Kommentar
Seit der Veröffentlichung der CAO/ARO/AIO-94-Studie ist die präoperative RCT mit simultaner fluorouracilbasierter Chemotherapie, gefolgt von TME und adjuvanter Chemotherapie eine Standardsequenz in der Behandlung des lokal fortgeschrittenen Rektumkarzinoms [
1,
2]. Diese Therapie hat zu einer signifikanten Senkung der Lokalrezidivrate geführt, die Rate an Fernmetastasen blieb allerdings unbeeinflusst. Ein möglicher Grund hierfür ist die schlechte Durchführbarkeit der adjuvanten Chemotherapie. Zur Verbesserung des krankheitsfreien Überlebens müsste daher eine Intensivierung und/oder bessere Durchführbarkeit der systemischen Therapiekomponente erreicht werden. Diesem Ziel folgend wurde die sogenannte TNT entwickelt. Dabei wird sowohl die Strahlentherapie als auch die systemische Therapie vor der Resektion appliziert. Ziel dieses Therapieregimes ist insbesondere eine Intensivierung der Chemotherapie zur Senkung von Fernmetastasen bei gleichbleibender lokaler Kontrolle. Als weiterer Effekt der TNT, und des damit einhergehenden verlängerten Intervalls zwischen RT/RCT und Resektion, ist eine erhöhte Rate an Komplettremissionen zu erwarten [
3,
4]. Die RAPIDO-Studie hat nun in der Tat diese Hypothesen bestätigt [
5,
6].
Ähnlich wie die RAPIDO-Studie hat auch die französische PRODIGE-23-Studie eine Intensivierung der neoadjuvanten Therapie getestet [
7]. Sie randomisierte zwischen einer Induktionstherapie mit 6 Zyklen FOLFIRINOX, gefolgt von einer capecitabinbasierten RCT, TME (und weiteren adjuvanten Therapie über drei Monate), und einer capecitabinbasierten RCT, gefolgt von TME und einer adjuvanten FOLFOX- oder Capecitabintherapie über 6 Monate. Die Einschlusskriterien waren weniger präzise definiert als in der RAPIDO-Studie und umfassten Patienten mit T3- („at risk of local recurrence“) oder T4-Tumoren. Im experimentellen Arm war der primäre Endpunkt, das krankheitsfreie Überleben, mit einer HR von 0,69 ebenfalls signifikant verbessert (
p = 0,03).
Mit der RAPIDO- und der PRODIGE-23-Studie liegen nunmehr also zwei aktuelle randomisierte Phase-III-Studien zum Konzept der intensivierten neoadjuvanten Therapie/TNT vor [
5‐
7]. Beide Studien verwendeten als Kontrollarm eine neoadjuvante fluorouracilbasierte RCT (mit oder ohne adjuvante Chemotherapie), wie sie auch in Deutschland genutzter und leitlinienbasierter bisheriger Standard ist. Beide Studien haben trotz der Verschiedenheit ihrer Designs jeweils den primären Endpunkt erreicht und zeigen eine signifikante und klinisch relevante Verbesserung des krankheitsfreien Überlebens. Übereinstimmend zeigen beide Studien auch, dass sich durch TNT beim fortgeschrittenen Rektumkarzinom eine gegenüber der Standard-RCT mehr als verdoppelte pCR-Rate erreichen lässt.
Fazit
Auf Grundlage dieser Studien legt daher ein konsentiertes Statement der ACO, AIO und ARO nahe, dass die TNT als präferierte neue Therapieoption bei Patienten mit einem lokal weit fortgeschrittenen Rektumkarzinom gelten kann, wobei die RT entweder als RCT oder als Kurzzeit-RT erfolgen kann [
8]. Zur Frage der optimalen Sequenz der TNT lieferten die amerikanische OPRA-Studie [
9] und die CAO/ARO/AIO-12 [
3] Hinweise, dass die Sequenz RCT/CT der umgekehrten Reihenfolge insbesondere hinsichtlich der lokalen Wirksamkeit überlegen ist.
Die kürzlich gestartete ACO/ARO/AIO-18.1-Studie (ClinicalTrials.gov Identifier: NCT04246684) soll nun klären, ob die TNT mit 5 × 5 Gy gefolgt von CAPOX/FOLFOX gemäß der RAPIDO-Studie oder die TNT mit optimierter RCT gefolgt von CAPOX/FOLFOX analog OPRA bzw. CAO/ARO/AIO-12 den primären Endpunkt Organerhalt ohne TME günstiger beeinflusst.
Simon Kirste, Emmanouil Fokas und Claus Rödel,
Freiburg und Frankfurt/M.
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