Skip to main content

Gerinnungsstörungen bei Tumorpatienten

Verfasst von: Hanno Riess
Gerinnungsstörungen bei Tumorpatienten sind häufig und beeinflussen Lebensqualität, Morbidität und Mortalität negativ. Das Thromboembolierisiko im venösen, aber auch im arteriellen Gefäßgebiet ist deutlich erhöht. Andererseits ist durch die Tumorerkrankung – wenn auch klinisch weniger im Vordergrund stehend – gleichfalls das Blutungsrisiko primär und durch Behandlung mit Antithrombotika und Chemotherapeutika sekundär gesteigert. Bei der disseminierten intravasalen Gerinnung einer den Krankheitsverlauf komplizierenden schweren Hämostasestörung bei Tumorpatienten bestehen oft prothrombotisch und prohämorrhagische Komplikationen gleichzeitig nebeneinander bei einem Patienten. In diesem Kapitel werden die pathophysiologischen Zusammenhänge mit ihren klinischen Konsequenzen erläutert und die evidenzbasierten Möglichkeiten der differenzierenden Prophylaxe und Therapie ebenso wie die in vielen Bereichen erfahrungsmedizinischen Empfehlungen dargelegt.

Einleitung

Bei Malignompatienten treten im Vergleich zu Nichttumorpatienten deutlich vermehrt Thrombosen im venösen und arteriellen Gefäßgebiet auf, andererseits können Tumorerkrankungen auch mit Blutungskomplikationen vergesellschaftet sein (Levi et al. 2012; Levitan et al. 1999; Chew et al. 2006).
Die zugrunde liegenden Gerinnungsstörungen sind komplex und unterscheiden sich von Tumorentität zu Tumorentität, nicht nur zwischen Patienten mit soliden Tumoren und solchen mit hämatologischen Neoplasien (Abb. 1). Dabei ist die Ausprägung der Gerinnungsstörung wesentlich vom Stadium der Tumorerkrankung abhängig. Tumorspezifische Therapien, aber auch supportive Therapiemaßnahmen, die primär nicht mit der Hämostase interagieren, können die tumorassoziierten Gerinnungsstörungen modifizieren (Fernandes et al. 2019). Zusätzlich liegen bei Krebspatienten oft allgemeine Risikofaktoren vor, wie fortgeschritteneres Alter sowie eine eingeschränkte Mobilität und erhöhte Sturzneigung bei reduziertem Allgemeinzustand.
Es ist von einer komplexen Interaktion auszugehen, bei der maligne Erkrankungen das Hämostasesystem modulieren, Veränderung des Hämostasesystems aber auch die Tumorprogredienz und Metastasierung beeinflussen (Abb. 2) (Falanga et al. 2017).
Trousseau-Syndrom
Der Zusammenhang zwischen Tumorerkrankung und venöser Thromboembolie (VTE) ist als Trousseau-Syndrom seit Mitte des 19. Jahrhunderts bekannt (Trousseau 1865).
Thromboembolische Komplikationen sind häufig und nach der Tumorprogredienz die zweithäufigste zum Tod führende Komplikation bei Tumorpatienten, sowohl bei Patienten mit soliden Tumoren als auch solchen mit hämatologischen Neoplasien (Khorana et al. 2007; Levi et al. 2012; Falanga et al. 2017). Kausal tumorvermittelte Blutungskomplikationen sind im klinischen Alltag deutlich seltener als thromboembolische Komplikationen.
Die Behandlung von Tumorpatienten mit Hämostasestörungen unterscheidet sich in wesentlichen Punkten von dem Vorgehen bei Nichttumorpatienten. Die frühzeitige Identifizierung von Patienten mit einem erhöhten Risiko für thromboembolische oder hämorrhagische Komplikationen gelingt nur unzureichend, da einfache, klinisch anwendbare Methoden einer zuverlässigen Risikokategorisierung mit der evidenzbasierten Konsequenz der primären Prophylaxe bisher nur für kleine Patientengruppen etabliert werden konnten.
Betrachtet man die klassischen, allgemein zur Verfügung stehenden Gerinnungsteste, so findet man bei Tumorpatienten Abweichungen außerhalb des Referenzbereichs in dem einen oder anderen Test häufig, ohne dass bei den entsprechenden Patienten eine Thromboembolie oder Blutung vorliegt oder zeitnah wahrscheinlich ist.
Am häufigsten findet man dabei erhöhte Werte für Umsatzprodukte der Fibrinbildung und Fibrinolyse wie des D-Dimer-Wertes. Dessen Veränderung im Verlauf einer Tumorerkrankung geht mit dieser meist parallel und kann somit als „Tumorverlaufsmarker“ verwendet werden.

Tumor und Thrombose

Pathogenese

Der einer tumorassoziierten Thromboembolie zugrunde liegende Pathomechanismus ist multifaktoriell (Abb. 1, 3), noch unzureichend verstanden (Fernandes et al. 2019; Falanga et al. 2017; Razak et al. 2018) und lässt sich durch die Virchow-Trias ordnen (Abb. 3). So können Gefäßkompressionen mit Blutflussverzögerungen durch externes oder infiltrierendes Tumorgewebe auftreten. Es werden eine Reihe von Mechanismen der Hämostaseaktivierung (Tab. 1, Abb. 2) mit hoher Variabilität bei unterschiedlichen Krebserkrankungen unterschieden. Die vermehrte Verfügbarkeit von Tissue Factor (TF, Gewebsthromboplastin) auf Tumor und Wirtzellen spielt dabei eine zentrale Rolle (Rickles und Brenner 2008; Zwicker et al. 2009):
  • Die TF-Expression und Freisetzung von Mediatoren wie Thrombin oder „cancer procoagulant“ durch die Tumorzelle können die Fibrinbildung induzieren.
  • Die Verfügbarkeit von Podoplanin an der Zelloberfläche sowie die ADP-Freisetzung kann Thrombozyten aktivieren.
  • Die Fibrinolyse wird durch freigesetzten Plasminogen-Aktivator-Inhibitor 1 (PAI-1) gehemmt.
  • Zirkulierende Mikropartikel, freigesetzt von Tumorzellen und auch – nach Freisetzung inflammatorischer Zytokine durch Tumorzellen und Immunreaktionen – aktivierten Blutplättchen, Leukozyten und Endothelzellen, enthalten prothrombotische und proangiogene Faktoren mit akzelerierender Bedeutung für die Gerinnungsaktivierung.
  • Sekundäre Veränderungen wie die Neutrophilenaktivierung mit der konsekutiven Bildung von Neutrophil Extracellular Traps (NETs) tragen zur weiteren Plättchenaktivierung und Thrombusbildung bei (Falanga et al. 2017; Razak et al. 2018).
Bezüglich der zugrunde liegenden Krebserkrankungen ist sowohl die Tumorart als auch das Stadium bedeutsam. So besitzen Patienten mit metastasiertem Tumor ein deutlich höheres Risiko als Patienten mit lokal limitierter Erkrankung (Tab. 2) (Razak et al. 2018; Wun und White 2009).
Tab. 1
Mechanismen (Auswahl) der Hämostasealterationen bei Tumorerkrankungen
Genese
Prothrombogen
Prohämorrhagisch
Tumorzellassoziiert
Expression von Gewebethromboplastin (Tissue Factor, TF), Podoplanin, „vascular endothelial growth factor“
Freisetzung von Faktor-X-Aktivator („cancer procoagulant“), ADP, Thrombin, PAI-1, Zytokine, Mikropartikel
Proteasen (z. B. Elastase)
Tumorbedingt
Thrombozytose
Hyperviskosität (Paraprotein)
Erworbenes von-Willebrand-Syndrom
Thrombozytopathie (z. B. Paraprotein)
Faktor-X-Mangel (Leichtketten)
Immunologisch vermittelt
Lupusantikoagulans (Antiphospholipidsyndrom)
Immunthrombozytopenie
Erworbene Hemmkörper (gegen Faktor VIII)
Wirtvermittelt
Thrombozytose, Hyperfibrinogenämie, Mikropartikel (aus Thrombozyten, Leukozyten, Endothel)
TF-Expression (auf Monozyten, Endothel), Neutrophil Extracellular Traps
 
Therapieassoziiert
Zentralvenöse Katheter
Antithrombinmangel (Asparaginase)
Angiogenesehemmung (z. B. Bevacizumab)
Fibrinogenmangel (Asparaginase)
Niereninsuffizienz (z. B. nach Cisplatin, Gemcitabin), Leberinsuffizienz
Angiogenesehemmung (z. B. Bevacizumab)
ADP, Adenosindiphosphat; PAI-1, Plasminogen-Aktivator-Inhibitor-1
Tab. 2
Malignomspezifisches VTE-Risiko und CAT-Häufigkeit in Abhängigkeit vom Tumortyp und -stadium. (Modifiziert nach Wun und White 2009 und Cohen et al. 2017).
VTE Inzidenz im 1. Jahr nach Tumordiagnose pro 100 Patienten
Tumortyp bei Patienten mit erster CAT
(n = 6592)
 
Lokal
Regional
Metastasiert
 
Pankreas
4,3
5,3
19,7
3,9
Magen
2,7
3,9
12,9
3,6
Niere
1,2
3,9
8,0
 
Blase
0,7
2,7
7,6
4,8
Uterus
0,9
1,6
6,2
4,2
Lunge
1.1
2,3
5,2
13,9
Kolon/Rektum
0,9
2,3
4,6
12,5
0,2
1,0
4,6
 
Ovarien
0,6
2,1
3,8
9,5
Lymphom
2,0
3,5
2,9
 
Brust
0,6
1,0
2,8
15,1
Prostata
   
17,5
Das Risiko von Patienten mit Pankreas- oder Magenkarzinomen ist deutlich höher als das Risiko von Frauen mit Brust- oder Männern mit Prostatakrebs, die dennoch aufgrund der deutlich höheren Krankheitsinzidenzen zahlenmäßig im klinischen Alltag mit die häufigsten Krebserkrankungen mit tumorassoziierter VTE (= „cancer-associated thromboembolism“, CAT) darstellen (Cohen et al. 2017).
Das Risiko, eine CAT zu erleiden, ist am höchsten in den ersten Wochen nach Diagnose der Tumorerkrankung und im Zusammenhang mit Einleitung einer spezifischen Therapie (Razak et al. 2018). Innerhalb der verschiedenen Tumorentitäten ist die thrombophile Diathese abhängig
  • vom histologischen Subtyp (Adenokarzinom der Lunge > Plattenepithelkarzinom der Lunge),
  • aber auch vom Tumorgrading (Pankreaskarzinom G3 > G1) (Fernandes et al. 2019; Razak et al. 2018).
Im Bereich der hämatologischen Krebserkrankungen spielen darüber hinaus direkte blutflussverändernde Faktoren im Rahmen einer Leuko-, Erythro- oder Thrombozytose sowie bei Paraproteinämien eine bedeutsame Rolle.
Die nahezu regelhafte Verwendung intravasaler Verweilkatheter (ZVK, Port-a-cath) erhöht das Thromboembolie- und Infektionsrisiko, letzteres wirkt seinerseits prothrombogen.
Darüber hinaus wurde in den zurückliegenden Jahren deutlich, dass bestimmte Therapien, insbesondere solche
  • mit antiangiogener Komponente wie Bevacizumab und Lenalidomid,
  • aber auch klassische Zytostatika wie Cisplatin
prothrombogene Auswirkungen haben (Razak et al. 2018).
Supportive Therapiemaßnahmen wie der Einsatz von Wachstumsfaktoren (Erythropoetin- oder Thrombopoetin-Analoga, Granulozyten-Kolonie-stimulierende Faktoren) erhöhen ebenso wie die parenterale Ernährung, Bluttransfusion und die Gabe von Steroiden das Thromboembolierisiko (Abb. 1).
Die tumorzell- und wirtassoziierten Faktoren der Gerinnungsaktivierung spielen auch eine wichtige Rolle bei Tumorprogression und Tumormetastasierung (Fernandes et al. 2019; Falanga et al. 2017; Razak et al. 2018; Rondon et al. 2019):
  • Unter anderem dadurch, dass aus Mikropartikeln und aktivierten Blutzellen (Thrombozyten, Monozyten und anderen) Wachstumsfaktoren freigesetzt werden, die das Tumorwachstum fördern.
  • Aber auch dadurch, dass Mikrothromben die ins Blut übergetretenen Tumorzellen umgeben und so die Erkennung der malignen Zellen in der Blutbahn durch die körpereigene immunologische Abwehr verhindern können.
  • Auch die „Entzündungsreaktion“ z. B. im Zusammenhang mit der immunologischen Auseinandersetzung des Körpers mit dem Tumor kann einerseits zu prothrombogenen Hämostaseveränderungen führen (Abb. 2), andererseits Stimulus für die tumorassoziierte Angiogenese sein.
Die Pathogenese prohämorrhagischer Hämostaseveränderungen jenseits malignomassoziierter Thrombozytopenien und -pathien ist weit weniger verstanden.

Thromboembolien im venösen Gefäßsystem

Der Begriff venöse Thromboembolie VTE umfasst akute tiefe Venenthrombosen (TVT) einschließlich der katheterinduzierten Thrombosen und Lungenembolien (LE); die oberflächliche, epifasziale venöse Thrombophlebitis (OVT) ist dabei üblicherweise ausgeschlossen.
Venöse Thromboembolie (VTE)
Die Inzidenz klinisch diagnostizierter VTE-Ereignisse liegt bei Tumorpatienten insgesamt 4 bis 7-fach höher als bei Nichttumorpatienten (Levitan et al. 1999; Chew et al. 2006; Timp et al. 2013). Sie ist zunehmend, da der Risikofaktor Alter sowohl für die Entwicklung von Tumorerkrankungen als auch für das Auftreten von VTE wesentlich ist. Darüber hinaus haben sich die überwiegend palliativen Behandlungsmöglichkeiten für Tumorpatienten zunehmend verbessert, sodass die Zeit mit erhöhtem Thromboembolierisiko zunimmt.
Vereinfachend kann man davon ausgehen, dass etwa jeder fünfte Tumorpatient im Verlauf seiner Tumorerkrankung eine VTE erleiden wird und dass umgekehrt etwa jeder fünfte VTE-Patient ein Tumorpatient ist, wobei entweder die Tumorerkrankung vorbekannt ist oder anlässlich der VTE, seltener auch erst im Verlauf der folgenden Monate (Occult Cancer), diagnostiziert wird.
Im Rahmen von Staging und Screeninguntersuchungen werden asymptomatische (inzidentelle) VTE insbesondere Lungenembolien im Staging-CT diagnostiziert, deren Behandlungsempfehlungen sich an denen symptomatischer VTE-Ereignisse orientiert (Kraaijpoe et al. 2019).
Oberflächliche Venenthrombose (OVT)
Auch spontan auftretende OVT sind bei Tumorpatienten häufiger als bei Nichttumorpatienten und ähnlich häufig wie VTE (Decousus et al. 2010). Sie manifestieren sich bevorzugt an den unteren Extremitäten und stellen einen Risikofaktor für TVT und LE dar, dabei kann die oberflächliche Thrombophlebitis im zeitlichen Verlauf an wechselnden Lokalisationen auftreten (Thrombophlebitis migrans oder saltans = Trousseau-Zeichen). Sekundäre Thrombophlebitiden treten bevorzugt bei varikös veränderten Gefäßen der unteren Extremität und im Bereich der oberen Extremität nach Venenverweilkanülen oder nach intravenöser Applikation venenwandreizender Medikamente auf.

Prophylaxe von venösen Thromboembolien bei Tumorpatienten

Die grundsätzliche Wirksamkeit der medikamentösen VTE-Prophylaxe mit Antikoagulanzien bei Tumorpatienten ist gut belegt und wird für eine Reihe von klinischen Situationen empfohlen (Encke et al. 2015).
Eine Reihe prospektiv randomisierter Studien („randomized controlled trial“, RCT) zur peri-/postoperativen VTE-Prophylaxe bei Tumorpatienten belegen die Wirksamkeit von niedermolekularem Heparin (NMH) oder Fondaparinux (FPX) und führen zur Leitlinienempfehlung einer Prolongation der postoperativen Prophylaxe von 7–14 Tagen für Nichttumorpatienten auf 4–5 Wochen nach größeren malignomchirurgischen Abdominal- oder Beckeneingriffen (Encke et al. 2015; Riess et al. 2020; Lyman et al. 2021).
Da RCT speziell mit Tumorpatienten im stationären, konservativen Bereich fehlen, aber im Rahmen von Studien bei nicht-chirurgischen akut erkrankten stationären Patienten auch Krebspatienten in geringem Maße (5–15 %) enthalten waren, wird in Übertragung des Gesamtergebnisses auf die einzelnen Subgruppen der Patientenkollektive auch bei Tumorpatienten die medikamentöse VTE-Prophylaxe mit NMH oder FPX empfohlen (Encke et al. 2015; Riess et al. 2020; Lyman et al. 2021). Ob dies auch gehfähige, quasi „ambulante“ Patienten betrifft, deren stationärer Aufenthalt in der Komplexität der angewendeten Diagnostik oder medikamentösen Therapie begründet ist, wird kontrovers, aber eher zurückhaltend beurteilt.
Für ambulante Malignompatienten mit zusätzlichen Risikofaktoren wird eine medikamentöse VTE-Prophylaxe empfohlen (Encke et al. 2015; Riess et al. 2020; Lyman et al. 2021). Eine Reihe RCT haben den Effekt von NMH bei entitätsspezifischen oder gemischten Malignomkollektiven geprüft. Die Ergebnisse sind widersprüchlich und bei statistisch positivem Wirksamkeitsnachweis meist von „klinisch unzureichendem“ Effekt. Lediglich für zwei Kollektive liegen klare Evidenzen vor. Bei Patienten mit metastasierten Pankreaskarzinomen zeigen zwei RCT mit dosisintensiviertem NMH eine signifikante und klinisch relevante Reduktion der Thromboembolierate ohne Erhöhung des Blutungsrisikos (Maraveyas et al. 2012; Pelzer et al. 2015) – Ergebnisse, die aktuell in der Subgruppenanalyse der CASSINI-Studie (s. unten) bestätigt wurden (Vadhan-Raj et al. 2020).
Auch für Patienten mit multiplem Myelom, die sich einer Induktionschemotherapie – insbesondere mit Kombinationen aus Dexamethason, Anthrazyklinen oder Lenalidomid – unterziehen, wird RCT-basiert eine medikamentöse VTE-Prophylaxe mit NMH – nachrangig auch ASS – empfohlen (Swan et al. 2018; Sanfilippo et al. 2017).
Jenseits dieser Patientengruppen ist eine individuelle Indikationsstellung zur medikamentösen VTE-Prophylaxe im ambulanten Bereich notwendig (Riess et al. 2020; Lyman et al. 2021). Allerdings ist die individuelle Einordnung des patientenspezifischen Thromboembolierisikos schwierig und unzuverlässig. Es wird daher grundsätzlich gefordert, alle Patienten mit Krebserkrankungen stets auch über das erhöhte VTE-Risiko und die hinweisende Erstsymptomatik aufzuklären.
Von den verschiedenen Instrumenten zur Risikokategorisierung bei ambulanten Tumorpatienten ist der Khorana-Score (Tab. 3) einfach anzuwenden und am besten evaluiert (Khorana und Connolly 2009). Ein Punktwert ≥3 wurde als Grundlage für die Indikationsstellung einer medikamentösen Primärprophylaxe empfohlen (Riess et al. 2020), eine zweifelsfrei bestätigende klinische Interventionsstudie für diese Empfehlung fehlt bisher (Khorana et al. 2019).
Tab. 3
Khorana-Score
Charakteristikum
Punkte
Primärtumor
 
- mit sehr hohem Risiko (Pankreas, Magen)
2
- mit hohem Risiko (z. B. Lungentumor, Lymphom, gynäkogische Beckentumoren)
1
Thrombozytenzahl vor Chemotherapie ≥350.000/μl
1
Hb <10 g/dl oder EPO-Gabe
1
Leukozytenzahl vor Chemotherapie >11.000/μl
1
BMI ≥35 kg/m2
1
Hohes Risiko: 3–7 Punkte (→ VTE-Rate ≈ 4–10 %)
Mittleres Risiko: 1–2 Punkte (→ VTE-Rate ≈ 1–3 %)
Niedriges Risiko: 0 Punkte (→ VTE-Rate ≈ 0–1 %)
Zwei aktuell publizierte RCT (Tab. 4) mit unterschiedlichem Studiendesign und unterschiedlichem Spektrum an eingeschlossenen Tumorpatienten mit Khorana-Score ≥2 bestätigen ältere Untersuchungen, die die prinzipielle Wirksamkeit einer primär prophylaktischen Antikoagulation (mit NMH) belegten, nun auch für die Faktor-Xa-Inhibitoren Apixaban (Carrier et al. 2019) und Rivaroxaban (Khorana et al. 2019).
Tab. 4
Aktuelle randomisierte Studien zu Prophylaxe und Therapie von tumorassoziierter venöser Thromboembolie mit direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK)
Studie
n
Medikation
„Intention to treat“
„On treatment“
Ausgewählte Studiencharakteristika
(%)
Schwere Blutung
VTE (%)
schw. Bltg.
AVERT
(Carrier et al. 2019)
563
A
vs.
P
4,2
s
10,2
3,5
s
1,8
1,0
s
7,3
2,1
s
1,1
• Kein TVT-Screening mit Ultraschall vor Studieneinschluss und regelhaft im Verlauf der Studie
• Khorana-Score 2: 65,5 %
Pankreaskarzinom: 13,6 %
Lymphome: 25,3 %
CASSINI
(Khorana et al. 2019)
841
R
vs.
P
6,0
ns
8,8
2,0
ns
1,0
2,6
s
6,4
2,0
ns
1,0
• TVT-Screening mit Ultraschall vor Studieneinschluss und regelhaft im Verlauf der Studie
• Khorana-Score 2: 68,5 %
• Pankreaskarzinom: 32,6 %
• Lymphome: 7,0 %
HOKUSAI-VTE CANCER
(Raskob et al. 2018)*
1046
E
vs.
D
7,9
ns
11,1
6,9
s
4,0
4,5
ns
7,3
5,9
ns
3,1
• Geplante BD: 12 Monate
• Mediane BD: 211 Tage
• Nach 6 Monaten: E: 58 %; D: 54 %
• Nach 12 Monaten: E: 38 %; D: 29 %
SELECT-d
(Young et al. 2018)
406
R
vs.
D
4
s
11
6
s
4
Nicht verfügbar
• Pilotstudie mit geplanter BD: 6 Monate
• Mediane BD: R: 5,8 Monate, D: 5,6 Monate
• Nach 220 Patienten Ausschluss von Patienten mit Tumoren des Ösophagus und der Kardia
CARAVAGGIO
(Agnelli et al. 2020)
1155
A
vs.
D
5,6
ns**
7,9
3,8
ns
4,0
5,2
ns
8,0
3,8
ns
4,1
• Geplante BD: 6 Monate
• Mediane BD: A: 178 Tage; D: 175 Tage
A, Apixaban; BD, Behandlungsdauer; E, Edoxaban; D, Dalteparin; ns, nicht signifikant; P, Placebo; R, Rivaroxaban; s, signifikant; VTE, venöse Thromboembolie
* Signifikanter Nachweis der Nichtunterlegenheit des kombinierten primären Endpunkts aus Rezidiv-VTE und schwerer Blutung
** Signifikanter Nachweis der Nichtunterlegenheit des primären Endpunkts (Rezidiv-VTE)
Diese Studien mit direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK) untersuchten prospektiv randomisiert
  • 2 × 2,5 mg Apixaban (AVERT-Studie) bzw.
  • 1 × 10 mg Rivaroxaban (CASSINI-Studie)
gegen Placebo bei Tumorpatienten mit einem Khorana Score von ≥2. Dabei zeigt sich eine VTE-Rate von etwa 10 % nach 6-monatiger Therapie in den Placeboarmen, die auf etwa 4–6 % durch die DOAK reduziert werden konnte. Es wird dabei eine Zunahme von schweren Blutungskomplikationen ausgehend von etwa 1–2 % auf 2–3,5 % berichtet.
Die Untersuchungsergebnisse zeigen auch, dass die regelhafte orale Medikamenteneinnahme über den Studienzeitraum von 6 Monaten von vielen Patienten nicht durchgehalten wurde (Tab. 4). Insbesondere während der Medikationsphase ergeben sich signifikante und klinisch relevante Reduktionen venöser Thromboembolien bei Tumorpatienten (Tab. 4).
Ein sehr interessantes Ergebnis der CASSINI-Studie (Khorana et al. 2019) war auch, dass durch Ultraschalluntersuchung der Beinvenen bei etwa 5 % der primär studiengeeigneten Patienten eine asymptomatische, inzidentelle VTE nachgewiesen wurde, sodass diese Patienten dann therapeutisch antikoaguliert wurden und nicht in die CASSINI-Studie eingeschlossen werden konnten, mit dem zu vermutenden Effekt, dass die Ereignisraten aufgrund des Ausschlusses dieser „Höchstrisikopatienten“ – und möglicherweise der Unterschiede in den Patientenkollektiven – niedriger als in der AVERT-Studie waren.
Beide Studien belegen die Wirksamkeit der oralen Antikoagulation mit diesen Faktor-Xa-Inhibitoren und bestätigen ein erhöhtes VTE-Risiko bei Khorana-Score ≥2. Die in diesen Studien eingesetzten Faktor-Xa-Inhibitoren sind außerhalb des orthopädischen Hochrisikobereiches (Stand 12/2022) nicht zur primären VTE-Prophylaxe zugelassen. Diese RCT haben zur Änderung aktueller Leitlinienempfehlungen geführt (Lyman et al. 2021).
Zusammenfassend ist also auch bei ambulanten Tumorpatienten von einem erhöhten VTE-Risiko auszugehen und unter individueller Nutzen-Risiko-Abwägung eine grundsätzlich wirksame primäre medikamentöse VTE-Prophylaxe in Betracht zu ziehen ist. Dabei kann der Khorana-Score – ergänzt durch zusätzliche Faktoren, wie z. B. VTE-Anamnese, reduzierte Mobilität, deutlich erhöhte D-Dimer-Werte (>1,4 μg/ml) – zur Risikoeinordnung Hilfestellung geben (Riess et al. 2020).

Therapie der tumorassoziierten VTE

Der Begriff aktive Tumorerkrankung wird unterschiedlich verwendet, und daher haben Studien zu CAT stets Patienten in sehr unterschiedlichen Phasen der Krebserkrankung mit entsprechend differentem VTE-Risiko eingeschlossen. So wird eine VTE innerhalb von sechs Monaten nach Operation, auch eines sehr niedrigen Tumorstadiums, als CAT eingeordnet – alternativ wäre ebenso eine Einordnung als „normal“ postoperative VTE möglich gewesen. Während bei dieser Situation, wohl ebenso wie bei zufällig entdeckter asymptomatischer (inzidenteller) VTE, von einem insgesamt geringen Rezidiv- (und Blutungs-)Risiko unter Antikoagulationstherapie ausgegangen werden kann, liegt am anderen Ende des Spektrums der CAT die aktiv unter palliativer Intention chemotherapeutisch behandelte, disseminierte Tumorerkrankung mit VTE.
Initialtherapie und Erhaltungstherapie
Die Behandlung von CAT-Patienten mit der Kombination aus initialem NMH oder FPX, gefolgt von überlappender oraler Antikoagulation mit Vitamin-K-Antagonisten (VKA) ergab eine Vervielfachung von VTE-Rezidiven im Vergleich zu Nichttumorpatienten (Riess et al. 2020; Hach-Wunderle 2015), zum Teil sicher zurückzuführen auf die Schwierigkeit bei Tumorpatienten, die INR im therapeutischen Bereich einzustellen. Mit darauf und auf das vorbestehend erhöhte Blutungsrisiko von Tumorpatienten lassen sich die bei CAT-Patienten auch deutlich vermehrt auftretenden schweren Blutungen beziehen.
CLOT-Studie
Eine Reihe RCT haben im Weiteren die Wirksamkeit einer über 3–6 Monate prolongierten Antikoagulation mit NMH untersucht, wobei sich in der CLOT-Studie (Lee et al. 2003) eine Halbierung der Rezidivrate mit dem NMH Dalteparin zeigte, ohne dass das Risiko für schwere Blutungskomplikationen zunahm.
CATCH-Studie
Die etwa 10 Jahre später durchgeführte CATCH-Studie (Lee et al. 2015) wird als Bestätigung dieses Ergebnisses aufgefasst, auch wenn das primäre Studienziel statistisch knapp verfehlt wurde, da sich mit dem NMH Tinzaparin eine signifikante Verminderung von Rezidiv-TVT und eine signifikanten Verminderung von klinisch relevanten, nicht schweren Blutungen ergab.
Diese beiden und Metaanalysen aller RCT sind die Basis für die seit vielen Jahren geltenden Leitlinienempfehlung einer primären, für 3–6 Monate prolongierten Antikoagulation mit NMH bei CAT (Hach-Wunderle 2015).
Bezüglich der Rate an schweren Blutungen (Angelini et al. 2019) ist zu berücksichtigen, dass zur Graduierung von Blutungen mittels des verwendeten Graduierungssystems der ISTH (International Society of Thrombosis and Hemostasis) ein Hb-Abfall um 2 g/dl oder eine Transfusionsdurchführung wesentliche Beurteilungskriterien sind, beides Ereignisse, die bei Patienten mit aktiver Tumorerkrankung unter Therapie häufig auch ohne Blutungsereignis auftreten, sodass ein „up-grading“ von Blutungen erfolgt. Dementsprechend sind – erfreulicherweise – nur wenige dieser „schweren Blutungen“ klinisch besorgniserregend. Sofern es sich nicht um direkte Tumorblutungen handelt, treten sie meist im oberen Gastrointestinaltrakt auf, bei denen es aufgrund der kurzen Halbwertzeit von NMH oder der DOAK (s. unten) in aller Regel gelingt, durch Antikoagulationspause und endoskopische Intervention die Blutungsquelle zu identifizieren und durch lokale Maßnahmen zu kontrollieren (Johnston und Rich 2013).
Da die DOAK bei Nichttumorpatienten die VKA nicht nur auf dem Gebiet des nicht valvulären Vorhofflimmerns, sondern auch bei VTE als Erstlinientherapie abgelöst haben, war es naheliegend, die auch bei Tumorpatienten zunehmend angewendeten DOAK (Klamrothe et al. 2022; Riess et al. 2022) auch bei CAT in RCT im Vergleich zu NMH zu untersuchen (Tab. 4). Die initial mit NMH für mindestens 5 Tage eingeleitete und dann auf den oralen Faktor-Xa-Inhibitor Edoxaban (HOKUSAI-VTE-CANCER) gewechselte Antikoagulation belegte die Nichtunterlegenheit des kombinierten Endpunkts aus Rezidiv-VTE und schwerer Blutung im Vergleich zur Leitlinientherapie mit NMH (Dalteparin im CLOT-Regime) (Raskob et al. 2018). Es zeigte sich ein Trend mit numerisch weniger VTE-Rezidiven bei numerisch ähnlich großer signifikanter Zunahme von schweren Blutungskomplikationen unter Edoxaban.
Betrachtet man die schweren Blutungskomplikationen in den beiden Therapiearmen (Kraaijpoel et al. 2018), ist festzuhalten, dass schwere intrazerebrale oder tödliche Blutungskomplikationen unter Edoxaban nicht, wohl aber unter Dalteparin auftraten. Die wesentliche Anzahl der schweren Blutungskomplikationen unter Edoxaban bezieht sich auf obere gastrointestinale Blutungen und diese wiederum bevorzugt bei Patienten mit luminalen Tumorerkrankungen, wobei auch in der Subgruppe der Patienten mit gastrointestinalen Tumoren eine Reduktion der VTE-Rezidivrate gezeigt werden konnte.
Analoge Therapieergebnisse wurden in einer randomisierten Pilotstudie mit Rivaroxaban (SELECT-d) im Vergleich zu Dalteparin gezeigt (Young et al. 2018), bei der nach Randomisation oral mit 2x 15 mg Rivaroxaban für 3 Wochen, im Weiteren dann mit 20 mg täglich behandelt wurde. Auch hier zeigt sich eine Zunahme von schweren und klinisch relevanten nicht schweren Blutungskomplikationen bei einer zahlenmäßigen Reduktion von VTE-Rezidiven unter Rivaroxaban.
Eine 2020 publizierte große Therapiestudie mit Apixaban bei CAT, die CARAVAGGIO-Studie zeigt eine numerisch deutlich überlegene Wirksamkeit, ohne Zunahme schwerer Blutungen im Vergleich zu NMH (Dalteparin) (Agnelli et al. 2020).
Diese und kleinere RCT führen in der Metaanalyse zur signifikanten VTE-Rezidivreduktion ohne Vermehrung schwerer Blutungen, allerdings mit Zunahme klinisch relevanter nicht-schwerer Blutungen (Frere et al. 2022).
Zusammenfassend kann somit die initiale CAT-Therapie nach Nutzen-Risiko-Evaluation der Patienten mit NMH, NMH gefolgt von Edoxaban oder primär beginnend mit Rivaroxaban oder Apixaban erfolgen (Abb. 4) (Riess et al. 2020; Lyman et al. 2021). Dabei wird gegenwärtig eine zurückhaltende Anwendung von DOAK bei Patienten mit luminalen (gastrointestinalen oder urogenitalen) Tumor- oder Metastasenlokalisationen empfohlen. Bei der differenzialtherapeutischen Entscheidung zur Art der Antikoagulation sind neben
  • der Tumorentität,
  • dem vermuteten Blutungsrisiko und
  • der unterschiedlichen Applikationsform auch
  • die klinische Situation,
  • die Aufnahmefähigkeit oraler Substanzen (Riess et al. 2018a),
  • mögliche Medikamenteninteraktionen der Faktor-Xa-Inhibitoren (Riess et al. 2018b) und
  • die Präferenz des Tumorpatienten
  • ebenso wie Dosisreduktionsregime
zu berücksichtigen (Tab. 5).
Tab. 5
Antikoagulation bei Tumorpatienten
 
DOAK*
NMH
VKA*
Primäre VTE-Prophylaxe
+ - -
+ + +
- - -
VTE-Initialtherapie
+ + (+)
+ + +
- - -
- VTE-Risiko hoch
Eher ja
Eher nein
-
- Blutungsrisiko hoch
Eher nein
Eher ja
-
- Tumor oder Metastasen, mit Manifestation gastrointestinal oder urogenital
Eher nein
Eher ja
-
VTE-Sekundärprophylaxe, prolongierte (>3–6 Monate) Antikoagulation
+ + +
+ + +
+ + (+)
- Schlechte Persistenz der s.c. Gabe
Eher ja
Eher nein
 
VHF
+ + +
- - -
+ + (+)
DOAK, direkte orale Antikoagulanzien; NMH, niedermolekulares Heparin; VKA, Vitamin-K-Antagonisten
- - - = keine Daten, keine Zulassung, keine Empfehlung
+ - - = Daten, keine Zulassung, keine Empfehlung
+ + + = Daten, Zulassung, Empfehlung
+ + (+) = Daten, Zulassung, eingeschränkte Empfehlung
Kursiv = exemplarische Anhaltspunkte zur Differenzialtherapie
*Unterschiedliche Risiken der Medikamenteninteraktionsmöglichkeiten beachten
Antikoagulation zur Sekundärprophylaxe
Die Vergleichsstudien zur Antikoagulation bei tumorassoziierten VTE haben Zeiträume von 3–12 Monaten untersucht. Mit zunehmender Therapiedauer nimmt die Therapieadhärenz für subkutan zu appliziertes NMH schneller ab als für orale Faktor-Xa-Inhibitoren (Moike et al. 2020).
Abhängig von Tumorentität, -aktivität und -stadium sowie dem Ansprechen auf die Antitumortherapie ist bei Tumorpatienten von einem mit der Tumorerkrankung fortbestehenden VTE-Risiko auszugehen und damit die Indikation zu einer prolongierten Sekundärprophylaxe zu prüfen.
In Analogie zum Vorgehen bei idiopathischer VTE ist eine individuelle Nutzen-Risiko-Evaluation (Tab. 6), unter Einbeziehung der Patientenpräferenz, zu empfehlen (Abb. 4). RCT, die die prolongierte Antikoagulation bei CAT untersuchen, fehlen. Für die NMH liegen zwei prospektive, einarmige Studien für den Zeitraum von 6–12 Monaten und eine prospektive Kohortstudie vor, die das fortbestehende Thromboembolie- und antikoagulationsassoziierte Blutungsrisiko, aber auch die limitierte Patientencompliance mit der prolongierten parenteralen Antikoagulation belegen (Francis et al. 2015; Jara-Palomares et al. 2017; van der Wall et al. 2017).
Tab. 6
Kriterien zur Indikationsstellung einer (prolongierten) Sekundärprophylaxe bei tumorassoziierter venöser Thromboembolie. (Modifiziert nach Hach-Wunderle 2015)
 
Für fortgesetzte Therapie
Gegen fortgesetzte Therapie
Malignom („primärer“ Risikofaktor)
Fortbestehend/aktiv
Passager/in Remission
Zusätzlicher Triggerfaktor (z. B. Operation)
Nein
Ja
VTE-Rezidiv
Ja
Nein
Blutungsrisiko
Gering
Hoch
Bisherige Antikoagulationsqualität
Gut
Schlecht
D-Dimere (nach Therapieende)
(Stark) erhöht
Normal
Residualthrombus (VTE/ Lungenembolie nach 6 Monaten Antikoagulation)
Vorhanden
Fehlend
Geschlecht
Mann
Frau
Thrombusausdehnung (initial)
Langstreckig
Kurzstreckig
Thrombuslokalisation (initial)
Proximal
distal
Lungenembolie (initial)
Zentral/rechtsherzbelastend
Subsegmental/asymptomatisch
Ja*
Nein**
Patientenpräferenz
Für Therapie
Gegen Therapie
**z. B. Heterozygote Faktor-V- oder heterozygote Prothrombinmutation
Zwei große RCT mit Apixaban (Agnelli et al. 2013) bzw. Rivaroxaban (Weitz et al. 2017) bei Nichttumorpatienten mit idiopathischen Venenthrombosen oder mit fortbestehenden Risikofaktoren untersuchten eine Dosisreduktion nach mindestens 6-monatiger Antikoagulation auf 50 %, d. h. auf eine Hochrisikoprophylaxedosierung. Diese Studien zeigen, dass dies nicht zu einer Erhöhung des Rezidivrisikos gegenüber der therapeutischen Dosierung führt, gleichzeitig wurde eine numerische Reduktion der Blutungsereignisse berichtet. Ob ein derartiges Vorgehen auch bei Tumorpatienten sinnvoll ist, kann nicht schlüssig beantwortet werden. Die reduzierte Antikoagulation mit diesen Faktor-Xa-Inhibitoren stellt aber in Anbetracht fehlender höherwertiger Evidenzen für eine prolongierte Sekundärprophylaxe (jenseits von 6 Monaten) eine Option dar, für ein differenzierendes, das individuelle VTE-Risiko sowie die Blutungsproblematik berücksichtigendes praktisches Vorgehen.

Therapie der tumorassoziierten OVT

Die Therapie der isolierten oberflächlichen Thrombophlebitis bei Tumorpatienten basiert in Anlehnung an die Therapie der CAT und Übertragung der Ergebnisse bei Nichttumorpatienten auf der lokalen Kompression, topischen (oder auch oralen) Applikation nichtsteroidaler antiinflammatorischer Medikamente und der Antikoagulation – bevorzugt mit FPX 2,5 mg täglich s.c. für 30–45 Tage (Riess et al. 2020; Decousus et al. 2016). Bei fortbestehendem Malignom ist unter Berücksichtigung der OVT-Symptomatik eine Prolongation der Antikoagulation über 6 Wochen und auch ein Wechsel auf orales Rivaroxaban hinaus10 mg täglich zu erwägen (Beyer-Westendorf et al. 2017).

Venöse Thrombosen anderer Lokalisation bei Tumorpatienten

Pfortaderthrombose
Die Pfortaderthrombose tritt relativ (10–20 %) häufig als lokoregionäre Komplikation bei soliden Tumoren des oberen Gastrointestinaltrakts, insbesondere bei Patienten mit Gallenwegs-, Leber- und Pankreaskarzinomen auf. Sie wird häufig im asymptomatischen Stadium im Rahmen von Schnittbilduntersuchungen beim Tumorstaging diagnostiziert. Sie ist ein prognostisch ungünstiges Zeichen.
Auch bei hämatologischen Erkrankungen, vorrangig bei myeloproliferativen Neoplasien (MPN) und der paroxysmalen nächtlichen Hämoglobinurie (PNH) werden immer wieder Venenthrombosen im Splanchnikusgebiet berichtet. Komplikationen des chronischen portalen Hypertonus wie Ösophagusvarizen- oder Magenblutungen sind bei längerfristigen Verläufen zu befürchten. In aller Regel wird bei neu aufgetretenem Ereignis eine Therapie mit therapeutisch dosiertem NMH zu empfehlen sein (Ponziani et al. 2010).
Thrombosierung der Lebervenen (Budd-Chiari-Syndrom)
Die Thrombosierung der Lebervenen (Budd-Chiari-Syndrom) ist eine seltene Komplikation bei Tumorpatienten. Hier wird sie insbesondere bei Patienten mit MPN, PNH und im Kontext der (allogenen) Stammzelltransplantation (veno-occlusive disease“, VOD) beobachtet.
Man unterscheidet akute, z. T. foudroyante von subakuten und chronischen Verläufen, die entweder die kleinen oder großen Lebervenen oder auch die Vena cava inferior (mit-)betreffen. Klinisch stehen meist eine rasche Lebergrößenzunahme, Aszitesbildung, und Zeichen der Leberzellschädigung – bis hin zum akuten Leberversagen – im Vordergrund. Bei Tumorpatienten wird man nur zurückhaltend, unter Beachtung der tumorspezifischen Prognose, von den chirurgischen und endovaskulären Interventionsmöglichkeiten bei zentraler Thromboselokalisation, die in ausgewiesenen Zentren zu guten Kurzzeitergebnissen führen, Gebrauch machen und sich meist auf die Antikoagulation beschränken (Shin et al. 2016).
Nierenvenenthrombosen
Nierenvenenthrombosen sind häufige Komplikationen bei Nierenzellkarzinomen und kommen bei anderen Malignomen nur ausnahmsweise vor. Akutere klinische Beschwerden sind die Ausnahme. Ein begleitendes nephrotisches Syndrom kann zur umfangreicheren Substitutionsnotwendigkeit bei Hypoproteinämie und Antithrombinmangel führen. Die Tumornephrektomie unter Antikoagulationsschutz beseitigt meist das Problem. Bei Thromboseausdehnung in die Vena cava inferior sind klinisch symptomatische Lungenembolien zu befürchten und Cava-Schirmfilter in Betracht zu ziehen, ggf. auch passager perioperativ.
Sinusvenenthrombosen
Auch die sehr seltenen Sinusvenenthrombosen sind bei Patienten mit hämatologischen (z. B. bei MPN) und soliden Malignomen deutlich häufiger als bei Nichttumorpatienten. Die therapeutische Antikoagulation ist auch hier die Therapie der Wahl.

Arterielle Thromboembolien bei Tumorpatienten

Arterielle Thromboembolien
Arterielle Thromboembolien sind bei Tumorpatienten zwar erhöht, ihre genaue Inzidenz ist aber nicht bekannt (Blann und Dunmore 2011). Es werden ungefähr 20 % aller thrombotischen Komplikationen auf das arterielle Gefäßsystem bezogen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine Vielzahl von Tumorpatienten aufgrund von Alter und kardiovaskulärer Risikofaktoren (z. B. Rauchen) auch hinsichtlich arterieller thromboembolischer Komplikationen höhergradig gefährdet sind.
Bei der Gruppe der myeloproliferativen Neoplasien sind thromboembolische Ereignisse im arteriellen Gefäßsystem – gelegentlich auch solche im Bereich der Mesenterialarterien – häufiger, als auf der venösen Seite. Die Therapie orientiert sich am Vorgehen bei Nichttumorpatienten, da spezifische Therapiestudien weitestgehend fehlen.
Nichtbakterielle thrombotische Endokarditis (NBTE)
Bei akuten, insbesondere bei wiederholten oder multiplen arteriellen Gefäßverschlüssen, aber auch bei Tumorpatienten mit neu aufgetretenem Herzgeräusch sollte immer auch an die seltene nichtbakterielle thrombotische Endokarditis (NBTE) gedacht werden. Sie tritt bei Malignompatienten, bevorzugt bei Patienten mit metastasierten Adenokarzinomen oder aber auch mit hämatologischen Erkrankungen auf.
Diagnostisch sind Herzechountersuchung und diffusionsgewichtetes MRT des Herzens mit Nachweis von Klappenvegetationen bei negativer Bakteriologie der Blutkulturen beweisend. Therapeutisch ist eine antithrombotische Therapie, vorzugsweise mit NMH, unter Umständen in Kombination mit Plättchenfunktionshemmern, parallel zur tumorspezifischen Therapie zu empfehlen, um zu versuchen, die insgesamt ungünstige Prognose positiv zu beeinflussen.

Störungen der Mikrozirkulation bei Tumorpatienten

Bei Tumorpatienten, insbesondere bei MPN mit Thrombozytose, werden auch häufiger Störungen der Mikrozirkulation mit der Folge einer Erythromelalgie, zerebraler Durchblutungsstörungen und peripherer Parästhesien diagnostiziert (Vannucchi et al. 2015). Meist ist die thrombozytenfunktionshemmende Therapie mit ASS ergänzend zur kausalen Behandlung der Grundkrankheit symptomatisch hilfreich.
Darüber hinaus treten bei Tumorpatienten vermehrt die insgesamt sehr seltenen thrombotischen Mikroangiopathien auf.
Die zur Diagnose führende Trias austritt bevorzugt bei Patienten mit Adenokarzinomen, auch assoziiert mit bestimmten Medikamenten, insbesondere Cisplatin, Mitomycin, Gemcitabin, Calcineurin-Inhibitoren, aber auch mit zielgerichteten Medikamenten, auf. Die frühzeitige Diagnosestellung, Identifizierung der auslösenden Noxe, ihre Vermeidung (Medikamente) bzw. Behandlung der Grundkrankheit zusammen mit supportiven Maßnahmen und den Möglichkeiten der Hemmung der Komplementaktivierung mit Eculizumab haben die Prognose deutlich verbessert.

Disseminierte intravasale Gerinnung (DIC)

Die disseminierte intravasale Gerinnung ist ein sekundäres Syndrom, das durch intravasale systemische Aktivierung der Gerinnung zu thromboembolischen Komplikationen und Organdysfunktionen, aber durch Verbrauch von Thrombozyten und Gerinnungsfaktoren sowie überschießender – selten primärer, meist sekundärer – Fibrinolyse auch zur manifesten Blutung führen kann (Taylor et al. 2001). Die Diagnosekriterien der DIC – z. B. das Punktesystem der ISTH – orientieren sich neben dem Zugrundeliegen einer entsprechenden Grundkrankheit an Laborparametern, wie
  • Thrombozytenzahl,
  • Fibrinogenspiegel,
  • Prothrombinzeit (Quick-Wert) und
  • D-Dimer-Wert,
allesamt Parameter, die auch bei „stabiler“ oder chemotherapeutisch behandelter Malignomerkrankung pathologisch erniedrigt (Thrombozytenzahl) oder erhöht (D-Dimer-Wert) sein können.
Eine verlängerte aPTT, Zeichen der mikroangiopathischen hämolytischen Anämie oder Blutungszeichen werden ebenso wenig berücksichtigt wie Organfunktionseinschränkungen. Verlaufskontrollen der Laborwerte und ihre Interpretation im Zusammenhang mit Vorgeschichte und Klinik sind hilfreich, eine aktive DIC zu diagnostizieren.
Im hämatologisch-onkologischen Bereich werden schwerere DIC-Verläufe, insbesondere bei akuten (Promyelozyten-)Leukämien, mit Freisetzung von Proteasen aus den malignen Zellen und im Rahmen komplizierender Infektionen, aber auch bei soliden Tumoren gesehen (Sarris et al. 1992; Levi 2009; Kwann et al. 2014; Feinstein 2015). Bei Anwendung der aktuellen zelldifferenzieren Therapien der akuten Promyelozytenleukämie treten klinisch relevante DIC-Zustände sehr viel seltener auf als unter den früheren Therapien mit zytotoxischen Medikamenten, die zur massiven Freisetzung gerinnungsaktivierender Mediatoren aus den Leukämiezellen führten.
Bei soliden Tumoren – meist Adenokarzinome – liegen zwar laboranalytisch oft kompensierte DIC-Formen vor mit verkürzter aPTT und Erhöhung der Werte für Fibrinogen, D-Dimer und auch Thrombozyten. Daraus resultiert klinisch häufiger ein erhöhtes venöses und arterielles Thromboembolierisiko. Der „spontane“ Übergang in eine akute DIC ist selten (Feinstein 2015). Akute DIC-Verläufe werden bevorzugt bei älteren Patienten mit fortgeschrittener, meist lebermetastasierter Erkrankung und auch hier oft ausgelöst durch komplizierende Infektionen mit oder ohne Neutropenie, aber auch postoperativ, beobachtet. Die Behandlung orientiert sich am Vorgehen bei Nichttumorpatienten (Levi et al. 2009).

Tumor und Blutungen

Klinisch manifesten Hämorrhagien liegen Thrombozytopenien oder eine fortgeschrittene Leberinsuffizienz, z. B. im Rahmen einer fortgeschrittenen Metastasierung, zugrunde. Seltener führen Veränderungen der Thrombozytenfunktion, erworben im Rahmen hämatoonkologischer Systemerkrankungen, tumorspezifischer Therapien oder Nierenfunktionsstörungen, aber auch Autoimmunphänomene zu Blutungszeichen.
Bei vielen Tumorerkrankungen ist auch aufgrund lokaler Tumorprobleme von einem latent erhöhten Blutungsrisiko auszugehen. Dieses tumorassoziiert vorbestehende Blutungsrisiko wird nach Auftreten thromboembolischer Ereignisse durch die dann indizierte antithrombotische Therapie verstärkt (Angelini et al. 2019).
Wesentliche Ursachen von Blutungskomplikationen in der hämatoonkologischen Patientenversorgung sind krankheits- oder therapieassoziierte Thrombozytopenien. Die prophylaktische Thrombozytensubstitution durch Thrombozytenkonzentratgabe ist ein wichtiger Baustein der supportiven Therapie mit dem Ziel, die periphere Plättchenzahl über 10.000/μl bzw. 20.000/μl in Abhängigkeit von der klinischen Situation des Patienten zu halten.
Bei Refraktärität auf Thrombozytenkonzentratgaben ist – insbesondere bei schleimhautassoziierten Blutungen – der Einsatz von antifibrinolytischen Medikamenten, wie Tranexamsäure, empfehlenswert.
Bei jeglicher Form von Malignom, insbesondere aber bei lymphoproliferativen Erkrankungen, kommt es zum vermehrten Auftreten von autoimmunologischen Begleitphänomenen, die sich auch prohämorrhagisch als Autoimmunthrombozytopenie (ITP) oder Autoimmunvaskulitis manifestieren können.
Therapeutisch ist zusätzlich zur Behandlung der Grundkrankheit der Einsatz von immunmodulierenden Medikamenten wie
zu erwägen.
Die erworbene (Hemmkörper-)Hämophilie (Saito et al. 2018) ist eine sehr seltene, aber schwierig zu behandelnde Blutungsursache. Sie wird durch Autoantikörper gegen Gerinnungsfaktoren – nahezu ausschließlich Faktor VIII (→ erworbene Hämophilie A) – verursacht.
Die entsprechende Verdachtsdiagnose drängt sich bei Blutungen mit deutlich verlängerter aPTT und weitgehend im Referenzbereich liegendem Quick-Wert auf und wird laboranalytisch durch die Faktor-VIII-Aktivitätsbestimmung und den Inhibitornachweis bestätigt.
Bei akuter oder gar gefährdender Blutung sind die Gabe von Tranexamsäure, insbesondere auch bei mukosaassoziierten Blutungen, sowie von geeigneten – kostenintensiveren –Gerinnungspräparaten notwendig, die eine ausreichende blutungsstillende Thrombinbildung – auch ohne Faktor VIII – am Blutungsort im Rahmen der plasmatischen Gerinnung erlauben.
Präparate wie
  • aktivierter Faktor VII,
  • aktivierte Prothrombinkomplexkonzentrate und
  • neuerdings der rekombinante porcine Faktor VIII oder
  • der bifunktionale, Faktor IXa direkt mit Faktor X verbindenden Antikörper Emicizumab
stehen zur Verfügung. In aller Regel gelingt es hämostaseologisch erfahrenen Kollegen damit, die Blutungskomplikationen zu kontrollieren und den Zeitabschnitt zu überbrücken, bis die immunmodulatorische bzw. die gegen die Grundkrankheit gerichtete onkologische Therapie wirksam geworden ist.
Mittels der immunmodulierenden Therapie, vorrangig mit Kortikosteroiden, initial meist bereits kombiniert mit Cyclophosphamid, gelingt es oft im Verlauf von 1–2 Wochen, den Inhibitor in seiner Aktivität zu reduzieren und im Weiteren zu eliminieren. Auch Rituximab kann dazu zum Einsatz kommen.
Prohämorrhagische Veränderungen jenseits der krankheits- oder therapieassoziierten Thrombozytopenie betreffen auch Thrombozytenfunktionsstörungen, insbesondere bei hämatologischen Erkrankungen wie den myeloproliferativen Neoplasien mit Thrombozytose, aber auch bei myelodysplastischen Syndromen, wobei besonders das erworbene von-Willebrand-Syndrom (vWS) gut charakterisiert ist (Vannucchi et al. 2015; Wolfe und Lash 2017). Therapeutisch ist symptomatisch die Gabe des von-Willebrand-Faktors als Gerinnungskonzentrat (in der Regel durch ein dafür geeignetes Faktor-VIII-Präparat) hilfreich. Die erfolgreiche Behandlung der malignen Erkrankung bzw. der Thrombozytose führt meist zur weitgehenden Normalisierung der Plättchenfunktion.
Thrombozytopathien können auch auf Störungen der Megakaryozytopoese und Plättchenfreisetzungen im Rahmen hämatologischer Neoplasien mit zurückgeführt werden.
Die bei manchen lymphoproliferativen Erkrankungen zu beobachtenden Paraproteine können sowohl zu Thrombozytopathien, am ehesten interpretiert als Coating-Effekte der Plättchenoberfläche mit Störungen der Verfügbarkeit von Plättchenrezeptoren, aber auch durch Störungen der Fibrinpolymerisation oder Komplexinaktivierung von Gerinnungsfaktoren zu hämorrhagischen Symptomen führen. Exemplarisch ist dafür der seltene Faktor-X-Mangel bei AL-Amyloidose.
Lokale Therapiemaßnahmen alleine oder in Kombination mit systemischer Hämostasemodulation sind im klinischen Alltag sehr hilfreich, um lokale Blutungen nicht nur im Bereich von Tumor oder Metastasen erfolgreich zu behandeln (Lee et al. 2003).
Neben der lokalen Kompression bei Hautblutungen stehen akut wirksam endoskopische Verfahren bei gastrointestinalen, pulmonalen oder urogenitalen Blutungen zur Verfügung. Die transkutane angiographiegestützte Embolisation kann – bei Verfügbarkeit – nach Lokalisation der Blutungsquelle ebenfalls zeitnahe lebensrettende Therapiemaßnahme sein.
Auch die Strahlentherapie kann bei hämodynamisch stabilen Patienten zum Sistieren von pulmonalen, gastrointestinalen oder urogenitalen Blutungen führen.

Fazit

Tumorpatienten haben ein „spontan“ deutlich erhöhtes Risiko für thromboembolische und – weniger ausgeprägt – hämorrhagische Komplikationen.
Da höhergradig evidenzbasierte Empfehlungen zur Prophylaxe weitgehend fehlen, ist eine individuelle Abwägung des Thromboembolie- ebenso wie des Blutungsrisikos notwendig, um zusätzlich zur geeigneten Patientenaufklärung über diese Risiken, die Entscheidung für oder gegen prophylaktische Maßnahmen zu treffen.
Oft bestehen dabei Assoziationen zwischen zugrunde liegender Tumorerkrankung bzw. -stadium und Art einer im Weiteren möglicherweise manifest werdenden Gerinnungsstörung. Die Kenntnis dieser Zusammenhänge erleichtert die zügige und zutreffende Einordnung symptomatischer Thromboembolien oder Hämorrhagien.
Für die häufigeren thromboembolischen Komplikationen liegen bewährte, bei Malignomkollektiven studiengeprüfte Therapieempfehlungen zu Prophylaxe und Therapie mit der Möglichkeit der individuellen Modifikationen bezüglich Zeitdauer und Dosierung vor.
Bei Tumorpatienten mit DIC orientiert sich das Vorgehen an den Erfahrungen bei Nichttumorpatienten.
Bei Blutungskomplikationen ist zwischen lokalen und systemischen Blutungsursachen oder deren Kombination zu differenzieren, um – weniger evidenzbasiert – die geeigneten Therapiemaßnahmen einleiten zu können. Stets ist ein interdisziplinäres Vorgehen bei Evaluation und Therapie anzustreben.
Literatur
Agnelli G, Buller H, Cohen A et al (2013) Apixaban for extended treatment of venous thrombo-embolism. N Engl J Med 368:699–708PubMedCrossRef
Agnelli G, Becanttini C, Meyer G et al (2020) Apixaban for the treatment of venous thrombo-embolism associated with cancer. N Engl J Med 382:1599–1607PubMedCrossRef
Angelini DE, Radivoyevitch T, McCrae KR, Khorana AA (2019) Bleeding incidence and risk factors among cancer patients treated with anticoagulation. Am J Hematol 94:780–785PubMed
Beyer-Westendorf J, Schellong S, Gerlach G et al (2017) Prevention of thromboembolic compli-cations in patients with superficial-vein thrombosis given rivaroxaban or fondaparinux: the open-label, randomized non-inferiority SURPRISE phase 3b trial. Lancet Hematol 4:e105–e113CrossRef
Blann AD, Dunmore S (2011) Arterial and venous thrombosis in cancer patients. Cardiol Res Pract 2011:39474CrossRef
Carrier M, Nassar KA, Mallick R et al (2019) Apixaban to prevent venous thromboembolism in patients with cancer. N Engl J Med 380:710–719CrossRef
Chew HK, Wun T, Harvey D et al (2006) Incidence of venous thromboembolism and its effect on survival among patients with common cancers. Arch Intern Med 166:458–364PubMedCrossRef
Cohen AT, Katholing A, Riethbrock S et al (2017) Epidemiology of first and recurrent venous thromboembolism in patients with active cancer. A population-based cohort study. Thromb Haemost 117:57–65PubMedCrossRef
Decousus H, Quéré I, Presles POST (Prospective Observational Superficial Thrombophlebitis) Study Group et al (2010) Superficial venous thrombosis and venous thromboembolism: a large, prospective epidemiologic study. Ann Intern Med 152:218–224PubMedCrossRef
Decousus H, Prandoni P, Mismett P et al (2016) Fondaparinux for the treatment of superficialvein thrombosis in the legs. N Engl J Med 363:1222–1232CrossRef
Encke A, Haas S, Kopp I, et al (2015) S3-Leitlinie Prophylaxe der venösen Thromboembolie (VTE) http://​www.​awmf.​org/​leitlinien/​detail/​ll/​003-001.​html. Zugegriffen am 01.12.2022
Falanga A, Russo L, Milesi V, Vignoli A (2017) Mechanisms and risk factors of thrombosis in cancer. Crit Rev Oncol Hematol 118:79–83PubMedCrossRef
Feinstein DI (2015) Disseminated intravascular coagulation in patients with solid tumors. https://​www.​cancernetwork.​com/​view/​disseminated-intravascular-coagulation-patients-solid-tumors. Zugegriffen am 02.12.2022
Fernandes CJ, Morinaga LTK, Alves JL Jr et al (2019) Cancer-associated thrombosis: the when, how and why. Eur Respir Rev 28:1–11CrossRef
Francis CW, Kessler CM, Goldhaber SZ et al (2015) Treatment of venous thromboembolism in cancer patients with dalteparin for up to 12 months: the DALTECAN Study. J Thromb Haemost 13:1028–1035PubMedCrossRef
Frere C, Farge D, Schrag D et al (2022) Direct oral anticoagulant versus low molecular weight heparin for the treatment of cancer-associated venous thromboembolism: 2022 updated systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials. J Hematol Onvol 15:69–75
Hach-Wunderle (2015) Diagnostik und Therapie der Venenthrombose und der Lungenembolie. AWMF-Leitlinienregister 065/002
Jara-Palomares L, Solier-Lopez A, Elias-Hernandez T et al (2017) Tinzaparin in cancer associated thrombosis beyond 6 months: TiCAT study. Thromb Res 157:90–96PubMedCrossRef
Johnston C, Rich SE (2013) Bleeding in cancer patients and its treatment: a review. J Thromb Haemost 11:223–233
Khorana AA, Connolly GC (2009) Assessing risk for venous thromboembolism in the patients with cancer. J Clin Oncol 27:4839–4847PubMedPubMedCentralCrossRef
Khorana AA, Francis CW, Culakova E et al (2007) Thromboembolism is a leading cause of death in cancer patients receiving outpatient chemotherapy. J Thromb Haemost 5:632–634PubMedCrossRef
Khorana AA, Yannicelli D, McCrae KR et al (2016) Evaluation of US prescription patterns: are treatment guidelines for cancer-associated venous thromboembolism being followed? Thromb Res 145:51–53PubMedCrossRef
Khorana AA, Noble S, Lee AYY et al (2018) Role of direct oral anticoagulants in the treatment of cancer-associated venous thromboembolism: guidance from the SSC of the ISTH. J Thromb Haemost 16:1891–1894PubMedCrossRef
Khorana AA, Soff GA, Kakkar AK et al (2019) Rivaroxaban for thromboprophylaxis in high-risk ambulatory cancer patients. N Engl J Med 380:720–728PubMedCrossRef
Klamroth R, Sinn M, Pollich C. et al (2022) Anticoagulation practice in patients with cancer-associated thrombo-sis: insights from GeCAT, a German Prospective Registry Study. Oncology research and treatment 45:178–185
Kraaijpoe N, Bieker S, Meyer G et al (2019) Treatment and long-term clinical outcomesof incidental pulmonary embolism in patients with cancer: an international prospective cohort study. J Clin Oncol 37:1–8
Kraaijpoel N, Di Nisio M, Mulder FI et al (2018) Clinical impact of bleeding in cancer-associated venous thromboembolism: results from the Hokusai VTE cancer study. Thromb Haemost 118:1439–1449PubMedCrossRef
Kwann H, Barnett M, Cull EH (2014) The coagulopathy in acute promyelocytic leukaemia – what have we learned in the past twenty years. Best Pract Res Clin Haematol 27:11–18CrossRef
Lee AY, Levine MN, Baker RI et al (2003) Low-molecular-weight heparin versus a coumarin for the prevention of recurrent venous thromboembolism in patients with cancer. N Engl J Med 349:146–153PubMedCrossRef
Lee AYY, Kamphuisen PW, Meyer G et al (2015) A randomized trial of long-term tinzaparin, a low molecular weight heparin (LMWH), versus warfarin for treatment of acute venous throm-boembolism (VTE) in cancer patients – the CATCH Study. JAMA 31:677–686CrossRef
Levi M (2009) Disseminated intravascular coagulation in cancer patients. Best Pract Res Clin Haematol 22:129–136PubMedCrossRef
Levi M, Toh CH, Thachil J, Watson HG (2009) Guidelines for the diagnosis and management of disseminated intravascular coagulation. Br J Haematol 145:24–33PubMedCrossRef
Levi M, Feinstein DI, Colman RW, Marder VJ (2012) Consumptive thrombohemorrhagic disorders. In: Marder VJ, Aird WC, Bennett J et al (Hrsg) Hemostasis and thrombosis, basic principles and clinical practice, 6. Aufl. Wolters Kluwer/Lippincott, Williams & Wilkins, Philadelphia, S 1178–1195
Levitan N, Dowlati A, Remick SC et al (1999) Rates of initial and recurrent thromboembolic disease among patients with malignancy versus those without malignancy. Medicine (Baltimore) 78:285–291PubMedCrossRef
Li A, Garcia DA, Lyman GH, Carrier M (2019) Direct oral anticoagulant (DOAC) versus low-molecular-weight heparin (LMWH) for treatment of cancer associated thrombosis (CAT): a systematic review and meta-analysis. Thromb Res 173:158–163
Lyman GH, Carrier M, Ay C et al (2021) American Society of Hematology 2021 guidelines for management of venous thromboembolism: prevention and treatment in patients with cancer. Blood Adv 5:927–974
Maraveyas A, Waters J, Roy R et al (2012) Gemcitabine versus gemcitabine plus dalteparin thromboprophylaxis in pancreatic cancer. Eur J Cancer 48:1283–1292PubMedCrossRef
Moik F, Posch F, Zielinski C (2020) Direct oral anticoagulants compared to low-molecular-weight heparin for the treatment of cancer-associated thrombosis: Updated systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials. Res Pract Thromb Haemost 4:550–561
Pelzer U, Opitz B, Deutschinoff G et al (2015) Efficacy of prophylactic low-molecular weight heparin for ambulatory patients with advanced pancreatic cancer: outcomes from the CONKO-004 Trial. J Clin Oncol 33:2028–2034PubMedCrossRef
Ponziani FR, Zocco MA, Campanale C et al (2010) Portal vein thrombosis: insight into physio-pathology, diagnosis, and treatment. World J Gastroenterol 16:143–155PubMedPubMedCentralCrossRef
Raskob GE, van Es N, Verhamme P et al (2018) Edoxaban for the treatment of cancer-associated venous thromboembolism. N Engl J Med 378:615–624PubMedCrossRef
Razak NBA, Jones G, Bhandari M et al (2018) Cancer-associated thrombosis: an overview of mechanisms, risk factors, and treatment. Cancer 380:1–21
Rickles FR, Brenner B (2008) Tissue factor and cancer. Semin Thromb Hemost 34:143–145PubMedCrossRef
Riess H, Ay C, Bauersachs R et al (2018a) Use of direct oral anticoagulants in patients with cancer: practical considerations for the management of patients with nausea or vomiting. Oncologist 23:822–839PubMedPubMedCentralCrossRef
Riess H, Prandoni P, Harder S, Kreher S, Bauersachs R (2018b) Direct oral anticoagulants for the treatment of venous thromboembolism in cancer patients: potential for drug-drug interactions. Crit Rev Oncol Hematol 132:169–179PubMedCrossRef
Riess H, Angelillo-Scherer A, Alt-Epping B, et al. Venöse Thromboembolieen bei Tumorpatienten 11/2020. wwww.​onkopedia.​com
Riess H, Kretzschmar A, Heinken A et al (2022) Anticoagulation Therapy in Cancer Patients with Thrombosis in the Outpatient Sector of Germany (The CERTIFICAT Initiative) – German Practice of Anticoagulation therapy of Cancer Patients with Thrombosis. Hamostaseologie 42:166–173
Rondon AMR, Kroone C, Kapteijn MY et al (2019) Role of tissue factor in tumor progression and cancer-associated thrombosis. Semin Thromb Hemost 45:396–412PubMedCrossRef
Saito M, Ogasawara R, Izumiyama K et al (2018) Acquired hemophilia A in solid cancer: two case reports and review of the literature. World J Clin Cases 6:781–785PubMedPubMedCentralCrossRef
Sanfilippo KM, Luo S, Carson KR et al (2017) Aspirin may be inadequate thromboprophylaxis in multiple myeloma (Abstract). Blood 130:3419
Sarris AH, Kempin S, Berman E et al (1992) High incidence of disseminated intravascular coagulation during remission introduction of adult patients with acute lymphoblastic leukemia. Blood 79:1305–1310PubMedCrossRef
Shin N, Kim YH, Xu H et al (2016) Redefining Budd-Chiari syndrome: a systematic review. World J Hepatol 8:691–702PubMedPubMedCentralCrossRef
Swan D, Rocci A, Bradbury C, Thachil J (2018) Venous thromboembolism in multiple myeloma – choice of prophylaxis, role of direct oral anticoagulants and special considerations. Brit J Haemato 183:538–556CrossRef
Taylor FB Jr, Toh CH, Hoots WK et al (2001) Towards definition, clinical and laboratory criteria, and a scoring system for disseminated intravascular coagulation – on behalf of the Scientific Subcommittee on DIC of the ISTH. Thromb Haemost 86:1327–1330
Timp JF, Braekkan SK, Versteeg HH, Cannegieter SC (2013) Epidemiology of cancer-associated venous thrombosis. Blood 122:1712–1723PubMedCrossRef
Trousseau A, Phlegmasia alba dolens. (1865) Clinique Medicale de l’Hotel-Dieu de Paris. Paris Bailliere 3:654–712
Vadhan-Raj S, McNamara M, Venerito M, Riess et al (2020) Rivaroxaban thromboprohylaxis in ambulatory patients with pancreatic cancer: results from a pre-specified subgroup analysis of the Cassini study. Cancer Med 9:6196–81204
Vannucchi AM, Barbui T, Cervantes F et al (2015) ESMO Guidelines Committee. Philadelphia chromosome-negative chronic myeloproliferative neoplasms: ESMO Clinical Practice Guidelines for diagnosis, treatment and follow-up. Ann Oncol Suppl 5:v85–v99CrossRef
van der Wall SJ, Klok FA, den Exter PL et al (2017) Continuation of low-molecular-weight heparin treatment for cancer-related venous thromboembolism: a prospective cohort study in daily clinical practice. J Thromb Haemost 15:74–79PubMedCrossRef
Weitz JI, Lensing AWA, Prins MH et al (2017) Rivaroxaban or aspirin for extended treatment of venous thromboembolism. N Engl J Med 376:1211–1222PubMedCrossRef
Wolfe Z, Lash B (2017) Acquired von Willebrand syndrome in IgM monoclonal gammopathy as the presentation of lymphoplasmacytic lymphoma. Case Rep Hematol 2017:9862620PubMedPubMedCentral
Wun T, White RH (2009) Epidemiology of cancer-related venous thromboembolism. Best Pract Res Clin Haematol 22:9–23PubMedPubMedCentralCrossRef
Young AM, Marshall A, Thirlwall J et al (2018) Comparison of an oral factor Xa Inhibitor With Low molecular weight heparin in patients with cancer with venous thromboembolism: Results of a randomized trial (SELECT-D). J Clin Oncol 36:2017–2023PubMedCrossRef
Zwicker JI, Liebman HA, Neuberg D et al (2009) Tumor-derived tissue factor-bearing microparticles are associated with venous thromboembolic events in malignancy. Clin Cancer Res 15:6830–6840PubMedPubMedCentralCrossRef