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Enzyklopädie der Schlafmedizin
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Publiziert am: 20.02.2024

Urogenitalsystem

Verfasst von: Martin Konermann und Bernd Sanner
Als Urogenitalsystem werden Nieren, Harnleiter, Harnblase, Harnröhre und weibliche oder männliche Geschlechtsorgane zusammengefasst. Zwischen Urogenitalsystem, Schlaf und Schlafstörungen bestehen enge Zusammenhänge. Die Nierenfunktion unterliegt zirkadianen Rhythmen, im Nachtschlaf ist die Urinproduktion reduziert. Störungen des Schlafs können die Steuerung der Nierenfunktion wesentlich beeinflussen. Umgekehrt können auch Erkrankungen der Nieren erheblichen Einfluss auf den Schlaf haben. Der vorliegende Beitrag stellt eine Übersicht über das Urogenitalsystem sowie über urogenitale Erkrankungen dar, die durch Schlafstörungen und schlafbezogene Erkrankungen ausgelöst oder beeinflusst werden oder die selbst einen Einfluss auf die Schlafqualität ausüben.

Synonyme

Harn- und Geschlechtsorgane

Englischer Begriff

urogenital system

Definition

Als Urogenitalsystem werden Nieren, Harnleiter, Harnblase, Harnröhre und weibliche oder männliche Geschlechtsorgane zusammengefasst. Die gemeinsame Betrachtung hat entwicklungsgeschichtliche Gründe, da das Urogenitalsystem während der Embryonalphase aus dem Mesoderm hervorgeht. Es differenziert sich zunächst für beide Geschlechter einheitlich in die Anlagen für Nieren und ableitende Harnwege sowie für die Gonaden und die äußeren Geschlechtsorgane, die sich aus der Genitalplatte entwickeln (Abb. 1).
Zwischen Urogenitalsystem, Schlaf und Schlafstörungen bestehen enge Zusammenhänge. Die Nierenfunktion unterliegt zirkadianen Rhythmen, im Nachtschlaf ist die Urinproduktion reduziert. Störungen des Schlafs können die Steuerung der Nierenfunktion wesentlich beeinflussen. Umgekehrt können auch Erkrankungen der Nieren erheblichen Einfluss auf den Schlaf haben; so leiden beispielsweise Dialysepatienten häufig unter Schlafstörungen wie nächtlichen „Muskelkrämpfen“, dem „Restless-Legs-Syndrom“ (RLS) oder „Schlafbezogenen Atmungsstörungen“ (SBAS). Schmerzhafte Erkrankungen der ableitenden Harnwege wie Harnwegsinfekte oder Harnsteinleiden können den Schlaf stören. Die Enuresis nocturna ist ein in der Kindheit, aber auch im Senium weit verbreitetes Problem (siehe auch „Enuresis und Harninkontinenz“).
Bei Frauen sind Schlafstörungen in Abhängigkeit vom Zyklus ebenso bekannt wie in der Schwangerschaft und der Menopause. Auch das Syndrom der polyzystischen Ovarien prädisponiert zu schlafbezogenen Erkrankungen. Bei Männern können Prostataerkrankungen zu Störungen des Schlafes führen, bekannt sind ferner die Potenzstörungen bei Patienten mit Obstruktiver Schlafapnoe (OSA).
Der vorliegende Beitrag stellt eine Übersicht dar. In der Enzyklopädie finden sich noch die Einzelbeiträge „Nierenerkrankungen“; „Enuresis und Harninkontinenz“; „Erektionsstörungen und nächtliche penile Tumeszenz (NPT)“.
Weitere, dem Themenkreis assoziierte Beiträge sind „Mineralstoffwechsel und Volumenregulation“; „Endokrinium“; „Prolaktin“; „Sexualhormone“; Schlafbezogene Beinmuskelkrämpfe; Schwangerschaftsbezogene Schlafstörung; Kindesalter.

Grundlagen

Niere und Schlaf

Physiologie
Neben der Exkretion von Wasser, harnpflichtigen Substanzen und Stoffwechselendprodukten sind die Nieren für die Homöostase von Volumen, Elektrolyten und Säure-Basen-Haushalt die wesentlich verantwortliche Effektorstruktur, daneben greifen sie steuernd in die Hämatopoese und in die Blutdruckregulation ein.
Die Nierenfunktion selbst unterliegt komplexen Steuerungsmechanismen neuraler, humoraler und pressorischer Systeme. Hauptmotor der Nierenleistung ist die Perfusion, die vom arteriellen Blutdruck abhängt und darüber hinaus von einem Autoregulationsmechanismus gesteuert wird. Eine wichtige Rolle für die Nierenfunktion spielt auch der Sympathikus. Unter den hormonellen Regelkreisen sind das die Diurese hemmende antidiuretische Hormon (ADH) sowie das die Diurese fördernde atriale natriuretische Peptid (ANP) und das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) bedeutsam. Alle genannten Faktoren greifen auch in die Blutdruckregulation ein.
Im Schlaf des Gesunden ist die Urinproduktion reduziert. Junge Erwachsene bilden im Schnitt am Tage 75 ml Urin pro Stunde, in der Nacht 35 ml/h. Im Senium ist die Urinproduktion am Tage etwas reduziert, in der Nacht gesteigert, was zur senilen Nykturie beiträgt. Die Ursache hierfür liegt neben der zeitlichen Abfolge der Flüssigkeitszufuhr in zirkadianen Schwankungen der Nierenfunktion. Darüber hinaus kommt es im Schlaf des Gesunden zu einer Reduktion des Sympathikotonus sowie zu einem Absinken der ANP-Exkretion im Herzen und der Aktivität des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems. Die Produktion von ADH im Hypothalamus und seine Exkretion aus dem Hypophysenhinterlappen steigt im Nachtschlaf an (siehe auch „Mineralstoffwechsel und Volumenregulation“; „Endokrinium“; „Hypophyse und Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenachse“; „Autonomes Nervensystem“).
Nykturie
Definiert als eine mehr als zweimalige Miktion aus dem Schlaf heraus, ist die Nykturie ein verbreitetes Problem mit deutlicher Altersabhängigkeit. Im Kindes- und jüngeren Erwachsenenalter ist sie selten, im Senium mit einer Prävalenz von über 30 % häufig. Eine Sonderform ist das nächtliche Polyurie-Syndrom, definiert als nächtliche Urinmenge von mehr als einem Drittel der Tagesmenge, nächtliche Urinproduktion > 0,9 ml/min, nächtlichem Durst und Trinkbedürfnis mit konsekutiver Störung von Schlaf und Tagesbefindlichkeit (Asplund 1995; Miller 1991; Weiss 1998). Die Genese ist multifaktoriell, das Vorkommen gehäuft bei degenerativen Hirnerkrankungen (Miller 2000).
Ursachen für ein nächtliches Polyurie-Syndrom sind:
Die physiologischen Ursachen der senilen Nykturie sind ein Rückgang der Blasenkapazität von zirka 400 ml beim jungen Erwachsenen auf 200 ml beim Alten sowie eine Reduktion der nächtlichen ADH-Produktion. Während die ADH-Plasmaspiegel in der Jugend 1,1 pg/ml tags und 2,0 pg/ml nachts betragen, gehen sie im Alter auf 1,9 pg/ml tags und 1,3 pg/ml nachts zurück, was zu einem Anstieg der nächtlichen Diurese und Rückgang der Urinosmolarität führt (Miller 2000). Eine Fülle von Erkrankungen, die mit dem Alter an Häufigkeit zunehmen, kann eine Nykturie verursachen. Die Folge der Nykturie ist ein gestörter Schlaf; in schweren Fällen wie beim Polyurie-Syndrom folgt daraus Tagesschläfrigkeit. Bei der „Obstruktive Schlafapnoe“ stellt das nächtliche Wasserlassen ein auffälliges Symptom dar. Die Behandlung der Nykturie besteht in erster Linie in einer Behandlung der zugrunde liegenden Erkrankung. Daneben spielen abendliche Flüssigkeitsrestriktion, Blasentraining, Kochsalzrestriktion und gegebenenfalls Diuretika eine Rolle. In jüngerer Zeit gibt es vielversprechende Therapieansätze mit dem ADH-Analogon Desmopressin (Miller 2000).
Ursachen für Nykturie sind:
  • kardiovaskuläre Erkrankungen
  • neurologische Erkrankungen
  • psychiatrische Erkrankungen
  • Blasen- und Prostataerkrankungen
  • Lungenerkrankungen
  • Obstruktive Schlafapnoe
  • Diabetes mellitus
  • Diabetes insipidus (zentral, renal)
  • gynäkologische Erkrankungen
  • Koprostase
Schlafstörungen bei Urämie und Dialysetherapie
Niereninsuffizienz, definiert als Rückgang der glomerulären Filtrationsrate unter die alterstypische Norm, ist ein häufiges Problem. Die häufigsten Ursachen sind „Bluthochdruck“ und „Diabetes mellitus“, gefolgt von entzündlichen Nierenerkrankungen wie Pyelo- und Glomerulonephritiden und dem Einfluss von Medikamenten. Eine fortgeschrittene Niereninsuffizienz geht mit erheblichen Beschwerden einher: Dyspnoe und Ödeme durch Volumenretention, Mattigkeit und Schwindel bei renaler Anämie und schlafstörender Pruritus durch Anreicherung harnpflichtiger Substanzen. Zusätzlich leiden viele Patienten mit Urämie an erheblichen Ein- und Durchschlafstörungen (Parker 2003). Die Prävalenz des „Restless-Legs-Syndrom“ beträgt bei Dialysepatienten 20–40 %, die Symptomatik ist vor und während der Dialyse am intensivsten, was während der zwangsläufigen dialysebedingten Immobilität sehr belastend sein kann (Gigli 2004). Bei Dialysepatienten fand sich eine Prävalenz relevanter Schlafbezogener Atmungsstörungen von 63,6 % (Sanner et al. 2002). All dies führt zu einer zusätzlichen Einschränkung der Lebensqualität von Patienten mit Urämie.
Durch die Dialyse lassen sich die schlafbezogenen Erkrankungen der Nierenpatienten in der Regel nicht hinreichend bessern. Eine Nierentransplantation kann hingegen eine erhebliche Besserung der Schlafstörungen zur Folge haben.

Ableitende Harnwege und Schlaf

Urolithiasis und Harnwegsinfekte
Etwa 10 % der Bevölkerung erleiden im Laufe ihres Lebens eine Urolithiasis. Konkremente in den ableitenden Harnwegen können aus Harnsäurekristallen oder Kalziumverbindungen bestehen, zu 80 % handelt es sich dabei um Kalziumoxalat. Während Blasensteine gelegentlich zu Miktionsstörungen führen, meistens aber asymptomatisch sind, können Nierenbecken- und Harnleitersteine starke, kolikartige Schmerzen verursachen. Die meisten Patienten werden am Tage bei körperlicher Aktivität symptomatisch, viele aber auch in der zweiten Nachthälfte, wenn gegen Morgen die Urinproduktion wieder steigt und die Konkremente in Bewegung geraten. Die resultierenden Koliken führen zum Erwachen.
Harnwegsinfekte sind häufig, insbesondere bei Frauen. Prädisponierend können Blasenentleerungsstörungen mit Restharnbildung sein. Nächtliche Flankenschmerzen bei Nierenbeckenentzündung, Unterleibsschmerzen und nächtliche Pollakisurie infolge Blasenentzündung können den Schlaf stören.
Enuresis nocturna
Das Bettnässen ist definiert als regelmäßiges oder episodenhaftes nächtliches Einnässen und wird zu den „Parasomnien“ gezählt. Bis zum fünften Lebensjahr ist es physiologisch, wenn auch 70 % der Vierjährigen nachts bereits „trocken“ sind. Tagsüber haben die Betroffenen zumeist kein Problem mit der Blasenkontrolle. Enuresis nocturna betrifft 15–20 % der Fünfjährigen, 10 % der Zehnjährigen und 1 % der jungen Erwachsenen, im Alter nimmt es wieder zu. Häufige organische Ursachen sind ein Missverhältnis zwischen Urinproduktion und Blasenkapazität sowie ein Fehlen der Weckreaktion beim Miktionsreiz. Prädisponierende Faktoren bei Kindern sind verzögerte Reifung der Blasenkontrolle und psychosozialer Stress sowie erbliche Belastung. Ist ein Elternteil Bettnässer, so trifft das auch für 43 % der Kinder zu, sind beide Eltern Bettnässer, sind 77 % der Kinder betroffen. Bei einem Teil der Kinder mit Enuresis ist die nächtliche ADH-Produktion zu gering: Sie produzieren im Schnitt 50 ml Urin pro Stunde, während es bei „trockenen“ Kindern nur zirka 20 ml/h sind. Bei Erwachsenen kann neben psychischen Störungen auch eine körperliche Ursache bestehen in Gestalt von Erkrankungen der Niere oder Blase oder auch einer schlafgebundenen Epilepsie.
Die Diagnostik besteht neben der Anamnese im Ausschluss einer organischen Ursache durch Untersuchung des Genitale, Ultraschalluntersuchung der Nieren und der Blase, neurologische Untersuchung, Urindiagnostik und ein Miktionsprotokoll zur Bestimmung der tageszeitlichen beziehungsweise nächtlichen Abhängigkeit der Urinproduktion. Die Therapie besteht in einer Verhaltenstherapie mit Blasentraining zur Erhöhung der Kapazität, in Reduktion der abendlichen Flüssigkeitszufuhr sowie bei Kindern in vormitternächtlichem Wecken zur Miktion. Pharmakologisch können Anticholinergika zur Blasenkapazitätssteigerung eingesetzt werden, bewährt hat sich auch die abendliche Gabe von Desmopressin, einem ADH-Analogon, zur nächtlichen Diuresereduktion. Eine begleitende psychologische Behandlung ist sinnvoll. In zirka 80 % der Fälle ist die Therapie erfolgreich (siehe auch „Enuresis und Harninkontinenz“).

Genitalorgane und Schlaf

Physiologie
Ein- bis fünfmal in der Nacht kommt es bei gesunden Menschen zu einer vermehrten Blutzufuhr zum Genitale, die sich bei der Frau in einer Schwellung der Labien und Erektion der Klitoris sowie Lubrikation, beim Mann in einer quantifizierbaren Erektion des Penis manifestiert. Dies ist keinesfalls nur im reproduktionsfähigen Alter, sondern vom Säugling bis zum Greis zu beobachten und fällt überwiegend mit den REM-Phasen des Nachtschlafs zusammen. Die morgendliche Erektion bei Männern ist nicht, wie man früher dachte, durch Druck der vollen Blase auf Prostata und Beckenbodenmuskulatur hervorgerufen, sondern entspricht der Erektion in der letzten REM-Phase vor dem Erwachen. Die Dauer der REM-Schlaf-assoziierten Erektion ist altersabhängig, sie kann von einer Minute bis zu einer Stunde dauern und korreliert nicht mit Trauminhalten. Gelegentlich, insbesondere bei jungen Männern und bei sexuell gefärbten Trauminhalten, kann es zur Ejakulation im Schlaf, auch nächtliche Pollutionen genannt, kommen. Im Schlaf des Gesunden, insbesondere im REM-Schlaf, überwiegt die parasympathische Aktivität, vor allem in der Jugend. Dies begünstigt nächtliche Erektionen. Mit dem altersphysiologischen Rückgang des REM-Schlafs reduziert sich die parasympathische Aktivität. Bei Patienten mit erektiler Dysfunktion fanden sich eine überwiegend REM-Schlaf-assoziierte sympathische Dominanz und eine herabgesetzte parasympathische Aktivität (Lavie 1999). Somit scheint die Balance des vegetativen Nervensystems im Schlaf der entscheidende Faktor für die erektile Funktion zu sein (siehe auch „Erektionsstörungen und nächtliche penile Tumeszenz“; „Autonomes Nervensystem“).
Frauen
Zyklusabhängige Schlafstörungen
Bis zu zwei Drittel aller Frauen klagen über seelische und/oder körperliche Störungen, die vor der Periode einsetzen und mit Beginn der Menstruation wieder abklingen. Davon beeinträchtigt fühlt sich etwa ein Viertel der Frauen, in starker Form wird bei rund 2,5–8 % der Frauen von einem prämenstruellen Syndrom gesprochen, bei extrem heftigen Beschwerden von einer prämenstruellen dysphorischen Störung. Das prämenstruelle Syndrom weist ein Muster von Beschwerden auf, das vor allem gekennzeichnet ist durch traurige Verstimmung, Schlafstörungen, Angst und körperliche Beschwerden wie Brust- und Kopfschmerzen, Ödeme und Übelkeit. Die Schlafstörungen können sich sowohl als Insomnie in Form von Ein- und Durchschlafstörungen als auch in einem erhöhten Schlafbedarf (Hypersomnie) äußern. Zwei Drittel der Betroffenen klagen über insomnische Beschwerden. Eine Behandlungsbedürftigkeit kann vorliegen, wenn die Beschwerden zumindest während eines Jahres bei den meisten Menstruationszyklen aufgetreten sind. Einheitliche Richtlinien gibt es dazu allerdings nicht. Die Therapie ist symptomatisch. Schmerzen im Rahmen der Menstruation oder als sogenannter Mittelschmerz bei der Ovulation können ebenfalls zu Schlafstörungen führen (siehe auch „Sexualhormone“).
Schlafstörungen und Menopause
In den Wechseljahren treten bei Frauen vermehrt Schlafstörungen auf. Die Veränderungen bei der Bildung von Geschlechtshormonen wirken sich dabei direkt auf den Schlaf aus und beeinflussen zudem andere Hormone, die mit dem Schlaf in Zusammenhang stehen. Die Abnahme von Östrogen bewirkt Hitzewallungen und nächtliches Schwitzen. Hitzewallungen dauern zwar nur einige Minuten, treten aber bei manchen Frauen nachts so gehäuft auf, dass ihr Schlaf regelhaft unterbrochen wird. Nach dem Klimakterium nimmt die Inzidenz der „Obstruktive Schlafapnoe“ bei Frauen deutlich zu.
Die menopausalen Schlafstörungen sprechen in der Regel gut auf eine Hormonsubstitutionstherapie an. Günstig sind Östrogenpräparate, in Kombinationspräparaten können manche Gestagene den Östrogeneffekt auf den Schlaf antagonisieren. Saletu (2001) konnte in einer Studie an 49 menopausalen Frauen zeigen, dass neuere Gestagene wie Dienogest diesen schlafstörenden Effekt nicht mehr haben. Nach zweimonatiger Behandlung mit dem Kombinationspräparat war der Schlaf von Frauen mit Schlafstörungen im Vergleich zu sowohl Plazebo als auch zu alleiniger Estradiolgabe signifikant gebessert. So hatten die nächtlichen Wachzeiten und die Schlafbezogenen Atmungsstörungen abgenommen. Allerdings besteht bei der postmenopausalen Hormonsubstitution wahrscheinlich eine erhöhte Inzidenz gynäkologischer Tumoren.
Schlafstörungen und Schwangerschaft
Zu Beginn der Schwangerschaft nimmt das Schlafbedürfnis bei den meisten Frauen zu; sie zeigen Symptome einer Hypersomnie, fühlen sich tagsüber müde und schlafen nachts länger als gewöhnlich. Ursache ist die in der Schwangerschaft erhöhte Progesteronproduktion. In späteren Phasen der Schwangerschaft – vor allem in den letzten drei Monaten – haben viele werdende Mütter einen besonders schlechten Schlaf. Studien haben belegt, dass sich das Schlafmuster verändert: Der Tiefschlaf nimmt ab, und die Tendenz zum nächtlichen Erwachen nimmt gleichzeitig zu. Einigen Schwangeren bereitet es auch Schwierigkeiten, in bestimmten Positionen zu schlafen. Insgesamt nimmt die Erholsamkeit des Schlafs im Verhältnis zu der tatsächlichen Schlafzeit im zweiten Drittel der Schwangerschaft ab und verschlechtert sich im letzten Drittel nochmals deutlich. In der letzten Phase der Schwangerschaft kann der Schlaf aus unterschiedlichen Gründen gestört werden, durch Wadenkrämpfe, Rückenschmerzen, Sodbrennen, Kindsbewegungen, allgemeines Unwohlsein oder Nykturie. Auch das Restless-Legs-Syndrom tritt in der Schwangerschaft vermehrt auf und hindert die Betroffenen am Einschlafen. Nach der Geburt wird der Schlaf der Mutter häufig gestört, weil sie das Baby auch nachts versorgen muss (siehe auch „Schwangerschaftsbezogene Schlafstörung“).
PCO-Syndrom und Schlafapnoe
Das Syndrom der polycystischen Ovarien (PCO-Syndrom, Stein-Leventhal-Syndrom) ist die häufigste endokrine Erkrankung der Frauen im reproduktiven Alter. Es handelt sich um eine komplexe Funktionsstörung, die mit Virilisierungserscheinungen, Oligo- oder Amenorrhö, ungewollter Kinderlosigkeit, Fettstoffwechselstörungen, Hyperinsulinismus und bei über 50 % mit Adipositas einhergeht. Es wird heute von einigen Autoren als ein Teil des metabolisch-endokrinen Syndroms betrachtet. Übergewicht scheint bei der meist schon präpubertären Initiierung der Erkrankung eine große Rolle zu spielen, da Fettgewebe ein endokrin aktives Organ ist, in dem zum einen C19-Steroide von androgen schwächeren in androgen stärkere Formen (Androstendion) konvertieren und zum anderen C18-Steroide (Östron) synthetisiert werden. Das metabolische Syndrom prädestiniert Patientinnen mit PCO-Syndrom auch für Schlafbezogene Atmungsstörungen. In einer Untersuchung von Vgontzas (J Clin Endocrin Metabol 2001) an 53 Patientinnen mit PCO-Syndrom klagten 80,4 % über exzessive Tagesschläfrigkeit (Kontrolle 27 %), 17,0 % versus 0,6 % hatten eine behandlungsbedürftige Obstruktive Schlafapnoe, entsprechend einem 30-fach erhöhten relativen Risiko. Dies korrelierte nicht mit dem Körpergewicht und wenig mit dem Grad der Hyperandrogenämie, sondern eng mit dem Ausmaß der Insulinresistenz. Daraus ergibt sich ein Indiz der engen Beziehung von PCO-Syndrom, Schlafapnoe und metabolischem Syndrom. Die Therapie des PCO-Syndroms beinhaltet neben chirurgischen Ansätzen wie Ovarotomie, die aber selten kurativ sind, und der Hormontherapie vornehmlich eine sorgfältige internistische, diätetische und pharmakologische Behandlung. Auch die Therapie der Obstruktiven Schlafapnoe gehört dazu.
Männer
Schlafapnoe und erektile Dysfunktion
Patienten mit Obstruktiver Schlafapnoe leiden insbesondere unter Hypersomnie und Rückgang ihrer Leistungsfähigkeit. Oft klagen Männer auch über Potenzstörungen. In einer retrospektiven Analyse konnten wir 1999 bei 500 Patienten mit Obstruktiver Schlafapnoe eine Prävalenz der erektilen Dysfunktion von 55,6 % nachweisen, in einer Neuauflage dieser Untersuchung an 1500 männlichen Schlafapnoepatienten gaben 1024 (53,1 ± 10,5 Jahre) solche Probleme an, entsprechend einer Häufigkeit von 68,3 % (Konermann et al. 2003). Diese Zahlen wurden in der Zwischenzeit von anderen Arbeitsgruppen bestätigt (Budweiser et al. 2009). Die Prävalenz der erektilen Dysfunktion in der männlichen Bevölkerung zwischen dem 30. und 80. Lebensjahr liegt bei 19 %, alterskorrigiert bei 15 % (Abb. 2), sodass dieses Problem bei Patienten mit Obstruktiver Schlafapnoe viermal häufiger zu sein scheint. Umgekehrt fand sich bei urologischen Patienten mit erektiler Dysfunktion keine erhöhte Prävalenz Schlafbezogener Atmungsstörungen (Seftel 2002).
Die Potenzstörung korreliert mit der Schwere der Schlafapnoe, der Tagesschläfrigkeit und dem Alter der Patienten (Margel 2005). Durch eine Therapie mit „CPAP“ kann bei einem Teil der Patienten eine Wiederherstellung der Sexualfunktion erreicht werden, wobei Erfolgsquoten zwischen 20 % (Perimenis 2004) und 75 % (Goncalves 2005) berichtet werden.
Schlafapnoepatienten zeigen in Korrelation zum Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI), zur Schlaffragmentation, zum Grad der Hypoxie und zum Körpergewicht eine reduzierte Sekretion von Sexualhormonen (Luboshitzky 2002). Des Weiteren wirkt eine sympathische Aktivierung, wie sie bei der Schlafapnoe vorliegt, detumeneszierend (Giuliano 1995; Fanfulla 2000; Lue 2000). Darüber hinaus ist zu vermuten, dass bei der erektilen Dysfunktion Pathomechanismen eine Rolle spielen, die auch für die „kardiovaskuläre Folgen der Obstruktiven Schlafapnoe“ verantwortlich sind. Siehe dazu auch „Atherosklerose und Obstruktive Schlafapnoe“ und „Endotheliale Dysfunktion“.
Die Differentialdiagnostik beinhaltet das gesamte Spektrum urologischer, endokrinologischer, angiologischer, psychologischer und somnologischer Untersuchungen, wobei im Schlaflabor neben der klassischen Kardiorespiratorischen Polysomnographie auch eine NPT-Messung (nächtliche penile Tumeszenz) erfolgen kann (siehe auch „Erektionsstörungen und nächtliche penile Tumeszenz“).
Fehlende Erektionen im REM-Schlaf
Fehlende Erektionen im REM-Schlaf können ein Hinweis auf eine erektile Dysfunktion sein, die mit einer Prävalenz von fast 20 % der männlichen Bevölkerung zu den häufigen Störungen zu rechnen ist. Sie können Symptom einer schlafbezogenen Erkrankung sein, zum Beispiel der Obstruktiven Schlafapnoe oder einer Insomnie. Fehlende nächtliche Erektionen wurden früher als Beweis der organischen Genese einer erektilen Dysfunktion angesehen. Heute weiß man, dass dies in der Absolutheit nicht stimmt.
Schmerzhafte Erektionen im REM-Schlaf
Betroffen sind vornehmlich Männer zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr. Es besteht keine klare Assoziation zu anderen Erkrankungen. Die Ätiologie der schmerzhaften nächtlichen Erektionen ist nicht bekannt. Das in der Literatur wenig beschriebene Krankheitsbild war nach der International Classification of Sleep Disorders (ICSD 1990) bisher den Parasomnien zugeordnet worden. Bereits in der ICSD-2 (International Classification of Sleep Disorders, 2nd Edition 2005) war es nicht mehr enthalten.
Prostataerkrankungen und Schlaf
Erkrankungen der Prostata vor dem 40. Lebensjahr sind selten und meist entzündlicher Natur. Eine Prostatitis kann zur schmerzhaften Erektion auch nachts sowie Pollakisurie und Nykturie führen. Nach dem 40. Lebensjahr beginnt die benigne Prostatahyperplasie (BPH), die ihren Häufigkeitsgipfel nach dem 60. Lebensjahr erreicht. Die Folge ist eine progrediente Obstruktion der Urethra mit Miktionsstörungen: Abschwächung des Harnstrahls, Nachträufeln, Pollakisurie und Nykturie. Über eine Restharnbildung können Blasenentzündungen entstehen, in schweren Fällen eine Überlaufblase mit spontanen, auch nächtlichen Entleerungen. Durch Nykturie, Blasenschmerzen und nächtliche spontane Entleerungen (Enuresis), die meist beim Lagewechsel im Schlaf auftreten, kann die Qualität des Schlafs empfindlich gestört werden.

Zusammenfassung, Bewertung

Urogenitale Erkrankungen sind häufig. Sie können einerseits durch Schlafstörungen und schlafbezogene Erkrankungen ausgelöst oder beeinflusst werden, andererseits können sie selbst erheblichen Einfluss auf die Schlafqualität ausüben. Viele Zusammenhänge sind bislang noch nicht geklärt, so dass auf diesem Gebiet verstärkte Forschungsbemühungen erforderlich sind.
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