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Viszeral- und Allgemeinchirurgie
Info
Publiziert am: 01.03.2023

Nabelhernien

Verfasst von: Wolfgang Thasler, Tobias Heinrich und Ivan Calasan
Die Nabelhernienversorgung gehört zu den häufigsten allgemein- und viszeralchirurgischen Routineoperationen mit einer sehr niedrigen Komplikationsrate von 3–5 % (Henriksen et al. 2020). Asymptomatische Nabelhernien können in der Bevölkerung bei ca. 25 % der Menschen im Ultraschall dargestellt werden (Bedewi et al. 2012). Es wird zwischen kleinen, mittleren und großen Nabelhernien unterschieden. Die Symptome können von Schmerzen über Zeichen einer Inkarzeration wie Übelkeit und Erbrechen bis zum akuten Abdomen reichen (Barreto et al. 2013). Die Therapie der symptomatischen Nabelhernie erfolgt ausschließlich chirurgisch. Dies kann mittels Direktnaht und zusätzlicher Netzverstärkung erfolgen. Bei adipösen Patienten oder hohem Risiko für eine Wundheilungsstörung stehen außerdem ausgereifte, laparoskopische Techniken zur Verfügung (Van Hoef und Tollens 2019). Zu den häufigsten Komplikationen gehören das Rezidiv und die Wundheilungsstörung (Lindmark et al. 2018).

Nabelhernie

Einleitung

Die Nabelhernienversorgung gehört zu den häufigsten allgemein- und viszeralchirurgischen Routineoperationen mit einer sehr niedrigen Komplikationsrate von 3–5 % (Henriksen et al. 2020). Asymptomatische Nabelhernien können in der Bevölkerung bei ca. 25 % der Menschen im Ultraschall dargestellt werden (Bedewi et al. 2012). In den USA werden im Jahr ca. 175.000 Nabelhernien operiert (Rutkow 1998). Eine Nabelhernie ist ein primärer bzw. beginnt mit einem angeborenen Defekt oder einer Lücke in der Mittellinie der Bauchwand zwischen den Faszien der beiden Rektusmuskeln auf der Höhe des Bauchnabels (s. Abb. 1). Er diente ehemals als Durchtritt für die Nabelschnur und kann sich im Alter aufgrund von erhöhtem abdominellen Druck und Abschwächung der Faszienverhältnisse erweitern (Appleby et al. 2018). Die Studienlage bezüglich der Benennung von Risikofaktoren für die Entwicklung einer symptomatischen Nabelhernie ist schwach. Rauchen, Übergewicht, Bindegewebsschwäche, Kolondivertikulitis, Schwangerschaft, Aszites und Rektusdiastasen sind in der Literatur als potenzielle Risikofaktoren benannt (Henriksen et al. 2020; Oma et al. 2017). Die Nabelhernie ist eine klinische Diagnose und tastet sich als Lücke zwischen den Rektusfaszien im Bauchnabel oder als ausbeulender Herniensack, welcher entweder durch präperitoneales Fett, das Omentum majus oder durch Dünndarm gebildet wird. Im Zweifel und bei ausgeprägten Befunden kann eine Ultraschalluntersuchung die Diagnosefindung unterstützen. Oft ist die Bruchlücke kleiner als der Herniensack vermuten lässt (Young et al. 2007; Halligan et al. 2018). Symptomatisch werden Nabelhernien, wenn es zur Inkarzeration kommt. Dabei kann sich präperitoneales Fett, das Omentum majus oder der Dünndarm in der Faszienlücke einklemmen. Sollte keine Reposition möglich sein, stellt Letzteres einen absoluten chirurgischen Notfall dar und bedarf einer umgehenden Operation. In der aktuellen Leitlinie der europäischen und amerikanischen Herniengesellschaft wird eine neue Einteilung der Nabelhernie vorgeschlagen in kleine (<1 cm), mittlere (1–4 cm) und große (>4 cm) Hernien (Henriksen et al. 2020).

Therapie

Im Allgemeinen zeigt die aktuelle Studienlage, dass die Verwendung eines Netzes die Rezidivrate signifikant verringern kann und dabei keine Nachteile in Bezug auf Lebensqualität und Komplikationen bietet. Insbesondere für kleinen Hernien <1 cm gibt es wenig Evidenz für die beste Operationsmethode (Christoffersen et al. 2013). In Deutschland kommt am häufigsten die Direktnaht zum Einsatz (s. Abb. 2), jedoch gibt es die ersten Studien, die auf einen Vorteil für eine Netzimplantation hindeuten (Bencini et al. 2009). Auch in Bezug auf die Nahttechnik und die Beschaffenheit des Nahtmaterials gibt es keine Evidenzunterschiede. Wir empfehlen jedoch nichtresorbierbare Fäden und eine Direktnaht ohne Fasziendopplung (Abdel-Baki et al. 2007). Bei Hernien zwischen 1 und 4 cm wurde in ersten Studien gezeigt, dass die Rezidivrate mit einer Netzimplantation signifikant gesenkt werden konnte (Helgstrand et al. 2018). Dabei empfehlen wir die Verwendung eines offenen IPOM-Netzes, das durch die Bruchlücke nach intraperitoneal verbracht werden kann. Der Vorteil eines solchen Netzes ist das geringe Operationstrauma beim Platzieren. Patienten mit Hernien größer als 4 cm sollten eine Versorgung mittels Netz in Sublay-Position erhalten. Dabei werden mittels Laparotomie die Herniengrenzen dargestellt und zusätzlich wird retromuskulär ein Netzlager geschaffen. Peritoneum und hinteres Faszienblatt werden dann verschlossen und das Netz wird mittels subkutanen Nähten fixiert. Die vorderen Faszienblätter werden ebenfalls wieder vernäht. Um ein postoperatives Serom oder Hämatom zu verhindern, empfehlen wir das Platzieren von 2 Redon-Drainagen jeweils auf dem Netz und epifaszial. Insbesondere Patienten mit Leberzirrhose und mit Inkarzerationen im Rahmen der Notfallversorgung scheinen von einer Netzimplantation zu profitieren (Abdel-Baki et al. 2007; Appleby et al. 2018). Nabelhernien können auch laparoskopisch mittels der intraperitonealen Onlay-Mesh-Technik (IPOM) versorgt werden. Dabei zeigten sich postoperativ weniger Wundheilungsstörungen. Allerdings wurde auch nachgewiesen, dass es zu einem verlängerten, stationären Aufenthalt, längerer Operationszeit und vermehrt kardiologischen sowie respiratorischen Komplikationen kam (Cassie et al. 2014). Aus diesem Grund sollte die Laparoskopie vor allem bei übergewichtigen Patienten und Rezidiven angewandt werden (Gonzalez et al. 2003). Da das Netz dabei von innen angebracht und ein deutlich größeres Netz verwendet werden kann, kommt es zu einer günstigeren Kräfteverteilung als bei offenen Techniken und dadurch zu weniger postoperativen Schmerzen, schnellerer Rückkehr in den normalen Alltag und einer niedrigeren Rezidivrate (Bencini et al. 2009). Sollte ein Netz eingebracht werden ist eine antibiotische Single-Short-Therapie 30 min vor dem Hautschnitt bei jeder Hernienoperation empfohlen zur Prävention einer Wundheilungsstörung (Allegranzi 2016).

Konklusion

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Studienlage trotz der Häufigkeit der Diagnose und Operation sehr limitiert ist, sodass die Versorgung der Nabelhernie vor allem von der Erfahrung und Einschätzung des behandelnden Chirurgen abhängt. Offene Techniken sind aufgrund der Daten zur Morbidität weiter zu bevorzugen. Die Netzimplantation ist vor allem bei Rezidiven und großen Defekten sinnvoll. Dabei sollte eine Single-shot-Antibiose zum Einsatz kommen. Bei Patienten mit Übergewicht und bei Rezidiven stehen erprobte, laparoskopische Techniken wie das IPOM zur Verfügung. Insbesondere bei mittleren Hernien zwischen 1 und 4 cm gibt es in der Literatur keinen eindeutigen Konsens zur richtigen Vorgehensweise. Wir empfehlen für diese Hernien jedoch eine Direktnaht kombiniert mit einem offenen IPOM.
0–1 cm
=> Direktnaht
1–4 cm
=> Offenes IPOM und Direktnaht
>4 cm
=> Sublay
Bei symptomatischen Nabelhernien und bei Inkarzerationsgefahr sollte der Bruch operativ versorgt werden. Eine inkarzerierte Nabelhernie, die sich nicht reponieren lässt, ist ein viszeralchirurgischer Notfall und bedarf einer umgehenden Operation.
Literatur
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Christoffersen MW, Helgstrand F, Rosenberg J, Kehlet H, Bisgaard T (2013) Lower reoperation rate for recurrence after mesh versus sutured elective repair in small umbilical and epigastric hernias. A nationwide register study. World J Surg 37(11):2548–2552CrossRefPubMed
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