Wir berichten über einen 75 Jahre alten Patienten mit suspekten linksseitig zervikalen Lymphknoten in Region IV. Detektiert wurden diese in der PSMA-PET-MRT (Prostataspezifisches Membranantigen-Positronenemissions-Magnetresonanztomographie) zum Restaging bei bekanntem Prostatakarzinom mit laborchemischem PSA(Prostataspezifisches Antigen)-Anstieg in der onkologischen Nachsorgeuntersuchung. Zur histologischen Sicherung wurde eine hochselektive Lymphadenektomie in der linksseitigen Region IV unter γ‑Sonden-Kontrolle nach 99mTc(Technetium-99m)-PSMA-Markierung durchgeführt. Hierbei wurden 2 vergrößerte Lymphknoten mit deutlicher Traceraufnahme entfernt. Die histopathologische Untersuchung ergab die Diagnose von Lymphknotenmetastasen des bekannten Prostatakarzinoms. Mithilfe der „radio-guided surgery“ können unter Verwendung eines adäquaten Tracers supraselektiv pathologische Lymphknoten im Kopf-Hals-Bereich detektiert und sanierend entnommen werden.
Hinweise
Redaktion
C. Matthias, Mainz
×
QR-Code scannen & Beitrag online lesen
Abkürzungen
99mTc
Technetium-99m
AMACR
α‑Methylacyl-CoA-Racemase
ENE
Extranodale Extension
MRT
Magnetresonanztomographie
PET
Positronenemissionstomographie
PSA
Prostataspezifisches Antigen
PSMA
Prostataspezifisches Membranantigen
Anamnese
Die Vorstellung des 75-jährigen Patienten erfolgte mit suspekten linksseitig zervikalen Lymphknoten in Region IV/V. 2008 wurde ein Prostataadenokarzinom diagnostiziert, bei initialem TNM-Stadium von pT3b pN1(1/4) cM0 mit Gleason-Score = 7 (4 + 3). Es erfolgte primär eine radikale Prostatektomie (R0) mit pelviner Lymphadenektomie sowie eine adjuvante Radiotherapie der Primärtumorregion und Lymphabflusswege gefolgt von einer Androgendeprivationstherapie. Bei paraaortaler/infrarenaler Lymphknotenmetastasierung erfolgte 2016 eine PSMA-radio-guided-salvage-Lymphadenektomie (PSMA = prostataspezifisches Membranantigen) sowie eine erneute Radiatio der Paraaortalregion.
Die suspekte zervikale Lymphadenopathie ist im Rahmen des Restagings mittels PET-MRT bei simultan laborchemischem PSA-Anstieg (0,7 ng/ml) detektiert worden. Klinisch war der Patient im HNO-ärztlichen und urologischen Untersuchungsbereich beschwerdefrei.
Anzeige
Befund
Im PSMA-PET-MRT zeigten sich 2 größenprogrediente, PSMA-spezifisch anreichernde Lymphknoten linksseitig tief zervikal in Region IV (Abb. 1). Ansonsten bestand kein Anhalt für Fernmetastasierung oder ein lokoregionäres Rezidiv.
×
In der insgesamt blanden HNO-ärztlichen Routineuntersuchung waren zervikal keine pathologischen Lymphknoten palpabel. In der B‑Bild-Sonographie (Abb. 2) konnten in Region IV/V links 2 inhomogene lymphknotenähnliche Strukturen, rundlich konfiguriert mit einem maximalen Durchmesser von 1,2 cm, jeweils mit einem Solbiati-Index < 2, aber erhaltenem hilären Perfusionsmuster, dargestellt werden.
×
Sowohl die klinische Untersuchung als auch die nuklearmedizinische Bildgebung ergaben keinen Anhalt für einen Primarius i.B.d. HNO-Fachgebiets.
Diagnose
Bei PSMA-spezifisch anreichernden Lymphknoten mit simultanem PSA-Anstieg sowie fehlendem Anhalt für einen Primarius der Kopf-Hals-Region ergab sich der Verdacht auf zervikale Metastasen des bekannten Prostatakarzinoms.
Anzeige
Auf Grundlage der PSMA-Spezifität kommen differenzialdiagnostisch Metastasen eines Plattenepithelkarzinoms, eines adenoidzystischen Karzinoms oder eines Schilddrüsenkarzinoms infrage [2].
Therapie und Verlauf
Gemäß interdisziplinärem Tumorboardbeschluss erfolgte eine Lymphadenektomie des Levels IV links unter γ‑Sonden-Kontrolle nach vorheriger Radionuklidmarkierung mit 99mTechnetium-PSMA. Intraoperativ stellten sich i.B.d. linken Venenwinkels 2 vergrößerte Lymphknoten dar, die entfernt wurden. Sowohl im Operationssitus wie auch extrakorporal zeigte sich unter Verwendung der Tracersonde ein deutlich positives Signal der resezierten Knoten. Im Bereich der Resektionshöhle war post excisionem kein Tracersignal mehr zu detektieren. Der weitere peri- und postoperative Verlauf gestaltete sich regelrecht.
Histopathologisch zeigten sich beide Lymphknoten durchbaut von einem vorwiegend cribriform gebauten Adenokarzinom. Die größere der beiden Metastasen wies eine Infiltration des perinodalen Fettgewebes (ENE+) auf. In der Immunhistochemie waren Zytokeratin-8/-18 und PSMA kräftig positiv. Die α‑Methylacyl-CoA-Racemase (AMACR) und der Androgenhormonrezeptor waren lediglich fokal positiv. Somit bestätigte sich die Diagnose von Lymphknotenmetastasen des Prostatakarzinoms.
Postoperativ sank der PSA-Wert mit 0,056 ng/ml annähernd gegen Null, sodass seitens der Urologie auf eine adjuvante Therapie zugunsten einer Active Surveillance verzichtet wurde.
Diskussion
Zervikale Lymphknoten sind ein häufiger Manifestationsort für Metastasen maligner Tumoren der Kopf-Hals-Region, in der Majorität der Fälle bei einem Primarius eines Plattenepithelkarzinoms des oberen aerodigestiven Trakts oder der Haut. Insgesamt weisen 1 % aller Halslymphknotenmetastasen einen extrazervikalen Primärtumor auf. Am häufigsten ursächlich sind Primarien der Lunge, der Niere und der Mamma [4].
Prostatakarzinome wachsen lokal destruierend und bis zu 70 % der Patienten weisen bei Erstdiagnose eine Tumorausdehnung über die Organkapsel hinaus auf. Die Tumoren metastasieren vorwiegend lymphatisch in die pelvinen und paraaortalen Lymphknotenstationen, ossär in die Wirbelsäule und Röhrenknochen und parenchymatös in Lunge, Blase und Leber [9]. Eine Metastasierung in supraklavikuläre Lymphknoten wird bei weniger als 0,5 % der Patienten berichtet [3, 9].
Als ursächlich für die Entwicklung von Halslymphknotenmetastasen wird eine hämatogene Metastasierung über das venöse System der Wirbelsäule oder über den Batson-Venenplexus diskutiert [1], alternativ, aber weniger wahrscheinlich erscheint eine lymphatische Metastasierung durch einen retrograden Fluss von Lymphe aus dem Ductus thoracicus in die zervikalen Lymphbahnen [4].
Einen neuen Ansatz zur gezielten Resektion von Lymphknotenmetastasen des Prostatakarzinoms stellt die „PSMA-radio-guided surgery“ dar. PSMA, ein transmembranes Glykoprotein, ist in Prostatakarzinomzellen stark hochreguliert [2]. Für die „PSMA-radio-guided surgery“ erhalten betroffene Patienten präoperativ i.v. einen radioaktiven PSMA-Liganden, der in der Zielläsion, also dem karzinominfiltrierten Lymphknoten, anreichert und so eine intraoperative Detektion mittels γ‑Sonde erlaubt [8].
Anzeige
Für die „PSMA-radio-guided surgery“ von abdominellen und pelvinen Lymphknotenmetastasen bei Prostatakarzinomrezidiven existieren bereits vielversprechende Ergebnisse bezüglich der Metastasendetektion [6, 7]. Maurer et al. konnten intraoperativ zwischen tumorinfiltrierten und gesunden Lymphknoten unterscheiden (Sensitivität 83,6 %; Spezifität 100 %), gefolgt von einer vollständigen Entfernung aller im präoperativen PSMA-PET detektierten Läsionen [5].
In dieser Kasuistik berichten wir über den seltenen Fall eines Patienten mit zervikaler Metastasierung eines Prostatakarzinoms sowie über eine moderne Technik, um Prostatakarzinommetastasen intraoperativ zu identifizieren. Nach ausgiebiger systematischer Literaturrecherche scheint dies der erste in der Literatur beschriebene Fall einer „PSMA-radio-guided surgery“ in der Lymphadenektomie von Halslymphknoten zu sein. Die Identifikation der Metastasen war problemlos, schnell und zielsicher möglich. Intra- oder postoperative Komplikationen traten nicht auf. Der postoperative Abfall des PSA-Werts in den Nullbereich weist auf eine vollständige Entfernung der karzinominfiltrierten Lymphknoten mittels der verwendeten Technik hin.
Obwohl Halslymphknotenmetastasen eine ungewöhnliche Manifestation eines Prostatakarzinoms sind, stellen sie eine wichtige Differenzialdiagnose insbesondere bei der hohen Prävalenz des Prostatakarzinoms in der männlichen Bevölkerung dar. Eine „PSMA-radio-guided surgery“ ist bei Patienten mit Prostatakarzinom neben der Resektion von abdominopelvinen Lymphknoten auch bei Verdacht auf eine zervikale Metastasierung eine sinnvolle Option. Sie erscheint vorteilhaft in der exakten Lokalisierung und Resektion insbesondere bei kleinen Metastasen in Anbetracht der großen Gesamtzahl an zervikalen Lymphknoten.
Fazit für die Praxis
Halslymphknoten stellen einen ungewöhnlichen Manifestationsort von Metastasen eines Prostatakarzinoms dar, sollten aber bei positiver Anamnese für ein Prostatakarzinom in der Patientenvorgeschichte als Differenzialdiagnose berücksichtigt werden.
Prostatakarzinome können auch Jahre nach Erstdiagnose und multiplen Vortherapien noch in ungewöhnliche Regionen metastasieren. Regelmäßige PSA-Wert-Kontrollen sind ein wichtiges Hilfsmittel zur frühzeitigen Indikationsstellung erweiterter, kostenintensiver Diagnostik. Ein entsprechender Marker ist für Kopf-Hals-Tumorpatienten mit Plattenepithelkarzinomen bisher leider nicht verfügbar.
Die „PSMA-radio-guided surgery“ ist technisch auch bei V. a. zervikale Metastasierung umsetzbar und bringt Vorteile bei der exakten Lokalisierung und Resektion von kleinen metastatischen Läsionen.
Anzeige
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
J.P. Lingl, F. Boehm, T. Wiegel, A.J. Beer und T.K. Hoffmann geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren. Die angewandte Technik entspricht dem aktuellen medizinischen Kenntnisstand. Alle beschriebenen Personen wurden über die jeweils durchgeführten Prozeduren gemäß geltenden Richtlinien aufgeklärt und die Einwilligung zur Durchführung und Publikation eingeholt.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.
Mit e.Med HNO erhalten Sie Zugang zu CME-Fortbildungen des Fachgebietes HNO, den Premium-Inhalten der HNO-Fachzeitschriften, inklusive einer gedruckten HNO-Zeitschrift Ihrer Wahl.
Mit e.Med Pädiatrie erhalten Sie Zugang zu CME-Fortbildungen des Fachgebietes Pädiatrie, den Premium-Inhalten der pädiatrischen Fachzeitschriften, inklusive einer gedruckten Pädiatrie-Zeitschrift Ihrer Wahl.
Unter modernen Systemtherapien versechsfacht sich das VTE-Risiko. Warum diese Daten relevant für die Behandlung krebsassoziierter Thrombosen sind, erläutert Prof. F. Langer im Interview. So kann es durch Immuntherapien zu inflammatorischen Syndromen z.B. im GI-Trakt kommen. Nebenwirkungen wie Durchfall oder Mukositis haben dann Einfluss auf die Wirksamkeit oraler Antikoagulantien. Aber auch in punkto Blutungsrisiko ist Vorsicht geboten. Wann hier bevorzugt NMH eingesetzt werden sollten, erläutert Prof. Langer im Interview.
Krebsassoziierte venöse Thromboembolien (CAT) haben in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. Was hat der Anstieg mit modernen Antitumortherapien zu tun? Venöse Thromboembolien sind relevante Morbiditäts- und Mortalitätsfaktoren in der Onkologie. Besonders hoch sind die Risiken bei Tumoren des Abdominalraums. Eine antithrombotische Primärprophylaxe ist daher gerade bei gastrointestinalen (GI-) Tumoren auch im ambulanten Setting wichtig.
Die Thromboembolie ist neben Infektionen die zweithäufigste Todesursache bei Krebspatienten. Die Behandlung der CAT (cancer associated thrombosis) ist komplex und orientiert sich am individuellen Patienten. Angesichts einer Vielzahl zur Verfügung stehender medikamentöser Behandlungsoptionen finden Sie hier Video-Experteninterviews, Sonderpublikationen und aktuelle Behandlungsalgorithmen zur Therapieentscheidung auf Basis von Expertenempfehlungen.