Psychische Störungen beeinträchtigen die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Sie können sowohl dazu beitragen, dass Entwicklungsschwellen nicht gemeistert werden, wie auch aufgrund des Scheiterns an Entwicklungsschwellen erst ausgelöst werden. Durch
psychische Störungen werden oftmals Entwicklungsschritte verzögert, bisweilen sogar verunmöglicht. Psychische Belastungen zur Zeit des Übertritts auf eine weiterführende Schule können zu einer mangelnden Leistungsfähigkeit eines Kindes führen und damit Chancen auf einen höheren Schulabschluss verunmöglichen. Es ist gut bekannt, dass z. B. Kinder mit Aufmerksamkeitsdefizit/Hyperaktivitätsstörung (
ADHS) schlechtere Schulabschlüsse und niedrigere berufliche Qualifikationen erreichen und damit auch langfristig sozial benachteiligt sein können (Dalsgaard et al.
2015; Copeland et al.
2014). Die Adoleszenz als Zeit der Weichenstellung für die Ausbildungswahl ist biologisch eine individuell sehr variable Zeitspanne. Sehr schwere Störungen wie schizophrene Ersterkrankungen oder
bipolare Störungen und beginnende
Persönlichkeitsstörungen können besonders die Fähigkeit, einen Schulabschluss
zu erreichen und eine Ausbildung zu beginnen, beeinträchtigen. Generell zeigt sich z. B. bei im Jugendalter an Psychosen ersterkrankten Patienten eine ungünstige soziale Prognose, die auch langfristig zu sozialen Problemen und (finanzieller) Abhängigkeit führen kann, auch wenn die Symptomatik sich bessert (O’Keeffe et al.
2019). Weitere beeinträchtigende Störungen sind z. B.
depressive Störungen, Angsterkrankungen bis hin zu
Zwangsstörungen oder auch eine ADHS. Die Symptome bestimmter Erkrankungen beeinträchtigen typischerweise für Ausbildung und Berufsausübung notwendige Kompetenzen. So können mit
depressiven Störungen verbundene soziale Hemmungen und Antriebslosigkeit als Faulheit und Desinteresse missdeutet werden von der Umwelt, oder bei Angsterkrankungen das Vermeidungsverhalten mit evtl. Fernbleiben dazu führen, dass Patienten als uninteressiert oder ungeeignet wahrgenommen werden in der Ausbildung oder im Beruf. Beim Eintritt in das Berufsleben und der Gründung einer eigenen Familie stellen
affektive Störungen und
Angststörungen entscheidende Entwicklungshemmnisse
dar und können zu langfristiger Behinderung und Beeinträchtigung für die Betroffenen und deren Familien führen. Da Angsterkrankungen den stärksten bekannten Prädiktor einer späteren depressiven Erkrankung darstellen mit einem besonders ungünstigen Verlauf und stärkerem Schweregrad (Meier et al.
2015; Beesdo et al.
2007,
2010), gerade im Schwellenalter zur Ausbildungsintegration, egal ob beruflich oder im Studium, erhöht eine solche Störung das Risiko des Scheiterns. Ängste können auch Bestandteil der Symptomatik von anderen Störungen wie Zwangsstörungen,
posttraumatischen Belastungsstörungen, Persönlichkeitsstörungen oder
Essstörungen sein. Alterstypische Entwicklungsschritte wie Abnabelung vom Elternhaus, Beginn der Berufsausbildung oder Berufseintritt fallen depressiven wie ängstlichen jungen Erwachsenen besonders schwer und sind oft aufgrund krankheitsbedingt mangelnder Autonomieentwicklung beeinträchtigt. Da oft bereits aufgrund von depressiven Störungen oder Angststörungen die Erfahrungen von Patienten sind, in der Schule zu scheitern, sind adäquate Schulabschlüsse und das Finden von Ausbildungsmöglichkeiten wesentliche Ziele in der Behandlung. Dies gelingt meist nicht allein durch Therapie, sondern macht in diesem Lebensabschnitt oft komplexe Unterstützung durch weitere Partner wie der Jugendhilfe (SGB VIII) und/oder dem Bereich der Arbeitsagenturen (SGB II/III) und Maßnahmen wie Berufsbildungswerken erforderlich (Kölch et al.
2020).
Externalisierende Störungen wie
ADHS oder
Störungen des Sozialverhaltens bilden per se einen Risikofaktor für die berufliche Integration. Die Prognose einzelner Betroffener insbesondere mit komorbiden
psychischen Störungen wie Depression oder ADHS ist besonders schlecht, sowohl was die
psychische Gesundheit als auch was die soziale Integration angeht. Gut belegt ist, dass die Schwere der
ADHS-Symptomatik sowie ein frühes Auftreten von Symptomen einer Störung des Sozialverhaltens im Grundschulalter sowie niedriger IQ und Lese-Rechtschreib-Probleme das Risiko für eine spätere
antisoziale Persönlichkeitsstörung erhöhen (Simonoff et al.
2004; Werner et al.
2015). Eine Vielzahl an Studien belegt das Risiko für weitere Störungen im Lebensverlauf, wozu auch Suchtstörungen zählen (u. a. Fombonne et al.
2001; Copeland et al.
2014; Alasaarela et al.
2017). Gerade in der Zeit, in der der Schulabschluss oder der Einstieg in eine Ausbildung stattfindet, können sich die typischen störungsimmanenten Symptome
(z. B. Aggressivität, Delinquenz, Regelübertretung, Substanzabusus, Impulsivität etc.) fatal auswirken und zum Abbruch der Schule oder Ausbildung führen. Dadurch wiederum ergeben sich langfristige soziale Auswirkungen, die dann die psychische Gesundheit im späteren Leben ungünstig beeinflussen können. Ein zusätzliches Problem ist, dass junge Erwachsene zudem aufgrund eines – nachvollziehbaren – Wunsches nach Autonomie auch Unterstützungsmaßnahmen wie Hilfen aus dem Bereich der Kinder- und Jugendhilfe abbrechen, ohne die langfristigen negativen Folgen zu antizipieren (Kölch et al.
2019).