Erschienen in:
03.04.2018 | Naturheilkunde | Geschichte der Urologie
Die Urologie und die alternativen Heilkulturen (1900–1970)
verfasst von:
Prof. Dr. phil. F. G. Mildenberger
Erschienen in:
Die Urologie
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Ausgabe 5/2018
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Zusammenfassung
Erkrankungen des Unterleibs wurden häufig mit Geschlechtskrankheiten oder damit in Bezug stehenden Leiden assoziiert. Die urologische Diagnostik und Behandlungstechnik basierte auf der Idee, technische Geräte und naturwissenschaftlich-objektive Untersuchungsmethoden würden zielsicher zum Erfolg führen. Dass Erkrankungen wie Harnretention, Harninkontinenz, Urgeinkontinenz, Orchitis oder Urethritis häufig psychosomatische Komplikationen implizierten und in ihren Auswirkungen auf das Sexualleben eventuell weit bedeutsamer waren, spielte in den Anfängen der Urologie noch keine Rolle. Demgegenüber orientierte sich die Konzeptionen der Naturheilkundigen und Homöopathen an dem von der Schulmedizin nach 1850 verworfenen humoralpathologischen Weltbild. Sie befürworteten anstelle von Genitaloperationen oder den von Psychiatern inflationär verordneten Bromkalikuren eine enthaltsame Lebensweise und den Einsatz hydrotherapeutischer Maßnahmen. Der Erfolg der Naturheilkundigen und Homöopathen beruhte auf mehreren Faktoren: Sie setzten auf eine umfängliche Anamnese unter Einbeziehung psychosomatischer Faktoren und eine kombinierte diätetisch-pharmakologische Behandlung. Eine naturheilkundliche oder homöopathische Kur war preiswerter und erträglicher als eine schulmedizinische Behandlung oder auch nur die Diagnostik mit Kathetern und Dilatoren. Zudem entstammten die Laienheilkundigen häufig dem gleichen Milieu wie ihre Patienten, sodass die für psychosomatische Leiden enorm wichtige Arzt-Patient-Kommunikation sich einfacher gestaltete.