattacken bei Vestibularisparoxysmien in Untersuchungen um 80% reduzieren. Prospektive placebokontrollierte Studien fehlen jedoch. Dies soll die VesPa-Studie ändern. Unter Leitung von Professor Michael Strupp von der LMU München erhalten über 150 Patienten in einem Cross-over-Design für sechs Monate das Antikonvulsivum und Placebo. Studienzentren befinden sich außer in München auch in Lübeck, Celle und Essen. Geplanter Studienbeginn ist im Dezember. Bereits seit einigen Jahren am Start ist die BETAVEST-Studie. Für diese konnten bereits 124 von 210 Patienten gewonnen werden. Geprüft wird der Nutzen von 3 x 48 mg Betahistin auf die zentral-vestibuläre Kompensation nach einseitigem Labyrinthausfall. Die Forscher schauen dabei, wie stark sich Haltungskontrolle und Spontannystagmus an Tag drei und zehn nach dem Ausfall verhalten. Eine Zwischenauswertung läuft bereits. Ansprechpartner ist Privatdozent Otmar Bayer von der LMU. Studienzentren befinden sich auch in Lübeck, Altötting, Augsburg und Tübingen. Bayer kann auch nähere Auskunft zur PROVEMIG-Studie geben. Hier wird Metoprolol zur Prophylaxe bei vestibulärer Migräne untersucht. Aufgenommen werden 266 Patienten mit wahrscheinlicher oder gesicherter Erkrankung, 105 konnten bereits gewonnen werden. Studienzentren finden sich neben München in Berlin, Essen, Altötting und Celle. Andere Erkrankungen: Eine Biomarker-basierte Therapie mit IVIG wird in der PREDICT-GAM-Studie bei Patienten mit schubförmiger MS untersucht. Grundlage ist die Beobachtung, wonach einige MS-Patienten von der Antikörpertherapie gut profitieren, andere überhaupt nicht. Ein spezieller Proteinassay (Heidelberg Assay Panel, HAP) soll in der Lage sein, die IVIG-Responder zu identifizieren. Patienten mit positivem und negativen HAP-Score erhalten entweder IVIG oder eine MS-Basistherapie. Die Rekrutierung läuft bereits, aus Deutschland nehmen sieben Zentren teil (Prof. Hans-Peter Hartung, Düsseldorf). Erst 30 von 100 geplanten Patienten konnten in die Studie TONE zur Erythropoietin-Behandlung bei Optikusneuritis gewonnen werden. Forscher versprechen sich neuroprotektive Effekte von dem Hormon. Beteiligt an der Studie sind 13 Zentren (Prof. Ricarda Diem, Heidelberg). Ob das Gerät Gammacore zur transkutanen Vagusnervstimulation bei episodischer Migräne taugt, untersuchen Forscher um Dr. Kasja Solbach vom Westdeutschen Kopfschmerzzentrum in Essen. Die Patienten erhalten für drei Monate eine aktive Behandlung oder eine Scheintherapie. Mit Onabotulinumtoxin versus Kochsalzlösung therapieren Neurologen um Dr. Mark Obermann vom Uniklinikum Essen in der BoTN-Studie Patienten mit Trigeminusneuralgie. Geprüft wird der Rückgang der Attackenfrequenz innerhalb eines halben Jahres. An einer Impfstudie gegen Tau-Protein beteiligt sich das Uniklinikum Ulm (Prof. Markus Otte). Teilnehmer sind Patienten mit nichtflüssiger primärprogredienter Aphasie (nfvPPA) und Tau-Mutation. Die Ergebnisse könnten auch für andere neurodegenerative Erkrankungen interessant sein. Eine Antisense-Therapie soll bei ALS-Patienten die Bildung von mutiertem SOD1-Protein verhindern. In einer Phase-I-Studie werden Sicherheit und Verträglichkeit des neuen Ansatzes unter Leitung von Professor Albert Ludolph am Uniklinikum Ulm geprüft. Mehr vom Kongress Weitere Beiträge zum Kongress finden Sie im Dossier DGN-Kongress 2015.

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