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24.04.2023 | EHRA 2023 | Kongressbericht | Nachrichten

EHRA-Kongress

Ablation bei Vorhofflimmern: Therapie ohne Zeitdruck

verfasst von: Peter Overbeck

Bisher ging man davon aus, dass die Zeitspanne zwischen Diagnose von Vorhofflimmern und einer Ablation die Effektivität der Katheterablation wesentlich beeinflusst. Eine randomisierte Studie stellt dieses Konzept nun infrage, und könnte damit eine Erleichterung für den Praxisalltag bringen. 

Sollte eine interventionelle Katheterablation bei symptomatischen Patienten mit Vorhofflimmern möglichst früh vorgenommen werden, weil dann die Ergebnisse besser sind als bei einer verzögert durchgeführten Ablation? Ergebnisse einiger Beobachtungsstudien und Registeranalysen deuten in diese Richtung. Darauf beruht das Konzept, dass die Zeitspanne zwischen Diagnose und Ablation von Vorhofflimmern („diagnosis to ablation time“, DAT) ein kritischer Faktor bezüglich der Effektivität der Katheterablation ist. Eine 2022 publizierte und auf sechs Beobachtungsstudien basierende Metaanalyse war zu dem Ergebnis gekommen, dass eine kürzere DAT mit einem niedrigeren Risiko für Vorhofflimmern-Rezidive assoziiert war.

Gleiche Effektivität von früher versus verzögerter Katheterablation

Ergebnisse eines in einer prospektiven randomisierten Studie vorgenommenen Vergleichs stellen dieses Konzept nun allerdings infrage. Resultat der Studie war nämlich, dass eine erst nach zwölf Monaten erfolgte Katheterablation bezüglich der Eliminierung von atrialen Arrhythmierezidiven genauso effektiv war wie eine schon im ersten Monat durchgeführte kardiale Verödungstherapie. In der Gruppe mit verzögerter Ablation hatten alle Patienten zunächst eine auf Rhythmuserhalt zielende medikamentöse Therapie mit Antiarrhythmika erhalten.

Prof. Jonathan Kalman vom Royal Melbourne Hospital hat die an Zentren in Australien durchgeführte Studie jüngst auf einer „Late Breaking Science“-Sitzung beim Kongress der European Heart Rhythm Association (EHRA) 2023 in Barcelona vorgestellt. Nach seiner Ansicht sprechen die neuen Ergebnisse dafür, dass Patienten mit Vorhofflimmern nicht zwingend im Eiltempo ins Katheterlabor zur Ablation geschickt werden müssen. Sie lieferten „beruhigende Evidenz“ dafür, dass gegebenenfalls auch eine frühe medikamentöse Therapie eine Option sein könne, wenn dies für Arzt und Patient annehmbar sei.

„Wir können uns jetzt sicherer fühlen, wenn wir eine lange Warteliste haben“

Ähnlich äußerte sich der Arrhythmie-Experte Prof. John Camm aus London als beauftragter Diskutant der Studienergebnisse. Die neue Studie relativiert nach einer Ansicht die durch Beobachtungs- und Registerstudien suggerierte Dringlichkeit einer Katheterablation bei Patienten mit neu diagnostiziertem Vorhofflimmern: „Wir können uns jetzt sicherer fühlen, wenn wir eine lange Warteliste haben oder eine Ablation nicht gleich hier und jetzt durchführen können“. Es sei kein Problem, Patienten in solchen Fällen zunächst medikamentös zu behandeln – „zumindest für eine gewisse Zeit“, so Camm.

In der Studie hat das Untersucherteam um Kalman bei 100 Patientinnen und Patienten mit paroxysmalem oder persistierendem Vorhofflimmern zwei unterschiedliche Behandlungsstrategien verglichen. Eine Gruppe von 48 Patienten (mittleres Alter 58 Jahre, 33% Frauen, 55% mit persistierendem Vorhofflimmern) wurde schon innerhalb des ersten Monates nach Randomisierung einer frühen Katheterablation unterzogen. Eine zweite Gruppe von 52 Patienten (mittleres Alter 60 Jahre, 24% Frauen, 37% mit persistierendem Vorhofflimmern) wurde dagegen zunächst auf eine optimierte medikamentöse Therapie mit Antiarrhythmika zur Aufrechterhaltung von Sinusrhythmus eingestellt. Eine Katheterablation erfolgte bei diesen Patienten erst verzögert nach einem Jahr. Komplette Daten von insgesamt 89 Teilnehmern gingen in die finale Analyse ein.

Kein Unterschied hinsichtlich der Rezidivfreiheit nach einem Jahr

Primärer Studienendpunkt war der Anteil an Patientinnen und Patienten ohne nachgewiesene atriale Arrhythmien im ersten Jahr nach der Ablationsprozedur (arrhythmia free survival). Bei Raten von 56,3% (frühe Ablation) und 58,6% (verzögerte Ablation) bestand diesbezüglich kein Unterschied zwischen beiden Behandlungsstrategien (p=0,82).

Auch beim Endpunkt „Vorhofflimmern-Last“ (prozentualer Anteil der Zeit im Vorhofflimmern) unterschieden sich beide Gruppen nach der Ablation nicht signifikant. Der Anteil an mit Antiarrhythmika (Sotalol, Flecainid, Amiodaron) behandelten Patienten nahm im ersten Jahr nach Ablationsprozedur jeweils deutlich ab, auch diesbezüglich bestand kein Unterschied zwischen den Gruppen.

Unterschiede gab es aber in den ersten zwölf Monaten, in denen eine Gruppe bereits eine (frühe) Katheterablation und die andere zunächst eine optimierte medikamentöse Antiarrhythmika-Therapie (vor der verzögerten Ablation) erhalten hatte. Nicht überraschend waren die Behandlungsergebnisse in dieser Phase bei den Patienten mit bereits erfolgter Katheterablation besser als bei medikamentös behandelten Patienten.

So war zwar in beiden Gruppen, gemessen am AF Symptom Severity Score (AFSSS), nach zwölf Monaten eine deutliche Verbesserung der Symptomatik zu verzeichnen. Allerdings war diese Verbesserung in der Gruppe mit früher Ablation signifikant stärker als in der zunächst medikamentös behandelten Gruppe (p=0,005). Erst nach der verzögerten Katheterablation, die zu einer weiteren Symptomverbesserung führte, war der entsprechende Unterschied zwischen beiden Gruppen dann nicht länger signifikant. Auch bezüglich der Häufigkeit von Vorhofflimmern-Rezidiven (43,7% vs. 97,7%) und der „Vorhofflimmern-Last“ (0% vs. 16%) hatte in dieser Phase die frühe Ablationstherapie relativ bessere Ergebnisse vorzuweisen.

Katheterablation bleibt die bessere Therapie

Fazit: Die Daten der australischen Studie sprechen dafür, dass man mit der Katheterablation gegebenenfalls auch eine Zeit lang warten kann, ohne Abstriche an deren Wirkung auf atriale Arrhythmierezidive machen zu müssen. Die Zeit bis zu einer späteren Ablationsprozedur sollte dann mit einer medikamentösen Therapie überbrückt werden, bei der Erhalt von Sinusrhythmus angestrebt wird. Klar ist aber, dass die Katheterablation bezüglich Symptomverbesserung und Reduktion von atrialen Arrhythmie-Rezidiven nach wie vor die bessere Therapie ist. So ist erst kürzlich in einer randomisierten Studie gezeigt worden, dass damit das Risiko für einen Übergang von paroxysmalem in ein persistierendes Vorhofflimmern im Vergleich zu einer medikamentösen Behandlung deutlich reduziert werden kann.

Basierend auf: J. Kalman: Impact of catheter ablation timing on arrhythmia outcomes. Late Breaking Science I, European Heart Rhythm Association (EHRA) 2023, 16. – 18. April, Barcelona

Literatur

Kalman J.M. et al. Impact of Early Versus Delayed Atrial Fibrillation Catheter Ablation on Atrial Arrhythmia Recurrences. European Heart Journal 2023, ehad247, online 16. April

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