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20.04.2021 | DGIM 2021 | Nachrichten

„Von Pontius zu Pilatus“

Welche Ursachen hinter Handbeschwerden stecken können

verfasst von: Dr. med. Bianca Bach

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Ist es Rheuma, vielleicht eine Gefäßerkrankung oder ein neurologisches Leiden? Nicht immer liegt die Ursache von Symptomen an der Hand auch auf der Hand. Beim DGIM-Kongress gab ein Neurologe eine Übersicht.

„Von Pontius zu Pilatus“ – Im Untertitel der DGIM-Kongress-Sitzung „Handbeschwerden“ klingt an: Bei Hand-Problemen steht womöglich eine längere Tour durch diverse Fachpraxen bevor.

Aus einer langen Liste neurologischer Ursachen wählte Dr. Björn Zimmerlein, Krankenhaus Nordwest in Frankfurt am Main, neuromuskuläre Erkrankungen, wie Spinale Muskelatrophie, Einschlusskörperchenmyositis und Engpass-Syndrome.

„Das Carpaltunnelsyndrom (CTS) ist mit Abstand das peripher-neurologische Krankheitsbild, das am häufigsten vorkommt“, so der Neurologe, „die Prävalenz in der Gesamtbevölkerung liegt bei etwa zehn Prozent“. Dialysepatienten haben es in 30 Prozent am Shuntarm und fast jeder zweite Patient mit Rheumatoider Arthritis. Auslöser sind etwa auch Schwangerschaft, Schilddrüsenfunktionsstörungen, handwerkliche Tätigkeiten „und das Fahrradfahren, insbesondere, wenn die Handposition am Lenker nicht so optimal ist.“

Sono zur Diagnosesicherung

Hauptmerkmal ist „das nächtliche Aufwachen mit Brennen und Missempfindungen an der Hand und Taubheitsgefühl, das durch Ausschütteln der Hand besser wird.“ Ein Tinel-Zeichen mit Zeige- und Mittelfinger-Parästhesien auf Beklopfen des volaren Handgelenks sei seltener und mitunter durch andere Pathologien vorgetäuscht. Zur Diagnosesicherung dient immer mehr der Ultraschall, allein oder zur Bestätigung elektrophysiologischer Befunde. Der Medianusnerv sei dann im oder direkt vor dem Karpaltunnel im Querschnitt über 10 mm2 aufgetrieben. „Die chirurgische Therapie ist bei Weitem am wirksamsten, deshalb empfehle ich grundsätzlich, nicht zu lange zu warten.“

Während eine Thenaratrophie beim CTS ein Spätsymptom ist, beginnt die spinale Muskelatrophie Aran-Duchenne oft beidseitig genau damit. „Häufig sind das Menschen, die dann viele Ärzte aufsuchen, auch viele Neurologen, die sich schwer tun mit der Diagnose, die möglicherweise den Carpaltunnel operieren lassen, obwohl die elektrophysiologischen Veränderungen nicht typisch sind“, sagte Zimmerlein.

Allen-Test hilf weiter

Für die Durchblutung an der Hand hat die Natur durch doppelte Gefäßversorgung über Arteria radialis und ulnaris, zwei verbindende Hohlhandbögen und je zwei Zuflüsse an den Fingern vorgesorgt. Ein wichtiger, „oft vergessener“ Test, um dieses System zu prüfen, ist laut Dr. Peter Klein-Weigel, Klinik für Angiologie, Ernst von Bergmann Klinikum in Potsdam, der Allen-Test: Man komprimiert Radial- und Ulnararterie, lässt den Patienten Faustschlüsse machen, bis die Hand abblasst. Dann wird ein Gefäß freigegeben. „Es muss dann jeweils eine vollständige Kapillarisierung einsetzen. [...] Mit ein bisschen Übung können Sie das sogar bis in die Fingerspitzen verfolgen und dann auch Aussagen über die Fingerdurchblutung machen.“

Thrombembolische Hand- und Fingerarterienverschlüsse rühren nicht nur von kardialen Emboliequellen und Atherosklerose. Sie kommen auch beim Thoracic outlet-Syndrom, Thrombophilien, myeloproliferativen Erkrankungen und COVID-19 vor. Ebenso bei stumpfen Traumata mit Dissektionen bei Sportarten wie Volleyball oder Karate. Hypothenar-Hammer- und Hand-Arm-Vibrationssyndrom sind, wenn arbeitsbedingt, meldepflichtig, „und zwar schon bei Verdacht“.

Hautbefund kann wegweisend sein

Raynaud-Syndrom (RS), Vaskulitiden und Kollagenosen bilden die Schnittstelle zur Rheumatologie. Bei Akrozyanose erscheint die Haut anhaltend livide mit Weißfärbung auf Druck und Irisblendenphänomen. Beim klassischen RS, ausgelöst durch Kälte oder Stress, verfärben sich die Finger von Weiß zu Blau zu Rot. „Zwingend ist die Weißphase“, so Klein-Weigel. Der Nachweis antinukleärer Antikörper (ANA), diffus geschwollene „puffy fingers“ und subkutane Kalzifikationen sprechen insbesondere für eine Systemische Sklerose. Schmerzen und Schwellungen entstehen zudem bei entzündlichen Gelenkerkrankungen wie Rheumatoider Arthritis (RA), Psoriasisarthritis (PsA) oder Gicht.

Wie Professor Ulf-Müller-Ladner, Universität Gießen, Kerckhoff-Klinik, Bad Nauheim, erläuterte, helfen bei der Einordnung Gelenkbefallsmuster und Fingerdeformitäten, wie Schwanenhals- oder Knopflochdeformität bei RA oder Teleskopfinger bei PsA. Wegweisend sind mitunter Hautbefunde: Rheumaknoten, „teils voluminöse“ Gichttophi oder psoriatische Haut- und Nagelveränderungen.

Der Rheumatologe warnte vor Fehldiagnosen vermeintlicher Kontaktekzeme an Handflächen und Fußsohlen, bei denen es sich in Wirklichkeit um eine Psoriasis pustulosa handle: „Das sieht übel aus [...], die Patienten sind oft nicht arbeitsfähig.“

Quelle: Ärzte Zeitung

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