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Enzyklopädie der Schlafmedizin
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Publiziert am: 13.06.2023

Lebensalter

Verfasst von: Jörg Hermann Peter und Helga Peter
Mit den physiologischen Veränderungen im Laufe des Lebens finden auch Veränderungen des Schlafens und Wachens statt. Der Zusammenhang von Lebensalter und Schlaf umfasst über physiologische altersabhängige Veränderungen hinaus auch Gesundheitsrisiken und Faktoren, die häufig mit dem Auftreten von Schlafstörungen und schlafmedizinischen Erkrankungen in bestimmten Lebensabschnitten assoziiert sind. In diesem Kapitel wird ein Überblick gegeben über schlafmedizinische Gesundheitsrisiken für die Altersabschnitte Perinatalzeit, Säuglingsalter, Kleinkindalter, Kindergartenalter und Schulalter, Jugendalter und Pubertät, drittes und viertes Lebensjahrzehnt, fünftes Lebensjahrzehnt bis Rentenalter und Senium.

Synonyme

Alter

Englischer Begriff

age

Definition

Mit den physiologischen Veränderungen im Laufe des Lebens finden auch Veränderungen des Schlafens und Wachens statt. Ein Wechsel zwischen Aktivitäts- und Ruhephasen beginnt bereits intrauterin. Bis zur Mitte des zweiten Lebensjahres bildet sich in der Regel eine zusammenhängende, an die Nacht gekoppelte Hauptschlafphase heraus. Während des Nachtschlafs ist ein Optimum für Erholung gegeben, während der Tagphase finden sich Optima für Aktivität, Wachheit und Leistung. Ein postmittägliches Leistungstief bleibt erhalten, und es kann für einen kurzen erholsamen Mittagsschlaf genutzt werden. Ab dem dritten Lebensjahrzehnt bis ins Senium lässt sich eine Abfolge von charakteristischen altersabhängigen Veränderungen des Nachtschlafs finden. Sie sind gekennzeichnet durch eine Zunahme der Leichtschlafanteile, eine Abnahme der Tiefschlafanteile und der REM-Schlafanteile sowie durch die Zunahme von Unterbrechungen des Nachtschlafs durch Wachliegezeiten im höheren Alter. Die altersassoziierten Veränderungen sind so ausgeprägt, dass sie bei der Bewertung eines Hypnogramms aus der Polysomnographie Berücksichtigung finden müssen.
Der Zusammenhang von Lebensalter und Schlaf umfasst über die genannten physiologischen altersabhängigen Veränderungen hinaus auch Gesundheitsrisiken und Faktoren, die häufig mit dem Auftreten von Schlafstörungen und schlafmedizinischen Erkrankungen in bestimmten Lebensabschnitten assoziiert sind. In den Essays der Enzyklopädie, die sich mit einzelnen Schlafstörungen und schlafmedizinischen Erkrankungen befassen, wird auf den Aspekt des Lebensalters in der Regel unter den Stichpunkten Epidemiologie und Risikofaktoren eingegangen. Im Folgenden wird ein Überblick gegeben über schlafmedizinische Gesundheitsrisiken für die Altersabschnitte Perinatalzeit, Säuglingsalter, Kleinkindalter, Kindergartenalter und Schulalter, Jugendalter und Pubertät, drittes und viertes Lebensjahrzehnt, fünftes Lebensjahrzehnt bis Rentenalter und Senium.

Grundlagen

Altersabhängige physiologische Veränderungen des Schlafs

Ein rhythmischer Wechsel von Phasen der Ruhe mit solchen der Aktivität ist schon für den Fetus nachzuweisen. Postnatal besteht zunächst ein polyphasischer Schlaf, mit über Tag und Nacht rhythmisch verteiltem Wechsel von multiplen Schlaf- und Wachphasen mit in der Summe 16 Stunden Schlafzeit. Die Hälfte davon wird im REM-Schlaf und nur acht Stunden werden zusammengenommen im Wachzustand verbracht. Der an Cluster von Tiefschlaf gebundene Spitzenwert für die Ausschüttung von „Wachstumshormon“ bildet sich erst mit der Entstehung einer einzelnen längeren Schlafphase im zweiten Lebensmonat heraus. Im Verlauf des zweiten Lebensjahres sollte sich eine feste Kopplung der Hauptschlafphase an die Nachtzeit herausbilden. Eine zweite kurze Schlafphase in Gestalt des Mittagsschlafs ist noch fester Bestandteil des Schlaf-Wach-Verhaltens bis zum Kindergartenalter. Eine kürzere „Schlafpausen“ zur Mittagszeit ist auch für das weitere Jugendlichen- und Erwachsenenalter erholsam und fördert die Leistungsfähigkeit in der zweiten Tageshälfte. Im Alter und bei Krankheit wird sie von vielen Menschen eingehalten. Siehe auch „Chronobiologie“; „Schlafregulation“.
Im Beitrag „Polysomnographie und Hypnogramm“ wird auf die Entwicklung der Anteile von Wach, NREM-Schlaf und REM-Schlaf an der Gesamtschlafzeit in Abhängigkeit vom Alter eingegangen. Während in den ersten beiden Lebensjahren der herausragende Befund in der Abnahme der Gesamtschlafdauer und der Reduktion der REM-Schlafanteile besteht, nimmt ab dem Schulalter über das Jugendalter bis zum mittleren Erwachsenenalter die Gesamtschlafdauer nur sehr langsam ab, und die relative Verteilung der Schlafstadien bleibt annähernd gleich. Ab dem dritten Lebensjahrzehnt beginnt aber eine relative Abnahme an Tiefschlaf, die sich bis zum siebten Lebensjahrzehnt fortsetzt. Im hohen Alter beträgt der Tiefschlaf noch ca. 5 % der Gesamtschlafzeit gegenüber 20 % und mehr in den ersten drei Lebensjahrzehnten, und es kommt zu einer relativen Zunahme von Stadium Wach und von Leichtschlaf. Im Senium ist die interindividuelle Variabilität von „Schlafdauer“ und Schlafgewohnheiten sehr groß. Tab. 1 nennt hervorstechende Merkmale der Verteilung von Schlafen und Wachen in Abhängigkeit vom Lebensalter.
Tab. 1
Übersicht über physiologische Veränderungen von Schlafen und Wachen in Bezug zum Lebensalter
Lebensabschnitt
Physiologische Veränderungen von Schlafen und Wachen
Fetalperiode
Herausbildung eines rhythmischen Wechsels von Phasen der Aktivität und der Ruhe
Perinatalzeit
Polyphasische Verteilung des Schlafs über Tag und Nacht; im Mittel 16 Stunden Gesamtschlafzeit, davon acht Stunden REM-Schlaf
2. Lebensmonat
Herausbildung einer Hauptschlafphase mit Spitzenwerten in der Freisetzung von Wachstumshormon (GH); deutliche Reduktion der Gesamtschlafdauer und anteilmäßig auch des REM-Schlafs
Ab Ende des 1. und im 2. Lebensjahr
Kopplung der Hauptschlafphase an die Nacht
Bis ins Kindergartenalter
Biphasisches Schlafmuster: Hauptschlafphase während der Nacht und Mittagsschlaf
Schulalter, Jugendalter und Pubertät
Leichte Abnahme der Gesamtschlafdauer und des REM-Schlafs bei annähernd gleich bleibenden relativen Anteilen von Tiefschlaf und Stadium Wach
Ab dem 3. Lebensjahrzehnt
Beginnende Abnahme der Tiefschlafanteile
Ab dem 5. Lebensjahrzehnt
Abnahme der Schlaftiefe und Zunahme des Stadium Wach und der Leichtschlafstadien; allmähliche Abnahme der Anteile an REM-Schlaf
Rentenalter und Senium
Wenig Tiefschlaf, mehr Leichtschlaf; die Tiefschlafanteile fallen im Hypnogramm unter den Wert der relativen Zeiten im Stadium Wach und unter denjenigen im Leichtschlafstadium 1; weitere Abnahme an REM-Schlaf

Lebensalter-assoziierte schlafbezogene Risiken

Zur Übersicht siehe Tab. 2.
Tab. 2
Lebensalter-assoziierte schlafbezogene Gesundheitsrisiken in Bezug zum Lebensabschnitt
Lebensabschnitt
Lebensalter-assoziierte schlafbezogene Risiken
Perinatalzeit
Bei Neugeborenen sind zentrale Apnoen häufig, besonders häufig kommen sie bei Frühgeborenen vor; Indikatoren sind klinische Parameter wie plötzliche Blässe, Zyanose oder Muskelatonie, gegebenenfalls Messwerte aus dem Monitoring von EKG und Blutgasen wie Bradykardie, Hypoxämie, Hyperkapnie.
Säuglingsalter
Plötzlicher Säuglingstod (SID)
Obstruktive Schlafapnoe bei ausgeprägten Dysgnathien oder infolge kraniofazialer Dysplasien
Schlafstörungen bei Kuhmilchallergie
Ab sechstem Monat: Verhaltensbedingte Insomnie im Kindesalter
Kleinkindalter
Verhaltensbedingte Insomnie im Kindesalter:
- Einschlafstörung aufgrund inadäquater Einschlafassoziationen
- Schlafstörung aufgrund inkonsequenten Erziehungsverhaltens
Kindergartenalter und Schulalter
Obstruktive Schlafapnoe durch hyperplastische Adenoide und Tonsillen mit den möglichen Folgen des gestörten Schlafs: Wachstumsstörungen und Tagesschläfrigkeit, die sich häufig als Konzentrationsmangel, Hyperkinesie, in Verhaltensproblemen, Aufmerksamkeits- und Lernstörungen manifestieren
Jugend, Pubertät und junges Erwachsenenalter
Habituelles Schlafdefizit durch ein unregelmäßiges Schlaf-Wach-Verhalten; Schlafdefizit und Tagesschläfrigkeit auch durch Drogen- oder Alkoholkonsum; bei Schläfrigkeit besteht ein erhöhtes Risiko, am Steuer einzuschlafen; bei der Form einer Narkolepsie mit frühem Ausbruch liegt der Erkrankungsgipfel in der Pubertät
3. und 4. Lebensjahrzehnt
Obstruktive Schlafapnoe als häufige Ursache für Tagesschläfrigkeit bei Männern
5. Lebensjahrzehnt bis Rentenalter
Frauen leiden gehäuft unter Insomnie; für Männer liegt die höchste Inzidenz für Obstruktive Schlafapnoe beim Alter von 50 Jahren; bei Frauen ab dem Klimakterium steigende Inzidenz von Obstruktiver Schlafapnoe
Senium
Vielfältige Schlafstörungen infolge Multimorbidität; Hypnotikaabhängigkeit mit Gefährdung durch Stürze oder Entzugssyndrome.
Perinatalzeit
Muskeltonus, Kreislauf und Atmung im Schlaf sind weniger stabil geregelt. Die häufigen Schlafepisoden und darin besonders die hohen REM-Schlafanteile erschweren die Homöostase (siehe auch „Autonomes Nervensystem“). Die „Atmung“, die nicht nur autonom, sondern im Wachzustand auch bewusst und somit hybrid geregelt ist, interferiert besonders im Bereich der extrathorakalen Atemwege mit Funktionen wie Saugen, Schlucken, Aufstoßen und Reflux sowie mit Husten und Schreien, mit Schutzreflexen und im Bereich des Zentralnervensystems mit der „Thermoregulation“. Zentrale Apnoen sind bei Neugeborenen häufig. Besonders häufig kommen sie bei Frühgeborenen vor, die deswegen auch einer besonderen Überwachung bedürfen (siehe auch „Kindesalter“). Dabei ist zu berücksichtigen, dass in dieser Altersstufe bei den Schlafbezogenen Atmungsstörungen das Leitsymptom der Tagesschläfrigkeit fehlt. Als Indikator für kritische respiratorische Ereignisse gelten stattdessen klinische Parameter wie Blässe, Zyanose oder Muskelatonie und ggf. Messwerte wie Bradykardie, Hypoxämie und Hyperkapnie aus dem Monitoring von EKG und Blutgasen. Bei Hyperkapnie und Beatmungspflichtigkeit muss differentialdiagnostisch auch an das seltene Kongenitale zentral-alveoläre Hypoventilationssyndrom (CCAHS) gedacht werden („Schlafbezogene Atmungsstörungen“; „Schlafbezogene Hypoventilationssyndrome“). Bei Verdacht auf pharyngeale Obstruktion ist ein kardiorespiratorisches Monitoring, speziell die Erfassung der Atmungsanstrengung (Effort) zu empfehlen. Hier gelten bereits zwei und mehr obstruierte Atemzüge als pathologisch. Neugeborene mit kraniofazialen Dysplasien wie bei der Pierre-Robin-Sequenz und Kindern mit Lippen-, Kiefer-, Gaumenspalten neigen zu Schlafbezogenen Atmungsstörungen mit pharyngealer Obstruktion (siehe auch „Kindesalter“; „Obstruktive Schlafapnoe“; „Diagnostik der Schlafbezogenen Atmungsstörungen“; „Kiefer- und gesichtschirurgische Verfahren zur Therapie der Obstruktiven Schlafapnoe“).
Säuglingsalter
Während des jungen Säuglingsalters besteht die Gefahr für den „Plötzlicher Säuglingstod“ (Sudden Infant Death, SID). Wichtige vorbeugende Maßnahmen betreffen u. a. das Vermeiden von Bauchlagerung, das Vermeiden von Überhitzung, das Freihalten der Schlafstatt von potenziell obstruierenden Gegenständen und das Einhalten eines Abstandes zwischen Fütterung und Lagerung zum Aufstoßenlassen. Kuhmilchallergie ist eine häufige Ursache für Schlafstörungen beim Säugling („Insomnie bei Nahrungsmittelallergie“). Blähungen können den Schlaf stören, auch über die Muttermilch können blähende Stoffe aufgenommen werden.
Kleinkindalter
Mangelndes Einüben eines festen Schlaf-Wach-Rhythmus sowie Konzeptionslosigkeit und mangelnde Bestimmtheit (limit setting) seitens der Eltern können Ein- und Durchschlafstörungen bei Kindern Vorschub leisten („Verhaltensbedingte Insomnie im Kindesalter“). Sie können der Ursprung lebenslanger hartnäckiger Beschwerden der Insomnie sein.
Kindergartenalter und Schulalter
Im Kindergartenalter sollte nächtliches Einnässen zum Stillstand kommen. Bei Bettnässen nach dem fünften Lebensjahr ist eine fachärztliche Diagnostik angezeigt („Enuresis und Harninkontinenz“). Die Folgen von Schlafmangel oder einem nicht erholsamen Schlaf bei Kindern im Vorschulalter und im Grundschulalter manifestieren sich im Gegensatz zur Symptomatik des Erwachsenen nicht in erster Linie in Tagesschläfrigkeit. Vielmehr verursachen sie häufig auch Konzentrationsmangel, Hyperkinesie, Verhaltensprobleme, Aufmerksamkeits- und Lernstörungen. Dies kann beispielsweise Kinder mit Obstruktiver Schlafapnoe (Urschitz et al. 2003) oder mit der eher seltenen „Narkolepsie“ betreffen und zur Fehlinterpretation und Behandlung als „Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS)“ Anlass geben beziehungsweise die Symptome eines vorhandenen ADHS verstärken. Auch bei Wachstumsstörungen ist die kindliche Obstruktive Schlafapnoe differentialdiagnostisch zu berücksichtigen, da das durch sie ausgelöste Tiefschlafdefizit die Freisetzung von „Wachstumshormon“ verringert. Liegt einer Obstruktiven Schlafapnoe im Kindesalter eine Dysgnathie zugrunde, ist eine frühzeitige Diagnosestellung zur kieferorthopädischen Korrektur vor Beendigung des Knochenwachstums von Vorteil. Bei kraniofazialen Dysplasien ist eine operative Korrektur zum angemessenen Zeitpunkt angezeigt, zur diesbezüglichen Pathophysiologie siehe auch „Schnarchen“; „Kiefer- und gesichtschirurgische Verfahren zur Therapie der Obstruktiven Schlafapnoe“; „Oral Appliances“.
Jugend, Pubertät und junges Erwachsenenalter
Jugendliche weisen häufig ein habituelles Schlafdefizit auf („Schlafentzug“; „Beschwerden und Symptome“). In diesen Altersgruppen sind das habituelle Schlafdefizit und inadäquate „Schlafhygiene“ die häufigsten Ursachen für Tagesschläfrigkeit. Tagesschläfrigkeit und Leistungsdefizite bei Schülern und Auszubildenden können darüber hinaus durch Drogen- oder Alkoholkonsum bedingt sein (Gesundheitsberichterstattung des Bundes 2005). Die seltene Narkolepsie hat bei früher Erstmanifestation einen Erkrankungsgipfel in der Adoleszenz (Mayer et al. 2002). Im Zusammenhang mit der Pubertät können Ein- und Durchschlafstörungen im Rahmen von „Affektive Störungen“; „Angststörungen“ oder „Essstörungen“ auftreten. Die Beschwerde des regelhaften Früherwachens sollte in ihrer diagnostischen Bedeutung nicht unterschätzt werden. Sie kann sowohl im Zusammenhang mit einer depressiven Störung als auch mit nächtlichen Entzugserscheinungen bei Drogengebrauch stehen („Stimulanzienabhängigkeit“). Es kann vermutet werden, dass nicht erkannte und nicht bzw. fehlbehandelte Schlafstörungen und schlafmedizinische Erkrankungen eine verbreitete Ursache für Lernstörungen, Schulversagen und Nichterreichen von Ausbildungszielen sind.
Mit dem Führerscheinerwerb ergeben sich hohe Anforderungen an die Daueraufmerksamkeit beim Führen eines Kraftfahrzeugs. Vor allem unter monotonen Bedingungen und in den frühen Morgenstunden sind junge Erwachsene besonders gefährdet, am Steuer einzuschlafen („Einschlafen am Steuer“). Sie haben zum einen häufig ein habituelles Schlafdefizit, zum anderen sind sie mangels Routine durch Daueraufmerksamkeit im Vergleich zu Älteren stärker beansprucht. Auch fallen sie nach dem Eindösen schneller in den Tiefschlaf und verlieren die Kontrolle über ihren Zustand und das Fahrzeug. Die direkte Einwirkung von Alkohol, Drogen und Genussmitteln bzw. der Zustand nach durchgemachtem Exzess kommen noch hinzu (Philip et al. 2001). Ab dieser Altersstufe können bei Frauen der Menstruationszyklus oder die Schwangerschaft ursächlich für Schlafstörungen sein. Siehe auch „Sexualhormone“; „Schwangerschaftsbezogene Schlafstörung“.
Drittes und viertes Lebensjahrzehnt
Die Folgen von Schichtarbeit und von Sucht- und Genussmittelgebrauch werden in dem Alter subjektiv oft noch gut kompensiert, es können sich aber für die späteren Lebensjahre beeinträchtigende chronische Schlafstörungen auf diesem Hintergrund entwickeln. Schichtarbeiter haben ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-, Magen-Darm- und Stoffwechselerkrankungen. Tagesschläfrigkeit bei Männern hat häufig ihre Ursache in der Obstruktiven Schlafapnoe.
Fünftes Lebensjahrzehnt bis Rentenalter
Beim Lebensalter von 50 Jahren gibt es bei Männern die höchste Inzidenz für Obstruktive Schlafapnoe. Bei den Frauen steigt ab der Menopause die Inzidenz der Obstruktiven Schlafapnoe an. Mit dem Klimakterium nimmt bei Frauen die Beschwerde der „Insomnie“ zu. Während im Alter von 16–39 Jahren Frauen wegen Schlafproblemen seltener den Hausarzt aufsuchen als Männer, erhöht sich die Rate bei Frauen über 40 um das Zweieinhalbfache auf 16 %. Demgegenüber steigt sie bei Männern vom Ausgangswert 9 % in jungen Jahren nur um ein Fünftel an (Wittchen et al. 2001). Die in Nachtschichten und während Nachtdiensten zu bewältigenden Aufgaben werden gegenüber den Verhältnissen in jüngeren Jahren mit größerer Routine erledigt, die Erholung im Anschluss an die Phasen der Beanspruchung durch die Arbeit und der Ausgleich der Folgen des Schlafdefizits verlangen jedoch mehr Beachtung als das in jungen Jahren der Fall war („Nachtarbeit und Schichtarbeit“; „Einschlafen am Arbeitsplatz“). Die Prävalenz an chronischen Erkrankungen nimmt zu, somit auch „Symptomatische Schlafstörungen“ bei psychischen Erkrankungen, bei neurologischen Erkrankungen oder bei Erkrankungen der inneren Organe.
Senium
Im hohen Alter nimmt die Zahl der multimorbiden Menschen zu, und damit nehmen auch die symptomatischen Schlafstörungen zu (Meier 2004). Sie nehmen überwiegend aus dem Grunde dauerhaft „Hypnotika“ ein und viele Hunderttausende alter Menschen sind in Deutschland hypnotikaabhängig („Insomnie bei Hypnotikaabhängigkeit“). Hinreichende Kapazitäten für Entzug und Entwöhnung fehlen ebenso, wie in den meisten Fällen die Motivation seitens der Betroffenen, sie in Anspruch zu nehmen, sodass oftmals der „Ausweg“ der Weiterverordnung und der allabendlichen Einnahme beschritten wird. Vor Neuverordnung von Hypnotika für alte Menschen sollten vorrangig bestehende körperliche oder psychische Erkrankungen erkannt und behandelt werden, die zumeist Quellen für die Schlafstörungen sind. Chronischer Hypnotikagebrauch stellt ein hohes Risiko für Alte und Multimorbide dar, nicht nur wegen der erhöhten Wahrscheinlichkeit von Stürzen, sondern auch wegen der erhöhten Prävalenz von Schlafbezogenen Atmungsstörungen und wegen der insgesamt bei alten Patienten mit regelmäßiger Hypnotikaeinnahme erhöhten Mortalität (Kripke 2000). Bei der Versorgung von alten Notfallpatienten kann es leicht zu schweren körperlichen Manifestationen des Hypnotikaentzugs kommen, wenn eine bestehende Abhängigkeit nicht dokumentiert ist bzw. in der Anamnese keine Berücksichtigung findet, was im Notaufnahmebereich häufig vorkommen kann. Bei der Versorgung von Pflegebedürftigen zu Hause oder in Einrichtungen der Altenpflege ist darauf zu achten, dass der zirkadiane Rhythmus („Chronobiologie“) erhalten bleibt, mit einer nicht zu früh einsetzenden nächtlichen Ruhephase und ausreichenden Aktivitäten in der Tagphase, die deutlich über die Maßnahmen der Körperpflege und der Verabreichung von Mahlzeiten hinausgehen, beispielsweise Bewegung bei hellem Licht und frischer Luft, soziale Kontakte und Musik. Auch die Verabreichung der Tages- und der Nachtmedikation muss an den zirkadianen Rhythmus angepasst erfolgen, damit die Hauptschlafphase in der Nacht und die Hauptaktivitätsphase am Tag erhalten bleiben.
Literatur
Gesundheitsberichterstattung des Bundes (2005) Heft 27: Schlafstörungen. Robert-Koch-Institut, Berlin
Kripke D (2000) Chronic hypnotic use: deadly risks, doubtful benefit. Sleep Med Rev 4:5–20CrossRefPubMed
Mayer G, Kesper K, Peter H et al (2002) The implications of gender and age at onset of first symptoms in narcoleptic patients in Germany, results from a retrospective evaluation of hospital records. Somnologie 6:13–18CrossRef
Meier U (2004) Das Schlafverhalten der deutschen Bevölkerung – eine repräsentative Studie. Somnologie 8:87–94CrossRef
Philip P, Vervialle F, Le Breton P et al (2001) Fatigue, alcohol, and serious road crashes in France: factorial study of national data. BMJ 322:829–830CrossRefPubMedPubMedCentral
Urschitz MS, Guenther A, Eggebrecht E et al (2003) Snoring, intermittent hypoxia and academic performance in primary school children. Am J Respir Crit Care Med 168:464–468CrossRefPubMed