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Die Ärztliche Begutachtung
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Publiziert am: 25.09.2023

Störungen durch psychotrope Substanzen: Intoxikation und Sucht – Begutachtung

Verfasst von: Norbert Scherbaum, Ernst Lodemann, Christian Müller und Frederic Mota
Der Beitrag bewegt sich an der Schnittstelle zwischen Psychiatrie und Rechtssystem, d. h. zwischen Empirie sowie deskriptiver Begrifflichkeit auf der einen und normativer Bewertung sowie regulativ-funktionslogischer Begrifflichkeit auf der anderen Seite. Im Fokus der Betrachtung stehen überwiegend Fragen der Zuordnung, insoweit keine Sachverhalte, die nach den Kriterien empirischer Forschung zu beurteilen sind. Neben den diagnostischen Grundlagen werden die gutachtlich relevanten Bereiche in den wichtigsten Rechtsgebieten, vor allem im Straf- und Straßenverkehrsrecht sowie Sozialrecht behandelt. Häufigkeitsangaben, z. B. zu Delikten oder zu vorzeitigem Rentenzugang, machen deutlich, wie häufig sich Schnittstellenprobleme zwischen Suchtmittelproblematik und Rechtssystemen und damit möglicherweise ein Gutachtenfall ergeben kann.

Klinisch-diagnostische Grundlagen

Vorbemerkung

Die nachfolgenden Darlegungen bewegen sich an der Schnittstelle zwischen Psychiatrie und Rechtssystem, d. h. zwischen Empirie sowie deskriptiver Begrifflichkeit auf der einen und normativer Bewertung sowie regulativ-funktionslogischer Begrifflichkeit auf der anderen Seite. Im Fokus der Betrachtung stehen überwiegend Fragen der Zuordnung, insoweit keine Sachverhalte, die nach den Kriterien empirischer Forschung zu beurteilen sind.
Die einigen der nachfolgenden Abschnitte vorangestellten Häufigkeitsangaben, z. B. zu Delikten, zu vorzeitigem Rentenzugang, sollen darauf hinweisen (zumindest, was die Größenordnung betrifft), wie häufig – bezogen auf ein Jahr – sich solch ein Schnittstellenproblem zwischen Suchtmittelproblematik und Rechtssystem und damit möglicherweise ein Gutachtenfall ergeben kann.

Epidemiologie

Epidemiologischer Suchtsurvey 2021 und Jahrbuch Sucht 2023 (Alter: 18–64 Jahre)
  • Alkohol (30-Tage-Prävalenz): risikoarmer Konsum 54,1 % (bezogen auf Bevölkerung) (18–64 J.), riskanter Konsum 14,8 %, Alkoholmissbrauch [DSM-IV] 2,8 %, Alkoholabhängigkeit [DSM-IV] 3,1 % (etwa 1,6 Mio. Personen)
  • Illegale Drogen: a) Cannabis 12-Monats-Prävalenz 8,8 %, Cannabismissbrauch [DSM-IV] 0,5 %, Cannabisabhängigkeit 0,6 %; b) andere illegale Drogen 12-Monats-Prävalenz 3,6 %
  • Konsum von Medikamenten von psychotrop wirkenden Medikamenten/Medikamenten mit Abhängigkeitspotenzial: 30-Tage-Prävalenz 47,4 %; Abhängigkeit von Medikamenten 2,9 Mio. Personen
(Quellen: DHS 2023; Möckl et al. 2023; Rauschert et al. 2022)

Diagnostische Leitlinien

Wie die Daten der Repräsentativerhebung 2021 zeigen, ist der Konsum psychotroper Substanzen in der Gesellschaft weit verbreitet. Wegen der (möglichen) Auswirkungen einer akuten Intoxikation (z. B. Störungen der Bewusstseinslage und der Situationswahrnehmung, Beeinträchtigung des Konzentrationsvermögens, Verlangsamung der Reaktionen, affektive Labilisierung, Minderung der Impulskontrolle) und wegen der körperlichen, psychischen und sozialen Folgeschäden eines chronischen Konsums können sich in den verschiedensten Lebensbereichen und rechtlichen Kontexten Begutachtungsanlässe ergeben.
Die Diagnosestellung folgt einem der international eingeführten diagnostischen Klassifikationssysteme, hier aktuell noch der 10. Revision der International Classification of Diseases (ICD-10) der WHO, und zwar Abschnitt F1: „Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen“ des Kapitels V (F): „Internationale Klassifikation psychischer Störungen“ (deutsche Ausgabe von Dilling et al., 7. Aufl. 2010). Die beiden nachfolgenden Übersichten führen die nach ICD-10 bedeutsamen Substanzgruppen, sowie die klinischen Erscheinungsbilder auf. Beide Kategorien gemeinsam bilden die aktuelle Diagnose.
  • ICD-10, Kapitel F1: Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen (Substanzgruppen)
    • F10: Störungen durch Alkohol
    • F11: Störungen durch Opioide
    • F12: Störungen durch Cannabinoide
    • F13: Störungen durch Sedativa oder Hypnotika
    • F14: Störungen durch Kokain
    • F15: Störungen durch andere Stimulanzien, einschließlich Koffein
    • F16: Störungen durch Halluzinogene
    • F17: Störungen durch Tabak
    • F18: Störungen durch flüchtige Lösungsmittel
    • F19: Störungen durch multiplen Substanzgebrauch und Konsum anderer psychotroper Substanzen
  • ICD-10, aus Kapitel F1: Klinische Erscheinungsbilder (Auszug)
    • F1x.0: Akute Intoxikation
    • F1x.1: Schädlicher Gebrauch
    • F1x.2: Abhängigkeitssyndrom
      • F1x.20: gegenwärtig abstinent
      • F1x.24: gegenwärtiger Substanzgebrauch
      • F1x.25: ständiger Substanzgebrauch
      • F1x.26: episodischer Substanzgebrauch (Dipsomanie)
    • F1x.3: Entzugssyndrom
    • F1x.4: Entzugssyndrom mit Delir
    • F1x.5: Psychotische Störung
    • F1x.6: Amnestisches Syndrom
    • F1x.7: Restzustand und verzögert auftretende psychotische Störung
      • F1x.70: Nachhallzustände (Flashbacks)
      • F1x.71: Persönlichkeits- oder Verhaltensstörung
      • F1x.72: Affektives Zustandsbild
      • F1x.73: Demenz
      • F1x.74: Andere anhaltende kognitive Beeinträchtigung
      • F1x.75: Verzögert auftretende psychotische Störung
    • F1x.8: Sonstige (durch psychotrope Substanzen bedingte) psychische und Verhaltensstörungen
Die genannten klinischen Erscheinungsbilder sind durch diagnostische Leitlinien weiter operationalisiert. Dies ist am Beispiel des Abhängigkeitssyndroms in der nächsten Übersicht dargestellt.
Die Bilder einer klinisch relevanten Intoxikation durch die oben aufgeführten Substanzen (ICD-10: F10.0 bis F19.0, im Weiteren ohne F17) unterscheiden sich z. T. deutlich voneinander und lassen sich nicht in einem gemeinsamen Schema darstellen. In unterschiedlicher Weise und in unterschiedlichem Ausmaß können beeinflusst sein: Bewusstsein, Wahrnehmung, Orientierung, Konzentrationsfähigkeit, Merkfähigkeit, formales und inhaltliches Denken, Affektivität, Antrieb, Impulssteuerung, Motorik und Psychomotorik.
  • ICD-10, aus Kapitel F1: Diagnostische Leitlinien des Abhängigkeitssyndroms (F1x.2) (z. T. gekürzt)
Die Diagnose „Abhängigkeit“ sollte nur gestellt werden, wenn irgendwann während des letzten Jahres 3 oder mehr der folgenden Kriterien gleichzeitig vorhanden waren:
1.
Starker Wunsch oder eine Art Zwang, psychotrope Substanzen zu konsumieren
 
2.
Verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich des Beginns, der Beendigung und der Menge des Konsums
 
3.
Körperliches Entzugssyndrom bei Beendigung oder Reduktion des Konsums
 
4.
Nachweis einer Toleranz: Um die ursprünglich durch niedrigere Dosen erreichten Wirkungen der Substanz hervorzurufen, sind zunehmend höhere Dosen erforderlich.
 
5.
Fortschreitende Vernachlässigung anderer Vergnügen oder Interessen zugunsten des Substanzkonsums, erhöhter Zeitaufwand, um die Substanz zu beschaffen, zu konsumieren oder sich von den Folgen zu erholen.
 
6.
Anhaltender Substanzkonsum trotz Nachweises eindeutiger schädlicher Folgen, wie z. B. einer Leberschädigung durch exzessives Trinken, depressiver Verstimmungen infolge starken Substanzkonsums oder einer drogenbedingten Beeinträchtigung kognitiver Funktionen
 
Bei zumindest der Hälfte aller Suchtpatienten (Berger 2004) muss von einer psychiatrischen Komorbidität ausgegangen werden. Dabei ist im Einzelfall oft nicht entscheidbar, ob eine neben der Sucht diagnostizierte weitere psychiatrische Erkrankung als ätiologisch, konsekutiv oder koinzidenziell einzuordnen ist und ob sie modulierende Bedeutung hat. Die Beantwortung dieser Frage hat häufig neben der therapeutischen auch weitreichende gutachterliche Bedeutung, z. B. wenn es bei der Beurteilung eines straffällig gewordenen Abhängigen um die Analyse des Zusammenhangs zwischen Suchtentwicklung, Persönlichkeitsstörung und Delinquenzentwicklung oder um die Begründung prognostischer Aussagen geht.

Strafrecht

Anzahl aufgeklärter Straftaten Erwachsener 2022 unter Alkoholeinfluss und von Konsumenten harter Drogen:
Straftaten gegen das Leben und gegen die sexuelle Selbstbestimmung:
  • Alkohol 8145,
  • Drogen 2551
Körperverletzung:
  • Alkohol 110.007
  • Drogen 22.168
Diebstahl unter erschwerenden Umständen:
  • Alkohol 5618
  • Drogen 23.117
(Quelle: Bundeskriminalamt, Polizeiliche Kriminalstatistik 2022)

Schuldfähigkeit

Bei der Mitwirkung psychiatrischer Sachverständiger im Strafprozess geht es in der Regel um die Frage der Schuldfähigkeit. Im deutschen Strafrecht steht das sog. Schuldprinzip im Vordergrund. Eine Strafe darf nur verhängt werden, wenn dem Täter seine Tat persönlich zum Vorwurf gemacht werden kann, ihn somit eine persönliche (individuelle) Schuld trifft. Das Schuldprinzip findet seine gesetzliche Regelung auch in § 46 Abs. 1 StGB: „Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe“. Schuldfähigkeit für Erwachsene wird im Strafgesetzbuch (StGB) nicht positiv definiert, sondern das Gesetz wählt die ‚negative‘ Vorgehensweise: Es benennt Zustände oder Situationen, in denen Schuldfähigkeit nicht gegeben oder in denen sie erheblich vermindert ist:
  • „§ 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen: Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder wegen Schwachsinns oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.
  • § 21 Verminderte Schuldfähigkeit: Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.“
Das Strafrecht geht somit davon aus, dass im Normalfall bei einem erwachsenen Täter Schuldfähigkeit gegeben ist. Erst wenn Umstände Zweifel an der Verantwortlichkeit eines Täters aufkommen lassen, muss die Schuldfähigkeit – bei Bedarf mit Hilfe eines Sachverständigen – überprüft werden.
Schuldunfähigkeit und erheblich verminderte Schuldfähigkeit sind nicht Gegenstand empirischer Erkenntnis bzw. ‚diagnostizierbar‘, sondern erfordern eine rechtliche Wertung. Aufgabe des psychiatrischen Gutachters ist es,
  • zu prüfen, ob bei dem Angeklagten zum Zeitpunkt der Tat eine psychische Störung vorlag, die unter eines der Eingangsmerkmale der §§ 20 und 21 (krankhafte seelische Störung, tiefgreifende Bewusstseinsstörung, Schwachsinn, schwere andere seelische Abartigkeit) fällt,
  • und, falls eine Subsumtion möglich ist, die Auswirkungen der Störung auf diejenigen psychischen Funktionen darzustellen, die Voraussetzung sind für die Fähigkeit des Täters zur Einsicht in das Unrecht der Tat (sog. Einsichtsfähigkeit) und für sein Vermögen, gemäß dieser Einsicht zu handeln (sog. Steuerungsfähigkeit).
Eingangsmerkmale (1. Stufe der Beurteilung)
Bei den 4 Eingangsmerkmalen der §§ 20 und 21 StGB handelt es sich nicht um medizinisch-psychiatrische Begriffe. Die Zuordnung der in ICD-10 enthaltenen psychiatrischen Diagnosen zu den genannten Merkmalen folgt z. T. Regeln, die am ehesten aus der Geschichte des juristischen und des psychiatrischen Krankheitsbegriffes verständlich werden.
Wie die qualifizierenden Adjektive des Gesetzestextes „krankhaft“, „tiefgreifend“ und „schwer“ anzeigen, reicht eine Diagnose nach ICD-10 nicht aus, die Annahme eines Eingangsmerkmals zu begründen (Schalast und Leygraf 2002). Es muss zusätzlich ein deutlicher psychopathologischer Ausprägungsgrad der Störung vorliegen – ein Erfordernis, das, soll die Eingangsschwelle jeweils gleich hoch sein, einen einheitlichen Maßstab für die Schweregradbestimmung qualitativ verschiedener psychopathologischer Bilder voraussetzen würde. Die größere Entscheidungslast liegt daher bei Stufe 2 der Schuldfähigkeitsbeurteilung.
Durch psychotrope Substanzen bedingte psychische Störungen werden, falls ein entsprechender Schweregrad vorliegt, i. d. R. wie folgt eingeordnet:
  • als krankhafte seelische Störung: akute Intoxikation, Entzugssyndrom, substanzinduzierte psychotische Störung (z. B. alkoholischer Eifersuchtswahn), Abhängigkeitssyndrom mit körperlichen Entzugserscheinungen bei Substanzreduktion, durch Substanzgebrauch bedingte amnestische Störung und Demenz u. a.,
  • als schwere andere seelische Abartigkeit: chronischer Missbrauch von psychotropen Substanzen ohne Anzeichen körperlicher Abhängigkeit.
Ausgangspunkt für die erste Stufe der Begutachtung ist eine möglichst umfassende und exakte Rekonstruktion des psychopathologischen Zustandsbildes zum Zeitpunkt der Tat, u. a. gestützt auf direkte oder tatzeitnahe Beobachtungen von Zeugen, Angaben im Blutentnahmeprotokoll, Aussagen des Untersuchten, Merkmale des Tatverlaufs. Der Sachverständige hat dabei von den gerichtlich ermittelten Sachverhalten und den Angaben des Angeklagten in der gutachterlichen Untersuchung auszugehen, er hat darüber hinaus keine eigenen Ermittlungen anzustellen. Die Diagnosestellung folgt den zu Beginn dieses Kapitels dargestellten Kriterien; eingeschlossen sind dabei die Ergebnisse der tatzeitbezogenen labortechnischen Untersuchungen auf psychotrope Substanzen, die Suchtanamnese usw.
Einsichts- und Steuerungsfähigkeit (2. Stufe der Beurteilung)
Lässt sich die psychische Störung unter eines der Eingangsmerkmale subsumieren, so hat das Gericht zu entscheiden, ob Einsichts- und Steuerungsfähigkeit zur Tatzeit aufgehoben oder erheblich vermindert waren. Es hat dabei u. a. abzuwägen, inwieweit in der konkreten Tatsituation vom Angeklagten Einsicht erwartet und Handlungssteuerung verlangt werden konnten (Nedopil 2007); insofern handelt es sich um eine normative Entscheidung. Der Sachverständige hat darzulegen, in welchem Ausmaß zum Zeitpunkt der Tat die für die Einsichts- und die Steuerungsfähigkeit relevanten Funktionen beeinträchtigt waren.
  • Einsichtsfähigkeit
Bei Störungen durch psychotrope Substanzen kann die Einsichtsfähigkeit durch massive kognitive Funktionsbeeinträchtigungen oder auch durch psychotische Realitätsverkennungen in Frage gestellt sein. Als Beispiele seien die Diagnose einer durch langjährigen Alkoholabhängigkeit bedingten fortgeschrittenen Demenz (F10.73), eines Alkoholentzugssyndroms mit Delir (F10.4) und einer wahnhaften psychotischen Störung bei Halluzinogenintoxikation (F16.5) angeführt. Entscheidend ist jedoch nicht die Diagnose, sondern das Ausmaß der psychischen Funktionsbeeinträchtigung.
  • Steuerungsfähigkeit
Dem Gesetzestext zufolge ist dann, wenn bei Begehung der Tat Unrechtseinsicht gegeben war, die Steuerungsfähigkeit zu prüfen. Zum juristischen Begriff der Steuerungsfähigkeit gibt es auf der empirischen Ebene keine einfache Entsprechung. Häufig genannte Begriffe bzw. Umschreibungen sind: Hemmungsvermögen, Fähigkeit zum planmäßigen Handeln, zur Verhaltensregulation, zur Selbstbestimmung.

Beurteilung alkoholisierter Straftäter

Die Beurteilung alkoholisierter Straftäter gehört zu den Aufgaben psychiatrischer Sachverständiger; die Delikte werden zumeist im Zustand mittlerer Intoxikation verübt.
Die Wirkung des Alkohols hängt nicht nur von der konsumierten Menge, sondern von einer Vielzahl weiterer Faktoren ab, z. B. von der individuellen Alkoholempfindlichkeit, der Alkoholgewöhnung bzw. dem Grad der erworbenen Toleranz, der Trinkgeschwindigkeit, der allgemeinen körperlichen Verfassung (u. a. Übermüdung, Erschöpfung, Nahrungskarenz), dem Konsum von weiteren psychotropen Substanzen, dem Vorliegen von organischen Vorschädigungen des Gehirns, der affektiven Ausgangslage, der Primärpersönlichkeit.
Die Vielfalt inter- und intraindividuell möglicher Konstellationen zum Zeitpunkt der Tat führt dazu, dass sich eine einheitliche Dosis-Wirkungs-Beziehung nicht sichern lässt. Der Beweiswert der Blut-Alkohol-Konzentration (BAK) für die Verminderung oder Aufhebung der Steuerungsfähigkeit ist daher von begrenztem Gewicht.
Lange Zeit hat sich die Schuldfähigkeitsbeurteilung vorrangig an der Tatzeit-BAK orientiert – mit den Grenzwerten von ≥ 2,0 ‰ (bis 2,99 ‰) als Hinweis für § 21 StGB und ≥ 3,0 ‰ für § 20 StGB, mit einer Erhöhung von jeweils 10 % für Straftaten gegen das Leben. Ein solches Schema ist zwar einheitlich handhabbar, läuft jedoch Gefahr, nach Art und Intensität unterschiedliche psychopathologische Zustandsbilder der gleichen Bewertung zu unterwerfen. Der Bundesgerichtshof hat daher 1997 ausdrücklich festgestellt:
„Es gibt keinen gesicherten medizinisch-statistischen Erfahrungssatz darüber, dass … allein wegen einer bestimmten Blut-Alkohol-Konzentration zur Tatzeit in aller Regel vom Vorliegen einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit auszugehen ist.“ (Zit. nach Foerster 2009, S. 246)
Maßgeblich ist die psychopathologische Symptomatik sowie deren Auswirkung auf die für die Steuerungsfähigkeit relevanten Funktionen.
Hinweise auf eine alkoholbedingte Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit können sein (Kriterienkatalog in Anlehnung an Foerster 2009):
  • deutliche Beeinträchtigung von Motorik und Koordination,
  • affektive Auslenkung, affektive Einengung,
  • emotionale Labilität,
  • Einengung des Wahrnehmungsfeldes, verminderte Reagibilität auf Außenreize,
  • deutliche Beeinträchtigung des formalen Denkablaufs (z. B. herabgesetztes Auffassungsvermögen, verminderte Flexibilität, Perseverationen),
  • hohe Impulsivität des Tatablaufs, Fehlen von Tatplanung und Risikoabsicherung,
  • Missverhältnis zwischen Tatanstoß und Reaktion.

Beurteilung von Drogenkonsumenten

Bei der gutachterlichen Beurteilung von Drogenkonsumenten geht es überwiegend um Beschaffungsdelikte. Akute Rauschzustände, starke Entzugserscheinungen sowie suchtbedingte schwere Persönlichkeitsveränderungen führen dabei häufig zu einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit, sodass die Anwendung von § 21 StGB durch das Gericht nahe liegt.
Darüber hinaus, so hat der BGH geurteilt, kann bei einem Heroinabhängigen die Zuerkennung des § 21 dann möglich sein, wenn dessen „Angst vor Entzugserscheinungen, die er schon als äußerst unangenehm erlebt hat und als nahe bevorstehend einschätzt, […] (ihn) unter ständigen Druck setzt und zu Beschaffungstaten treibt“ (zit. nach Maatz 2003, S. 7).
Aufgabe des Sachverständigen ist es, die Diagnose einer Abhängigkeit zu begründen, zu untersuchen, ob die Tat maßgeblich von der Angst vor Entzugserscheinungen bestimmt war, und die Auswirkungen der psychischen Verfassung auf die für die Steuerungsfähigkeit relevanten Funktionen zu prüfen.

Herbeiführung des Rausches als Straftatbestand

Kommt das Gericht zu dem Urteil, dass der Täter wegen einer Intoxikation mit psychotropen Substanzen zum Zeitpunkt der inkriminierten Tat schuldunfähig war, bleibt zu prüfen, wie die Herbeiführung des Rauschzustandes forensisch zu bewerten ist. Der Sachverständige hat dazu nur dann Stellung zu nehmen, wenn der Gutachtenauftrag dies einschließt.
Wer sich vorsätzlich (oder fahrlässig) mit Blick auf eine spätere Straftat in einen Rauschzustand versetzt, der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausschließt, wer sich z. B. betrinkt, um seine Hemmungen abzubauen, kann nach dem Zurechnungsprinzip der actio libera in causa (dem Prinzip der ‚vorverlagerten Schuld‘) für die im schuldunfähigen Zustand begangene Tat verurteilt werden.
Bei den meisten im sog. Vollrausch begangenen Straftaten liegt jedoch keine ‚Vorverantwortlichkeit‘ vor; sie erfolgen im Rauschzustand, es besteht aber nicht schon bei Beginn z. B. des Trinkens ein auf die Tat bezogener Vorsatz. Als Auffangtatbestand für die Fälle, in denen der Täter für die im Rausch begangene Tat wegen Schuldunfähigkeit nicht bestraft werden kann, fungiert der (rechtssystematisch komplizierte) § 323a StGB.
„§ 323a Vollrausch: (1) Wer sich vorsätzlich oder fahrlässig durch alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel in einen Rausch versetzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn er in diesem Zustand eine rechtswidrige Tat begeht und ihretwegen nicht bestraft werden kann, weil er infolge des Rausches schuldunfähig war oder weil dies nicht auszuschließen ist.“
Damit ist eine Art von Folgenhaftung für riskantes Verhalten formuliert.
Nicht verantwortlich für die Berauschung (und die Tat) ist, wer unter dem Druck einer Sucht seinen Konsum nicht steuern und so den (Voll-)Rauschzustand nicht vermeiden konnte.

Unterbringung im Maßregelvollzug gemäß § 64 StGB

Die Anzahl von nach § 64 StGB untergebrachten Klienten hat sich in den letzten 20 Jahren deutlich erhöht. Sie betrug 1990 n = 1160 Personen und 2014 n = 3822 Personen. Für 2021 wird sie mit etwa 4500 Personen angegeben (DGPPN 2021). Die zunehmende und hohe Zahl von Zuweisungen von Personen an forensische Kliniken gemäß § 64 StGB bei zugleich hoher Abbruchquote dieser Maßnahme führten zu einer Debatte um eine Reform des § 64 StGB (DGPPN 2021). Hierbei gibt es durchaus empirische Belege, dass suchtmittelabhängige Personen nach einer Behandlung gemäß § 64 StGB ein geringeres Risiko einer erneuten Haftstrafe haben als vergleichbare Personen, die eine Haftstrafe verbüßt haben (Schalast et al. 2021).
Bei Straftätern mit einer Suchtmittelproblematik kann vom Gericht neben oder anstelle einer Freiheitsstrafe die Unterbringung in einer sog. Entziehungsanstalt angeordnet werden.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.“
Die aktuelle Fassung des § 64 StGB trägt einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (16. 03. 1994) Rechnung, demzufolge die Anordnung der Maßnahme an die Voraussetzung geknüpft ist, dass „eine hinreichend konkrete Aussicht“ auf einen Behandlungserfolg besteht.
Eine Unterbringung nach § 64 StGB kann also angeordnet werden, wenn das Gericht auf Schuldunfähigkeit oder verminderte Schuldfähigkeit erkennt, aber auch, wenn es von Schuldfähigkeit ausgeht. Sie darf (als selbstständige Maßnahme) 2 Jahre nicht übersteigen (§ 67d Abs. 1 StGB).
Der juristische Begriff ‚Hang‘ (alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen) deckt sich nicht mit dem psychiatrischen Begriff der Abhängigkeit (Fischer 2001), schließt ihn jedoch als wesentlichen Inhalt ein.
Bei Prüfung der Frage einer Unterbringung ist ein Sachverständiger hinzuzuziehen (§ 246a StPO). Er muss sich dazu äußern,
  • ob eine Suchtmittelabhängigkeit besteht und ob sie der Anlasstat zugrunde liegt;
  • ob (ohne Maßnahme) ‚infolge des Hanges‘ die Gefahr weiterer erheblicher rechtswidriger Taten gegeben ist, für welche Art von Straftaten das Risiko erhöht ist, wie deren Wahrscheinlichkeit einzuschätzen ist (suchtbedingte Kriminalprognose);
  • ob durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt hinreichend konkrete Erfolgsaussichten bestehen, den Süchtigen nach der Entlassung „über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf den Hang zurückgehen“ (s. oben; Behandlungsprognose).
Der sog. Symptomcharakter (nicht notwendig die Ursache) der Tat liegt auf der Hand, wenn ein Alkoholabhängiger im intoxikierten Zustand gewalttätig wird oder wenn ein Drogenabhängiger ein sog. direktes Beschaffungsdelikt (mit unmittelbar anschließendem Konsum) begeht. Die Verursachungszusammenhänge von Suchtmittelkonsum und Kriminalität sind jedoch i. d. R. nicht durch ein einseitiges Ursache-Wirkungs-Verhältnis zu erklären. Sucht und Delinquenz können sich in ihrer Entwicklung wechselseitig verstärken, sind bei Drogenabhängigen häufig beide Ausdruck eines devianten Lebensstils.
Die Prognose erneuter Straftaten ‚infolge des Hanges‘ setzt die Beurteilung des weiteren Verlaufs der Abhängigkeitserkrankung voraus. Daneben ist das Gewicht weiterer Risikofaktoren abzuschätzen, wie sie z. B. (neben dem Suchtmittelmissbrauch) in der Integrierten Liste der Risikovariablen (ILRV) von Nedopil (2005) und in dem Beurteilungsschema von Dittmann (2000) in strukturierter Form aufgeführt werden.
Als prognostisch ungünstige Faktoren für den Erfolg der Behandlung eines Klienten im Rahmen der Unterbringung nach § 64 lassen sich in Anlehnung an Gastpar und Finkbeiner (2000) sowie an Rasch und Konrad (2004) u. a. nennen:
  • mangelnde Frustrationstoleranz,
  • hohe Aggressionstendenz,
  • geringe Bindungsfähigkeit,
  • Neigung zur unmittelbaren Bedürfnisbefriedigung,
  • suchtbedingte Persönlichkeitsveränderungen,
  • deutliche kognitive Funktionseinbußen,
  • Polytoxikomanie,
  • erfolglose Therapien in der Vorgeschichte.
Bei etwa der Hälfte (30–70 %) aller nach § 64 Untergebrachten wird die Maßnahme wegen ‚Aussichtslosigkeit‘ abgebrochen (DGPPN 2021); als Prädiktoren eines ungünstigen (–) bzw. günstigen (+) Verlaufs der Entziehungskur geben Schalast und Leygraf (2002) an:
  • (−)
früher Beginn des Suchtmittelmissbrauchs, früher Beginn sozialer Auffälligkeit, Therapieabbrüche in der Vorgeschichte;
  • (+)
Schulabschluss, abgeschlossene Berufsausbildung, höheres Lebensalter bei Aufnahme.
Der prognostische Wert solcher Merkmale ist jedoch meist relativ gering. So fanden z. B. Schalast und Mitarbeiter (2009) in einer inhaltlich breit angelegten Studie an Alkoholpatienten eine Vielzahl von signifikanten Zusammenhängen zwischen familiären Belastungsfaktoren, Auffälligkeiten der schulischen und beruflichen Entwicklung, Merkmalen des Suchtverhaltens und Aspekten früher und aktueller Dissozialität (u. a. der forensischen Vorgeschichte) auf der einen Seite, dem Verlauf der Maßnahme (Kriterium: vorzeitige Beendigung wegen ‚Aussichtslosigkeit‘ vs. Aussetzen zur Bewährung, Entlassung in Freiheit) auf der anderen Seite. In einer zusammenfassenden multiplen Regressionsanalyse über die Variablen, die zwischen den beiden Outcome-Gruppen am deutlichsten trennten, konnten jedoch nur 18 % der Kriteriumsvarianz aufgeklärt werden.
Methodisch ausgewiesene (u. a. kreuzvalidierte) und auch außerhalb der Bereiche sehr geringer und sehr hoher Risikobelastung aussagefähige Prädiktoren für den Verlauf einer Entziehungskur und – wichtiger – für ihren Effekt über die Dauer der Maßnahme hinaus, d. h. für einen umrissenen Bewährungszeitraum nach ihrem Abschluss (z. B. „time at risk“: 1 Jahr), zu bilden, scheint eine nur schwer lösbare Aufgabe zu sein.
Cave
Prognosebeurteilungen sind regelmäßig sehr anspruchsvoll und bedürfen der besonderen Erfahrung des Gutachters.

Verhandlungsfähigkeit

Verhandlungsfähigkeit (im Strafprozess) bedeutet, dass der Angeklagte in der Lage ist, der Verhandlung über die ganze zeitliche Erstreckung hin zu folgen, seine Interessen angemessen wahrzunehmen, die Verteidigung vernünftig und in verständlicher Form zu führen und Erklärungen abzugeben sowie entgegenzunehmen (Konrad und Rasch 2009). Eine akute Alkohol- oder Drogenintoxikation (F1x.0), ein Entzugssyndrom (F1x.3), substanzbedingte psychotische Störungen (F1x.5) – um nur einige Beispiele zu nennen – können diese Fähigkeit ausschließen, und zwar nach Maßgabe ihrer Auswirkungen auf u. a. Situationswahrnehmung, Urteilsvermögen oder konzentrative Belastbarkeit. Die Entscheidung der Frage, ob ein Angeklagter verhandlungsunfähig ist, obliegt dem Gericht.

Haftfähigkeit bzw. Vollzugstauglichkeit

In den ersten Tagen nach Antritt der Untersuchungshaft oder nach dem direkten Antritt einer Freiheitsstrafe treten bei Abhängigkeitskranken häufig Entzugserscheinungen, bisweilen Entzugsdelire auf. Anpassungsstörungen, auch suizidale Tendenzen können dadurch verstärkt werden. Die Behandlung dieser Störungen, auch eine Substitutionstherapie, ist i. d. R. in den Haftanstalten selbst möglich.
Die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe ist aufzuschieben oder kann unterbrochen werden, „wenn der Verurteilte in Geisteskrankheit verfällt“ (§ 455 Abs. 1 u. 4, Nr. 1 StPO). Gemeint sind damit nach allgemeiner Auffassung ausgeprägte psychische Krankheitszustände wie z. B. akute Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis, schwere affektive Störungen und ausgeprägte hirnorganische Psychosyndrome, u. U. auch durch psychotrope Substanzen bedingte psychotische Zustandsbilder. Der Gutachter hat nach Stellung der Diagnose die therapeutischen Erfordernisse und die gesundheitlichen Gefährdungen durch eine weitere Inhaftierung zu beurteilen.

Straßenverkehrsrecht

Die rechtlichen Bestimmungen, die in unserem Zusammenhang relevant sind, finden sich im Wesentlichen im Straßenverkehrsgesetz (StVG), im Strafgesetzbuch (StGB) und in der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV). Gericht oder Verwaltungsbehörde können je nach Ausgangslage und Fragestellung das Gutachten eines Rechtsmediziners, eines Facharztes mit verkehrsmedizinischer Zusatzqualifikation oder einer medizinisch-psychologischen Untersuchungsstelle (Begutachtungsstelle für Fahreignung, BfF) anfordern.
(Was grundlegende Definitionen von z. B. Fahrtüchtigkeit und Fahreignung, was für die Fahreignung relevante Leistungs- und Persönlichkeitsmerkmale sowie deren Erfassung und was die formalen Anforderungen an ein Fahreignungsgutachten betrifft, sei auf die Darlegungen im Beitrag von Graw/Holzner „Fahreignung“ verwiesen.)

Ordnungswidrigkeiten und Straftatbestände

Folgende BAK-Grenzwerte sind beim Führen eines Kfz z. Zt. verbindlich:
  • 0,0 ‰: Seit 01. 08. 2007 absolutes Alkoholverbot für Fahranfänger in den ersten 2 Jahren sowie für Personen unter 21 Jahren.
  • Zeigt ein Kraftfahrzeugführer ab 0,3 ‰ die Fahrsicherheit beeinträchtigende alkoholbedingte Ausfallerscheinungen oder verursacht einen Unfall, so kann bereits der Straftatbestand der Trunkenheit im Verkehr erfüllt sein. Es kommen dann Verurteilungen nach § 316 StGB oder § 315c StGB einschließlich der Entziehung der Fahrerlaubnis in Betracht.
  • Ab einer BAK von 0,5 ‰ liegt – bei Fehlen weiterer Beweisanzeichen – eine relative Fahruntüchtigkeit und somit Ordnungswidrigkeit vor (§ 24a Abs. 1 StVG).
  • Ab einer BAK von 1,1 ‰ gilt ein Kraftfahrer als absolut fahruntüchtig, d. h. es bedarf keiner weiteren Indizien, anzunehmen, dass er nicht mehr in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen (Straftat nach § 316 oder § 315c StGB).
Für Alkoholabhängige gelten trotz Toleranzentwicklung grundsätzlich dieselben Maßstäbe wie für sog. Normalkonsumenten.
Für ‚andere berauschende Mittel‘ sind Gefahrengrenzwerte bisher wissenschaftlich nicht begründbar. Eine Verkehrsordnungswidrigkeit (§ 24a Abs. 2 StVG) liegt vor, wenn beim Fahrer eine der in einer Anlage zu dem Paragrafen genannten Substanzen „im Blut nachgewiesen wird“. Die ‚offene Liste‘ der Anlage führt derzeit folgende „berauschende Mittel“ an: Cannabis, Heroin, Morphin, Kokain, Amphetamin sowie Designer-Amphetamine (MDA,MDE, MDMA), Metamphetamin. Insbesondere im Kontext des Gesetzgebungsverfahrens zur legalen Verfügbarkeit von Cannabis wird diskutiert, inwiefern analog zur BAK bei Alkohol Grenzwerte, z. B. der THC-Konzentration im Blut – festgelegt werden. Die Feststellung einer Fahrunfähigkeit oder Fahrunsicherheit im strafrechtlichen Sinn bedarf bei den genannten Substanzen immer zusätzlicher Beweisanzeichen.
Nach § 316 StGB wird mit Strafe bedroht, wer im Verkehr ein Fahrzeug führt, „obwohl er in Folge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen“ (abstraktes Gefährdungsdelikt). Werden im Straßenverkehr dadurch „Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet“ (§ 315c Abs. 1 Nr. 1a), fällt die Strafe deutlich höher aus (konkretes Gefährdungsdelikt).

Fahreignung

Anzahl medizinisch-psychologischer Untersuchungen durchgeführt in Begutachtungsstellen für Fahreignung (BfF) im Jahr 2021:
  • Alkoholfragestellungen: 31.404
  • Betäubungsmittelfragestellungen: 31.078
(Quelle: Begutachtung der Fahreignung 2022, Bundesanstalt für Straßenwesen, 2023)
Die Eignungsproblematik beim Konsum von Alkohol, Betäubungsmitteln (im Sinne des BtMG) und ‚anderen psychoaktiven Substanzen‘ wird in der Fahrerlaubnis-Verordnung (Fassung 2023) in gesonderten Regelungen (§§ 13, 14) sowie in den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung der Bundesanstalt für Straßenwesen (BLL; Gräcmann und Albrecht, zuletzt neu: 01.06.2022) ausführlich behandelt.
Tab. 1 fasst die wesentlichen Regelungen für die Fahrerlaubnisklassen A, A1, B, BE, M, L,T der sog. Gruppe 1, nach alter Regelung u. a. Klasse 3 (BRD) und B (DDR), zusammen. Strengere Bestimmungen bzw. höhere Anforderungen gelten u. a. für die Fahrgastbeförderung und für Gefahrguttransporte.
Tab. 1
Fehlende und bedingte Eignung zum Führen eines Kfz. (Nach Fahrerlaubnis-Verordnung u. Begutachtungsleitlinien samt Kommentar)
Krankheiten, Mängel
Eignung bzw. bedingte Eignung
Alkohol
Missbrauch (keine sichere Trennung von Führen eines Kfz und die Fahrsicherheit beeinträchtigendem Alkoholkonsum)
Nein
Nach Beendigung des Missbrauchs, z. B. nach Reha-Kurs für alkoholauffällige Kraftfahrer
Ja, wenn entspr. Änderung des Trinkverhaltens gefestigt und für zumindest 6 Monate (in der Regel 12 Monate) belegt ist und keine relevante Leistungsbeeinträchtigung und Persönlichkeitsveränderung aufgrund des früheren Missbrauchs vorliegen
Abhängigkeit
Nein
Nach Abhängigkeit (Entwöhnungsbehandlung)
Ja, wenn keine Abhängigkeit mehr besteht, i. d. R. 1 Jahr Abstinenz durch Tatsachen – u. a. geeignete Laboruntersuchungen – nachgewiesen ist, keine relevante Leistungsbeeinträchtigung u. Persönlichkeitsveränderung aufgrund des früheren Abusus vorliegen
Möglich: Auflage einer späteren Überprüfung
Betäubungsmittel, andere psychoaktive Substanzen mit Missbrauchspotenzial
Einnahme (mit oder ohne Abhängigkeit) von Betäubungsmitteln im Sinne des BtMG (exkl. Cannabis)
Nein
Regelmäßige Einnahme von illegalem Cannabis als Genußmittel
Regelmäßige Einnahme von Cannabis als Medikament (Medizinal-Cannabis)
i. d. R. nein
ja, sofern die körperlichen und geistigen Voraussetzungen bestehen, eine kritische Selbstprüfung zur Eignung vor Antritt der Fahrt, Einnahme entsprechend ärztlicher Verordnung
Gelegentliche Einnahme von Cannabis
Ja, wenn zuverlässig Trennung von Konsum und Fahren, kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiven Stoffen, keine relevante Störung der Persönlichkeit, kein Kontrollverlust
Missbräuchliche Einnahme von anderen psychoaktiven Stoffen inkl. entspr. Arzneimittel
Nein
Abhängigkeit von anderen psychoaktiven Stoffen inkl. entspr. Arzneimittel
Nein
Nach Entgiftung und Entwöhnung
Ja, wenn 1 Jahr Abstinenz durch Tatsachen – u. a. durch geeignete Laboruntersuchungen – nachgewiesen ist, keine relevante Leistungsbeeinträchtigung u. Persönlichkeitsveränderung aufgrund des früheren Abusus vorliegen
Auflage: regelmäßige Kontrollen
Dauerbehandlung mit psychoaktiven Arzneimitteln
Deutliche Intoxikationssymptome
Nein
Beeinträchtigung verkehrsrelevanter Leistungsfunktionen (z. B. visuelle Orientierung, konzentrative Belastbarkeit, Reaktionsschnelligkeit u. -sicherheit) unter das erforderliche Maß (z. B. in entspr. Tests: Prozentrang (Gesamtnorm) < 16)
Nein
Wer als Heroinabhängiger mit einem Substitutionsmittel wie Methadon oder Buprenorphin behandelt wird, gilt i. d. R. als nicht geeignet, ein Fahrzeug zu führen:
„Bei i. v.-Drogenabhängigen kann unter bestimmten Umständen eine Substitutionsbehandlung mit Methadon indiziert sein. Wer als Heroinabhängiger mit Methadon substituiert wird, ist im Hinblick auf eine hinreichend beständige Anpassungs- und Leistungsfähigkeit in der Regel nicht geeignet, ein Kraftfahrzeug zu führen. Nur in seltenen Ausnahmefällen ist eine positive Beurteilung möglich, wenn besondere Umstände dies im Ein-zelfall rechtfertigen. Hierzu gehören u. a. eine mehr als einjährige Methadonsubstitution, eine psychosoziale stabile Integration, die Freiheit von Beigebrauch anderer psychoaktiver Substanzen, incl. Alkohol, seit mindestens einem Jahr, nachgewiesen durch geeignete, regelmäßige, zufällige Kontrollen (z. B. Urin, Haar) während der Therapie, der Nachweis für Eigenverantwortung und Therapie-Compliance sowie das Fehlen einer Störung der Gesamtpersönlichkeit.“ (BLL 2022)
Insgesamt enthalten FeV und BLL relativ differenzierte Vorgaben. Der Gutachter muss für den individuellen Fall keine Risikoanalyse mit Hilfe empirisch-statistisch validierter Prädiktoren durchführen, sondern er hat zu prüfen, welche der angeführten Kriteriumskonstellationen vorliegt. Abweichungen von den Vorgaben der BLL sind möglich, aber begründungspflichtig.

Zivilrechtliche Fragen (Auswahl)

Betreuungsrecht

Zum 01.01.2023 ist das komplett neu reformierte Betreuungsrecht (§§ 1814 – 1881 BGB) in Kraft getreten. Ein Darstellung aller wichtigen Neuregelungen finden sich im Beitrag von Bulla/Scholtysik „Betreuungsrecht“ der im Folgenden auszugsweise zitiert wird.
Die Voraussetzungen zur Einrichtung einer Betreuung sind nunmehr im neuen § 1814 BGB, der sog. „Fundamentalnorm“ des neuen Betreuungsrecht geregelt.
„§ 1814 BGB Voraussetzungen
(1)
Kann ein Volljähriger seine Angelegenheiten ganz oder teilweise rechtlich nicht besorgen und beruht dies auf einer Krankheit oder Behinderung, so bestellt das Betreuungsgericht für ihn einen rechtlichen Betreuer (Betreuer).
 
(2)
Gegen den freien Willen des Volljährigen darf ein Betreuer nicht bestellt werden.“
 
Bereits bei der Bestellung des Betreuers soll zukünftig weniger das medizinische Defizit des Betroffenen in Vordergrund stehen (so noch § 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB a. F.), als vielmehr der konkrete Unterstützungsbedarf, der auf einer Krankheit oder Behinderungen gründen muss. Im Gegensatz zum früheren § 1896 Abs. 1 BGB a. F. nennt das Gesetz nunmehr den tatsächlichen Handlungsbedarf, d. h. die Unfähigkeit des volljährigen Betroffenen seine Angelegenheiten zu besorgen an die erste Stelle der Prüfung und nicht die Erkrankung bzw. Behinderung. Nicht der medizinische Befund soll das vorrangig festzustellende Tatbestandmerkmal sein, sondern der individuelle, konkret zu bestimmenden objektive Unterstützungsbedarf. Wie bisher setzt Anordnung einer Betreuung auch eine subjektive Betreuungsbedüftigkeit voraus, d. h. sie muss auf eine Krankheit bzw. Behinderung des Betroffenen beruhen. Auffällig ist, dass § 1814 Abs. 1 BGB den Begriff der „psychischen Krankheit“ nicht mehr benutzt, sondern nur noch von Erkrankung bzw. Behinderungen spricht. Damit will das Gesetz jedoch ausschließlich einer möglichen Diskriminierung vorbeugen, da es im Lichte der UN-BRK nicht mehr angezeigt ist, psychische Erkrankungen besonders herauszustellen und diese Gruppe von betroffenen Menschen als potenziell besonders betreuungsbedürftig erscheinen zu lassen. Da es sich um eine rein sprachliche, nicht inhaltlich qualitative Änderung handelt, soll sich der potenzielle Adressatenkreis einer Betreuung durch die neue Regelung zukünftig nicht ändern, d. h. weder eingeschränkt noch ausgeweitet werden. So geht der Gesetzgeber davon aus, dass die bisherige Rechtsprechung des BGH sowohl zu den Abhängigkeitserkrankungen und dem notwendigen Schweregrad als auch zu psychischen Erkrankungsbildern weiter Geltung hat (Deutscher Bundestag 2020, S. 230 f.).
Unter „psychischer Krankheit“ im Sinne des früheren § 1896 BGB a. F. wurden körperlich begründbare und sogenannte endogene Psychosen, Abhängigkeitserkrankungen mit entsprechendem Schweregrad, Neurosen und Persönlichkeitsstörungen verstanden, unter „geistiger Behinderung“ angeborene und frühzeitig erworbene Intelligenzdefekte und unter „seelischer Behinderung“ alle psychischen Beeinträchtigungen, die als dauerhafte Folgen psychischer Krankheiten auftreten.
Zu den psychischen Krankheiten, bei denen, falls die sonstigen Voraussetzungen nach § 1814 BGB erfüllt sind, die Einrichtung einer Betreuung gerechtfertigt sein kann, zählen laut amtlicher Begründung des BtG auch Alkohol- und Drogenabhängigkeit, allerdings nur dann, wenn durch den Suchtmittelkonsum eine gravierende Beeinträchtigung der Fähigkeit, die eigenen Angelegenheiten wahrzunehmen, besteht z. B. bei Vorliegen von schwerwiegenden Störungen der Merkfähigkeit bei alkoholbedingter Demenz (F10.73) und Korsakow-Psychose (F10.6). Stets ist zu prüfen, inwieweit der Betroffene an der Wahrnehmung seiner Angelegenheiten gehindert ist, welche Zustandsbesserung durch gezielte ärztliche Therapie oder Rehabilitationsmaßnahmen erreicht werden kann und ob keine Unterstützungsalternativen bestehen. Wenn die Einrichtung einer Betreuung sich als erforderlich erweist, sollte eine auf den Einzelfall zugeschnittene Festlegung der Aufgabenbereiche erfolgen; dabei sollte auch innerhalb der meist typisierend genannten Aufgabenkreise wie z. B. Aufenthaltsbestimmung, Vermögenssorge, Gesundheitsangelegenheiten eine Differenzierung vorgenommen werden.
Analog zur Einrichtung einer Betreuung kann auch die Unterbringung in einer Klinik zur Behandlung nach Betreuungsgesetz nicht allein durch die Alkoholabhängigkeit begründet werden, z. B. zur Verhinderung des Rückfalls in den regelmäßigen Alkoholkonsum. Bei Abhängigkeitskranken ist eine Unterbringung im Rahmen einer Betreuung dann möglich, wenn psychische Folgekrankheiten, z. B. Korsakow-Erkrankung, bestehen und bei weiterem Konsum des Suchtmittels, z. B. von Alkohol, in absehbarer Zeit ein erheblicher Gesundheitsschaden droht.

Geschäftsunfähigkeit und Nichtigkeit einer Willenserklärung

Nach § 104 Abs. 2 BGB gilt ein Volljähriger als geschäftsunfähig, wenn er „sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist“.
Von einer freien Willensbestimmung kann nach Habermeyer und Saß (2002) dann nicht mehr gesprochen werden, wenn Symptome einer psychischen Störung die kognitiven Voraussetzungen der Intentionsbildung und -realisierung beeinträchtigen oder wenn sie das Wertgefüge und/oder die affektiv-dynamischen Grundlagen von Entscheidungsprozessen verformen.
Das Vorliegen einer Geschäftsunfähigkeit muss von demjenigen, der sich darauf beruft, (mit einem hohen Grad von Wahrscheinlichkeit) bewiesen werden.
Nur in seltenen Fällen kann bei Suchtkranken eine Geschäftsunfähigkeit gegeben sein, so z. B. bei einer alkoholbedingten Demenz (F10.73), bei einer suchtmittelbedingten Korsakow-Psychose (F1x.6) oder einer suchtmittelbedingten Persönlichkeits- und Verhaltensstörung (F1x.71) mit emotionaler Labilität, Reizbarkeit, mangelnder Impulskontrolle, thematischer Einengung und/oder reduzierter Fähigkeit, zielgerichtete Aktivitäten über eine längere Zeit aufrecht zu erhalten, – mögliche Folgen einer langjährigen Abhängigkeit.
Nichtig ist (neben der Willenserklärung eines Geschäftsunfähigen) nach § 105 Abs. 2 BGB auch die Willenserklärung, „die im Zustande der Bewusstlosigkeit oder vorübergehender Störung der Geistestätigkeit abgegeben wird“. Mit dem Begriff ‚Bewusstlosigkeit‘ sind dabei hochgradige Bewusstseinstrübungen gemeint, bei denen aber noch eine Handlung im juristischen Sinne möglich ist.
Ein Intoxikationszustand mit Wahrnehmungsstörungen (F1x.04), ein delirantes Zustandsbild im Rahmen eines Entzugssyndroms (F1x.4), eine substanzbedingte psychotische Störung (F1x.5) z. B. mit Halluzinationen, Wahnbildung oder Beziehungsideen sind Beispiele für Zustandsbilder, bei denen die Anwendbarkeit des § 105 BGB gegeben sein kann.
Entscheidend ist jedoch nicht die Diagnose, sondern der psychopathologische Funktionszustand, wobei für den Gutachter häufig ein besonderes Problem darin besteht, dass das psychopathologische Zustandsbild retrospektiv zu beurteilen ist.

Sozialrecht (Auswahl)

Die Träger der gesetzlichen Sozialversicherungen als Rehabilitationsträger haben sich erstmals 2004 (zuletzt überarbeitet 2016, eine neue Version ist aktuell in Arbeit) – in Weiterentwicklung früherer Ansätze – auf eine „Gemeinsame Empfehlung“ für die Durchführung von sozialmedizinischen Begutachtungen geeinigt (www.bar-frankfurt.de), wie sie z. B. bei krankheitsbedingter vorzeitiger Berentung, Feststellung einer Minderung der Erwerbsfähigkeit nach Arbeitsunfall, bei Fragen sozialer Entschädigung, bei Prüfung des Grades der Behinderung anfallen können. Zugrunde liegt dabei das sog. biopsychosoziale Konzept der funktionalen Gesundheit und Behinderung der International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF) der WHO (2001), welches das alte defizitorientierte Krankheitsfolgenmodell (ICIDH) abgelöst hat. Einem Grundsatzpapier der gesetzlichen Rentenversicherung (Schuntermann 2003) zufolge ist die ICF in besonderer Weise geeignet, das positive und negative Struktur- und Funktionsbild von Organen bzw. Organsystemen, das positive und negative Aktivitätsbild der Person sowie ihr positives und negatives Teilhabebild (im Sinne von Sozialgesetzbuch IX) bzgl. Erwerbsleben, Familie, Bildung, Ausbildung, Selbstversorgung usw. vor ihrem Lebenshintergrund in standardisierter Sprache zu erfassen.
Wegen ihrer inhaltlichen Breite und Detailliertheit ist die ICF (1494 Einzelitems) in der Anwendung sehr anspruchsvoll und auch zeitaufwendig. Es wurden daher für einige – bisher nur wenige – Gesundheitsstörungen sog. ICF Core Sets entwickelt (z. B. für rheumatoide Arthritis, Schlaganfall, obstruktive Lungenerkrankung, Diabetes mellitus).
Für den Bereich psychischer Störungen liegt ein ‚Mini-ICF‘ vor, ein kurzes Fremdbeurteilungsinstrument zur Erfassung von sog. Fähigkeits- und Aktivitäts- sowie von Partizipationsstörungen, die durch die psychische Erkrankung bedingt sind (Linden und Baron 2005). Das Rating bezieht sich schwerpunktmäßig auf Fähigkeiten („capacities“), die für berufliche Tätigkeiten relevant sind (z. B. Fähigkeit zur Anpassung an Regeln und Routinen, Fähigkeit zur Planung und Strukturierung von Aufgaben, Durchhaltevermögen, Kontaktfähigkeit).

Gesetzliche Krankenversicherung (GKV)

Seit der bahnbrechenden Entscheidung des Bundessozialgerichtes im Jahre 1968 gilt ‚Alkoholismus‘ als Krankheit im Sinne der GKV, wenn er sich „im Verlust der Selbstkontrolle und in der krankhaften Abhängigkeit vom Suchtmittel, im Nicht-mehr-aufhören-Können“ (zit. nach Krasney 1992, S. 46) äußert, d. h. nicht erst dann, wenn er zu Folgekrankheiten, insbesondere zu krankhaften Veränderungen innerer Organe, geführt hat. Analog sind andere stoffgebundene Abhängigkeitserkrankungen zu bewerten. Die Frage eines gesundheitlichen Fehlverhaltens oder eines sonstigen Verschuldens spielt bei der Einordnung der ‚Sucht‘ als Krankheit im Sinne des Sozialrechts keine Rolle. Damit gelten für Abhängigkeitskranke im Grundsatz dieselben rechtlichen Bestimmungen wie bei anderen Erkrankungen, was ambulante ärztliche Behandlung, Arbeitsunfähigkeit, Krankenhausbehandlung, Krankengeld usw. betrifft.

Gesetzliche Rentenversicherung (GRV)

  • Rehabilitation
Die Anzahl der bewilligten stationären und ambulanten Entwöhnungsbehandlungen belief sich je Jahr zuletzt auf insgesamt 39.183. Darunter sind sowohl Entwöhnungsbehandlungen bei Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit als auch Behandlungen zur Entwöhnung von illegalen Suchtmitteln zusammengefasst. (Deutsche Rentenversicherung Bund 2022)
Die GRV gewährt für Alkohol-, Drogen-, Medikamenten- und Mehrfachabhängige Leistungen zur Rehabilitation, speziell Entwöhnungsbehandlungen, wenn diese – beim Blick auf die Entwicklung des Suchtverhaltens, die aktuellen Gründe für die Aufrechterhaltung der Suchtmittelproblematik, auf die durch Begleit- und Folgekrankheiten bedingten somatischen und psychopathologischen Befunde, auf die Motivation bzw. die Motivierbarkeit des Patienten und auf seine soziale Situation – als notwendig und aussichtsreich erscheinen, eingetretenen oder drohenden Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit entgegenzuwirken.
Rehabilitationsbedürftigkeit, -fähigkeit und -prognose sind zu begründen. Die ICF bietet dafür eine differenzierte Sprache. Die bloße Feststellung einer Indikation zur Rehabilitation ist unzureichend.
Nach der „Vereinbarung Abhängigkeitserkrankungen“, beschlossen 2001 von den Spitzenverbänden der Kranken- und Rentenversicherungsträger, ist i. d. R. für die Kosten einer Entzugs-(Entgiftungs-)behandlung als einer Akutbehandlung die Krankenkasse des Patienten, für eine Entwöhnungsbehandlung der Rentenversicherungsträger zuständig. Bei fehlenden versicherungsrechtlichen Voraussetzungen wechselt die Zuständigkeit der Leistungsgewährung (seit Einführung der Pflichtversicherung im Jahr 2004) erneut zu den Krankenversicherungen; nur in seltenen Ausnahmefällen wird der örtliche Sozialhilfeträger zuständig. Medizinische Leistungen zur Rehabilitation müssen grundsätzlich vor Antritt beim zuständigen Reha-Träger beantragt werden.
Anhang 3 der „Vereinbarung“ führt Kriterien für die Entscheidung zwischen ambulanter und stationärer Rehabilitation auf.
Nach Anhang 4 der „Vereinbarung“ lassen sich auch bei opiatabhängigen Patienten unter „übergangsweiser“ Substitutionsbehandlung Leistungen zur Rehabilitation sozialmedizinisch begründen, wenn somatischer und psychopathologischer Befund, die Entwicklung des Suchtverhaltens und die Persönlichkeitsentwicklung einen positiven Verlauf der Rehabilitation erwarten lassen. Voraussetzung ist u. a., dass der Opiatabhängige – durch medizinischen Nachweis gesichert – in den letzten 4 Wochen vor Antragstellung in der Substitutionsbehandlung kein Suchtmittel konsumiert hat. Eine positive Reha-Prognose, so die „Vereinbarung“, sei vor allen Dingen dann gegeben, wenn der Patient langfristig vollständige Abstinenz (d. h. auch von Substitutionsmitteln) anstrebe, über ein tragfähiges soziales Netz verfüge und eine abgeschlossene Schul- und Berufsausbildung habe. Die Sinnhaftigkeit dieser Vorschriften wird in Fachkreisen durchaus kritisch diskutiert. De facto wird die Substitutionsbehandlung in einigen Reha-Kliniken kontinuierlich fortgeführt, um so überhaupt die basale Stabilisierung im Rahmen einer rehabilitativen Behandlung zu gewährleisten (Specka et al., 2017).
  • Rente wegen Erwerbsminderung (EM)
Die Anzahl der Rentenzugänge wegen Erwerbsminderung aufgrund von Abhängigkeitserkrankungen belief sich im Jahr 2021 auf 5545 (Deutsche Rentenversicherung 2022a, b)
Wenn eine Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit im allgemeinen Erwerbsleben aufgrund der Abhängigkeitserkrankung, eingeschlossen Grund-, Begleit- und Folgekrankheiten, sich durch gezielte kurative und rehabilitative Maßnahmen nicht beheben oder verbessern lässt, ist zu prüfen, ob die medizinischen Anspruchsvoraussetzungen für eine Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung gegeben sind. Für die Beschreibung des körperlichen und sozialen Funktionsniveaus des Patienten bietet, wie bei der Indikationsstellung zur Rehabilitation, die ICF einen systematisierten, ordnenden Rahmen. Das Leistungsvermögen des Patienten ist dabei – möglichst beobachtungsnah – nicht nur von den Einschränkungen, sondern ebenso von den verbliebenen Fähigkeiten, Kompensationsmöglichkeiten und Ressourcen her zu beschreiben. Denn maßgeblich für die Beurteilung ist nicht, „wie weit die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert ist, sondern inwieweit sie noch erhalten ist“ (Erlenkämper 2003, S. 522).
Seit der Änderung der rentenrechtlichen Bestimmungen (EM-ReformG, in Kraft seit dem 01. 01. 2001) ist zu beurteilen, ob der Versicherte „auf nicht absehbare Zeit“ arbeitstäglich weniger als 3 h (voll erwerbsgemindert), 3 bis < 6 h (teilweise erwerbsgemindert) oder 6 und mehr Stunden (nicht erwerbsgemindert) unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein kann. Die wichtigen, teils sehr einschneidenden Änderungen der rentenrechtlichen Bestimmungen bzw. Übergangsregelungen sind im Beitrag von Dünn „Gesetzliche Rentenversicherung“ ausführlich behandelt.
Die Leistungsminderung ist bei Alkoholabhängigkeit meist durch organische Folgekrankheiten, z. B. alkoholische Leberzirrhose, chronische Pankreatitis, alkoholtoxische Kardiomyopathie, Polyneuropathie oder ein hirnorganisches Psychosyndrom, bedingt. Bei Drogenabhängigkeit sind es vorbestehende psychische Defizite, suchtbedingte Persönlichkeitsveränderungen, aber auch Folgekrankheiten wie z. B. Hepatitis B und C oder AIDS, die die Frage nach einer Erwerbsminderung aufwerfen. Daher sind i. d. R. fachspezifische Zusatzgutachten erforderlich. – Die funktionellen Auswirkungen der Grund-, Begleit- und Folgekrankheiten auf die Erwerbsfähigkeit sind zusammenfassend zu beurteilen.

Gesetzliche Unfallversicherung (GUV)

Eine Abhängigkeitserkrankung kann nach allgemeiner Rechtsauffassung nicht direkte, wohl aber – in seltenen Fällen – ‚mittelbare‘ Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit sein, so z. B. wenn im Rahmen der Heilbehandlung einer Unfallverletzung oder einer Berufskrankheit eine lang andauernde (ärztlich verordnete) Einnahme von schmerzstillenden Medikamenten zur Entwicklung einer Abhängigkeit von Substanzen der entsprechenden Stoffklasse geführt hat (§ 11 Abs. 1 Ziffer 1 SGB VII).
Schwieriger zu beurteilen ist der Ursachenzusammenhang, wenn die Abhängigkeitserkrankung psychische Folge eines durch den Arbeitsunfall verursachten Körperschadens sein soll; wenn z. B. einem durch Unfallverletzungen stark entstellten Patienten die Verarbeitung der Unfallfolgen nicht gelungen ist und er in einer krisenhaften Situation eine Abhängigkeit von Alkohol entwickelt hat. Die zu klärenden Fragen sind zwar oft schwierig zu beantworten. Sie unterscheiden sich aber kaum von denen bei rein organischen Kausalitätsfällen. Entscheidend ist stets, ob die Bedeutung des Mitwirkungsanteils der körperlichen Verletzung im Vergleich zum Mitwirkungsanteil anderer Faktoren, die an der Entstehung der psychischen Erkrankung beteiligt sind (Vorschädigungen, Persönlichkeit, Belastungen aus dem privaten Umfeld und vieles mehr) groß genug ist, um die psychischen Folgen dem betrieblichen Risiko zuzurechnen. (vgl. Forchert „Gesetzliche Unfallversicherung“) Hätte die Entwicklung der Abhängigkeit jederzeit auch durch ein anderes Ereignis ausgelöst werden können, d. h. ließe sich bei dem Patienten eine entsprechende seelische Disposition nachweisen, so wäre der Unfall nicht als wesentliche, sondern als Gelegenheitsursache zu werten (Mehrtens und Brandenburg 1990).
Für die Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) liegen bisher, anders als bei Funktionseinschränkungen aufgrund körperlicher Schäden, bei psychopathologischen Symptomen in der Literatur keine vergleichbar „allgemein anerkannten“ Listen mit sog. Erfahrungssätzen in Prozenten vor. Das BSG betont seit 2006 immer die Bedeutung der richtig gestellten Diagnose anhand der einschlägigen Klassifikationssysteme für die Entschädigung (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R, Juris). Um die Höhe einer MdE zu bestimmten, kommt es daneben aber vor allem darauf an, dass der Gutachter gerade bei psychischen Störungen die funktionellen Auswirkungen intensiv beschreibt und bewertet. Diagnosen reichen dafür nicht aus. Leistungen hängen an Befunden und Symptomen, nicht an Diagnosen, denn Verletztenrenten setzen eine „Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens“ voraus (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII; vgl. dazu sowie zu den allgemeinen rechtlichen Bestimmungen, nach denen ein schädigendes Ereignis als Arbeitsunfall zu bewerten ist, sowie zu den Anforderungen an die Beurteilung des Zusammenhanges zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden den Beitrag von Forchert „Gesetzliche Unfallversicherung“).
In der Berufskrankheiten-Verordnung (letzte Verordnung zur Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) am 29.06.2021) sind Abhängigkeitserkrankungen nicht aufgeführt, d. h. die Alkoholabhängigkeit z. B. eines Spirituosenverkäufers gilt auch dann nicht als Berufskrankheit, wenn sie in zeitlichem und situativem Kontext mit seiner beruflichen Tätigkeit entstanden ist.
Bei einem rauschbedingten Leistungsausfall ist in der GUV kein Versicherungsschutz gegeben. Bei einem suchtmittelbedingten Leistungsabfall, z. B. einer entsprechenden alkoholbedingten Beeinträchtigung der Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit, entfällt der Versicherungsschutz, wenn die Beeinträchtigung die „allein wesentliche Unfallursache“ darstellt (Mehrtens und Brandenburg 1990).

Soziales Entschädigungs- und Schwerbehindertenrecht

Das soziale Entschädigungsrecht (sozEntschR) regelt den Schadensausgleich bei Gesundheitsschäden, für deren Folgen die staatliche Gemeinschaft nach versorgungsrechtlichen Grundsätzen einsteht. Der Grad der Schädigungsfolgen (GdS) bemisst sich an dem für das entsprechende Lebensalter typischen Zustand. (Zum Anwendungsbereich des sozEntschR, speziell zum geschützten Personenkreis vgl. den Beitrag von Nellen „Soziales Entschädigungsrecht“).
Eine Abhängigkeitserkrankung, v. a. eine Medikamentenabhängigkeit, kann nach dem sozEntschR nicht direkte, in seltenen Ausnahmefällen jedoch, wie in der GUV, ‚mittelbare‘ Folge einer schädigungsbedingten Gesundheitsstörung sein.
„Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft beeinträchtigt ist.“ (SGB IX, § 2 Abs. 1 S. 1)
Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft werden als Grad der Behinderung (GdB) festgestellt.
GdS (sozEntschR) und GdB (SchwbR) sind Maße für die körperlichen, geistigen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens.
„Beide Begriffe haben die Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben zum Inhalt.“ (Versorgungsmedizin-V, Anlage zu § 2,Teil A, Abs. 2)
Vom GdS bzw. GdB kann nicht auf eine Erwerbsminderung im Sinne der GRV geschlossen werden!
Die wesentlichen Aussagen der „Versorgungsmedizinischen Grundsätze“ (https://www.anhaltspunkte.de/vmg/b/3_2.htmAnlage zu § 2 der VersMedV, Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 2009) sind, was den Konsum psychotroper Substanzen betrifft, in Tab. 2 zusammengefasst.
Tab. 2
GdS/GdB infolge des Konsums psychotroper Substanzen. (Nach 1. VersMedV-ÄndV 2010)
Diagnose
Code nach ICD10
Beurteilungsmerkmal
GdS/GdB
Schädlicher Gebrauch
F1x.1
0–20
Abhängigkeit
F1x.2
(ohne F17.2)
Mit leichten sozialen Anpassungsschwierigkeiten
30–40
Mit mittleren sozialen Anpassungsschwierigkeiten
50–70
Mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten
80–100
Nach Erreichen der Abstinenz (z. B. nach erfolgreicher Entwöhnungsbehandlung), sofern zuvor ein GdS/GdB ≥ 50
Bei Fortbestehen deutlicher psychischer oder hirnorganischer Störungen
Heilungsbewährung (allgemein 2 Jahre)
i. d. R. 30
> 30
 
Zusätzliche Organschäden sind nach den Regeln für die entsprechenden Funktionssysteme zu bewerten.

Sozialhilferecht

Aufgabe der Sozialhilfe ist es, Lücken im System der sozialen Sicherung zu schließen. Im Rahmen des Subsidiaritätsprinzips stehen die Leistungen der Sozialhilfe jedem zu, für den kein anderer Kostenträger, auch kein Verwandter ersten Grades, verpflichtet werden kann und der sich unter Einsatz seiner eigenen Kräfte, seines Einkommens und seines Vermögens nicht selbst zu helfen vermag.
Abhängigkeitskranke gehören zu den „seelisch wesentlich Behinderten“ im Sinne des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG, heute SGB XII); d. h. die Bestimmungen des BSHG, was z. B. Krankenhilfe, Eingliederungshilfe, Hilfe zum Lebensunterhalt betrifft, gelten auch für sie.
Im Rahmen der Eingliederungshilfe kann z. B. eine Umschulung unterstützt werden, wenn im ausgeübten Beruf eine besondere Griffnähe zum Alkohol besteht.
Bei der Hilfe zum Lebensunterhalt können sich jedoch Leistungseinschränkungen ergeben: Wer zumutbare Arbeit ablehnt, verliert seinen Anspruch; wer ein sog. unwirtschaftliches Verhalten zeigt, erhält nur „das zum Lebensunterhalt Unerlässliche“ (Sozialgesetzbuch XII, § 26). – Einen Drogenabhängigen, der seine finanziellen Mittel weitgehend für den Erwerb von Heroin verbraucht, betreffen diese Einschränkungen jedoch i. d. R. nicht (Krasney 1999), weil bzw. insoweit sein Verhalten krankheitsbedingt ist.

Privatversicherung

Private Krankenversicherung (PKV)

Nach § 5 Abs. 1b der Musterbedingungen des Verbandes der Privaten Krankenversicherung besteht keine Leistungspflicht „für auf Vorsatz beruhende Krankheiten und Unfälle einschließlich deren Folgen sowie für Entziehungsmaßnahmen einschließlich Entziehungskuren“ (www.pkv.de).
Die Behandlung von Begleit- und Folgekrankheiten einer Abhängigkeit, z. B. einer alkoholischen Leberzirrhose oder eines Entzugsdelirs, fällt nicht unter den Begriff der Entziehungsmaßnahme.
Einzelne Versicherungsunternehmen haben im unternehmensindividuellen Teil ihrer Verträge Regelungen für freiwillige Leistungen zu Entziehungsmaßnahmen aufgenommen, andere leisten im Wege der Kulanz subsidiär für Entwöhnungsbehandlungen, wenn kein anderer Versicherungsträger (DRV) zuständig ist.

Private Unfallversicherung (PUV)

Nach den Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen (AUB 2020), unverbindlichen Empfehlungen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (www.gdv.de), besteht kein Versicherungsschutz für „Unfälle der versicherten Person durch Bewusstseinsstörungen“ (Ziff. 5.1.1). Ferner heißt es dort:
„Ursachen für eine Bewusstseinsstörung können sein:
  • eine gesundheitliche Beeinträchtigung,
  • die Einnahme von Medikamenten,
  • Alkoholkonsum,
  • Konsum von Drogen oder sonstigen Mitteln, die das Bewusstsein beeinträchtigen.“ (ebd.)
Von der Leistungspflicht generell ausgeschlossen sind zudem „krankhafte Störungen infolge psychischer Reaktionen, auch wenn diese durch einen Unfall verursacht wurden“ (Ziff. 5.2.6).
Literatur
Berger M (Hrsg) (2004) Psychische Erkrankungen. Klinik und Therapie, 2. Aufl. Urban & Fischer, München/Jena
Bundesanstalt für Straßenwesen (2023) Begutachtung der Fahreignung 2022. www.​bast.​de
Bundeskriminalamt (Hrsg) (2022) Polizeiliche Kriminalstatistik, Berichtsjahr. www.​bka.​de
Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg) (2009) Versorgungsmedizin-Verordnung – VersMedV – in der jeweils gültigen Fassung (www.​bmas.​de), zuletzt geändert mit Wirkung vom 28. 10. 2011. In: BGBl. I vom 4. 11. 2011, S 2153; www.​bgbl.​de
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 16. 3. 1994. NJW 1995: 1077
Deutsche Rentenversicherung Bund, Geschäftsbereich Prävention (Hrsg) (2022) Reha-Bericht 2022. Berlin
DGPPN (2021) Neuregelung des § 64 StGB aus psychiatrischer Sicht – Positionspapier einer Task-Force der DGPPN. www.​dgppn.​de/​schwerpunkte. Zugegriffen am 01.08.2023
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