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Viszeral- und Allgemeinchirurgie
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Publiziert am: 11.04.2023

Prinzipien der Chirurgie bei M. Crohn mit Dünndarmbefall

Verfasst von: Benjamin Weixler
Beim Morbus Crohn sollen Darmresektionen so sparsam wie möglich durchgeführt werden. Der makroskopisch entzündungsfreie Abstand zur Resektionsgrenze sollte 2 cm betragen. Neueste Daten lassen darauf schließen, dass dem mesenterialen Fettgewebe eine Rolle bei der Unterhaltung der Entzündungsreaktion zukommt, doch scheinen mikroskopische Crohn-Läsionen für das Ausmaß der Resektion nicht von Bedeutung zu sein. Wiederholte ausgedehnte Dünndarmresektionen können zu einem Kurzdarmsyndrom führen, weswegen darmsparende Strikturoplastiken gegenüber Resektionen möglichst zu bevorzugen sind. Bei Anastomosen in makroskopisch entzündetem Gebiet ist aufgrund der Insuffizienzgefährdung ein doppelläufiges Schutzstoma kritisch zu erwägen. Intraoperativ sollte stets der ganze Darm durchgemustert werden, v. a. auch bei der Resektion von Konglomerattumoren. Hier muss vor Festlegung der definitiven Resektionsgrenzen der gesamte Darm voneinander separiert werden, um zu vermeiden, dass zu lange Darmsegmente reseziert werden.

Grundlagen

Die Behandlung des Morbus Crohn ist heutzutage eine Domäne der Gastroenterologie. Patienten, die an einem Morbus Crohn erkrankt sind, haben aber trotz der großen medikamentösen Fortschritte der letzten Jahre ein Risiko von 50–80 %, sich im Verlaufe ihres Lebens einer chirurgischen Therapie unterziehen zu müssen (Wong et al. 2019). Dies ist dann der Fall, wenn Komplikationen der Erkrankung auftreten, die medikamentös nicht mehr zu beherrschen sind. Für diese Patienten ist es von zentraler Bedeutung, solche operationspflichtigen Indikationen möglichst zeitnah zu erkennen und eine Verschlechterung der Lebensqualität zu verhindern. Aus diesem Grund ist die Interdisziplinarität bei der Behandlung des M. Crohn unabdingbar.

Chirurgisch relevante Anatomie

Der zwischen dem Treitzschen Ligament und de Bauhinschen Klappe gelegene Dünndarm besitzt eine Länge von gut drei Metern, von der 40 % auf das Jejunum und 60 % auf das Ileum entfallen. Der Mesenterialansatz des Dünndarms mit seinen versorgenden Gefäßen zieht vom linken Oberbauch Richtung rechter Unterbauch. Die arterielle Gefäßversorgung kommt gänzlich aus der A. mesenterica superior. Diese teilt sich in Arkaden auf. Es empfiehlt sich, diese Arkaden bei der Dünndarmsegmentresektion unter Diaphanoskopie darzustellen, um so die lokale Blutversorgung zu identifizieren. Der venöse Abfluss erfolgt über die V. mesenterica superior.

Präoperative Diagnostik

Hinsichtlich der präoperativen Diagnostik sollte je nach Situation ein aktuelles CT oder MRT-Sellink vorliegen. Der Dünndarm lässt sich im Vergleich zum Kolon in der Regel intraoperativ gut beurteilen (creeping fat, Wandverdickung, Stenosen)

Indikationsstellung

Beim Morbus Crohn mit Dünndarmbefall stellen Strikturen und Stenosen die häufigsten Operationsindikationen dar, gefolgt von Fisteln und Abszessen, Perforationen, Blutungen sowie sich aus der Krankheit entwickelnden intraepithelialen Neoplasien oder Karzinomen, wobei diese im Vergleich zum Kolon selten sind. Die Indikationen zur operativen Therapie des Morbus Crohn mit Dünndarmbefall sind:
  • ein akuter Krankheitsschub mit Ausbildung von Fisteln, Abszessen oder Perforationen,
  • relevante (symptomatische) Stenosen,
  • malignitätssuspekte Stenosen.
Ein weiterer wichtiger Faktor bei der Indikationsstellung zur Operation ist der Ernährungszustand der Patienten. Die oft schwer katabol Betroffenen sollten präoperativ unter Ausnutzung aller Möglichkeiten enteral und parenteral vorbereitet werden. Sind bei schwer katabolen Patienten Notfalleingriffe notwendig, so sollten insuffizienzgefährdete Anastomosen durch ein vorgeschaltetes Stoma geschützt oder Diskontinuitätsresektionen durchgeführt werden. Eine „OP-Vermeidung“ stellt kein Ziel in der Behandlung von Patienten mit Morbus Crohn dar und eine solche therapeutische Betrachtungsweise ist als obsolet anzusehen. Oberstes Ziel ist immer die Verbesserung der Lebensqualität der Patienten.
Im speziellen Fall eines aktiven Morbus Crohn im Dünndarm mit Ausbildung eines intraabdominellen Abszesses sollte eine antibiotische Therapie eingeleitet werden und eine perkutane oder chirurgische Drainage erfolgen und verzögert, nach Optimierung der Risikofaktoren für postoperative Komplikationen, frühzeitig die elektive Operation erfolgen.
Wichtig
  • Die Sepsis, ein schlechter Ernährungszustand und eine laufende immunsuppressive Therapie begünstigen postoperative Komplikationen und sollen nach Möglichkeit präoperativ adressiert werden.

Prinzipien und Techniken der Crohn-Chirurgie

Eines der wichtigsten Prinzipien in der Crohn-Chirurgie ist es, so darmsparend wie möglich, in makroskopisch nicht entzündetem Gewebe zu resezieren, wobei ein makroskopisch entzündungsfreier Abstand zur Resektionsgrenze von 2cm akzeptiert wird (Gionchetti et al. 2017). In der histologischen Aufarbeitung beschriebene mikroskopische Crohn-Läsionen am Schnittrand haben für die durchgeführte Resektion keine weitere Bedeutung. Eines der wichtigsten Prinzipien in der Crohn-Chirurgie ist, dass unnötiger Darmverlust und ein eventuell damit verbundenes Kurzdarmsyndrom verhindert werden. Aus diesem Grund ist den darmsparenden Strikturoplastiken (Heinecke-Mikulicz, Finney, Michelassi) der Vorzug zu geben. Lässt es sich nicht vermeiden, dass Anastomosen in makroskopisch entzündetem Gebiet zu liegen kommen, dann soll aufgrund der dann vorliegenden Insuffizienzgefährdung ein doppelläufiges Schutzstoma angelegt werden. Intraoperativ ist stets der ganze Darm auf weitere Crohn-Läsionen durchzumustern und die Anzahl, die Lokalisation und die Merkmale der Dünndarmläsionen festzuhalten und die Behandlung auf der Grundlage der Merkmale jeder einzelnen Läsion „pro Segment“ anzupassen (3). Dies trifft insbesondere auch bei der Resektion von Konglomerattumoren zu. Hier muss vor Festlegung der definitiven Resektionsgrenzen der gesamte Darm voneinander separiert werden, um zu vermeiden, dass zu lange Dünndarmteilstücke reseziert werden. Beim Morbus Crohn des Duodenums kommen die Strikturoplastik und der Roux-Y-Bypass zum Einsatz. Strikturen ab dem Pars descendens des Duodenums werden am besten mit einer Strikturoplastik behandelt. Die Resektion am Duodenum oder die Pankreatoduodenektomie kommen nur als letztes Mittel in Betracht.
Wichtig
  • Es soll stets so darmsparend wie möglich reseziert werden.
  • Bei Dünndarmstenosen ist den Strikturoplastiken der Vorzug zu geben.
  • Liegt die Anastomose in entzündetem Gebiet, soll ein Schutzstoma vorgeschaltet werden.

Strikturoplastiken

Die bevorzugte Behandlung multipler fibrotischer Strikturen des Dünndarms, sofern technisch machbar, sind Strikturoplastiken. Allgemein wird die Komplikationsrate von Strikturoplastiken in der Literatur mit 5–20 % als tief angegeben (keine Mortalität) (Yamamoto et al. 2007). Für die Behandlung von stenotischen Segmenten bis zu 10 cm ist die Strikturoplastik nach Heineke-Mikulicz die Technik der Wahl (Abb. 1). Demgegenüber wurde gezeigt, dass die Strikturoplastik nach Finney eine höhere Rezidivrate aufweist, welche am ehesten durch die Bildung eines großen lateralen Divertikulums mit Stuhlstase und konsekutiver bakterieller Überbesiedlung bedingt ist. Die isoperistaltische Seit-zu-Seit-Striktururoplastik (auch als Michelassi-Strikturoplastik bekannt) ist die bevorzugte Technik zur Behandlung langer stenotischer Segmente oder multipler Strikturen (Abb. 2). Die häufigsten Komplikationen nach Strikturoplastik sind Dünndarmobstruktionen (2,6 %), intraabdominale septische Komplikationen und Nahtleckagen (4,2 %) sowie intraluminale und intraabdominale Blutungen (3,2 %) mit einer kumulativen Reoperationsrate von 2,8 %. Als Hauptrisikofaktoren für postoperative Komplikationen gelten ein schlechter Ernährungszustand, eine Hypoalbuminämie, außerplanmäßige Operationen, eine Peritonitis, intraabdominale septische Komplikationen mit Peritonealkontamination, eine Anämie und fortgeschrittenes Alter. Die Anzahl, Stelle oder Länge der Strikturoplastiken stellen keine signifikanten Risikofaktoren für postoperative Komplikationen dar. Es werden bei den Strikturoplastiken Rezidivraten von 25 % bis 70 % beschrieben.

Anastomosen

Für Darmresektionen in der Crohn-Chirurgie gilt, dass Anastomosen entweder als End-zu-End oder Seit-zu-Seit-Naht durchgeführt werden. Hierbei sind die Handnaht und die Klammernaht als gleichwertig anzusehen. Statistisch zeigt sich ein Trend zu weniger Crohn-bedingten Anastomosenstenosen, wenn diese Seit-zu-Seit angelegt werden (Guo et al. 2013). Dies ist möglicherweise durch die bei der Seit-zu-Seit-Anastomose erreichte größere Lumenweite bedingt. Dass der Durchmesser der Anastomose eine entscheidende Rolle spielen könnte, zeigen auch die Ergebnisse aus der japanischen Gruppe um Kono et al (2016). Bei der sogenannten Kono-S-Anastomose wird eine deutlich größere Lumenweite geschaffen als bei den konventionellen End-zu-End und Seit-zu-Seit Anastomosen. Des Weiteren scheint hier auch die spezielle Klammer- und Handnaht des Mesenteriums, im Sinne einer dorsalen Stütze als Schutz vor einer aus dem Mesenterium vordringenden Rezidivstenose, wichtig zu sein. Die Crohn-bedingte Anastomosenstenose wird bei der Kono-S-Anastomose mit 1.7 % nach zehn Jahren angegeben. Dies im Vergleich zu einem chirurgisch zu behandelnden Rezidiv von über 50 % nach zehn Jahren, bei konventionellen Anastomosen (Yamamoto und Watanabe 2014; Fichera und Michelassi 2007; Buisson et al. 2012). Die Kono-S-Anastomose wurde bisher hauptsächlich für Ileozökalresektionen untersucht. Aufgrund der guten Ergebnisse wie auch der vergleichbaren Rate an Anastomosenrezidiven wird sie in der eigenen Klinik auch zur Anastomosierung nach Dünndarmsegmentresektionen bei Crohn-Befall durchgeführt. Die Segmentresektion beim Morbus Crohn entspricht der gängigen Technik der Dünndarmsegmentresektion bei der nach Festlegen der Resektionsebenen das Mesenterium skelettiert wird. Es empfiehlt sich, bei verdicktem Mesenterium zentral Durchstechungsligaturen anzubringen. Die gleichzeitige mehrfache Darmresektion stellt keinen signifikanten Risikofaktor für postoperative Komplikationen dar.

Laparoskopie vs. offene Chirurgie

In der Crohn-Chirurgie sind grundsätzlich fast alle Operationen laparoskopisch durchführbar. Hinsichtlich der Rezidivrate gibt es zwischen laparoskopischen und offenen Eigriffen keinen Unterschied, wobei sich die meisten Daten auf die Ileozökalresektion beziehen (Maartense et al. 2006; Eshuis et al. 2008; Milsom et al. 2001). Rezidivoperationen werden an hochspezialisierten Zentren auch laparoskopisch durchgeführt. Es gilt zu beachten, dass bei Vorliegen eines großen Konglomerattumors oder retroperitoneal endender Fisteln nicht laparoskopisch operiert werden sollte. Des Weiteren soll bei mangelnder Übersicht, einem sehr stark verdickten Mesenterium und in Notfallsituationen offen operiert werden.
Wichtig
  • Bis zu 50 % der Patienten erleiden im Verlauf von 20 Jahren ein Rezidiv an einer Anastomose.
  • Strikturoplastiken weisen ebenfalls hohe Rezidivraten auf (25–70 %).
  • Einem laparoskopischen Vorgehen ist der Vorzug zu geben.

Intra- und postoperative Komplikationen

Spezifische intraoperative Komplikationen sind selten. Im postoperativen Verlauf kann eine Nahtinsuffizienz auftreten. Hinweise hierauf stellen neu auftretende Bauchschmerzen, eine Erhöhung der Infektparamater und Fieber sowie ggf. eine Änderung der Drainagequalität dar. Bei dem Verdacht auf eine Anastomoseninsuffizienz sollte stets eine weiterführende Diagnostik wie die Sonographie oder Computertomographie erwogen werden. Bei bestätigter Insuffizienz sollte eine Relaparotomie/Relaparoskopie und Resektion der Anastomose durchgeführt werden. Liegt bereits eine schwere Peritonitis vor, sollte eine Diskontinuitätsresektion erwogen werden. Ist keine oder eine minimale lokale Entzündung vorhanden, so kann in ausgewählten Fällen eine Reanastomosierung unter protektiver Stomaanlage erfolgen. Eine Relaparotomie/Relaparoskopie kann auch zum Ausschluss/Bestätigung einer Insuffizienz als diagnostische Maßnahme erwogen werden.
Wichtig

Postoperatives Management

Symptomatische Crohn-Rezidive treten postoperativ bei ca. 35 % der Patienten nach fünf Jahren und bei 50 % nach zehn Jahren auf. Die Hälfte dieser Patienten braucht aufgrund der Rezidivstenose eine Reoperation. Faktoren, die mit einem höheren Rezidivrisiko assoziiert sind, sind
  • jüngeres Alter bei Krankheitsbeginn,
  • ileozökale Manifestation,
  • bestehender Nikotinabusus,
  • eine vorangegangene Operation,
  • das Vorliegen von Fisteln und Abszessen (Buisson et al. 2012).
In der postoperativen Betreuung soll eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit dem Gastroenterologen erfolgen, um festzulegen, ob eine medikamentöse Rezidivprophylaxe durchzuführen ist.
Wichtig
  • Eine postoperative Rezidivprophylaxe soll stets in Zusammenarbeit mit den Gastroenterologen evaluiert werden.
Literatur
Buisson A et al (2012) Review article: the natural history of postoperative Crohn’s disease recurrence. Aliment Pharmacol Ther 35(6):625–633CrossRefPubMed
Eshuis EJ et al (2008) Long-term surgical recurrence, morbidity, quality of life, and body image of laparoscopic-assisted vs. open ileocolic resection for Crohn’s disease: a comparative study. Dis Colon Rectum 51(6):858–867CrossRefPubMedPubMedCentral
Fichera A, Michelassi F (2007) Surgical treatment of Crohn’s disease. J Gastrointest Surg 11(6):791–803CrossRefPubMed
Gionchetti P et al (2017) 3rd European evidence-based consensus on the diagnosis and management of Crohn’s Disease 2016: Part 2: surgical management and special situations. J Crohns Colitis 11(2):135–149CrossRefPubMed
Guo Z et al (2013) Comparing outcomes between side-to-side anastomosis and other anastomotic configurations after intestinal resection for patients with Crohn’s disease: a meta-analysis. World J Surg 37(4):893–901CrossRefPubMed
Kono T et al (2016) Kono-S anastomosis for surgical prophylaxis of anastomotic recurrence in Crohn’s disease: an International Multicenter Study. J Gastrointest Surg 20(4):783–790CrossRefPubMed
Maartense S et al (2006) Laparoscopic-assisted versus open ileocolic resection for Crohn’s disease: a randomized trial. Ann Surg 243(2):143–149; discussion 150–3CrossRefPubMedPubMedCentral
Milsom JW et al (2001) Prospective, randomized trial comparing laparoscopic vs. conventional surgery for refractory ileocolic Crohn’s disease. Dis Colon Rectum 44(1):1–8; discussion 8–9CrossRefPubMed
Wong DJ, Roth EM, Feuerstein JD, Poylin VY (2019 Apr) Surgery in the age of biologics. Gastroenterol Rep (Oxf) 7(2):77–90. https://​doi.​org/​10.​1093/​gastro/​goz004CrossRefPubMed
Yamamoto T, Watanabe T (2014) Surgery for luminal Crohn’s disease. World J Gastroenterol 20(1):78–90CrossRefPubMedPubMedCentral
Yamamoto T, Fazio VW, Tekkis PP (2007) Safety and efficacy of strictureplasty for Crohn’s disease: a systematic review and meta-analysis. Dis Colon Rectum 50(11):1968–1986CrossRefPubMed