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Überempfindlichkeitsreaktion, Typen I-IV

Verfasst von: H. Renz und B. Gierten
Überempfindlichkeitsreaktion, Typen I-IV
Synonym(e)
Hypersensitivitätsreaktion
Englischer Begriff
hypersensitivity
Definition
Abwehrreaktion, die durch Kontakt mit Fremdantigenen ausgelöst wird.
Beschreibung
Die erste Einteilung der Überempfindlichkeitsreaktionen wurde bereits im Jahr 1963 von Coombs und Gell veröffentlicht. Sie teilten die Reaktionen nach zugrunde liegenden pathophysiologischen Vorgängen in 4 Typen ein:
Typ I (IgE-vermittelte Hypersensitivität)
Eine allergische Sofortreaktion wird durch Vernetzung von auf Mastzellen gebundenen IgE-Molekülen durch Allergen ausgelöst. Die Vernetzung initiiert die Degranulation der Mastzellen und damit die Ausschüttung zahlreicher Mediatoren. Präformiert in den Granula vorliegende gefäßaktive Substanzen wie Histamin oder proteolytische Enzyme wie Tryptase, Chymase u. a. lösen innerhalb kurzer Zeit die Frühphase der Reaktion aus, die von leichten klinischen Erscheinungen wie Juckreiz oder Hautrötung bis zur Kreislaufreaktion und Anaphylaxie reichen kann.
Eine Spätphase, deren pathophysiologische Grundlagen noch nicht eindeutig geklärt sind, kann sich innerhalb von 3–8 Stunden (max. bis 24 Stunden) post expositionem entwickeln. Das klinische Bild imponiert als Bronchokonstriktion, die durch Zellinfiltrate, Ödem und zähen Schleim im Bronchuslumen gekennzeichnet ist. Ein anderes Erscheinungsbild ist die indurierte Schwellung der Haut. Die Symptome werden wahrscheinlich durch Effekte der nach Allergenkontakt synthetisierten Zytokine (IL-4, IL-5 und Interleukin-6) und Eicosanoide (Prostaglandin D2, Leukotrien D4) und nachfolgender Aktivierung von Entzündungszellen ausgelöst.
IgE-vermittelte Hypersensitivitätsreaktionen sind z. B. für Krankheitsbilder wie Atopie (Asthma, Ekzem, Heuschnupfen), einige Formen der Medikamenten- und Insektengiftallergie belegt.
Typ II (Antikörper-vermittelte zytotoxische Hypersensitivität)
Diese Form der Abwehrreaktion setzt die Synthese spezifischer Antikörper vom Typ Immunglobulin G oder Immunglobulin M bei Erstkontakt mit dem membrangebundenen Fremdantigen voraus (Opsonisierung). Durch Bindung dieser IgG oder IgM an das Fremdantigen wird der klassische Weg des Komplementsystems aktiviert, der zur Lyse antikörperbeladener Zellen (z. B. Erythrozyten) führt. Opsonisierte Zellen können jedoch auch phagozytierende Zellen anlocken, die mit ihren Fc-Rezeptoren an die freien Fc-Teile der Antikörper oder bereits gebundenem Komplement (C3b oder C4b) binden und über Freisetzung der in Lysosomen gespeicherten Enzyme die Lyse der Zielzelle bewirken. Als auslösende Antigene wirken hier nicht nur Fremdantigene, sondern bei gestörter Immuntoleranz können auch körpereigene Antigene als fremd erkannt werden (Autoimmunerkrankungen). Diese Hypersensitivitätsreaktion läuft in einem Zeitraum von 3–8 Stunden ab. Zu den klinischen Manifestationen gehören Autoimmunerkrankungen wie autoimmunhämolytische Anämie, Goodpasture-Syndrom, Myasthenia gravis. Sie tritt aber auch nach der Zweittransfusion blutgruppenfremder Konserven auf (Rhesusunverträglichkeit).
Typ III (Immunkomplex-vermittelte Hypersensitivität)
Lösliche Immunkomplexe, deren Menge die Phagozytosekapazität der Makrophagen in Leber und Milz überschreitet, durchdringen die Endothelzellschicht kleiner Gefäße und werden in der Gefäßwand deponiert. Sie aktivieren dort den klassischen Weg des Komplementsystems. Die entstehenden Komplementkomponenten selbst und die nach Einstrom von Neutrophilen entstehende massive Entzündungsreaktion (Arthus-Reaktion) resultieren in der Lyse umgebender Zellen. Die Zelllyse tritt innerhalb von 2–8 Stunden ein. Korrespondierende klinische Bilder sind Panarteriitis nodosa, Post-Streptokokken-Glomerulonephritis, systemischer Lupus erythematodes.
Typ IV (Zell-vermittelte Hypersensitivität)
Antigenpräsentierende Zellen (z. B. Langerhans-Zellen in der Haut) internalisieren Fremdantigene und präsentieren sie nach proteolytischem Abbau als Peptide an MHC-Moleküle oder an CD1 gebunden auf ihrer Zelloberfläche. Antigene, die von den APC (Antigenpräsentierende Zellen) auf MHC-I-Molekülen an der Zelloberfläche präsentiert werden, können von CD8-positiven Effektor-T-Zellen erkannt werden und zu einer Zell-vermittelten Hypersensitivität führen. Die T-Zellen werden durch zusätzlich von den APC freigesetzte kostimulatorische Stoffe zu einer Th1- oder Th2-Immunantwort zur Freisetzung der entsprechenden Zytokinmuster (IFN-γ, IL-2, bzw. IL-4, IL-5 und IL-13) aktiviert. Typ-IV-Reaktionen treten bei bestimmten Formen der Medikamentenallergie, Kontaktdermatitis, chronischer Transplantatabstoßungsreaktion oder verschiedenen Infektionserkrankungen wie Schistosomiasis, Tuberkulose oder Lepra auf.
Literatur
Gell PGH, Coombs RRA (1963) The classification of allergic reactions underlying disease. In: Coombs RRA, Gell PGH (Hrsg) Clinical aspects of immunology. Blackwell Science, London
Rajan TV (2003) The Gell–Coombs classification of hypersensitivity reactions: a re-interpretation. Trends Immunol 24:376–379CrossRefPubMed