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DGIM Innere Medizin
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Publiziert am: 27.04.2015

Polyzystische Lebererkrankungen

Verfasst von: Arne Dettmer
Polyzystische Lebererkrankungen sind zumeist vererbte Erkrankungen, bei denen die Leber mit einer Vielzahl von Zysten (flüssigkeitsgefüllter und mit Epithel ausgekleideter Hohlraum) unterschiedlichster Größe durchsetzt ist. Häufig treten die Zysten im Rahmen einer autosomal dominanten polyzystischen Nierenerkrankung (ADPKD) auf. Sehr selten ist ausschließlich die Leber betroffen (polyzystische Lebererkrankung, PLD).

Einleitung

Polyzystische Lebererkrankungen sind zumeist vererbte Erkrankungen, bei denen die Leber mit einer Vielzahl von Zysten (flüssigkeitsgefüllter und mit Epithel ausgekleideter Hohlraum) unterschiedlichster Größe durchsetzt ist. Häufig treten die Zysten im Rahmen einer autosomal dominanten polyzystischen Nierenerkrankung (ADPKD) auf. Sehr selten ist ausschließlich die Leber betroffen (polyzystische Lebererkrankung, PLD).

Pathophysiologie

Leberzysten entstehen aus Malformationen der Duktalplatte während der Leberentwicklung. Die Duktalplatte ist der Ausgangspunkt der Gallengangsentwicklung innerhalb der Leber. Dabei bleiben sog. von Meyenburg-Komplexe bestehen. Dieses bestehen aus erweiterten, diskonnektierten Gallengängen sowie Bindegewebe und können im Verlauf wachsen und so zu größeren Zysten werden.
Sowohl die PLD als auch die ADPKD sind autosomal dominant vererbte Erkrankungen. Es wurden Genveränderungen identifiziert, die zu der Erkrankung führen können. Die Mutationen sind bei der PLD allerdings nur in etwa 21 % der Fälle nachweisbar.
Zusätzlich konnten mehrere aktivierte Signaltransduktionswege festgestellt werden, die zu Hypersekretion und Hyperproliferation führen. Dabei handelt es sich u. a. um den „Vascular Endothelial Growth Factor“ (VEGF), den insulinähnlichen Wachstumsfaktor (IGF-1), Östrogene und das zyklische Adenosinmonophosphat (cAMP).

Epidemiologie

Die häufigste Ursache für eine polyzystische Lebererkrankung ist die ADPKD. Diese hat eine Prävalenz von etwa 1/100.000, wobei bei ca. 67–83 % der Erkrankten eine Leberbeteiligung zu beobachten ist. Genau Daten zur Inzidenz und Prävalenz der PLD liegen nicht vor. Generell ist ein Zystenwachstum vor der Pubertät selten zu beobachten, mit zunehmendem Alter treten dann immer mehr Zysten auf bzw. zeigen ein Größenwachstum. Bei beiden Erkrankungen sind Frauen häufiger betroffen.

Klinik

Die klinische Symptomatik ist abhängig von der Größe der Zysten und somit auch von der Größe der Leber. Kleinere Zysten (auch mehrere) sind in der Regel symptomlos und werden meist zufällig entdeckt. Mit Zunahme der Anzahl und Größe der Zysten kommt es dann zu einer Symptomatik, die durch den zunehmenden Platzbedarf der Leber und somit der Verdrängung umgebender Organe bedingt ist, denn die Leber kann bis auf das 10fache ihrer normalen Größe wachsen. Typischerweise kommt es zu Druck- oder Völlegefühl, Bewegungseinschränkungen und Schmerzen (v. a. beim Bücken oder Sitzen). Im Verlauf treten dann Übelkeit, Reflux, Rücken- und Flankenscherzen, Bauchumfangszunahme und rasches Sättigungsgefühl ein. Bei fortgeschrittenem Befund kann es auch zu Aszites und Ösophagusvarizen aufgrund der sich ausbildenden portalen Hypertension kommen.
Aber auch in einem früheren Stadium können einzelne Zysten symptomatisch werden: Eine Einblutung in eine Zyste oder eine Ruptur macht sich durch plötzliche starke abdominelle Schmerzen bemerkbar. Infizierte Zysten können zu Fieber, Nachtschweiß und Abgeschlagenheit führen. Allgemein kann festgestellt werden, dass je größer eine Zyste ist, desto höher ist auch die Wahrscheinlichkeit für eine Komplikation. Bei der PLD kann davon ausgegangen werden, dass ca. 6–8 % der Zysten infiziert sind (auch ohne wesentliche Klinik).

Diagnostik

Die Methode der Wahl zur Diagnostik ist die Sonographie. Diese ist nahezu universell verfügbar und kann den Verlauf der Erkrankung überwachen (Abb. 1). Es lassen sich auch problematische Zysten (z. B. eingeblutete) identifizieren (Abb. 2 und 3). Bei speziellen Fragestellungen (Resektion, Transplantation) bringen eventuell die Computertomographie oder die Magnetresonanztomographie noch zusätzliche Informationen.
Laborparameter haben keinen diagnostischen Stellenwert. Es zeigen sich eher unspezifische Veränderungen: Bei etwa 51 % eine Erhöhung der γGT, der alkalischen Phosphatase in ca. 17 %. Noch erwähnt sei, dass der Tumormarker CA19–9 erhöht sein kann (in ca. 45 %), da dieser vom Zystenepithel produziert wird.
Lediglich bei infizierten Zysten kann zum Teil eine Erhöhung der Leukozyten oder des C-reaktiven Proteins beobachtet werden und den Einsatz von Antibiotika mit steuern. Weiterhin ist bei Verdacht auf eine infektiöse Leberzyste die Bestimmung des Echinokokkentiter hilfreich.

Differenzialdiagnostik

Die Zystenleber zeigt in der Bildgebung einen typischen Befund, differenzialdiagnostisch sollte gedacht werden an:
  • mehrere einzelne Leberzysten
  • infektiöse Leberzyste(n) (v. a. Echinokkokus sp.)
  • Leberabszesse
  • Peliosis hepatis (sehr selten!)
  • Zystadenom (Rarität)

Therapie

Das Ziel der Therapie ist die Reduktion bzw. die Beseitigung von den oben genannten Symptomen, die durch die Zysten hervorgerufen werden. Dabei werden prinzipiell nur symptomatische Patienten behandelt. Als Therapieoptionen stehen zur Verfügung:
  • Leberteilresektion
  • Fensterung
  • Transarterielle Embolisation
  • Aspiration und Sklerosierung
  • Transplantation
  • Medikamentöse Behandlung

Leberteilresektion

Die Leberteilresektion kann bei Patienten durchgeführt werden, die neben zystenreichen Arealen noch Segmente mit normalem Leberparenchym (mindestens 25–30 %) aufweisen. Die Resektion ist normalerweise für Patienten mit massiver Hepatomegalie und entsprechenden Beschwerden reserviert und wird nur von wenigen Zentren durchgeführt. Dabei sind die veränderten Verläufe der Gefäße (und Gallengänge) auch mit der modernen Bildgebung zum Teil schwer darzustellen, was die Operation erschwert. Auch die Darstellung der Venen intraopertiv ist erschwert. So erklärt sich die recht hohe Rate an Komplikationen mit Galleleck, Blutung, Aszites und Pleuraerguss (51 %). Die Mortalität wird mit 3 % angegeben. Der entlastende Effekt tritt direkt nach OP ein, aber bei ca. 34 % zeigen sich im Verlauf erneute Beschwerden.

Fensterung

Mittels chirurgischer Fensterung können während eines Eingriffs multiple Zysten in einem Eingriff behandelt werden. Dabei wird aktuell meist die laparoskopische Prozedur bevorzugt. In 22 % der Fälle ist jedoch ein Umstieg (Laparotomie) erforderlich, vor allem aus technischen Gründen, denn die Segmente VII und VIII sind schlecht erreichbar. Die Mortalität beträgt ca. 2 %, die Morbidität 23 % (Aszites, Pleuraerguss, Galleleck, Blutung). In 24 % der Fälle treten die Zysten (sowie die Beschwerden) erneut auf.

Transarterielle Embolisation

Über einen Katheter in der Leberarterie werden die Segmente embolisiert, welche komplett zystisch verändert sind. Diese Therapie scheint bei Patienten mit massiver Zystenleber die Beschwerden zu bessern, es gibt bisher in der Literatur aber nur wenige Arbeiten mit geringer Fallzahl. Somit muss sich der Stellenwert dieser Therapie im Verlauf noch zeigen.

Aspiration und Sklerosierung

Diese Technik wird in der Regel ab 5 cm Durchmesser in Lokalanästhesie durchgeführt. Es werden die größten Zysten im Bereich der Beschwerden – und somit die am ehesten symptomatischen – therapiert. Die Aspiration alleine bringt meist kein Erfolg, da das Epithel der Zyste bestehen bleibt und somit weiterhin Flüssigkeit produziert werden kann. Daher sollte sich immer wenn möglich eine Sklerosierung anschließen (Abb. 4 und 5). Hierzu werden in der Literatur unterschiedliche Substanzen angegeben (Ethanol, Tetrazykline, Minocycline). Wir haben sehr gute Erfahrungen mit Polidocanol 1 % gemacht. In ca. 22 % der Fälle treten die Zysten wieder auf. Neben dem Vorteil des Eingriffs in Lokalanästhesie ist er auch mehrfach problemlos wiederholbar, kosteneffektiv und bietet die Möglichkeit der Materialgewinnung (z. B. bei Verdacht auf infizierte Zysten).

Transplantation

Einzig kurative Option bei Patienten, vor allem bei nicht oder schlecht behandelbaren Folgen wie portale Hypertension mit Aszites, Ösophagusvarizen oder Gewichtsabnahme (Malnutrition bei erhaltener Leberfunktion) ist die Lebertransplantation. Das 5-Jahres-Überleben liegt mit ca. 85 % oberhalb anderer Indikationen. Häufig erfolgt eine kombinierte Leber-Nierentransplantation.

Medikamentöse Therapieoptionen

Somatostatinanaloga

Sie reduzieren die cAMP-Konzentration in den Cholangiozyten und führen so zu weniger Flüssigkeitsproduktion. In mehreren Studien wurde gezeigt, dass das Lebervolumen über die Dauer von 6 Monaten um ca. 4 % reduziert werden konnte und für 6 Monate danach anhält, dann aber deutlich wächst, so dass eine Gabe kontinuierlich erfolgen müsste und bei Langzeittherapie kostenintensiv ist.

mTOR-Inhibitoren

Im Tiermodell der polyzystischen Nierenerkrankung ist mTOR hochreguliert. Diese Medikamentenklasse ist als Immunsuppressivum bei Organtransplantationen bekannt. Die Ergebnisse zeigen sich bisher nicht einheitlich (zwischen Volumenreduktion und Zunahme). Zusätzlich ist unklar, warum einige Patienten nicht und andere gut ansprechen. Auch ist das Nebenwirkungsprofil gegenüber anderen Medikamenten schlechter.

V2-Rezeptorantagonist

Sie reduzieren ebenfalls die cAMP-Konzentration. Ganz neuer medikamentöser Ansatz mit bisher nur wenigen Daten (bei Zystennieren). Stellenwert in der Therapie bisher unklar.

Verlauf

Prinzipiell handelt es sich um eine gutartige Erkrankung, ein erhöhtes Risiko für eine Entartung der Zysten besteht nicht. Auch in ausgeprägten Fällen bleibt die Synthese- und Entgiftungsfunktion der Leber erhalten. Die sich ergebenden Probleme entstehen durch das raumfordernde Wachstum der Zystenleber sowie den hiermit einhergehenden Komplikationen.
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